Kultur

Auf Wiedersehen, Belarus! Да пабачэння, Беларусь!

Alla Stashkevich, Tatjana Bembel und ich mit der Handreichung zu den Museumsseminaren.

Nun ist es soweit, nach drei Jahren geht unsere Zeit in Minsk zu Ende. Für mich war es eine anregende, spannende und lebhafte Zeit, die wohl einmalige Chance, als Slavistin und langjährige Russlandreisende endlich einmal in der Kultur- und Sprachregion zu leben, deren Studium ich mir zu meiner Lebensaufgabe gemacht habe. Auf meinen Wegen durch dieses für viele noch immer unbekannte Land haben mich Menschen begleitet, denen ich für ihr Vertrauen danke. Sie haben mich an die Hand genommen auf meinen Erkundigungen durch die Museums- und Kulturlandschaft, bei der Erforschung und der teilweise schmerzvollen Erinnerung an die tragische Geschichte, die unsere beiden Länder verbindet, sowie bei meinen Ausflügen in die verbindende Welt des Sports, allen voran des Dressurreitsports. Sie alle werde ich vermissen!

Mit dem Rückumzug nach Deutschland endet auch der Blog. Zwar ließe sich auch von Deutschland aus eine Kommentierung der Museums- und Kulturszene fortsetzen. Da es noch immer recht wenig Informationen zur aktuellen Kulturlandschaft in Belarus gibt, würde das einer Annäherung und dem gegenseitigen Austausch auch gut tun. Dennoch scheint mir die Beendigung des Blogs folgerichtig, da ich diese Form der freien Rede, kurzer Kommentare und persönlicher Eindrücke in der Absicht gewählt hatte, um meine punktuellen, nicht immer systematischen Beobachtungen im Lande zu notieren. Dieser unmittelbare Zugang ist nun nicht mehr gegeben.

Unser Rückumzug nach Deutschland ist zugleich auch die Schließung des deutschen Militärattaché-Stabes in Minsk, d.h. es wird kein Nachfolger kommen. Zu den vorausgegangenen Verwicklungen hatte ich berichtet, sie haben letztlich zu diesem Schritt geführt, für dessen Einschätzung und Bewertung dieser Blog nicht der richtige Ort ist. Diesen Moment hat die Belarussische Militärzeitung zum Anlass genommen, ein lange geplantes Interview mit meinem Mann, Niels Janeke, zu führen. Seine Publikation ist ein Überblick und Rückblick auf die Arbeit des Militärattachéstabes der letzten drei Jahre aus belarussischer Sicht.

Foto zum Artikel in der Belarusskaja Voennaja Gazeta, 26.6.2013

Was mich betrifft, so werde ich auch weiterhin mit meinen belarussischen Kollegen in verschiedenen Projekten zusammenarbeiten und meinen Teil dazu beitragen, die kulturellen Kontakte auszubauen und zu vertiefen. Sofern es dazu etwas zu berichten gibt, tue ich dies nter der Rubirk Aktuelles auf meiner Website. Die aktuelle und regelmäßige Analyse überlasse ich anderen, die noch näher dran sind, weil sie im Land leben oder sich ausschließlich Belarus widmen. Ihre Blogs und Websites sind in der Rubrik Links genannt.

Dank dieser Mischung aus Internet und persönlichen Kontakten wird Belarus weiterhin eine wichtige Rolle in meinen beruflichen und persönlichen Interessen spielen. Ich habe das Land schätzen und lieben gelernt und will es nicht wieder verlieren. Auf Wiedersehen, Belarus! Да пабачэння, Беларусь!

Tatjana Bembel

Von ihr war hier schon mehrmals die Rede, was sich daraus erklärt, dass Tatjana Bembel ihren festen Platz im Minsker Kulturleben hat. Sie ist Leiterin der Städtischen Galerie „Shchemeljova“, dessen Kunst sie nicht besonders schätzt, wie sie offen sagt. Vielmehr ist die Galerie für sie ein Forum und eine Plattform, auf der sie ihre Ideen und Projekte realisieren kann. Dazu gehören Ausstellungen von zeitgenössischen Künstlern ebenso wie Workshops zu privaten Sammlungen in Minsk und vor allem soziale und pädagogische Projekte. Damit ist sie Avantgarde in Minsk, schon vor Jahren hat die damit angefangen. Heute folgen andere Museen, doch noch immer gehen wichtige Impulse von der Galerie für das auch hierzulande aktuelle Thema der Verortung von Museen in der Gesellschaft und städtischen Umgebung. Damit erfüllt sie teilweise Aufgaben, wie man sie bei uns in kommunalen Galerien findet.

Tatjana selber ist die Enkelin des berühmten Architekten Andrej Bembel, Tochter eines Poeten, und überhaupt ist ihre ganze Familie irgendwie berühmt. In einer eigens von Tatjana gegründeten Buchreihe sind die Erinnerungen ihrer Großmutter Olga Bembel-Dedok erschienen (Vospominanija, Minsk 2006), die ein lebendiges Bild der ersten Hälfte des 20. Jh. in Russland und der Sowjetunion zeichnen. In der Buchreihe sollten weitere Memoiren von Frauen folgen, ein Defizit in der Litgeraturlandschaft, leider ist das aber aus finanziellen Gründen bisher im Sande verlaufen. Das mag aber auch an der Art Bembels liegen, die viele Ideen hat, viele umsetzt, dabei aber durchaus ihre eigene Organisation verfolgt. Eine Kollegin nennt das „Bohème“  – damit ist alles klar und auch alles entschuldigt, denn davon gibt es in Minsk und Belarus nicht viele.

Ein bisschen fällt dabei die Diskrepanz zwischen ihrer offenen und kritischen Rede und dem Programm der Galerie sowie ihren sonstigen Aktivitäten auf. Aber vermutlich ist das ein gewisser Pragmatismus aus Erfahrung. Sie nutzt die Spielräume, die es gibt, ohne diese zu strapazieren. Sie hat eine eigene TV-Sendung, eine der wenigen Diskussionrunden zu Themen von Kunst und Kultur, nämlich die Sendung „Strasti po kulture“ auf Belraus 2, moderiert viele kulturelle Veranstaltungen in der Stadt, veröffentlicht Ausstellungskritiken und unterrichtet sie an der EGU in Vilnius, nachdem sie diese Universität, damals noch in Minsk, selber absolviert hat.

Kulturstatistik

Statistik: MINSK WHERE 8/2012, S. 22.

Laut einer Übersicht des Stadtmagazins WHERE MINSK (9/2012) gehen die Minsker am liebsten ins Kino. Direkt danach folgt schon das Museum, das Theater steht an dritter, Konzerte an vierter Stelle. Mit ihrer Vorliebe für die Lichtspiele überbieten die Belarussen demnach die Russen um das dreifache, die Ukrainer um das vierfache.

127 Vorführungen bieten die 15 Minsker Kinos durchschnittlich am Tag, jeder 12. sah darin den Film „Fluch der Karibik – Auf zu neuen Ufern“ und das, obwohl sich die Zahl der Sitzplätze seit 2005 (18.000) bis 2011 halbiert hat (9.000). Die Zahl der Besucher ist aber im selben Zeitraum von 3.200.000 auf 5.000.000 gestiegen.

Zu den Museen: 1.200.000 Menschen haben 2011 die Minsker Museen besucht (insgesamt 17, davon drei historische, vier kunsthistorische sowie „andere“). Das Museum der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges hatte 700 Besucher pro Tag zu verzeichnen, das Nationale Kunstmuseum 584 und das Nationale Historische Museum 555 pro Tag. Wenig Besucher hatten (erstaunlicherweise!) das Azgur-Museum mit 10.300 Besuchern im Jahr, das Medizinhistorische Museum mit 4.500 und das Sportmuseum mit 6.200 Besuchern im Jahr. Die reichste Sammlung hat das Nationale Historische Museum (284.300 Objekte), die kleinste das Museum für zeitgenössische Kunst (2.709 Objekte).

Unter den Theatern ist das Opern- und Balletttheater das weitaus beliebteste (238.000 Besucher 2011), gefolgt vom Musiktheater (198.000) und dem Gorkij-Theater (105.000). Jede siebte Vorstellung ist eine Premiere, insgesamt wurden 2011 940 Aufführungen gezeigt, 139 von ihnen waren neu.

Der heimliche Favorit ist schließlich der Zirkus: Hier wurden 2011 386.000 Eintrittskarten verkauft, oft lange im voraus.

Illustrierte Geschichte von Belarus

Ein neuer Bildband soll helfen, die belarussische Kultur und Geschichte auch im Westen bekannter zu machen. Dazu ist vor Kurzem die englische Übersetzung des bisher nur auf russisch (!) vorliegenden Bild- und Textbandes zur belarussischen Geschichte von Vladimir Orlow und Dmitrij Gerasimovich erschienen. “By this book we also wanted to show that the Belarusians belong to European culture not only geographically but also historically, culturally and mentally, and that our ancestors were an integral part of the European civilization,” sagte Orlov bei der Buchpräsentation (BelaPan, 23.5.2013).

Die Idee ist grundsätzlich zu begrüßen, nur ist nicht nachvollziehbar, waum dazu eine 10 Jahre alte Publikation ausgewählt wird. Da hätte es doch auch neuere Werke gegeben, zumal es sehr gute, neuere mehrsprachige Bildbände von Minsk und Belarus gibt. Auch haben sich die touristischen Publikationen in den letzten Jahren deutlich verbessert. Hier tun gute (!) Übersetzungen Not sowie eine verbesserte Präsentation im Internet. Beides scheint mir deutlich besser geeignet, Belarus jenseits seiner Grenzen zu promoten.

Zeitschrift ARCHE wieder zugelassen

Laut einer Meldung von BelaPan (24. Mai) wurde die Neuregistrierung der einzigen unabhänigen, auf belarussisch erscheinenden historischen Zeitschrift durch das Kulturministerium akzeptiert. Die Zeitschrift war im letzten Jahr verboten. Damit gab das Ministerium dem vierten Antrag der Herausgeber seit November 2012 auf Genehmigung statt.

Im September 2012 wurde der Herausgeber Bulgakov in Grodno bei einer Buchpräsentation verhaftet. Ihm wurde vorgeworfen, das Buch „Die Sowjetifizierung von Westbelarus“ illegal verkauft zu haben. Anschließend wurde das Bankkonto von ARCHE eingefroren. Der Fernsehsender Belarus 1 beschuldigte die Herausgeber des Extremismus und der Nazi-Propaganda. Daraufhin floh Bulgakov ins Ausland. Nun ist er seit einiger Zeit wieder in Minsk. Die Anklage gegen ihn wurde fallen gelassen, das Bankkonto wieder freigegeben.

Kulturelles Erbe in Belarus

Um 104 Ergänzungen wird die Liste des “historischen und kulturellen Erbes” in diesem Jahr erweitert (BelaPan 16.4.2013), so das Kulturministerium vor Kurzem. Aufgenommen werden 89 materielle und 15 immaterielle Kulturgüter, datunter eine Unierten-Kirche in Velikaja Svarotova bei Baranavich, ein Gedenkkreuz und eine Kapelle am Ort der Kämpfe mit den Russen 1863 im Ivacevich Gebiet, das Haus des Dichters Maksim Tank in der Minsker Region u.v.m.

Die gesamte Liste umfasst derzeit 5.532 Einträge, die in diesem Jahr mit 103,3 Billionen Rubeln ( das entspricht etwa 11,9 Millionen Dollar) unterstützt werden.

Ein Denkmal für den Ersten Weltkrieg in Belarus

Foto: http://ais.by/story/891

Schon seit vielen Jahren planen der Bildhauer Vladimir Slobodchikov und der Kulturwissenschaftler Igor Morozov ein Denkmal zur Erinnerung an den Ersten Weltkrieg in Belarus. Es soll an einem der ehemaligen Kriegsschauplätze auf einer Anhöhe am „Kreuzungspunkt der Meridiane“ von weit her zu sehen sein, eine kugelförmige, begehbare Skulptur von 9m Durchmesser. Die Meridiane von Ost nach West und Nord nach Süd weisen auf Belarus als ein Zentrum heftiger Kämpfe in diesem Krieg hin. Die Kugel zeigt bei nährerer Betrachtung Reliefs deutscher und russischer Soldaten, von Gasangriffen und den Leiden der Zivilbevölkerung. Im Innern der Kugel soll die Skulptur einer Mutter mit ihrem Neugeborenen die Hoffnung auf den Frieden und Neuanfang darstellen.

Mit diesem, im Detail vielleicht überladenen, aber durchdachten Konzept ist dieser Denkmalsentwurf eine Ausnahme in der Skulpturenlandschaft von Belarus. So verwundert es auch nicht, dass der Entwurf kaum bekannt ist und wohl kaum Chancen auf Realisierung hat. Das wiederum hängt auch mit dem Thema des Ersten Weltkrieges zusammen. Einerseits ist er in den letzten Jahren wieder stärker in die offizielle und gesellschaftliche Erinnerung zurückgekehrt, insbesondere durch die Einweihung einer Kapelle auf einem Massengrab in Minsk. Von dem Historiker Anatolij Scharkow und Vjacheslav Selemenev stammt eine Broschüre mit dem Verzeichnis aller Soldatengräberanlagen zum Ersten Weltkrieg in Belarus, Vjacheslav Bondarenko stammt ein populärwissenschaftliches Werk zum Ersten Weltkrieg in Belarus und in privaten Händen findet sich eine eindrucksvolle Sammlung von Briefmarken und Postkarten zum Thema. Dennoch ist der Erste Weltkrieg, anders als der Große Vaterländische Krieg, nur durch wenige Denkmäler, Ausstellungen oder wissenschaftliche Bearbeitungen in der Öffentlichkeit wahrnehmbar.

Minsker Geschichten

Interessante Details und Geschichten rund um die Stand Minsk sammelt Michael Volodin in seinem Blog. Volodin, auch bekannt als belarussischer Barde, hat sich mit diesem Projekt von der Musik auf die Architekturgeschichte verlegt. In dem Blog finden sich viele witzige, unerwartete und überraschende Informationen zu einzelnen Gebäuden, Straßen, Plätzen und Personen in Minsk – ein durchaus anregender Stadtführer.

Denkmäler für Minsk und Belarus

Neulich hat mich mein Kollege Vjacheslav Bondarenko mal wieder in eine seiner TV-Sendungen bei ONT „Offenes Format“ eingeladen. Es ging um Denkmäler. Mit gutem Willen kann man meine Kompetenz zu diesem Thema aus meinen kulturellen Interessen ableiten, mehr aber auch nicht. Und richtig: Vjacheslav bat mich ganz offen, an der Sendung teilzunehmen, um den belarussischen Gesprächspartnern zu demonstrieren, was eigentlich eine Talk-Show sei. Niemand begreife, dass es um einen schnellen und offensiven Meinungsaustausch handle, und nicht um eine gesittete Selbstdarstellung mit vorher abgesprochenen Texten. Auch dafür fühle ich mich eigentlich nicht kompetent, und schon gar nicht auf russisch, aber bitte, man hilft ja gerne. Kurz vorher wurde mir dann doch sehr mulmig, aber die erstaunlich vielen Rückmeldungen von Bekannten und Kollegen lassen vermuten, dass ich meine Aufgabe gemeistert habe. Apropos: Man wundert sich, wer diese Sendung alles guckt, angefangen von unserer Dezhurnaja über einige Nachbarn zu Hause bis hin zu meinen Kollegen aus der Uni.

Es sollte also um Denkmäler gehen – ganz allgemein: Für wen oder was werden sie aufgestellt? Wer hat die Initiative? Wer entscheidet darüber? Und wer bezahlt dafür? Letztlich ging es aber um den immer währenden belarussischen Diskurs: Woran wollen wir eigentlich erinnern? Hierzu gab es durchaus unterschiedliche Auffassungen bei meinen Gesprächspartnern, dem stellvertretenden Kulturminister, einem Bildhauer und dem Vertreter der russisch-freundlichen Organisation „Westbelarus“. Dieses Thema wiederum liegt mir viel näher und so habe ich mich so gut es eben ging engagiert und für eine offene und kontroverse Diskussion geworben.

Mir persönlich hat der Standpunkt von Michail Volodin gut gefallen, der seine kritischen Anmerkungen zum Denkmalswesen in Belarus im Studio vorgetragen hat mit der Kernthese, dass es so lange problematisch bleibt, wie allein der Staat darüber entscheidet. Ein sympathischer Standpunkt, der die ursprünglich gplanten Fragen zur Diskussion in einem neuen Licht erscheinen lässt.

Grodno: Stadt der Museen

Die Boris und Gleb-Kirche in Grodno

Schon zum zweiten Mal war ich neulich in Grodno und auch dieses Mal wieder ganz begeistert von dem Flair dieser wohl westlichsten Stadt von Belarus. Das mag an der Architektur liegen, von der sich mehr als in anderen Städten des Landes vieles seit dem 18. Jh. erhalten hat. Aus dieser Perspektive ist es wohl ein Glück, dass den nationalsozialistischen Besatzer die Stadt ebenfalls gefallen hat und sie sie in das Reichsgebiet aufgenommen haben. Wie sehr die Stadt und ihre Bürger trotzdem unter der Besatzung gelitten haben, bezeugen die Gedenktafeln an das Ghetto der Stadt. In denkbar schlechtem Zustand ist die Runie der ehemals großen Synagoge. Gerade wird sie hergerichtet, was daraus werden soll, ist allerdings nicht bekannt.

Heute ist die Stadt reich an Museen, es lag also nahe, hier im letzten Oktober das erste Museumsforum zu veranstalten. Im alten und neuen Schloss logiert das Archäologisch-historische Museum, in dessen reichen Sammlungen ich die Gelegenheit hatte, für einen Auftrag zu recherchieren. Unweit vom Schloss befindet sich das einzige Feuerwehr-Museum in Belarus. Vom Turm des auch heute noch in Dienst stehenden Gebäudes ertönt jeden Tag um 12.00 Uhr ein Trompetensignal (live gespielt!). Schräg gegenüber befindet sich das Museum der Geschichte der Religion (früher das übliche Atheismusmuseum), und ebenfalls unweit davon trifft man auf das zauberhafte Apothekenmuseum, das sich auch in einem alten Apothekengebäude befindet. Darüber informiert eine eigene Website.

Darüber hinaus gibt es noch ein Handwerkermuseum, ein Maksim-Bogdanovich-Museum, ein Bykov-Museum, ein Polizeimuseum, ein Anatomiemuseum, ein ethnographisches Museum…, aber das habe ich nicht mehr geschafft. Infos dazu hier.

Statt dessen habe ich mir eine der ältesten, orthodoxen Kirchen aus vormongolischer Zeit überhaupt, die Boris und Gleb-Kirche aus dem 12. Jh. angeschaut. In der Gesamtschau mit den vielen Jesuitenbauten in der Stadt, zeigt sich wieder einmal die kulturelle und religiöse Vielfalt von Belarus, die hier im Westen so deutlich zu spüren ist, wie kaum in einer anderen Stadt oder Gegend.

Neuer Kultur-Fernsehsender

Seit dem 8. Februar ist das Staatliche Fernsehen in Belarus um einen Sender reicher (BelaPan, 8.3.2013). „Belarus 3“ ist ausschließlich der Kultur des Landes verpflichtet und greift damit das Vorbild des russischen Kanals „Kultura“ auf. Dies ist natürlich zu begrüßen, denn viele der Kultur gewidmete Dokumentationen oder Berichte über Neuinszenierungen an Oper und Theater, Literatur, Museen sowie Filme gibt es auf dem anderen Sender nicht. Allerdings darauf man dabei nicht vergessen, dass es sich bei dem Sender um staatliche Informationspolitik handelt, so dass man auf ein umfassendes, gar neutrales Bild der Kultur nicht hoffen kann.

Dazu passt, dass die Ausstrahlung erstmal mit der Nationalhymne begann. Es folgte eine belarussische Doku-Serie aus der Reihe Zyamlya Belaruskaya (Belarussisches Land) – immerhin in weißrussischer Sprache. 70% des Programms sollen auch weiterhin in belarussisch ausgestrahlt werden, ein gutes Zeichen, ist der Anteil an belarussischen Sendungen auf den anderen Kanälen doch noch immer gering.

Reiseportal „100 Wege“ in Belarus

Der „erste interaktive und multimediale Atlas von Belarus“ befindet sich hier. Hier findet man für viele Orte und Städte verschiedene individuelle Reiseberichte mit zum Teil tollen Fotos. Sinn und Zweck des Projekts ist es, seine eigenen Reiseerfahrungen und Fotos auf der Landkarte zu verorten und einzustellen.

Angesichts der mehr als dürftigen Reiseliteratur über Belarus ist das ein willkommenes Informationsangebot, zumal es einige Kuriositäten zu entdecken gibt, die wahrscheinlich sowieso in keinem Reiseführer stünden.

Ergänzt wird das Angebot durch Links zu journalistischen Reisereportagen, weiteren Fotostrecken und Berichten über historische Spurensuchen, Videos und Audioberichte. Der Link zu den „Nachbarn“ schließlich ermöglicht einen Blick nach Polen und Litauen, der mit bisher sehr wenigen Angeboten freilich noch recht knapp ausfällt. Trotzdem – ein Blick lohnt sich für alle, die originelle Ausflugsziele suchen.

Belarus auf der Buchmesse in Leipzig

Gerade geht die Leipziger Buchmesse zu Ende (14. bis 17. März 2013). Ein Schwerpunkt lag dabei auf der Literatur aus Polen, der Ukraine und Belarus.  Das Portal www.literabel.de stellt Autoren aus Belarus vor und bietet Texte auch in deutscher Sprache. Im Vorfeld der Messe hatte literabel aktuelle Literaturtermine mit belarussischer Beteiligung zusammengestellt, neben Leipzig auch in Dresden und Berlin. Hier seien die Neuerscheinungen genannt.

NEUERSCHEINUNGEN

Valentin Akudowitsch: Der Abwesenheitscode. Versuch, Weißrussland zu verstehen. Aus dem Russischen von Volker Weichsel. Suhrkamp 2013. http://www.suhrkamp.de/buecher/der_abwesenheitscode-valentin_akudowitsch_12665.html

Valzhyna Mort: Kreuzwort. Gedichte. Aus dem Englischen von Uljana Wolf und Katharina Narbutovič. Suhrkamp 2013.http://www.suhrkamp.de/buecher/kreuzwort-valzhyna_mort_12663.html

Dossier „Zensur“ in Literatur und Kritik Nr. 471/472-2013, herausgegeben von Martin Pollack, mit Beiträgen von Viktar Marcinovič, Alhierd Bacharevič, Nił Hilevič u.a. http://www.omvs.at/de/literatur-und-kritik/aktuelle-ausgabe/

RADAR 1(7)-2013 mit Texten aus Belarus, Polen und der Ukraine, u.a. von Valancin Akudovič, Uładzimier Arłoŭ, Andrej Fiedarenka, Palina Kačatkova und Valžyna Mort. http://e-radar.pl/pl,strona,3.html

Aleś Razanaŭ: Punktierungen. In: Akzente 2/2013 (April)

Österreich und Belarus

Kürzlich stieß ich durch Zufall auf eine Publikation http://www.bmlv.gv.at/wissen-forschung/publikationen/publikation.php?id=439 des Österreichischen Bundesheers im Internet. Sie ist zwar schon älter (2008) und daher in einigen Beiträgen auch schon veraltet, enthält aber durchaus einige noch immer aktuelle Beobachtungen. Der Fundort (Verteidigungsministerium Österreich) ist insofern interessant, als kein Verteidigungsattaché aus Österreich in Minsk stationiert ist (Belarus wird von Moskau aus betreut). Ein deutscher Attaché ist zwar noch immer im Dienst, eine detaillierte Auseinandersetzung im deutschen Verteidigungsministerium mit dem Land und den aktuellen Problemen ist mir allerdings nicht bekannt.

Auch an anderer Stelle ist Österreich aktiv in Sachen Belarus: Ein privater Verein in Wien erinnert aktiv an die österreichischen Opfer, die im Vernichtungslager Malyj Trostenec ums Leben gekommen sind. Die Vorsitzende hat das Projekt in Minsk im November 2012 vorgestellt. Derzeit gibt es eine deutsch-österreichische Initiative und in Abstimmung mit den Minsker Behörden, die von höchster Ebene unterstützt wird, um ein gemeinsames Denkmal in Trostenec zu erreichten. Erste öffentliche Informationen dazu wird es bei einer Konferenz in der Geschichtswerkstatt am 23. März geben.

Ein Gespräch mit den Petersburger Sammlern Alexej und Marina Rodionov

Das Ende der Ausstellung „Künstler der Pariser Schule aus Belarus“ im Kunstmuseum bot die Gelegenheit, das Petersburger Sammlerehepaar Rodionov kennenzulernen. Sie waren angereist, um ihre Leihgaben aus der Sammlung (in diesem Falle Werke des Künstlers Robert Genin) wieder nach St. Petersburg zu bringen.

Für ausgewählte Teilnehmer veranstaltete Tatjana Bembel in der Galerie Schemeljova einen zweitägigen Workshop zum Thema „Privatsammlungen und das moderne Museum“. Dieser sollte dem Kreis Minsker Privatsammler die Möglichkeit geben, von den Erfahrungen und Kenntnissen der Rodionovs zu profitieren. Viele Solche Sammler gibt es freilich nicht in Minsk, die Szene ist überschaubar, aber durchaus rege, liquide und professionell. Dazu gehören der Vertreter für die Belange der UNESCO im Kulturministerium oder auch der ehemalige Außenminister Martinov. Auch sie waren Leihgeber für die genannte Ausstellung im Kunstmuseum. Unter den insgesamt 20 Teilnehmern waren außerdem die belarussische ICOM-Vorsitzende sowie Vertreter des Goethe-Instituts anwesend, das die Veranstaltung mit gefördert hat.

In der Galerie zeigten die Rodionovs einige Ihrer Werke von Genin sowie zwei Grafiken desselben Künstlers, die am zweiten Tag „zur Übung“ versteigert und auch verkauf wurden. Genin ist ein hierzulande über lange Zeit in Vergessenheit geratener Künstler des frühen 20. Jh. (1884 – 1943), der erst in letzter Zeit, nicht zuletzt von den Rodionovs für den russischen Markt wiederentdeckt wurde.

Die Veranstaltung verlief in einer sehr angenehmen und privaten Atmosphäre, bot den Sammlern Gelegenheit zur persönlichen Konsultation und zum allgemeinen Meinungs- und Erfahrungsaustausch.

Kunst und Design: Der belarussische Künstler Vladimir Tsesler

Foto: http://www.tsesler.com/photo/phototen.php

Kürzlich hatte ich die Gelegenheit, zusammen mit Tatjana Bembel’ das Atelier von Vladimir Tsesler in einem Minsker Hinterhof zu besuchen. Empfangen hat uns der Künstler persönlich, der gerade zusammen mit Freunden dabei war, eine schmackhafte Fisch-Soljanka zuzubereiten. Die Wohnung betraten wir durch eine Tür mit der deutschen Aufschrift „Rauchen verboten“, und mussten uns in der verrauchten Stube erstmal orientiern. Die durchaus einladenden Gerüche der offenen Küche ließen eine große Liebe zur Kochkunst überhaupt vermuten. Auf dem rustikalen Tisch in der Mitte des Dachgeschoss-Raums standen Speck, sauer Gurken, Zwiebeln und Wodka bereit, die uns sogleich großzügig angeboten wurden. Dermaßen gestärkt, zeigte uns Tsesler seine Werke, wobei vieles zu diesem Zeitpunkt in Ausstellungen im IN- und Ausland unterwegs war.

In angenehmer, offener und gastfreundlicher Atmosphäre gab es eine bekannte Arbeit Tseslers im Wohn- und Schlafzimmer zu bewundern, das das wohl am meisten gefürchtete russische Schimpfwort des Mat in Leuchtschrift zelebriert. Darunter lief ein alter sowjetischer Kriegsfilm im Fernsehen, eine durchaus nostalgische Note in diesem Zimmer im Stil eines unverbesserlichen Junggesellen. Tsesler selbst und seine Freunde geben ein Bild gealteter Rocker ab, bei denen man zwischen Furcht und Sympathie hin- und herschwankt. Nach mehreren Wodkas spätestens aber kann man sich seinem Charme nicht mehr entziehen.

Da geht es einem wie den meisten Belarussen, bei denen der mehrfach ausgezeichnete und über die Grenzen hinaus bekannte Designer sehr beliebt ist. Häufig trifft man auf seine Werke in Form von Plakaten, bedruckten, T-Shits, Gebrauchsobjekten, Medienkunst und Postkarten. Nicht immer ist man sich darüber im Klaren, dass es sich um einen Tsesler handelt, in meinem Fall zuletzt bei einem Verkehrsschild im Freilichtmuseum Dudukti.

Zuletzt vertreten in Belarus waren seine Arbeit bei der Ausstellung „Radius Null“ und der Triennale.

Nochmal: Die Skarina-Bibel

Foto: http://www.belmarket.by/ru/194/115/15301/%D0%9E%D0%B1%D1%8A%D0%B5%D0%B4%D0%B8%D0%BD%D1%8F%D1%8E%D1%89%D0%B8%D0%B9-%D1%8D%D0%BB%D0%B5%D0%BC%D0%B5%D0%BD%D1%82.htm

Wichtig und nötig scheint mir noch ein Annex zur Ausstellung der Skarina-Bibel aus Görlitz in Minsk im Oktober 2012. Damals wurde dieses besondere Werk im Jahr des Buches, zum 90. Jahrestag seit der Gründung der Nationalbibliothek und im Rahmen der Deutschen Woche zuerst in der Nationalbibliothek, dann im Schloss Nezvizh ausgestellt (BelaPan 4.10.2012).

Den deutsch-belarussischen Charakter, den dieses Buch auszeichnet, spiegelte auch die gemeinsame Projektrealisation durch das Kulturministerium und die Deutsche Botschaft wider. Ein Vertreter der Deutschen Botschaft nannte die Bibel ein „verbindendes Element“, das kaum zu überschätzen sei, und Franziska Skarina den Gutenberg von Belarus.

Angereist aus der Bibliothek in Görlitz, wo die Bibel seit 1527 lagert, war Matthias Wenzel, der die Bibel 2003, wie er selber sagt, im Rahmen einer Ausstellungsvorbereitung zufällig entdeckt hat. Dieses Exemplar ist das einzige in Deutschland. Es erschien zwischen 1517 und 1519 in Prag in alter belarussischer Sprache. Zuerst haben es die Experten gar nicht geglaubt, dass neben den bisher bekannten Exemplaren der Sakrina-Bibel noch ein weiteres existieren könnte. Untersucht und bestätigt hat es dann der ausgewiesene und um die belarussische Literatur verdiente Slawist Norbert Randow (vgl. seine Veröffentlichung dazu im Görlitzer Magazin 18/2005), wo der die historischen Stationen und die Geschichte der Bibel darlegt. Ergänzend dazu seinen ein Aufsatz von Peter Wenzel über „Görlitz 1945“ in demselben Heft sowie ein Text von  Jasper von Richthofen über „Kriegsverlust und Beutekunst“ am Beispiel von Görlitz in Görlitzer Magazin 23/2010 empfohlen. Mit allen Beiträgen entsteht ein rundes Bild über diese einzigartige Bibelausgabe, die nicht nur über die Verbreitung der Bibel in verschiedenen Sprachen im 16. Jh. und die Geschichte des Buchdrucks in Osteuropa erzählt, sondern über die Geschichte der deutsch-belarussischen Beziehungen.

Da die Bibel die belarussischen Sammlungen, in der sich 10 der insgesamt 260 bekannten Ausgaben befinden, gut ergänzen würde, wurde vereinbart, eine digitale Kopie für die Nationalbibliothek anzufertigen.

Bei der Eröffnung der Ausstellung sagte der damals noch amtierende belarussische Kulturminister Pawel

Latuschko: „Diese Ausstellung ist der Anfang eines internationalen Projekts zwischen Belarus und Deutschland, das seit Jahren vorbereitet wurde. Um historische und kulturelle Kostbarkeiten, die aus verschiedenen Gründen aus Belarus verschwunden waren, wieder zu gewinnen, soll eine große Arbeit geleistet werden. Außerdem ist es so, dass die gegenwärtige Gesetzgebung in einigen Staaten nicht erlaubt, einst ausgeführte oder enteignete Schätze oder Raritäten in das jeweilige Herkunftsland zurückzubringen. Deshalb sehen wir uns gezwungen, uns an Privatsammler in der ganzen Welt zu wenden, Ausstellungen zu organisieren und digitale Kopien anzufertigen. Diese Skorina-Ausstellung ist ein Beispiel für eine wenn auch indirekte Rückkehr des kulturell-historischen Erbes nach Belarus. Das Konvolut wurde von den Mitarbeitern der Nationalbibliothek bereits digitalisiert, so dass eine Kopie für immer in unserem Land bleibt“ (BelTA).

Belarus und die EU: Ein origineller Vorschlag

Sie lassen sich was einfallen, das muss man zugeben, um das Thema Belarus und die EU nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Von ukrainischer und belarussischer Seite ist der Vorschlag im Umlauf, ein „Museum der Geschichte und Kultur Europas“ zu gründen (BelaPan 13.12.2012). 12 Intellektuelle wendeten sich in einem Brief mit diesem Vorschlag an den Präsidenten des Europarates, Herman Van Rompuy.

Nach Ansicht der Initiatoren fehlt es neben den europäischen Bemühungen zur Integration von Politik und Wirtschaft angesichts der multikulturellen Gesellschaften einer geistigen und kulturellen Dimension, die auf die nationale Selbstbestimmung der einzelnen Länder und ihre Eigenarten abzielt. Hier liege die Grundlage und Kraftquelle für die europäischen Nationen. Es sei daher geboten, zur Diskussion über die Perspektiven der Gemeinschaft und ihrer Entwicklung zurückzukehren. Dazu könne ein Museum der Geschichte und Kultur Europas beitragen.

Neben den musealen Räumlichkeiten zur Geschichte, Sprachentwicklung, Kultur und Technikgeschichte Europas sieht das Konzept eine Bibliothek, Konferenzsäle und ein touristisches Zentrum vor. Bildungsangebote und Veranstaltungen würden dazu beitragen, sich in Europa besser zu verstehen und Konflikte friedlich zu lösen.

Zu den Unterzeichnern des Briefes gehören der belarussische Schriftsteller Vasil Jakovenko, der ukrainische Schriftsteller und Politologe Vladimir Schovkoschitnyj, Krukovsky Nicholas von der belarussischen Akademie für Bildung u.v.a.

Deutsch-bulgarisch-belarussischer Jazz

Foto: http://afisha.sb.by/12018/

Manche kulturelle Erlebnisse gehen mir nicht aus dem Kopf, auch wenn sie schon länger zurückliegen. Dazu gehört ein Konzert, das ich am 18.11.2012 in der Philharmonie in Minsk gehört habe. Auf dem Programm stand Jazz, gespielt von drei jungen Musikern aus Belarus und Bulgarien, die alle derzeit in Deutschland (Leipzig und München) leben und arbeiten. Kopf des Trios ist Michail Leontschik, einer der bekanntesten und zugleich ein virtuoser Spieler des hierzulande weit verbreiteten Saiteninstrumentes Zymbal. Zugleich ist er der Sohn des hier ebenfalls bekannten Zymbal-Spielers Alexander Leontschik. Zusammen mit dem Pianisten Konstantin Kostov und dem Percussionist Nevian Lenkov bilden sie das Ensemble „Only Juzzt“ .

Auf dem Programm stehen eigene Kompositionen, meist von Leontschik, bulgarische und belarussischer Volkslieder, aber auch Adaptionen von Jazzstandards und klassischer Musik, darunter Chopin, Brahms (eine tolle Version eines der ungarischen Tänze!) u.a. Insgesamt ein unvergessliches Musikerlebnis, das ich nur jedem empfehlen möchte. Zur Einstimmung empfehle ich ein Video auf youtube.

Kultur als Stütze der Gesellschaft

Gleich zu Beginn des Jahres hat der Präsident deutlich gemacht, wo der Hammer hängt: Kultur in Belarus ist und bleibt eine offizielle Angelegenheit. Am vergangenen Mittwoch bei der Vergabe der „Auszeichnung für geistige Erneuerung 2012“ (BelaPan 10.1.2013) warnte er davor, einen Keil zwischen den Staat und die „Intelligentsia“ zu treiben. Kunst, so der Präsident, entfalte und entwickle sich in Belarus in einem freien und offenen Umfeld, und dennoch (!) sei er dagegen, Künstler und Kulturschaffende in verschiedene politische Richtungen einzuteilen.

Er betonte die Erfolge und Errungenschaften des belarussischen Kulturlebens, das die Lebensader der Gesellschaft bilde. Die Regierung werde daher auch weiterhin alles tun, um all diejenigen zu fördern, die sich kreativ entfalten wollten. In einem Rückblick auf 2012 hob er die zentralen Projekte der Kulturpolitik hervor: die vollständige Wiederherstellung des aus dem 16. Jh. stammenden Schlosses der Radziwills in Nezvizh, die Modernisierung des Janka-Kupala-Theaters in Minsk sowie den Bau des neuen Gebäudes für das Museum des Großen Vaterländischen Krieges.

Schaut man von außen auf diese Leuchtturm-Projekte, so sind die zentralen Bezugspunkte offizieller Kulturförderung klar erkennbar: Die geistlich-kulturellen Leistungen belarussischer Geschichte im 16.-18. Jh. in Form klassischer Schlossausstellungen, der Rückgriff auf große Namen der klassische belarussische Literatur, ohne dies mit einer echten Förderung belarussischer Literaturwissenschaft zu verknüpfen sowie die noch immer stark von sowjetischer Geschichtsschreibung geprägte Geschichtspolitik. Leider nichts Neues in 2013!

Der Marschall Zhukov-Orden

Kürzlich bin ich mit meinem ersten Orden ausgezeichnet worden, und zwar dem russischen Marschall-Zhukov-Orden II. Klasse. Überreicht hat ihn mir Sergej Azaronok, der Direktor des Museums des Großen Vaterländischen Krieges, für meine Verdienste im Rahmen der Konferenz „Verbrannte Dörfer“ im Mai diesen Jahres hier in Minsk. Für die Mitgliedschaft im sog. Orgkomitee (bei uns würde man wohl eher Beirat sagen) hat das Komitee des Ordens unter dem Vorsitz des Marschalls der Sowjetunion, L.T. Jazov (immerhin der letzte Verteidigungsminister der UdSSR), entschieden, mich auszuzeichnen.

Noch bin ich mir nicht ganz sicher, ob ich mich darüber freuen soll oder nicht. Einerseits habe ich noch nie einen Orden bekommen, und schon gar keinen russischen, andererseits ist die Verleihung von Orden hier nun auch wieder nicht so sensationell, da sie schlicht öfters vorkommt. In diesem Fall befinde ich mich in guter Gesellschaft, z.B. neben der Vorsitzenden der Stiftung zur Erinnerung an den Sieg N.I. Konevs oder dem Sohn Marschall V.I. Tschuikovs. Andererseits wird der Zhukov-Orden für ein „gerechtes Andenken“ an den Namensstifter, aber auch „gegen die Falzifizierung der Geschichte“ verliehen. In diesem Punkt bin ich nicht ganz überzeugt, dass die russischen Kollegen und ich immer einer Meinung sind. Schön sieht der Orden aber trotzdem aus!

Vom Kulturminister zum Diplomaten

Erst gab es nur Gerüchte, dann war es zwar amtlich, aber noch nicht terminiert, nun ist es soweit: Der bisherige Kulturminister Pavel Latuschko wird Botschafter für Belarus in Frankreich. Damit kehrt der smarte Politiker zu seinen Wurzeln zurück. Bereits mehrere Jahre war er als Diplomat tätig, zuletzt 2000-2002 als Botschafter in Polen. Nun geht er als Chef der Botschaft nach Paris, wo er zugleich ständiger Vertreter von Belarus bei der UNESCO sein wird. Damit bleibt er der Kultur in Belarus gewissermaßen erhalten.

Denn die ist überwiegend traurig, dass er den Posten verlässt. Er sei der erste und bisher einzige Minister „von europäischem Niveau“ gewesen, meinen die einen, und er habe das spezifisch Belarussische in der Kultur gefördert (es wird offiziell und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Latuschko der einzige hohe Beamte der Regierung sei, der belarussisch spreche!) und es zudem verstanden, Sponsoren für die Kultur zu begeistern, so die anderen. Es gibt aber auch kritische Stimmen, die seinen Weggang nicht bedauern, etwa mit dem Argument, er habe die Kultur allein nach dem Kriterium persönlicher Beziehungen und Vetternwirtschaft betrieben, keine Strategie entwickelt und sei nur auf die Außenwirkung bedacht gewesen. Auch hört man, habe sich in seiner Amtszeit das Papier im Ministerium mehr als verdoppelt.

Wie subjektiv und widersprüchlich diese Eindrücke sind, zeigt der Fall von Sergej Vecher, dem letzten Direktor des Nationalen Historischen Museums, der seinen Rausschmiss Latuschko persönlich zu verdanken hat, und das, obwohl auch Vecher  das spezifisch Belarussische zum Leitthema seiner Arbeit erhoben hat. Er fragt sich nun, ob er vielleicht ins Amt zurückkehren kann?!

Überhaupt gibt es auffällig wenig Artikel zum Abschied Latuschkos. Natürlich wurde allenthalben die Frage diskutiert, wer neuer Minister wird (der Favorit war Boris Svetlov, der nun auch ernannt wurde (10.12.2012)). Die Gerüchte, dass das Ministerium vielleicht als Einzelressort aufgelöst und mit dem Ministerium für Sport und Tourismus vereint werden sollte, haben sich demnach nicht bestätigt. Die schillernde Person Latuschkos bleibt bei all dem im Gespräch: Es wird schon spekuliert, ob er 2015 als Präsidentschaftskandidat gegen Lukaschenko antritt.

Kultur macht’s möglich: Belarus und die EU

Einen Kontakt von Belarus zur EU gibt es seit diesem Jahr im Rahmen des Eastern Partnership Culture Programme. Weitere beteiligte Länder sind Armenien, Azerbaijan, Georgien, Moldavien und die Ukraine. Die erste Regionalkonferenz hat im Oktober in Tiflis stattgefunden.

Die Länder nehmen mit jeweils eigenen Projekten teil und werden von Experten beraten. Belarus ist mit einem Photo-Projekt und einem Projekt zum kulturellen Erbe beteiligt.

Belarus musikalisch

Präsident Lukaschenko ist nicht nur Gegenstand der Kritik in politischen Kreisen, sondern auch eine Inspiration in künstlerischen Kreisen. Neben dem wohl populärsten Song über ihn „Sanja ostanetsja s nami“ (Sanja bleibt bei uns), gibt es nun schon eine ganze Hitliste mit Songs über die Nr. 1. Inwieweit sich politische und künstlerische Kreise hier sauber voneinander trennen lassen, bleibe dem geneigten Hörer überlassen.

Robert Büchtger

Screenshot der Website http://www.buechtger.tradicia.de/

Mit Belarus hatte er nichts zu tun, aber er steht doch für eine enge Verbindung zwischen deutsch- und russischsprachigem Kulturraum: der deutsch-russische Maler Robert Büchtger (1862-1951). Anlässlich seines 150. Geburtstages in diesem Jahr habe ich die eine Website zu seinem Leben und Werk erstellt. Das Projekt geht zurück auf einen Auftrag einer privaten Sammlerin von Robert Büchtger, der für mich Anlass war, in deutschen und russischen Museen und Archiven einmal nachzuforschen. Gerade wurde das Projekt auf einer Konferenz der Russischen Nationalbibliothek, der Jelzin-Präsidialbibliothek und des Generalkonsulats der Bundesrepublik Deutschland in St. Petersburg am 13.-14. November vorgestellt.

Interkulturelle Herausforderungen

Wie labil und anfällig bisweilen die kulturelle Zusammenarbeit zwischen deutschen Mittlerinstitutionen, in diesem Falle dem Goethe-Institut, und belarussischen Kulturschaffenden ist, zeigt der jüngst abgeschlossene Fall um eine Installation des Künstlers Michail Gulin und seiner Mitstreiter. Die Aktion fand im Rahmen des Projektes „Going Public“ statt, mit dem das Goethe-Institut in Litauen Künstler aus Litauen, Belarus und Kaliningrad einlud, ihre Positionen zu Kunst im öffentlichen Raum zu präsentieren.

In Minsk wurde das Projekt von Irina Gerasimowitsch und Olga Rybchinskaya kuratiert. Als Künstler nahmen Mikhail Gulin, Artjom Rybchinskiy, Olga Sazykina und Antonina Slobodchikova teil. Gulin erregte mit seiner Aktion großes Aufsehen. Er spazierte mit großen geometrischen Formen, die er immer wider neu zusammensetzte, durch die Stadt. Dadurch entstanden immer wieder neue Zusammenhänge von Kunst und öffentlichem Raum, immer neue Inhalte ergaben sich aus den Gesprächen mit den Passanten.

Einer der Orte, an denen Gulin die Module aufstellte, war der Oktoberplatz im Zentrum von Minsk. Bereits nach kurzer Zeit wurde er von der Miliz angesprochen und letztlich festgenommen. Den Ablauf der Ereignisse beschrieb der Künstler selber mehrfach im Internet, u.a. hier.

Gulin sowie Uladzislaw Lukyanchuk und Aleh Davydchyk wurden verhört, nach eigenen Angaben geschlagen und letztlich zunächst wieder freigelassen, ein gerichtliches Verfahren wegen Widerstands gegen polizeiliche Anordnungen angesetzt. In der letzten Woche wurde es aus Mangel an Beweisen niedergeschlagen (BelaPan2.11.2012, vgl. auch BelaPan 22.10.2012), d.h. die Künstler freigesprochen.

In seinen diversen Statements im Internet hatte Gulin gefordert, dass sich das Goethe-Institut, namentlich sein Leiter Frank Baumann, für ihn bei der Miliz einsetzen solle mit dem Hinweis, es habe sich „nur um Kunst“ gehandelt. Gulin, wie auch andere beteiligte Künstler, fühlten sich gewissermaßen betrogen und als offizielle Teilnehmer eines von Goethe-Institut geförderten Projektes „hängen gelassen“. Dagegen äußerte sich das Goethe-Institut bzw. Frank Baumann selber, der darauf verwies, dass genau diese konkrete Aktion nicht abgesprochen und der institutionelle Rahmen des Goethe-Instituts missbraucht worden sei.

Die Meinungen zu diesem Vorfall gehen weit auseinander, die Reaktion und konsequente Haltung des Goethe-Instituts werden allerdings von den meisten freien Künstlern und Kulturschaffenden respektiert und verstanden. Letztlich zeigt die Episode, wie schmal der Grad ist, auf dem sich die vom Goethe-Institut geförderte Kulturarbeit bewegt, wie dünn die Linie ist, die zwischen dem, was möglich ist, um die freie Kunstszene zu fördern und zu unterstützen, und dem, was riskant ist, will man den, wenn auch kleinen Freiraum innerhalb der rigiden staatlichen Kulturpolitik in Belarus nicht gänzlich verspielen.

In der Zwischenzeit ist der Vorfall auch in der deutschen Presse aufgegriffen worden. FAZ_8.11.2012

Neues aus den Universitäten

Bereits im April ist der Versuch des Landes gescheitert, am Bologna-Prozess teilzunehmen. Die Bewerbung vom Dezember 2011 wurde für die nächsten drei Jahre blockiert mit dem Hinweis auf die unzureichenden Anstalten der Republik Belarus im Bereich politischer Freiheiten. Damit ist Belarus das einzige europäische Land von 47 Nationen, das nicht am Aufbau einer gemeinsamen Region für Höhere Bildung (EHEA) beteiligt ist. Mitmachen darf aber Azerbajdzhan, das auch nicht gerade ein demokratisches Musterland ist. Eine neuerliche Bewerbung ist möglich, eine Entscheidung fällt aber erst 2015 in Jerewan.

Der Erziehungsminister, Sergej Maskevich, hat daraufhin den Vorwurf erhoben, die Entscheidung sei aufgrund politischer Erwägungen gefallen, womit er wahrscheinlich nicht ganz Unrecht hat.

Eine ausführliche Analyse der Situation der Hochschulen in Belarus unter besonderer Berücksichtigung des deutschen Engagements sowie statistisches Material findet sich in den Belarus-Analysen Nr. 7 (26.6.2012).

Galina Lewina und das „International Children Plein Air Art Forum ‚Jewish Shtetle Revival’“ in Belarus

Foto: http://www.europeanjewishfund.org/index.php?/projects/projects_full/the_4th_ejf_art_forum_jewish_shtetl_revival_belarus/

In der vergangenen Woche war ich erstmals Gast beim International Art Forum, das in diesem Jahr zum 6. Mal in Belarus stattfand. Dank der Unterstützung des European Jewish Fund  kommen dabei jährlich 15-20 Jugendliche aus Belarus und weiteren Ländern (in diesem Jahr Bulgarien, Belarus, Serbien, Litauen, Moldova, Israel) zusammen, um eine Woche gemeinsam auf den Spuren jüdischer Geschichte in Belarus zu wandeln. Ihre Eindrücke verarbeiten die jungen Leute im Alter von 16 bis 23 künstlerisch. Dabei erhalten sie Workshops von Künstlern zu Malerei, Graphik, Töpfern und anderen Techniken. Als Schüler künstlerischer Schulen und Hochschulen in ihren Heimatländern ist dies zum einen eine Fortbildung.

Darüber hinaus besuchen sie aber auch historische Orte und verfallene Synagogen, sprechen mit Überlebenden des Holocausts und verarbeiten all das in ihren eigenen Arbeiten, aus denen am Ende der Woche eine Ausstellung entsteht.

Initiatorin und fachkundige Begleiterin der Jugendlichen ist Galina Lewina, selbst mehrfach ausgezeichnete Architektin und eine der drei Vertreterinnen von Belarus im European Jewish Parliament. Außerdem ist sie die Tochter des bekannten und ebenfalls mehrfach ausgezeichneten Architekten Leonid Lewin, der das Programm des Art Forums aktiv begleitet.

Das Ziel des Projektes beschreibt Galina Lewina in der Publikation der Projektergebnisse und Kunstwerke aus dem Jahr 2007 und 2008: „The plein air was a step of young members of Jewish communities to Jewish history through the art.” Sie selber hat offenbar einen starken Eindruck bei den jungen Leuten hinterlassen. Eine polnische Teilnehmerin aus dem Jahr 2007/2008 schreibt über sie: „… a kind of super-woman, who between an active career as an architect, a published poet and writer, also a community organizer, found the time and energy to organize this art camp…“ Diesen Eindruck kann ich aus meiner persönlichen Bekanntschaft mit Galina nur bestätigen!

Militärtourismus in Belarus/Weißrussland

Stalin-Büste im Gelände des Erlebnisparks "Stalin-Linie".

Die Ankündigung (BelaPan 25.9.2012), Touristen mit militärhistorischem Interesse durch die historischen Orte in Belarus anzuziehen, hat mich überrascht. Mir schien es, als wäre das schon längst der Fall. Zum einen gibt es aufgrund der zentralen Lage in Europa tatsächlich viele Orte und Überreste, die über ganz unterschiedlichen kriegerischen Auseinandersetzungen zu verschiedenen Zeiten berichten. Zum anderen ist der Umgang mit diesem Aspekt der Geschichte unbedarft und frei von jeder Scheu, die Ereignisse und Schauplätze zu Erlebnisparks zu machen.

Dies soll nun offenbar systematisiert werden. Im Vordergrund sollen der Krieg gegen Napoleon 1812 und der Erste sowie der Zweite Weltkrieg stehen. Diese Auswahl entspricht dem offiziellen Geschichtsbild, das eine touristische Auswertung aller anderen Kriege auf heutigem belarussischem Territorium nicht vorsieht.

Schon länger ist dieses Segment ein Teil des offiziellen Reiseangebots von Belarus. Dabei werden allerdings auch andere Kriege wie der Sieg der Belarussen (wer genau gehörte in diesen Zeiten dazu?) über die Tataren und Mongolen nahe Minsk im Jahre 1249 oder der Nordische Krieg Anfang des 18. Jh. berücksichtigt. Das Sport- und Tourismusministerium hat je eine Broschüre zum „War Tourism“ und sogar eine zum „Dark Tourism“ herausgegeben. Auf der Website ist dann aber doch lieber von „Battlefield and Historical Tours“ die Rede.

Der "Ruhmes-Hügel" bei Minsk zur Erinnerung an die Befreiung am 3.7.1944.

Bemerkenswert ist, dass in den Broschüre auch auf die Orte jüdischer Erinnerung, wie die Jama in Minsk, oder den Vernichtungskrieg, wie Chatyn, hingewiesen werden – Orte, die nun wirklich nicht auf der Hauptroute des Tourismus liegen. Die offenbar selbstverständliche Verbindung dieser historischen und Gedenkorte nimmt sich neben militärischen Erlebnisparks wie der Stalin-Linie, Reenactment-Veranstaltungen oder der jährlichen Parade im Zentrum von Minsk freilich befremdlich aus.

Neu an den aktuellen Überlegungen ist die Verbindung der Reisen auf militärischen Spuren mit kulinarischen Angeboten der Region, einschließlich Besuchen bei Lebensmittelherstellern, Weinverarbeitungsbetrieben oder Brennereien. Zur Erarbeitung entsprechender Angebote will die Regierung Touristenunternehmen unterstützen. Wer hätte das gedacht?!

Belarussisch-französische Kulturbeziehungen könnten besser sein

… so drückte sich unlängst der französische Botschafter Michel Rainieri anlässlich der Eröffnung eines französischen Filmfestivals in Mogiljov aus. Er brachte seine persönliche Enttäuschung zum Ausdruck und verwies auf seine ehrgeizigen Pläne im Kulturbereich, als er vor drei Jahren als Botschafter nach Belarus kam. Aufgrund unterschiedlicher Prioritäten, aber auch nicht eingehaltener Absprachen und fehlender Partner sei es nicht zur Realisierung dieser Pläne gekommen.

Zu den Vorhaben der französischen Seite zählte zum Beispiel eine Reihe von Veranstaltungen zum 200. Jahrestag der napoleonischen Kriege. Auch war die Ausstellung eines französischen Museums in Belarus geplant, doch die belarussische Seite konnte die Sicherheit und fachgerechte Präsentation der Exponate nicht gewährleisten, so Rainieri . Im letzten Moment sei die Ausstellung daher ins europäische Ausland vergeben worden. Offenbar ging es um eine Ausstellung von Gemälden Marc Chagalls – kein belarussisches Museum sei bereit gewesen, die Ausstellung zu zeigen.

Ausstellung der Görlitzer Skorina-Bibel in Minsk und Neswish

Ich zitiere die Pressemitteilung Nr. 13 der Deutschen Botschaft, Minsk, 02.10.2012:

„Am 4. Oktober 2012 um 16 Uhr findet in der Belarussischen Nationalbibliothek Minsk die feierliche Eröffnung der Ausstellung „Franzisk Skorina – Reise in die Heimat“ statt. In dieser Ausstellung wird neben den Skorina-Büchern aus der Sammlung der Nationalbibliothek Minsk erstmals die Skorina-Bibel der OLB (Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften, Görlitz, Bundesrepublik Deutschland) gezeigt. Diese Bibel umfasst 11 zu einem Konvolut zusammengefasste Bücher, die von Franzisk Skorina in den Jahren 1517-1519 in Prag gedruckt wurden. Unter diesen Drucken befinden sich auch solche, die es in der Sammlung der Nationalbibliothek nicht gibt: „Genesis“ mit dem wunderschönen Holzschnitt auf der Titelseite und die vier „Bücher der Könige“ mit dem berühmten Portrait Skorinas.

Die Görlitzer Skorina-Bibel ist eine herausragende bibliophile Rarität der OLB.  Die Drucke gelangten über ihre früheren Eigentümer zunächst von Prag nach Breslau, dann nach Görlitz, wo sie seit 1615 nachgewiesen sind. Sie werden erstmalig in Belarus ausgestellt. Sie werden vom 4.-13. Oktober 2012 im Buchmuseum der Nationalbibliothek und vom 15.- 24. Oktober 2012 im Kulturhistorischen Nationalmuseum Neswish zu sehen sein.

Die Ausstellungen stehen unter der Schirmherrschaft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland und des Kulturministeriums der Republik Belarus.“

Belarussische/weißrussische Kulturinstitute im Ausland

Schon seit längerem plant die Regierung Kulturzentren in den Nachbarländern zu eröffnen. Bisher gibt es ein solches Zentrum nur in Warschau. Die Angebote sollten sich an die jeweilige Bevölkerung widen, um mehr Informationen über Belarus bereitzustellen, aber auch an die belarussischen Exilanten.

Geplant sind solche Zentren in Russland (geplant für 2012), der Ukraine, Litauen, Lettland und Deutschland.

Parallel sollten diesem Plan entsprechend auch die Auslandstourneen belarussischer Theater und Orchester intensiviert werden. Vladimir Chilep, der Vorsitzende des Belarussischen Kulturfonds beklagte in diesem Zusammenhang, dass dafür zu wenig Geld zur Verfügung stehe.

Die einzige evangelische Kirche in Belarus

Bisher bin ich noch gar nicht dazu gekommen, über einen weiteren Ausflug raus aus der Hauptstadt zu berichten, nämlich nach Westen an die polnische Grenze, nach Grodno. Anlass für diese Reise war die 100-Jahr-Feier der dortigen evangelischen Kirche (was übrigens auf russisch auch so heißt, wenn eine protestantische Gemeinde gemeint ist).

Die dortige Gemeinde mit ihrem jungen Pfarrer Wladimir Tatarnikow ist die einzige in Belarus, die über ein eigenes Gotteshaus verfügt. Die anderen, wenigen protestantischen Gruppen von Gläubigen, treffen sich in wechselnd angemieteten Räumen, wie z.B. in Minsk, wo im Winter kein Gottesdienst stattfinden, weil nicht geheizt werden kann. Die evangelische Kirche des Landes ist zersplittert in eine selbständige Lutherische Kirche, einige unabhängige Gemeinden und die lutherische Gemeinde in Grodno, die enge Beziehungen zur EKD unterhält.

Der vormalige deutsche Botschafter, Dr. Christof Weil, hatte sich persönlich für die Erhaltung der St. Johanniskirche eingesetzt, der jetzt finanzielle Mittel aus Deutschland von der EKD, dem Auswärtigen Amt, der Evangelischen Kirchengemeinde in Berlin-Frohnau sowie privater Sponsoren zukommen. Neue Kirchenbänke kamen von einer Gemeinde in Hannover. Die Kirche war 1779 von deutschen Kaufleuten gegründet und 1912 neu gestaltet worden. Zwischen 1944 und 1994 befand sich dort ein Archiv. Erst 1995 erhielt die kleine Gemeinde das Gotteshaus zurück.

Bei der Feier am 10. Juni waren viele Deutsche, meist aus Minsk, aber auch viele Einwohner Grodnos, je ein Vertreter der orthodoxen und der katholischen Kirche sowie die Pfarrerin der Evangelischen Kirchengemeinde in Berlin-Frohnau anwesend. Allein der Vertreter der streng gläubigen jüdischen Gemeinde war nicht anwesend. Nach einem Gottesdienst blieb es dem Nuntius des Papstes überlassen, das Ereignis auch politisch einzuordnen. Mit den Worten „Unsere Dimension ist die Ewigkeit“ verwies er alle Versuche politsicher Einmischung und Beeinträchtigung des religiösen Lebens in Belarus von sich.

Weitere Informationen: Belarus-Perspektiven 2/2012, S. 25. http://www.ibb-d.de/belarus_perspektiven.html und http://zetgrodno.com/lyuteranskaya-kirha-v-grodno

Evangelisch-Lutherische St.Johanniskirche, Evangelisch-Lutherische Gemeinde Grodno
Wladimir Tatarnikow, Gemeindepastor
Adresse: 230023 Grodno, Akademitscheskaia st.7 A. Belarus
www.luther.by, http://www.belaruslutheran.com

Евангелическо-Лютеранская Церковь св.Иоанна, Евангелическо-Лютеранская община Гродно
Владимир Татарников, пастор
Адрес: 230023 г. Гродно, ул. Академическая 7А. Беларусь
www.luther.by, http://www.belaruslutheran.com

Konferenz zu Belarus/Weißrussland-Studien in Kaunas Ende September

In der Zeit vom 28.9. bis 30.9. findet in Kaunas der zweite internationale Kongress zu Belarus statt. Initiatoren sind die Vytautas Magnus Universität (Litauen) and das Institut für „Politische Sphäre“ Institute (Belarus). Ziel ist die Vernetzung von Forschern und Wissenschaftlern, die sich mit Belarus/Weißrussland beschäftigen. Mit der jährlich geplanten Veranstaltung soll eine Plattform zum Austausch von Ideen und Ergebnissen geschaffen werden, so der Direktor des Instituts, Andrej Kazakevich.

Während im letzten Jahr die Sozialwissenschaften, politsiche Geschichte und Soziologie im Vordergrund standen, sollen in diesem Jahr Kunst, Literatur und Theologie im Vordergrund stehen. Erwartet werden 200 Wissenschaftler aus 19 Ländern.

Das Programm sowie alle Formalitäten sind der Website des Kongresses zu entnehmen.

Geldsegen für die Kultur

118.000 $ (996,5 Millionen Rubel) stellt der Präsident für “sozial relevante” Kulturprojekte aus dem Präsidentenfond bereit.

Auch die Museen sollen berücksichtigt werden: Das Nationale Kunstmuseum und das Minsker Stadtmuseum erhalten Zuschüsse für Publikationen, das Theatermuseum für den Ankauf einer Plakatsammlung, das Polocker Museumskomplex für den Ankauf von Gemälden und das Smorgonsker Heimatmuseum für eine Büste.

Was den Präsidenten zu dieser Wohltat bewogen hat, nach welchen Kriterien er die Fördermittel zugesprochen hat und was unter „sozial relevant“ zu verstehen ist, bleibt freilich des Präsidenten Geheimnis.

Dudutki

Nun habe ich es endlich auch mal in eines der wenigen Privatmuseen des Landes geschafft, nämlich in das Freilicht- und Traditionsmuseum Dudutki, das auch über eine deutsche Website verfügt. Ob man hier freilich von einem Museum sprechen kann, kann man sicher diskutieren – Exponate gibt es jedenfalls nur sehr wenige, die man zudem oft gar nicht als solche erkennt, weil sie nicht bezeichnet, geschweige denn erklärt sind.

Aber es muss ja auch nicht immer Bildung sein, Museen sind ja schließlich auch zur Unterhaltung da, und davon gibt es einige in Dudutki. Den verschiedenen Gewerken sind jeweils eine oder auch mehrere Hütten gewidmet, in denen man den Meistern bei der Arbeit zusehen und eine Souvenirwahl aus einem wahrlich großen Angebot wählen kann. Am Eingang findet sich jeweils ein Text, der das Handwerk, seine Werkzeuge und Techniken erläutert – übrigens alles auf russisch, was mich erstaunt hat, geht es doch um spezifisch belarussische Traditionen und Rituale. Die Website ist dagegen auf belarussisch gehalten sowie, mit Einschränkungen, auf englisch.

Originell ist die Idee der traditionellen Käserei und Molkerei, wo jeder Besucher mit seiner Eintrittskarte eine Kostprobe selbstgemachten Käses und Brotes bekommt. Wer mehr Hunger hat, kann im Museumscafé weitere Speisen bestellen, Speck, Gurken und Wodka probieren oder eine Picknickhütte belegen und seine mitgebrachten Speisen verzehren.

Für Kinder wie auch für Erwachsene gibt es eine Runde auf dem Pferderücken oder eine Fahrt im Bollerwagen oder einer hochherrschaftlichen Kutsche. Dieses Erlebnis wird freilich im Eindruck getrübt durch die Kombination der hohen, weißen Kalesche mit einem kleinen braunen Pony. Mit diesem Gespann kann man die größere Wegstrecke zur nahegelegenen Kirche nebst Freigehege für Ziegen, Schafe, Schweine und Kälber zurücklegen oder bis zur Windmühle fahren. Auch hier gibt es dann noch einmal die Möglichkeit, eine traditionelle belarussische Hütte mitsamt Einrichtung, Ausstattung und in Trachten gekleideter Bewohner zu besichtigen.

Alles in allem lohnt sich die Fahrt in das etwa 65km von Minsk gelegene Dudutki für die ganze Familie. Wie beliebt dieser Ort ist, zeigte sich an dem am Wochenende voll besetzten Parkplatz, auf dem u.a. viele Busse und Autos aus Russland zu sehen waren.

Konzerte mit belarussischer Musik in Berlin und Dresden

Ich zitiere hier eine Mail von Ingo Petz an den Verteiler des Minsk-Forums:

Liebe Mitglieder und Freunde der dbg, liebe Belarus-Interessierte,
hiermit möchten wir Sie zu zwei wunderbaren Konzert-Abenden am 1. und 3. Oktober 2012 in Berlin und Dresden einladen. Uns ist es gelungen, erstmals das belarussische Frauengesangsensemble MIZHRECHCHA nach Deutschland einzuladen. Das Ensemble aus der Region Palessje in Belarus präsentiert in dem Programm „Belaruskaja Duscha: Die Belarussische Seele“ authentische Volkslieder, Rituale und Traditionen, die sogar auf der UNESCO-Liste für das geistige Weltkulturerbe stehen.
Wir bitten Sie, dieses schöne Ereignis mit Ihrem Besuch zu unterstützen.
Anbei finden Sie weitere Infos zu dem Ensemble und zu den Veranstaltungsorten: Konzert_1.+3.10.2012
Mit besten Grüßen,
Ingo Petz

dbg-Vorstand
Minsk Forum Office
deutsch-belarussische gesellschaft (dbg)
Schillerstraße 59
D-10627 Berlin
Email minskforum@dbg-online.org

Unterwegs im Osten: Vitebsk

Die an der russischen Grenze gelegene, drittgrößte Stadt des Landes wird, wenn überhaupt, bei uns allenfalls mit Marc Chagall in Verbindung gebracht: Eines seiner berühmtesten Gemälde, „Über Vitebsk“, erinnert an seine Jahre in der Stadt. Lange war er allerdings in seiner Heimat gar nicht als „weißrussischer“ Künstler im Bewusstsein, vielmehr führten ihn die sowjetischen Lexika als französischen Künstler. Dabei wurde er in der Nähe von Vitebsk geboren (1887) und verbrachte seine Jugend hier. Im Sommer 1914 kehrte er noch einmal zurück. Aufgrund des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges konnte er nicht mehr nach Paris zurückkehren und verbrachte weitere acht Jahre in Vitebsk.

Dabei hinterließ er weitere Spuren, die bis vor wenigen Jahren für den Unkundigen kaum auszumachen waren. Erst allmählich entdeckt die Stadt ihren verlorenen Sohn wieder. Ohne Zweifel ist Chagall für den internationalen Tourismus, der bis heute kaum stattfindet, der wichtigste Grund, die Stadt zu besuchen. Für den belarussischen und regionalen Tourismus ist es darüber hinaus das jährlich stattfindende Musikfestival „Sljavanskij Bazar“.

Für einen Besuch der Stadt spricht weiterhin die offene, angenehme Atmosphäre, die der Fußgängerzone im Zentrum zu verdanken ist. Gerade bei sommerlichen Temperaturen sind die zahlreichen Cafés gut besetzt, man hört Straßenmusik und Jugendliche verbringen ihren Abend auf den Bänken und in den kleinen Parks.

Zu Beginn der Fußgängerzone steht das ehemalige Rathaus, das heute das Regionalmuseum beherbergt. Wer keine Lust auf die in der Tat ein wenig verstaubte Ausstellung hat, dem sei der Aufstieg auf den Turm zu empfehlen, von dem man einen wunderbaren Blick über die Stadt und Umgebung hat.

Am anderen Ende der Fußgängerzone stößt man auf das Marc-Chagall-Art-Center. Es steht in einem kleinen Park, in dessen Zentrum ein Obelisk an den Sieg über Napoleon erinnert. Dieser hatte sich einige Zeit in dem ebenfalls am Platz befindlichen Gouverneursgebäude aufgehalten, in dem heute der KGB residiert. Bevor sich der französische Kaiser entschied, doch gen Moskau zu ziehen, scheint es ihm Vitebsk angetan zu haben: Er plante einen längern Aufenthalt und bestellte sogar die Pariser Oper zur Unterhaltung in die Stadt.

Gesellschaftliches Mäzenatentum à la Belarus

http://news.open.by/region/81329

Dank der beharrlichen Initiative des Museums der Geschichte von Mogiljow ist es gelungen, ein Statut des Großfürstentums Litauen zu erwerben. Es handelt sich um ein von Lew Sapega im Jahre 1588 herausgegebenes Dokument.

Eine erste Präsentation hat nun am 9. Juni im Stadtrat von Mogiljow stattgefunden. Demnächst soll es einen Ehrenplatz im Stadtmuseum erhalten.

Dem Museum war es gelungen, 15.000 $ aus privaten Spenden zu sammeln, die noch fehlenden 30.000 $, um das Dokument von einem russischen Sammler erwerben zu können, stiftete die Unternehmensgruppe „Alpari“. Ganz freiwillig war diese Spende jedoch wohl nicht, die Nationalbank hatte darum „gebeten“.

Für das Museum handelt es sich um eine bedeutende Neuerwerbung, wie der Direktor, Alexej Batjukow, betonte: „Der Kauf des Statuts wurde dank der großen gesellschaftlichen Unterstützung ermöglicht. Diese Aktion ist ein Teil der Maßnahmen zur Rückgewinnung kulturhistorischer Wertgegenstände“.

Neben dem Statut sind im Rahmen dieser Maßnahmen vier Slucker Gürtel erworben worden, die in Nezvizh gezeigt werden sollen (Svaboda.org, Kultura). Insgesamt sind laut Kulturministerium 10 Mrd. BYR für den Ankauf von Kulturgütern im Zeitraum 2011-2012 vorgesehen.

Nochmal: Belarus in Cannes

Der Film “Im Nebel” nach einer Erzählung des belarussischen Schriftstellers Vasilij Bykov hat bei den 65. Filmfestspielen in Cannes den Internationalen Kritikerpreis gewonnen (BelaPan 28.5.2012).

Die deutsch-belarussisch-lettisch-niederländisch-russische Ko-Produktion des belarussischen Regisseurs Sergej Lozhnica war der einzige russisch-sprachige Film im Wettbewerb um die Goldene Palme.

Die Geschichte des Films geht auf eine Erzählung Bykovs von 1989 zurück, in der ein Dorfbewohner der Kollaboration mit den deutschen Besatzern beschuldigt wird. Das Thema ist bis heute in Belarus nicht auf der offiziellen Agenda der Geschichtswissenschaft und Kriegserinnerung. Es stellt sich daher jetzt die Frage, ob und wann der Film auch in Belarus gezeigt wird.

Das Werk Bykovs, der in Belarus von vielen verehrt wird, ist aufgrund seiner durchaus kritischen Sicht auf den Krieg nach Regierungsmaßstäben nur bedingt akzeptabel. Gerüchten zufolge plant die Witwe des Schriftstellers ein Museum mit dem Nachlass des Schriftstellers; die Unterstützung staatlicherseits für dieses Vorhaben wird aber von einer bestimmten Auswahl an Exponaten und Werken abhängig gemacht.

Gehälter an der Staatlichen Universität

Foto: istfak.bsu.ru

Im Februar und April habe ich einen „Speckurs“, also nach deutschem Sprachgebrauch eine „Übung“ an der Historischen Fakultät der Staatlichen Universität abgehalten. Mein Auftraggeber war der Lehrstuhl für Museumswissenschaften und Ethnologie und das Thema meines Kurses das „Ausstellungsmanagement“.

Insgesamt habe ich 49 akademische Stunden (à 40 Minuten) unterrichtet, die nach für mich noch immer undurchschaubaren Berechnungen in Vorlesung, Seminar, Hausaufgaben, Konsultation, Examen und Kontrollarbeiten aufgeteilt waren. Letztlich belief sich der Aufwand auf eine Arbeitszeit, wie sie in Deutschland für ein Seminar im Semester anfällt, die Vorbereitung und Korrekturen der Seminararbeiten freilich ausgeschlossen. In diesem Fall habe ich noch die Kopien für die Studenten hergestellt, was hier deutlich teurer ist als in einem deutschen im Copyshop.

Für all das habe ich ein Honorar in Höhe von 948.000 BY Rubeln bekommen, zum Auszahlungszeitpunkt ca. 94 €. Hätte ich den Rang eines Professors (hier: Doktor der Wissenschaften) (und nicht bloß einen Doktortitel, hier: Kandidat der Wissenschaften), dann hätte ich (unwesentlich) mehr bekommen. Erhalten habe ich das Honorar am 10. April, dem Tag jeden Monats, wo alle Dozenten und Angestellten der Uni ihr Geld bekommen. Man erhält es in bar und muss es sich an der zentralen Kasse der Universität gegen Vorlage des Passes abholen. Das hat aber immerhin einwandfrei geklappt!

Die auch für belarussische Verhältnisse niedrige Bezahlung für die Lehre führt dazu, dass es immer weniger Nachwuchs für die Universitäten gibt. Das wiederum hat zur Folge, dass das Durchschnittsalter der Professoren und Dozenten immer weiter ansteigt, wie der Rektor der Universität kürzlich beklagte. Es liegt zwischen 57 und 65 Jahren! Ein junger Dozent, der noch keinen akademischen Titel trägt, erhält derzeit im Monat 2.600.000 Millionen BY Rubel (ca. 310 $), ein Professor immerhin schon 6.500.000 BY Rubel (ca. 780 $). Die Lehrbelastung bei den Engagements ist dabei deutlich höher als bei uns, von dem niedrigen Organisationsgrad und bürokratischen Aufwand aller Aktivitäten, die nochmals Zeit kosten, ganz zu schweigen.

Musical Jesus Christ Superstar in Belarus/Weißrussland verboten

Foto: http://en.ria.ru/world/20120301/171669636.html

Die Nachricht ist eigentlich schon veraltet, aber angesichts der anhaltenden Nachrichten zum Einfluss der Orthodoxen Kirche auf Kunst und Kultur in Russland, bleibt ein gewisser Nachgeschmack. Im Februar meldete BelPan (13.2.2012), dass das Musical Jesus Christ Supersrat in Belarus verboten wird.

Hintergrund war die Petition von 500 Gläubigen, die sich an die Regionalverwaltung gewandt hatten. Sie hatten insofern Erfolg, als der für Mogilev bereits von dem St. Petersburg Rock Opera Theater angesetzte Aufführungstermin wieder abgesagt und statt dessen die Aufführung der Rockoper „Orpheus und Euridike“ des russischen Komponisten Aleksandr Zhubrin ins Programm genommen wurde.

Mal ganz abgesehen von den finanziellen Verlusten des örtlichen Veranstalters ArtFest war dieser von der Intervention der Kirche überrascht, zumal bisher keine Einwände gegen das Musical überhaupt (das seit 41 Jahren gezeigt wird!) und auch nicht bei den Planungen für mehrere Veranstaltungen in Belarus (Gomel, Mogilyov, Brest and Minsk) erhoben worden waren. Erst jetzt bemängelten die Gläubigen in ihrem Brief, und mit ihnen die Kirche, dass Judas in dem Musical in einem zu positiven Licht dargestellt werde.

Ein Sprecher von ArtFest äußerte sogar Unverständnis darüber, dass in einem säkularen Staat und bei entsprechenden Gesetzen, die ein Verbot nur aufgrund von Gewalt, religiösem Hass oder Pornographie zulassen, die Kirche eine solche Entscheidung herbeiführen kann. Mit diesem Widerspruch sollen sich nun auch das Kulturministerium und das Nationale Komitee für Religiöse Angelegenheiten beschäftigen.

Ein vergleichbarer Einfluss der Kirche auf Staat, Politik und Gesellschaft wie in Russland, ist in Belarus nicht zu beobachten. Zwar ist der Präsident an Feiertagen und zu wichtigen Anlässen häufig in der Kirche zu sehen und auch über Konsultationen Lukaschenkos mit kirchlichen Würdenträgern wird immer wieder berichtet. Die Kirche erhält jedoch kein Geld vom Staat und ist auch in der öffentlichen Wahrnehmung deutlich getrennt von Politik und Regierung.

Reitsport in Belarus/Weißrussland

Der Außenreitplatz in Baran'.

Die Eröffnung der Grünen Saison auch in Belarus ist Anlass, noch mal einen Blick auf die Reiter- und Pferdeszene zu werfen. Seit April laufen die Qualifikationsturniere in Ratomka, wobei mir erst nach einem Jahr wirklich bewusst geworden ist, dass es eine Turnierszene wie bei uns in Deutschland gar nicht gibt. Es sind einfach zu wenig Reiter, die daran teilnehmen, auch wenn der Sport sich zunehmend verbreitet. Jedenfalls finden Turniere in der Dressur unterhalb von S gar nicht statt, die Wettbewerbe beginnen mit „Malyj Priz“ („Kleiner Preis“ = St. Georg) über „Mittlerer Preis“ (= Intermediaire) bis zum „Großen Preis“ (= Grand Prix). Bei den Springern und Vielseitigkeitsreitern ist es etwas anders, hier teilt sich die Spreu vom Weizen durch die Höhe, so dass man im Vergleich sagen könnte, die Turniere beginnen auf L-Niveau.

Insgesamt wird die Szene durch die wenigen Profi-Reiter bestimmt. Meine eigenen Ausflüge haben mich z.B. zu Alesija Tarasevich (Springen), zu Ekaterina Efremova (Dressur) und Irina Lis (Dressur) und zum „Zentrum der olympischen Reserve im Reitsport und der Pferdezucht“ in Baran’ und einem Richter-Fortbildungsseminar bei Natalja Petuchova geführt. An den Olympischen Spielen nimmt in diesem Jahr nur die Vielseitigkeitsreiterin Elena Telepuschkina teil.

Im Freizeitbereich ist der Reitsport allerdings auch auf dem Vormarsch. Immer mehr Kinder und Jugendliche nutzen die mittlerweile zahlreichen Angebote. Eine systematische Förderung oder ein Vereinswesen gibt es bisher nicht. Eigene Pferde werden immer mehr zum Statussymbol der neuen Mittelschicht. Die Unterbringung in einem Stall mit Halle und Vollpension kostet durchschnittlich 200 $, was bei einem Durchschnittseinkommen von 150-400$ eine stattliche Summe ist. Im letzten Jahr fand die erste und bisher einzige Pferdemesse in Minsk statt. Hier war zu beobachten, dass der Reitsport in die Konzeption des Ökotourismus integriert wird.

Belarussischer Reitsportverband: http://www.horses.org.by/

Nationales Reitsportzentrum Ratomka: http://www.ratomka.of.by/

Belarussische Gesellschaft für Reitsport und Hippotherapie: http://www.sudarrb.com/ru.html

Reitsport-Portal: http://www.podkova.by/
Hier sind u.a. Reitsportanlagen, Adressen zur Zucht und Geschäfte genannt, darunter das einzige Internet-Versand in Belarus: http://www.horsemarket.of.by/

Weitere Links und Infos bietet die private Seite: http://www.koni.by/

Archive in Belarus/Weißrussland

Ein Forschungsprojekt führte mich jüngst erstmals in belarussische Archive. Vor dem Hintergrund meiner Erfahrungen in verschiedenen russischen Archiven zu unterschiedlichen Zeiten, war ich hier überrascht, wie einfach und letztlich unkompliziert der Zugang funktionierte. Natürlich braucht man auch hier ein Empfehlungsschreiben, aber einmal registriert, geht es problemlos.

Mein Thema war der „Große Vaterländische“, für den es einen eigenen, zweisprachigen (russisch – deutsch) Archivführer über die vorhandenen Bestände in allen Archiven von Belarus gibt: Dokumente zur Geschichte des Zweiten Weltkrieges in den Staatsarchiven der RB, 1941-1945, Minsk 2003.

Ähnlich positive Erfahrungen habe ich im Archiv für Kino- und Fotodokumente sowie im Minsker Bezirksarchiv gemacht. Angeblich ist auch das Militärarchiv für die Nutzung offen, wie es in einem Bericht anlässlich des „Tags der Archivare“ (6. Oktober) in der Militärzeitung heißt. Dieses Abenteuer steht mir noch bevor. Ebenso der Versuch, in das bisher geschlossene KGB-Archiv zu gelangen.

Einen guten Überblick verschaffen kann man sich auf der zentralen Website der Archive, von wo man auch zu allen anderen Archive gelangt.

Akten zur Geschichte von Belarus, die sich in ausländischen Archiven befinden, sollen in einer Datenbank zusammengefasst werden. Das Protal soll Archive der GUS und anderer Staaten zusammenführen. Von besonderem Interesse sind dabei die Dokumente zur Familie der Radziwills, die sich größtenteils in Warschau und teilweise in Litauen, Russland, der Ukraine und Deutschland befinden.

Ein Archivthema, das hier viel Beachtung findet, ist die Ahnenforschung. Auf der Seite der Staatlichen Archive wird gesondert auf weitere Datenbanken und Quellen verwiesen, mit denen man genealogische Forschungen betreiben kann. Hier wiederum gilt ein besonders Augenmerk der jüdischen Geschichte. Was die Suche nach Soldaten in Belarus aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges betrifft, gibt es einen umgekehrten Hinweis auf den Seiten des DRK für Belarus/Weißrussland.

„The uncataloged Museum“ – Ein amerikanischer Museumsblog schaut auf Minsk

Am 13. April ist unsere Seminarreihe zum Ausstellungs- und Museumsmanagement im Goethe-Institut gestartet. Die erste Sitzung hat Katrin Hieke, eine Expertin für Marketing und Tourismus im Museumsbereich bestritten. Sie ist in Bonn bei der Agentur Projekt 2508 tätig. Über ihre Erfahrungen hat sie in einem amerikanischen Museumsblog geschrieben.

 

Familiensitz der Dostoevskijs

Dieser befindet sich in der Region Brest und soll nun mit Mitteln des Unionsstaates restauriert und zu einem kulturellen Anziehungspunkt ausgebaut werden. Das Gebäude ist 1943 im Krieg zerstört worden und danach völlig verfallen. Nun soll dort ein Museum zu Leben und Werk des berühmten Autors entstehen.

 

Schwarze Liste

Laut Kulturministerium gibt es keine „schwarze Liste“ (BelaPan 22.2.2012) mit unerwünschten Musikern in Belarus . So lautete die Antwort auf eine Eingabe der Band „Adis Abeba“, die sich nach Absagen von Konzerten der Gruppen „Neuro Djubel“ und „Krambambulja“ in Minsk an die Behörden gewandt hatten.

“We believe that music bands whose activities and works are in line with the law, national traditions and generally established standards of conduct should be in demand,” sagte der stellvertretende Kulturminister. “We do not see any problems with providing venues and air time to Belarusian-language bands and singers.”

Dass es mit oder auch ohne eine konkrete Liste für viele Musikgruppen schwierig bis unmöglich ist, in Belarus aufzutreten, ist bekannt. Gerade hat Ingo Petz wieder darüber in der FAZ berichtet (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 14.04.2012 Seite Z4). Viele Bands sind mit Auftrittsverboten belegt oder werden durch sog. technische Probleme an ihren Auftritten gehindert.  Im letzten Jahr konnten Rockkonzerte u.a. von Lyapis Trubetskoi, Zmitser Vaytsyushkevich, Neuro Dubel, N.R. M. and Krambambulya, ein Projekt von Lyavon Volski, nicht stattfinden. Immer wieder ist daher die „Schwarze Liste“ im Gespräch, auf der, so heißt es, 30 einzelne belarussische und ausländische Künstler und 15 Bands stehen.

Neueröffnung der Ausstellungsräume im Schloss Nesvizh steht kurz bevor

Als eines der bedeutendsten Kulturereignisse hat der Kulturminister Pavel Latuschko die Wiedereröffnung des Radziwill-Schlosses Nesvizh im Juni nach der Restaurierung bezeichnet.

Angesichts der gestiegenen Besucherzahlen von Museen (5 Mio im letzten Jahr), will Latuschko dieses Ereignis auch nutzen, um den Tourismus fördern. Positive Erfahrungen hat man bereits beim Schloss Mir gemacht, wo die Einnahmen nach der Neueröffnung um ein 8faches gestiegen waren, so der Minister. Zusammen mit den durchschnittlich 60 Festivals in Belarus pro Jahr biete das neue Schloss einen weiteren Anziehungspunkt für einheimische und ausländische Touristen.


Neues vom Museumsviertel in Minsk

Foto: http://www.profi-forex.org/news/entry1008115626.html

Eine neuerliche Meldung des Museumsdirektors Vladimir Prokopcov (BelaPan 13.4.2012) kündigt den schon länger geplanten Ausbau des Viertels rundum das Nationale Kunstmuseum für 2017 an. Demnach geht die Idee auf den Präsidenten selbst zurück.

Ziel des Ausbaus zum Museumsviertel ist die Erweiterung der Ausstellungsfläche, so dass die gesamte Sammlung des Kunstmuseums gezeigt werden kann. Bisher sind insbesondere die Bestände alter und moderner belarussischer Kunst sowie der orientalischen Kunst weitestgehend im Depot. Außerdem soll ein Besucherservicebereich mit Café und Shops entstehen.

In die Erweiterung einbezogen wird das ehemalige Wohnheim der Staatlichen Universität. Bei anderen Gebäuden, die derzeit noch mit Wohnungen belegt sind, gibt es noch Verhandlungsbedarf, ob uns wie diese in die Erweiterung mit einbezogen werden können.

Warum die Meldung gerade jetzt wieder aktuell ist, ist nicht erkennbar. Die Idee jedenfalls ist nicht neu und immer mal wieder im Gespräch.

Talkshow zur Lage der Museen in Belarus/Weißrussland

Am 2.4.2012 hat sich die wöchtenliche Talkshow von Vjacheslav Bondarenko, Otkrytj format, mit der aktuellen Lage der Museen befasst. Gäste waren der Direktor des Nationalen Kunstmuseums, der Direktor des Museums der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges, die stellvertretende Leiterin der Museumsabteilung im Kulturministerium und zwei Künstler. Außerdem gab es, wie immer, Wortmeldungen aus dem Publikum, darunter vom Direktor der Gedenkstätte Chatyn, Alexander Guzhalovskij, einem führenden und kritischen Professor für Museumswissenschaften an der BGU oder Alexander Zimenko, einem freien Kurator für zeitgenössische Kunst.

Ausgangspunkt war die Einführung eines Eintrittsgeldes für den Ruhmeshügel. Es kamen aber auch andere Themen zur Sprache wie der Anstieg der Besucherzahlen, die in belarussischen Museen fehlenden Shops und Servicebereiche, Veranstaltungsprogramme und Lange Nacht, private Sammlungen sowie die Frage, warum es in Belarus eigentlich klein Open-Air-Automuseum gibt.

Interessanter als diese Frage war aus meiner Sicht die Umfrage, die während der Sendung bei den Zuschauern durchgeführt wurde. Demnach halten 83% der Belarussen Museen für einen Ort der Aufklärung, nur 17 % bringen sie mit Freizeit und Unterhaltung in Verbindung.

Insgesamt war die Sendung wenig ergiebig. Es gab kein erkennbares Konzept bzw. eine klare Fragestellung. Die Beiträge wirkten daher überwiegend beliebig, wie auch die zusammenfassende Stellungnahme von Bondarenko in seinem Blog: Angesichts der Tatsache, dass Museen lebendige Orte sein sollten, nehme die Verwaltung überhand.