Nationales Historisches Museum

Blick in die Dauerausstellung.

Ambivalent fällt mein Urteil über das Nationale Historische Museum der republik Belarus (bis 2009 das Nationales Museum der Geschichte und Kultur von Belarus) in Minsk aus. Man bekommt nicht, was man erwartet, kann aber doch anregende Stunden dort verbringen.

Offenbar ist das Museum eher auf Minsker und belarussisches Publikum eingestellt, als auf Touristen und Fremde. Jedenfalls erhält man nicht, wie ich finde zu erwarten wäre, eine Einführung oder einen Überblick in die weißrussische Geschichte. Vielmehr setzt sich die Dauerausstellung aus einzelnen thematischen Abschnitten zusammen, die allenfalls ein mosaikartig zusammengesetztes Bild von der belarussischen Geschichte abgeben. Der Rundgang beginnt mit der (offenbar noch aus sowjetischen Zeiten stammenden) Präsentation archäologischer Funde auf heutigem belarussischem Gebiet. Und damit ist gleich ein zentrales Thema angesprochen: Wo und wann beginnt eigentlich „belarussische Geschichte“?  Wie hat sich das heutige Staatsgebiet entwickelt?

Leider gibt auch der weitere Rundgang, wie der erste Saal selbst, darüber keinen Aufschluss. Übergreifende Saaltexte sucht man vergeblich. Vielmehr durchwandert der Besucher einzelne Räume, die jeweils einem in sich geschlossenen Thema oder einer Sonderausstellung außerhalb eines Rundgangs gewidmet sind.

Es folgt ein Raum über Francysk Skaryna, der erste Buchdrucker Weißrusslands, dessen Leben und Werk leider nicht in einen übergeordneten Kontext eingeordnet und auf die weitere weißrussische Entwicklung bezogen wird. Im weitesten Sinne zu einem Rundgang durch die weißrussische Geschichte gehört sodann ein Raum zu den bedeutenden Familien der Region (Radziwill, Sapega u.a.), wobei auch hier eher zufällig und unübersichtlich auf die unterschiedliche, staatliche Zuordnung des Gebiets verwiesen wird. Wer gar keine Kenntnis der Region hat, glaubt sich in einer Ausstellung zur Geschichte Polens, zumal die schriftliche Information auf einzelnen Exponaten (Namen auf Portraits, Stammbäume, Münzen, Siegel etc.) (dem Verlauf der Geschichte auf heuitgen weißrussischem Gebiet) polnisch sind. Wer um die Teilungen und Grenzverschiebungen des heutigen weißrussischen Gebietes weiß, wird hier viele Details und interessante Informationen erhalten, aber eben auch nur dann. Immerhin ist dieser Teil der Ausstellung in den letzten Jahren neu eingerichtet und dreisprachig (belarussisch, russisch und englisch) beschriftet worden.

Im oberen Stockwerk ist eine beeindruckende Sammlung eines Teils der Gold- und Silberbestände des Museums zusehen, darunter der aus 547 Teilen bestehende „Schatz von Minsk“.

Dauerausstellung zum städtisch-bürgerlichen Leben im 19./20. Jh.

Weiter geht es mit einem Saal zum städtisch-bürgerlichen Leben in Weißrussland im 19. und frühen 20. Jh. Hier zeigt die noch nicht neu eingerichtete, teilweise weißrussisch, teilweise englisch und teilweise gar nicht beschriftete Ausstellung ein, freilich liebenswertes, Sammelsurium aus Postkarten, Möbeln, Kleidern, Musikinstrumenten, Alltags- und Einrichtungsgegenständen sowie Gemälden. Leider ist der Ausstellung nicht zu entnehmen, was die einzelnen Exponate über die Geschichte von Minsk oder Belarus aussagen.

Im letzten Saal dessen, was ich als Rundgang durch die nationale Geschichte ausmachen konnte, sind Waffen (Schuss- und Stichwaffen), Uniformen und persönliche Gegenstände von Militärs zu sehen. Hier herrscht eine streng sammlungsbezogene Präsentation nach Objektgattungen vor. Die gleichmäßige Neonbeleuchtung gibt jedoch Aufschluss darüber, dass dafür weniger die unterschiedlichen, konservatorischen Erfordernisse der Objektgruppen bei Beleuchtung oder Luftfeuchtigkeit ausschlaggebend waren, als vielmehr der Wunsch, möglichst viel zu zeigen. Auch dies bleibt jedoch nur ein geringer Teil der großen Sammlung des Museums.

Präsentation von Uniformen.

Auch hier wünscht man sich, wie überall in der Ausstellung, ausführliche Objektbeschriftungen. Zwar sind hier, wie nicht in allen weißrussischen Museen, Titel, Datierung und Material sowie ggf. der Hinweis auf Kopien oder Reproduktionen auf den Objektschildern angegeben, jedoch keinerlei inhaltliche Information oder gar Objektgeschichten. Gerne hätte ich zum Beispiel gewusst, ob bekannt ist, wie es dem offenbar neuen Eigentümer des deutsches Gewehrs 98 von 1915 „Sergej“ (so die eingeritzte Inschrift) ergangen ist. Ähnliche Fragen ergeben sich bei vielen Exponaten und so zeugt die hier vergleichsweise schon umfassende, aber an internationalen Standards gemessene noch immer knappe Beschriftung von der Tatsache, dass die Museumskonzepte sich überwiegend an Gruppen richten, die an Führungen teilnehmen, nicht aber an Einzelbesucher.

Das Gewehr trägt die Inschrift "Sergej".

In weiteren Sälen sind Sonderausstellungen zu sehen, wie zur Zeit eine sehr interessante Fotoausstellung mit Aufnahmen des Geistlichen Pavel Volyncevich aus der ersten Hälfte des 20. Jh. (Eröffnung 14.1.2011, bis 3.2.2011) sowie die am 19.1.2011 eröffnete Präsentation des Gold- und Silberschatzes aus dem Polocker Historischen Museum.

Im Eingang des Museums gibt es einen kleinen Museumsshop, deren Verkäuferin mir freundlich die zum Verkauf angebotenen Produkte aus dem Volkskunst-Repertoire erklärte. Ein Faltblatt oder gar eine Broschüre über das Museum gibt es leider nicht, die Website ist konsequent in belarussisch gehalten. Der Eintritt errechnet sich nach der Anzahl der Einzelausstellungen, die man sehen möchte, und ergibt in der Summe für das gesamte Museum 7.000 Rubel, also knapp 2 €, einschließlich einer Fotoerlaubnis.