Die erste Triennale zur zeitgenössischen Kunst in Belarus

In der Zeit vom 23.11. bis 10.12.2012 war in Minsk zum ersten Mal eine große staatliche Ausstellung zur zeitgenössischen Kunst zu sehen. Veranstalter waren das Kulturministerium, die Stadt Minsk und das Zentrum für Zeitgenössische Kunst. Gezeigt wurde die Ausstellung in der gerade renovierten Halle der BelExpo.

Eigentlich wollte der Präsident nur mal wissen, wie es um die zeitgenössische Kunst im Lande steht. Herausgekommen ist eine sehr ambivalente Veranstaltung, die so ziemlich alle Fronten gegeneinander ausgespielt hat, die es in diesem Feld gibt. Zur anfänglichen Auswahl eines Kurators wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben, an der Jury waren noch mehr oder weniger alle Interessengruppen beteiligt. Der Gewinner zog seine Bewerbung zurück, der Zweitplatzierte übernahm den Job. Beenden konnte er ihn aber nicht, da es zu Auseinandersetzungen mit dem Leiter des Zentrums für Zeitgenössische Kunst, Viktor Olschewski, kam. Dieser (offenbar verwandt und verschwägert mit dem Präsidenten) schmiss den Kurator kurzerhand raus, weil er mit dem Konzept und der Auswahl der Künstler nicht einverstanden war. Obwohl kurz vor der Eröffnung, war das insofern kein Problem, weil er daraufhin einfach mehr seiner eigenen Werke ausstellte. Einige der zuvor ausgewählten Künstler übernahm er, die Lücken füllte er mit Schülern der Kunsthochschulen.

Wer all das nicht weiß, erhielt einen durchaus anregenden und interessanten Einblick in die verschiedenen Richtungen der Kunst im Lande. Außerdem bleibt schlicht die Tatsache, dass eine solche Ausstellung stattfindet, bemerkenswert bis hin dazu, dass damit die hierzulande wenig populäre zeitgenössische Kunst überhaupt ins Gespräch kommt. Zu verdanken, so hört man, sei das dem scheidenden Kulturminister Latuschko. Zu sehen sind die wohl bekanntesten belarussischen Künstler Ruslan Vaschkevich, Konstantin Selichanov und Vladimir Tsesler, der allerdings nach der Eröffnung seine Werke teilweise abzog, weil ihm das plüschige und postsowjetische Design der Halle ungeeignet für die Präsentation aktueller Kunsttendenzen schien – sicher zu recht. Des Weiteren sind verschiedene Künstlergruppen, darunter aus Vitebsk, zu sehen, Arbeiten von russischen, ukrainischen und serbischen Künstlern sowie Arbeiten aus dem Kontext der Akademie der Künste, der wiederum das Zentrum für Zeitgenössische Kunst untersteht.

Freilich gar nicht erste beteiligt hatten sich freie und unabhängige Künstler, andere sind abgesprungen, die Galerie Y wurde ebenfalls nicht eingeladen. Auch hatten sich viele Kuratoren gar nicht erst beworben, um nicht in die Nähe dieser staatlich dominierten Veranstaltung gerückt zu werden.  Kritiker beklagen aber letztlich nicht unbedingt allein die Auswahl der Künstler, sondern auch die Auswahl ihrer Werke. Auf diese Weise ist am Ende weniger eine Ausstellung zeitgenössischer Kunst, als vielmehr eine eher traditionelle Ausstellung herausgekommen. Ob es nach diesen Vorgängen eine Fortsetzung gibt, bleibt offen. Trotz aller Kritik aber ist das wünschenswert, kann doch unter den aktuellen Bedingungen die Kunst nur auf diesem (staatlichen) Wege aus ihrem Nischendasein geholt werden.

Begleitet wurde die Ausstellung durch zahlreiche Veranstaltungen im Begleitprogramm, darunter Musikprogramm und Gespräche. Hervorzuheben ist auch die durchaus entspannte Antmosphäre ind er Halle, in der auf großen Freifläschen Sitzkissen ausgeselgt waren, auf denen die Besucher sitzen oder liegen und entspannen konnten.

Heimliche Bilder des zerstörten Minsk

Das Museum des Ersten Kongresses der Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands (SDAPR) zeigt bis zum 6.1.2013 eine Ausstellung mit Gemälden von Anatolij Nalivajev (*1931). Zu sehen sind Gemälde der Hauptstadt in den 40er und 50er Jahren, die der Künstler aus dem Gedächtnis seit den 60er Jahren gemalt hat. Im und nach dem Krieg war es verboten, die Stadt zu fotografieren, es gibt daher nur wenige Aufnahmen, die den Zustand nach der deutschen Besatzung, aber auch nach den Zerstörungen durch die Sowjetunion selbst zeigen.

Das Museum selber ist angeblich der Ort, an dem die Partei im Jahre 1898 gegründet wurde. Es ist heute eine Filiale des Nationalen Historischen Museums und zeigt wechselnde Ausstellungen, die bisweilen gar nichts mit dem historischen Ort zu tun haben.

Vom Kulturminister zum Diplomaten

Erst gab es nur Gerüchte, dann war es zwar amtlich, aber noch nicht terminiert, nun ist es soweit: Der bisherige Kulturminister Pavel Latuschko wird Botschafter für Belarus in Frankreich. Damit kehrt der smarte Politiker zu seinen Wurzeln zurück. Bereits mehrere Jahre war er als Diplomat tätig, zuletzt 2000-2002 als Botschafter in Polen. Nun geht er als Chef der Botschaft nach Paris, wo er zugleich ständiger Vertreter von Belarus bei der UNESCO sein wird. Damit bleibt er der Kultur in Belarus gewissermaßen erhalten.

Denn die ist überwiegend traurig, dass er den Posten verlässt. Er sei der erste und bisher einzige Minister „von europäischem Niveau“ gewesen, meinen die einen, und er habe das spezifisch Belarussische in der Kultur gefördert (es wird offiziell und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Latuschko der einzige hohe Beamte der Regierung sei, der belarussisch spreche!) und es zudem verstanden, Sponsoren für die Kultur zu begeistern, so die anderen. Es gibt aber auch kritische Stimmen, die seinen Weggang nicht bedauern, etwa mit dem Argument, er habe die Kultur allein nach dem Kriterium persönlicher Beziehungen und Vetternwirtschaft betrieben, keine Strategie entwickelt und sei nur auf die Außenwirkung bedacht gewesen. Auch hört man, habe sich in seiner Amtszeit das Papier im Ministerium mehr als verdoppelt.

Wie subjektiv und widersprüchlich diese Eindrücke sind, zeigt der Fall von Sergej Vecher, dem letzten Direktor des Nationalen Historischen Museums, der seinen Rausschmiss Latuschko persönlich zu verdanken hat, und das, obwohl auch Vecher  das spezifisch Belarussische zum Leitthema seiner Arbeit erhoben hat. Er fragt sich nun, ob er vielleicht ins Amt zurückkehren kann?!

Überhaupt gibt es auffällig wenig Artikel zum Abschied Latuschkos. Natürlich wurde allenthalben die Frage diskutiert, wer neuer Minister wird (der Favorit war Boris Svetlov, der nun auch ernannt wurde (10.12.2012)). Die Gerüchte, dass das Ministerium vielleicht als Einzelressort aufgelöst und mit dem Ministerium für Sport und Tourismus vereint werden sollte, haben sich demnach nicht bestätigt. Die schillernde Person Latuschkos bleibt bei all dem im Gespräch: Es wird schon spekuliert, ob er 2015 als Präsidentschaftskandidat gegen Lukaschenko antritt.

Ausstellung in Brest

Foto: http://www.tio.by/news/16774

Im Museum der Festung Brest hat die Ausstellung „Auf den Spuren der Museumssammlungen“ eröffnet. Sie erinnert an die Eröffnung des Museums vor 56 Jahren. Sie zeigt ca. 150 Exponate aus dem Fundus, die meisten davon aus persönlichen Sammlungen von Beteiligten der Kämpfe um die Festung im Juni 1941: Briefe, Fotos, persönliche Gegenstände, Bücher, Zeichnungen etc.

Eigentlich ist das für die Festung nichts Neues, aber dieses Mal geht es den Kuratoren um die Herkunft der Objekte. Wie sind sie ins Museum gekommen? Wer hat sie dem Museum geschenkt und warum? Die Herkunft der Gegenstände lässt sich dabei nicht nur auf Kriegsveteranen und ihre Familie zurückführen, sondern zum Beispiel auch auf den Zoll oder Ausgrabungen in Brest und Umgebung.

Der gesamte Fundus umfasst nach Angaben des Museums 84.000 Exponate. Leider sind solche Zahlen wenig aussagekräftig, da jedes Museum anders zählt (z.B. eine Münze oder eine Sammlung, einen Brief oder einen persönlichen Nachlass etc.). Die Ausstellung soll einen Beitrag dazu leisten, Objekte zu zeigen, die bisher nicht in der Dauerausstellung zu sehen waren. Die Ausstellung ist noch bis Anfang 2013 zu sehen.

Das Museum in der Festung haben (wieder nach Angaben des Museums) seit der Gründung 22 Millionen Besucher gesehen! Auf dem Platz der belarussischen Besucherstatistik nimmt es nach dem Nationalen Kunstmuseum den zweiten Platz ein.

Wir sind noch in Minsk: Zur Lage des Militärattachéstabes

Entgegen der Meldungen der letzten Woche in belarussischen Medien sind wir noch hier. Dies ist insofern bemerkenswert, als mehrere belarussische Medien gemeldet hatten, dass wir bereits ausgereist seien. Hintergrund ist eine Meldung im SPIEGEL vom 2.12.2012 zur Entscheidung der Bundesregierung, den Militärattachéstab aus Minsk abzuziehen. Ein interkulturelles Missverständnis  könnte zu einer unterschiedlichen Auslegung dieser Nachricht geführt haben: Offenbar kann sich hier niemand vorstellen, dass eine Entscheidung der Regierung nicht augenblicklich auch umgesetzt werden muss. Die Meldung konnte also nur heißen, dass der Attaché schon weg ist. Diese logische Schlussfolgerung griff dann auch das Fernsehen auf. Höhepunkt war die TV-Sendung „Do svidanija, Niels“ [sic!], die am 4.12. von ONT ausgestrahlt wurde. Dieselbe Sendung wurde am Ende der Woche, in der man die Nachricht hätte überprüfen können, noch einmal ausgestrahlt.

Worum geht es? Hierzu zitiere ich aus dem SPIEGEL:

„Die Bundesregierung in Berlin wird den Militärattachéstab an der deutschen Botschaft in Minsk spätestens 2013 schließen. Sie reagiert damit auf die Unterdrückung der Zivilbevölkerung in Weißrussland: Dies schrieb Verteidigungsstaatssekretär Thomas Kossendey am vergangenen Dienstag in einem Brief an die Vorsitzende des Bundestags-Verteidigungsausschusses, Susanne Kastner. Demzufolge ging der Entscheidung ein diplomatischer Disput zwischen Deutschland und Weißrussland voraus: Nachdem die Bundesregierung im September keine Verbesserung der Menschenrechtssituation dort feststellen konnte, hatte sie die Zusammenarbeit mit den Militärs in Minsk weiter eingeschränkt. Weißrussland fühlte sich dadurch provoziert und stoppte die bilaterale Militärkooperation mit der Bundeswehr. Als Reaktion darauf wiederum hat nun Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) entschieden, den Militärattachéstab ganz zu schließen. In Weißrussland herrscht seit 1994 der Diktator Alexander Lukaschenko. Dem Regime in dem osteuropäischen Staat werden schwere Menschenrechtsverletzungen zur Last gelegt.“

Die erste Meldung in Belarus dazu erschien Montag früh (3.12.) im Internet auf der Website von Charta97. Für uns überraschend war, wer und wie viele unserer Partner das an sich verbotene Portal offenbar gründlich lesen. Neben den meisten persönlichen Bekannten und Freunden, die einer nach dem anderen anriefen, um sich nach dem aktuellen Stand zu erkundigen, konnte auch die zuständige Abteilung im belarussischen Verteidigungsministerium die Information nur von dort haben, so schnell wie der Anruf am Montag morgen kam. In der Folge griffen weitere unabhängige belarussische Internetmedien (BelaPAN, Interfax, ex-Press.by) die Meldung unter Berufung auf dpa und Deutsche Welle auf.

Eine offizielle Reaktion der belarussischen Seite erfolgte im Laufe des 3. Dezember durch den Sprecher des Außenministeriums, Andrej Sawinych. Diese lautete wie folgt: Die deutsche Seite sei berechtigt, die Struktur und die Richtlinien der Tätigkeit ihrer diplomatischen Vertreter zu bestimmen. Jedoch sei es aus der verlautbarten Formulierung verständlich, dass dies ein erdachter Schritt sei, der im Widerspruch zu den gesamteuropäischen Anstrengungen zur Festigung der Sicherheit stehe. Die belarussische Regierung sei der Meinung, dass diese Entscheidung mit der Zuspitzung des politischen Kampfes zwischen den Parteistrukturen innerhalb Deutschlands zusammenhänge. Deutsche Politiker, indem sie sich von Parteimanövern hinreißen ließen, verlören den gesunden Menschenverstand und fassten absurde Beschlüsse. In diesem Kontext könne man den Verteidigungsminister nur bemitleiden, denn wie bekannt, kenne die Absurdität keine Grenzen (www.mfa.gov.by vom 3.12.2012).

Ich hätte es nicht treffender formulieren können: Es ist absurd. Zu diesem Eindruck (freilich aus anderen Gründen als die belarussische Regierung) kommt man jedenfalls, wenn man sich die Entwicklung anschaut, die der Entscheidung vorausgegangen ist. Beeinflusst wurde diese wohl auch durch die unglückliche sommerliche Berichterstattung über die Kooperation der Bundespolizei mit der Polizei in Belarus. Um weiteren Druck der Medien zu verhindern hat man wohl kurzerhand beschlossen, dass nicht nur die polizeiliche, sondern auch die militärische Zusammenarbeit zu unerwünschten Fragen führen könnte – und stellt sie ein. Bereits zuvor hatte es kaum nachvollziehbare Einschränkungen der Arbeit hier vor Ort gegeben. Schon zu dieser Zeit war dies der einzige Militärattachéstab, der solchen Restriktionen unterliegt. Die jetzt im Spiegel angedeuteten Auseinandersetzungen auf diplomatischer Ebene sind letztlich selbst verursacht, eben indem die Zusammenarbeit immer weiter eingeschränkt wurde. Naturgemäß hat es Reaktionen der Belarussen gegeben. Die Spirale der Aktionen und Reaktionen hat sich letztlich verselbständigt bzw. auf beiden Seiten zu unterschiedlichen Informationsständen geführt, die kaum mehr zu beheben sind, ohne weitere Verstimmungen hervorzurufen. Der Hinweis der deutschern Seite auf die „angespannte Menschenrechtslage“ wird dabei in jeder beliebigen Nachricht über Belarus gebetsmühlenartig herangezogen. In Iran und Syrien freilich bleibt alles beim Alten: Die Militärattachés sind  nach wie vor im Dienst (Damaskus von Beirut). Also auch hier stellen wir wieder mal fest: Die Wege der Diplomatie sind unergründlich. Was all das genau für uns persönlich bedeutet, wird gerade an anderer Stelle beraten: Die offizielle Sprachregelung des Auswärtigen Amtes vom 3.12.2012 lautet: Aufgrund der aktuellen Lage hat die Bundesregierung entschieden, den Militärattachéstab in Minsk abzuziehen. Die organisatorischen Maßnahmen und detaillierte Zeitabläufe werden derzeit abgestimmt.

Derweil war selbst die traditionelle Weihnachtsfeier der Deutschlehrer mit dem Militärattachéstab ein Politikum, die Belarussen mussten kurzfristig absagen.

Wieder einmal hängt also das Damokles-Schwert über uns – wie schon einmal in diesem Jahr fürchten wir, dass unsere Zeit hier in Minsk schneller zu Ende geht, als wir es uns wünschen. Während wir im April und Mai mit einer Ausweisung durch Belarus als Reaktion auf die Sanktionen der EU gerechnet haben, sind wir aktuell ein Objekt deutscher Entscheidungsprozesse. Das Pikante dabei ist, dass wir (= Niels) selber schuld ist, weil er ausgesprochen hat, was alle wissen: Genau genommen ist ein MilAtt-Stab in Belarus nicht unbedingt erforderlich. Nachdem alle bisherigen Berichte in irgendwelchen Schubladen verschwunden sind, ist ausgerechnet dieser auf dem Schreibtisch des IBuK (für Nicht-Militärs: Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt = Verteidigungsminister) gelandet, der sich wohl dachte: Endlich sagt mal einer die Wahrheit und zack – Schluss mit dem schönen Diplomatenleben. Ich hätte nie gedacht, dass das Diplomatenleben in einem Land, das eigentlich keiner kennt und für das sich auch eigentlich keiner interessiert, so nervenaufreibend sein kann.

Kultur macht’s möglich: Belarus und die EU

Einen Kontakt von Belarus zur EU gibt es seit diesem Jahr im Rahmen des Eastern Partnership Culture Programme. Weitere beteiligte Länder sind Armenien, Azerbaijan, Georgien, Moldavien und die Ukraine. Die erste Regionalkonferenz hat im Oktober in Tiflis stattgefunden.

Die Länder nehmen mit jeweils eigenen Projekten teil und werden von Experten beraten. Belarus ist mit einem Photo-Projekt und einem Projekt zum kulturellen Erbe beteiligt.

Zeitzeugen der verbrannten Dörfer in Belarus

Foto: http://rus.delfi.lv/news/daily/politics/fond-vystavka-ugnannoe-detstvo-v-latvii-otkladyvaetsya-iz-za-davleniya-vlastej.d?id=42236388

Am 5.11.2012 wurden unter dem Titel „Verlorene Kindheit. Minderjährige Opfer der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik im Nordwesten der UdSSR“ in der Geschichtswerkstatt eine Fotoausstellung und ein Dokumentarfilm gezeigt, die sich dem Schicksal der Opfergruppe der „verbrannten Dörfer“ widmeten. Sie ist von der russischen Einrichtung „Historisches Gedächtnis“ zusammen mit dem belarussischen Fond Mira erarbeitet worden. Bereits im Januar war sie in Moskau im Museum für Zeitgenössische Geschichte gezeigt worden. Insbesondere in Lettland, aber auch Belarus hatte die Ausstellung für Diskussionen gesorgt.

Die Ausstellung umfasst ca. 30 Fotos aus Archiven aus Belarus, Lettland, Russland und privaten Sammlungen.

Sie zeigen den Alltag der Bevölkerung unter den nationalsozialistischen Terror-Aktionen, insbesondere von Kindern im KZ Salaspils. Der Film zeigt Interviews mit Überlebenden, die durch Filmaufnahmen und historische Fotos in den Kontext eingeordnet werden. Dabei handelt es sich um die Operation Winterzauber.

Die Fotos sind mit Quellenangaben versehen, im Film entsteht zuweilen der Eindruck, die Datierung von Ereignissen oder die Zuordnung von Einheiten und Orten gerate ein wenig durcheinander. Der Leiter von „Historisches Gedächtnis“, Alexander Djukov, hat zum Thema Kollaboration eine Publikation von Dokumenten vorgelegt: „Destroy as much as possible.“ Latvian collaborationist formations on the territory of Belarus, 1942 – 1944 (russisch 2009, englisch 2010), das auch einen Aufsatz des belarussischen Historikers Alexej Litvin enthält. Am Folgetag fand eine Konferenz in der Akademie der Wissenschaften statt mit Vertretern aus Deutschland, Russland, der Schweiz. Hier war u.a. ein Beitrag zu dem bisher völlig unerforschten Thema der Blutentnahme bei Kindern für deutsche Soldaten zu hören.

Archivmaterial zu dem Thema befindet sich um USHMM.

Historiker-Klub in Minsk

Erstmals nach einer längeren Pause kam der Minsker Historiker-Klub am 24. Oktober wieder zusammen (BelaPan 25.10.2012). Nach der Absage einer Sitzung im Juni in der Geschichtswerkstatt  musste der Klub eine neue Bleibe suchen.

Nachdem die Versammlung in der Geschichtswerkstatt nicht stattfinden konnte, weil der Film über die Stalin-Linie, den die Historiker anschauen und diskutieren wollten, in den Augen der GW-Leitung offenbar zu kritisch war, widmete sich das erneute Treffen abermals einem heiklen Thema. Dieses Mal ging es um neue Informationen zu polnischen Offizieren, die der NKWD auf dem Gebiet von Belarus ermordet hat. Darüber hinaus wurde ein Dokumentarfilm über die Exekution von Eisenbahnmitarbeitern in Minsk in den 1930er Jahren gezeigt.

Igor Kuznecov, ein Mitglied des Klubs, verwies darauf, dass die Aufarbeitung und Erinnerung an die Opfer des Stalinismus in Belarus nicht ausreichend betreiben werde. Das zeige auch die Tatsache, dass es bis heute kein Denkmal oder eine Information in Kurapaty gebe. Er kritisierte auch die Pläne für ein Restaurant und Freizeitcenter nahe dem historischen und Gedenkort (BelaPan 6.11.2012), wogegen es schon bei einer Gedenkveranstaltung in Kurapyty am Gedenkttag des 29. Oktober viele Proteste gegeben hatte. Das bei der Gedenkfeier aufgestellte Mahnmal für Offiziere der polnischen Armee ist in der darauf folgenden Nacht von Unbekannten vernichtet worden.

Belarus musikalisch

Präsident Lukaschenko ist nicht nur Gegenstand der Kritik in politischen Kreisen, sondern auch eine Inspiration in künstlerischen Kreisen. Neben dem wohl populärsten Song über ihn „Sanja ostanetsja s nami“ (Sanja bleibt bei uns), gibt es nun schon eine ganze Hitliste mit Songs über die Nr. 1. Inwieweit sich politische und künstlerische Kreise hier sauber voneinander trennen lassen, bleibe dem geneigten Hörer überlassen.

Rau-Gespräche mit Henning Scherf

Im November fand das 7. Johannes-Rau-Gespräch zum Thema Geschichtspolitik und Erinnerung in der IBB Minsk statt. Festredner war der ehemalige Bürgermeister der Stadt Bremen, Henning Scherf. In einem sher persönlichen Vortrag schilderte er den Weg historischer Erinnerung nach 1945 in beiden Teilen Deutschlands. Den meisten Gewinn daraus konnten sicher die anwesenden Westdeutschen, darunter die Vertreter der IBB Dortmund, aber auch die Vertreter der österreichischen Delegation ziehen. Für die Belarussen, so zeigte auch die anschließende Diskussion, waren die Ausführungen letztlich zu detailliert.

Von belarussischer Seite sprachen der stellvertretende Bürgermeister der Stadt Minsk, Igor Karpenko, sowie ein Historiker der Akademie der Wissenschaften, Vladimir Kusmenko. Geschickt lavierte dieser auf der Welle der offiziellen Geschichts- und Erinnerungspolitik, die auf sowjetischen Geschichtsparadigma basiert, durch die Einbeziehung belarussisch-nationaler Elemente und eine scheinbare Offenheit allen Opfergruppen gegenüber suggeriert, als sei sie das Ergebnis eines offenen Diskurses.

Die Wortmeldungen von Zeitzeugen und Überlebenden verschiedener Opfergruppen zeigte ein weiteres Mal, dass Deutsche und Belarussen in Fragen der Geschichte aneinander vorbei, oder besser gesagt: nebeneinander diskutieren. Dem gebetsmühelartig vorgebrachten Schuldeingeständnis und Bekenntnis zur Verantwortung durch die Deutschen steht auf Seiten der Belarussen eine offene und oft lebhafte bis wütende Diskussion gegenüber, die in diesen geschützten Räumen wie dem IBB oder auch dem Goethe-Institut eine Plattform findet. Da diese Beiträge sich nur selten in schriftlicher Form niederschlagen können, geschweige denn von einem größeren Publikum rezipiert und auch in einer gesellschaftlichen Debatte weiterentwickelt werden können, bleibt am Ende das Gefühl ständiger Wiederholung auf beiden Seiten.

Dennoch war diese Konferenz ein wichtiger Beitrag zur Diskussion von Erinnerungsfragen in Belarus, das durch Berichte über verschiedene österreichische Zugänge zur Erinnerung bereichert wurde.