Kultur

Verfilmung einer Bykov-Erzählung in Cannes

Der u.a. von “Belarusfilm“ mitproduzierte Film „Im Nebel“ nach einer Vorlage des belarussischen Schriftstellers Vassilij Bykov ist Teil des Wettbewerbs bei den Filmfestspielen in Cannes. Der Regisseur Sergei Loznitsa stammt ebenfalls aus Belarus. Thema des Films ist der Widerstand der Partisanen gegen die deutschen Besatzer im Zweiten Weltkrieg.

Budget der Belarussischen Staatlichen Universität

Einer Meldung von BelaPan  im Februar zufolge betrugen die Einnahmen der BGU im Jahre 2011 642.9 Billionen Rubel ($ 77 Millionen). Das sind 60% mehr als im Vorjahr, so der Rektor der Universität. Von diesen Einnahmen stammen 45 % (291.9 Billionen Rubel) von der Regierung. Den größten Teil machen die Studiengebühren aus, ca. 60 % der knapp 30.000 Studierenden müssen diese entrichten. Davon sind ca. 2.000 Ausländer aus 53 Ländern, so die Angaben der Universität.

Künstler und Direktor – Vladimir Prokopcov

Foto: http://goals.by/other?escape=false&page=15

Eine weithin bekannte Persönlichkeit ist der Direktor des Nationalen Kunstmuseums, Vladimir Prokopcov. In der Zeit nach seiner Amtsübernahme als Leiter des Museums 1998 hat das Museum einen Erweiterungsbau erhalten und zahlreiche Ausstellungen realisiert. Für die Zukunft ist ein ganzes Museumsviertel rund um das Kunstmuseum gepant.  Als charismatische Persönlichkeit, häufig im Fernsehen und auf so gut wie allen kulturellen Veranstaltungen der Stadt anzutreffen, gelingt es Prokopcov, das Museum immer wieder ins Gespräch zu bringen. Er ist Professor für Kunstgeschichte, Ehrenmitglied der Akademie der Wissenschaften und natürlich Mitglied des Künstlerverbandes. Außerdem ist er Mitglied der Nationalversammlung und damit durchaus eine politische Persönlichkeit.

Neben seiner Leitungsfunktion ist Prokopcov aber auch weiterhin noch als Künstler tätig. Zu seinen Sujets gehören Stillleben, Landschaften und Themenbildern, in denen er nicht selten selber vorkommt und die bisweilen auch in die Sammlung des Nationalen Kunstmuseums übergehen.

 Hier ein Interview mit Prokopcov aus dem Jahre 2009: http://www.pinguin.by/krupnym-planom/234-prokopzov.html

Konferenz „Belarus und Deutschland“

An der Linguistischen Universität, am Lehrstuhl für Geschichte und Belaruswissenschaften, fand am vergangenen Freitag die 11. internationale Konferenz zum Thema „Belarus und Deutschland“ statt. Veranstalter der jährlich stattfindenden Konferenz ist Sergej Novikov, ein auch in internationalem Kontext ausgewiesener Historiker. International freilich wurde die Konferenz durch einige russische Kollegen und mich.

Themenschwerpunkt war die Militärgeschichte, die meisten Vorträge widmeten sich dem „Großen Vaterländische Krieg“. Hervorzuheben sind aus meiner Sicht die Beiträge von Julija Kantor aus Petersburg zur Frage der Kulturgüterverluste (leider zu wenig zu Belarus), Anatolij Šarkov von der Akademie des Innenministeriums über die Vergeltungspolitik gegenüber Kollaborateuren (leider kaum Quellenbezug) und Igor Kusnecov von der BGU über die Forschungen zu Trostenec (präzise und sehr kritisch!). Als reaktion auf meinen eigenen Vortrag über die neue Konzeption des Museums der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges bekam ich durchweg zu hören, dass sowohl die Konzeption als auch die Pläne für Architektur und Gestaltung weitest gehend unbekannt waren – was mich ehrlich überrascht hat.

Insgesamt herrschte eine offene, kritische und aufgeschlossene Atmosphäre, wie ich sie oft in geschlossenen Kreisen erfahre. Der Austausch war rege, der Nachfragen viele. Sieht man von der schieren Masse der Vorträge ab (in der Nachmittagssitzung 18!!), meist ohne Folien oder anderes Anschauungsmaterial, wie es hier leider so üblich ist, bot die Tagung einen guten Einblick und Überblick über die aktuellen Fragen der Militärgeschichtsforschung in Belarus.

Neuer Gedenkstein auf dem ehemaligen jüdischen Friedhof in Minsk

Am 22. März fand die Einweihung eines weiteren Gedenksteins auf dem ehemaligen jüdischen Friedhof in Minsk, gegenüber der Geschichtswerkstatt auf dem Gelände des ehemaligen Ghettos, statt. Neben den schon vorhandenen Steinen, die an die Deportation von Juden aus Köln, Bonn und dem Siegkreis, Bremen, Berlin und Düsseldorf nach Minsk erinnern, wurde an diesem Tag ein Gedenkstein der Stadt Frankfurt am Main enthüllt. Anwesend waren Vertreter der Stadt Frankfurt und Minsk, der Evangelischen Kirche Hessen/Nassau, Vertreter der IBB Minsk und der Geschichtswerkstatt sowie Zeitzeugen. Noch immer fehlt nun ein Stein aus Prag, der an die von dort verschleppten Juden erinnern soll. Bisher konnte hier kein Übereinkommen über das gemeinsame Erinnern erzielt werden.

Am Nachmittag des Tages fand eine Veranstaltung anlässlich des 9. Jahrestages der Geschichtswerkstatt und am folgenden Tag die Eröffnung der Tschernobyl-Ausstellung im IBB sowie die Amtsübergabe der deutschen Leitung der IBB an Olga Rentsch statt. Die Stimmung bei beiden Veranstaltungen war dadurch getrübt, dass Astrid Sahm, die bisherige deutsche Leiterin der IBB Minsk, zuvor an der Einreise nach Belarus gehindert worden war. Inwieweit dies mit den jüngsten Entwicklungen zwischen Belarus und der EU zusammenhängt, kann nur vermutet werden.

Streit um den Ruhmeshügel bei Minsk

Seit dem 20. März ist der Zutritt zu dem Gelände nur noch gegen ein Eintrittsgeld gestattet. Der Hügel, etwa 20 km von Minsk entfernt, befindet sich an der Stelle, an der sich 1944 die drei Armeekorps vereinigt haben, die Belarus von der nationalsozialistischen Besatzung befreit haben. Für die Anlage wurde Erde aus den Heldenstädten Moskau, Leningrad, Wolgograd, Sevastopol, Odessa, Kiew und aus der Brester Festung zusammengetragen, sie wurde 1969 eröffnet.

Das Eintrittsgeld beträgt 1.500 bis 3.000 Rubel (= 0,15 bis 0,30 ct.). Eingeführt hat es die Verwaltung der Gedenkstätte in Chatyn, zu der das Geländes des Ruhmeshügels seit einiger Zeit gehört, mit der Begründung, die Pflege der Anlage verursache erhebliche Kosten. Außer dem begehbaren Hügel selbst gibt es dort ein Café und Toiletten. Ein Museum oder Dokumentationszentrum ist nicht vorhanden. Zuvor war es eine Filiale des Museums der Geschichte des großen Vaterländischen Krieges. Er ist ein beliebtes Ziel für Touristengruppen.

Die Einführung des Eintrittsgeldes hat eine Debatte ausgelöst. Am vergangenen Montag (2. April) hat sich die Talkshow „Offenes Format“ von Vjacheslav Bondarenko mit dem Thema befasst.

Frühlingsanfang im Freilichtmuseum

Am 24. März wird im „Museum nationaler Architektur und Lebensform“ einer der ältesten belarussischen Feiertage „Rufen des Frühlings“ (Гуканне вясны) begangen. Mit Liedern, die Vogelgesang im Frühling ähneln, wird hierbei die neue Jahreszeit begrüßt. Aus Weidenzweigen wird ein Freudenfeuer entzündet, drum herum wird getanzt.

Wie auch bei anderen traditionellen Festen sind auch dieses Mal die Museumsbesucher eingeladen, an dem Ritual selber teilzunehmen. Ergänzt wird das Angebot durch Workshops, in denen die traditionellen Puppen oder Teigfiguren hergestellt werden können, Konzerte, Verkaufsstände und natürlich belarussische Küche.

Werke jüdischer Komponisten in der Philharmonie

Von erlesener Qualität war das gestrige Konzert im Kleinen Saal der Philharmonie . Auf dem Programm stand eine Auswahl von Werken jüdischer Komponisten, die durch Geburt, Leben oder Wirken mit Weißrussland /Belarus bzw. der Kulturregion verbunden sind. Dargeboten wurden die Stücke durch das Solisten-Ensemble „Klassik-Avantgarde“.

Das Ensemble wurde Ende der 80er Jahre gegründet und steht seitdem unter der Leitung von Vladimir Baidov. Die 18 Musiker sind teilweise als Solisten mehrfach ausgezeichnet und bilden zusammen einen harmonischen und technisch brillanten Musikkörper. Ihr Name ist Programm: Immer wieder stellt das Ensemble neben bekannten Klassikern bisher wenig gespielte und teilweise vergessene Komponisten vor. Ergänzt wird das Konzertprogramm, wie auch gestern Abend, durch jeweils ausführliche Einführungen in die Stücke mit biographischen Informationen über die Komponisten und ihre Werkgeschichte.

Gestern Abend stellte das Orchester etwa 12 Stücke jüdischer Komponisten vor, darunter Maximilian Steinberg (1882-1946), Aleksandr Tansmann (1897-1986) und Mardechaj Gebirtig (1877-1942) , der im Ghetto in Krakau erschossen wurde. Überhaupt war viel die Rede von dem Schicksal der jüdischen Bevölkerung in der Region, Antisemitismus und vergessener Kultur. Der ganze Abend wurde in belarussisch moderiert, das Programm nur in belarussisch gedruckt. Das Interesse war groß, der Saal übervoll. Das Bedürfnis, der eigenen Vergangenheit auch in der Musikgeschichte nach zuspüren ist immens, und so war auch die Begeisterung: Nach zwei Zugaben gab es noch immer stehende Ovationen.

Das Ensemble, sein Programm und seine Anhänger sind ein weiterer Mosaikstein in der immer wieder ambivalenten Wahrnehmung von Belarus: So erhält dieses staatliche Orchester, das vom Kulturministerium von Belarus finanziert wird, zugleich Sponsorenmittel des hier stark in der offiziellen Kritik stehenden Polnischen Kulturinstituts. Auch wenn die staatliche Förderung für die nationale belarussische Kultur nicht ausreicht, wie viele Intellektuelle beklagen, so sind solche Konzerte doch ein Lichtblick. Und auch wenn die reiche Geschichte der jüdischen Bevölkerung und Kultur in der Region sicher nicht zu den Mainstream-Themen gehören, so gibt es eine Nische. Wie komplex die Situation ist, zeigt das gemischte Publikum unterschiedlichen Alters und Hintergrundes, darunter übrigens auch einige wenige Vertreter staatlicher Behörden.

Filzkultur

Foto: http://www.aktuell.ru/russland/panorama/filzstiefel

Unbedingt zum Thema Kultur gehören die unverwüstlichen Walenki und ich bin froh, dass das nun auch die FAZ und die ZEIT erkannt haben.

Mit Verzierung oder ohne, mit Innenschuh oder ohne, mit Gummisohle (der moderne Ersatz für die Galoschen aus Gummi) oder ohne stehen sie in verschiedenen dezenten Erdtönen in allen Minsker Schuhgeschäften und machen schon beim Anblick warme Füße.

Sie werden in Smilovichi bei Minsk seit 1928 überwiegend in Handarbeit produziert. Die Wolle kommt allerdings nicht aus Belarus, sondern aus Dagestan, Zentralasien und Belgien. Man sieht die Stiefel an Füßen von Milizionären ebenso wie an denen von Jägern und wohl auch von Häftlingen in sibirischen Lagern. Aktuell kosten sie ca. 20 €, der Fellschuh als Einlage nochmal ca. 5 €.

Professorengehälter Belarus/Weißrussland

Die Gehälter für wissenschaftliches Personal sind zum 1. Februar um 50 % angehoben worden. Grund ist die Steigerung der Zahlungsrate von Bestarbeiter um 32.5 % zum 1. Januar, die als Maßstab für Gehälter gilt. Demnach erhält jetzt ein Junior-Lehrbeauftragter mindestens 1,8 Mio Rubel im Monat, ein Senior-Lehrbeauftragter mindestens 2,2 Mio Rubel (derzeit 260 $). Betroffen von der Erhöhung sind 13.000 Wissenschaftler.

Die von Lukaschenko versprochenen 500 $ als Durchschnitt bleiben aber vorläufig ein Wunschtraum. Ein Lektor für russische Sprache mit einem Lehrdeputat von annähernd 38 Stunden erhält derzeit 120 $, ein Sonderlehrbeauftragter 10.000 Rubel (ca. 1 €) pro Stunde Lehre.

Die Förderung der belarussischen Kultur oder der Fall Maksim Haretski

Den gerade in letzter Zeit häufigen Beschwörungen von offizieller Seite, die belarussische/weißrussische Sprache und Kultur vermehrt zu fördern, scheint es offenbar nicht zu widersprechen, Orte zu zerstören, die sich mit ihr, der belarussischen Kultur, verbinden. In Horki, in der Region Mogilev, wurde unlängst für 2013 der Abriss des Wohnhauses von Maksim Haretski (1893-1938) beschlossen, eines belarussischen Schriftstellers.

Gegen diesen Beschluss sammelte die Bevölkerung Unterschriften und die Gesellschaft für Belarussische Sprache äußerte ihren Widerstand gegen die Pläne. Als offizielle Begründung dient der angeblich schlechte Bauzustand des Hauses. Den Bewohnern wurden neue Wohnungen versprochen. Bis heute erinnert nur eine Tafel am Haus daran, dass Haretski hier gelebt hat.

Hintergrund der Entscheidung ist das traditionelle Erntefest, das 2013 in Horki stattfinden soll. Zu diesem Zweck soll die Stadt hergerichtet und u.a. dieses Haus abgerissen werden.

Haretski gehört zu den Schriftstellern der Aufbruchphase belarussischer Kultur und Sprache Anfang des 20. Jahrhunderts. Mit seinem Werk hat er einen entscheidenden Beitrag zur Entwicklung der weißrussischen Sprache geleistet. In dem Haus in Horki hat er zwischen 1926 und 1928 gelebt. Wie andere belarussische Schriftsteller wurde er 1938 als „Staatsfeind“ ermordet.

Zwei Staatssprachen in Belarus/Weißrussland

Die Sprachenfrage in Belarus – das ist ein weites und kontroverses Feld. Unlängst äußerte sich der Vorsitzende des Schriftstellerverbandes, Nikolaj Čerginec, dazu und forderte, Belarussisch/weißrussisch stärker zu fördern. Um Belarussisch zu mehr Verbreitung zu verhelfen, sollen beispielsweise Sprachkurse in Institutionen und Firmen angeboten werden, so Čerginec. Schon jetzt seien auf Vorschlag des Verbandes alle Straßen- und Stadtnamen auf Belarussisch angegeben. Eine Tatsache, die übrigens nicht selten zu Verwirrung bei Ausländern und Touristen führt, da sämtliches Kartenmaterial bisher nur auf Russisch vorliegt und sich die Schreibweise bisweilen stark unterscheidet. Die Internetseite des Verbandes ist übrigens ebenfalls auf Russisch verfasst und Čerginec selbst beantwortete die (auch Belarussisch gestellten) Fragen auf der Pressekonferenz ausschließlich auf Russisch.

Auch der Kulturminister nahm sich des Themas an. Er verwies darauf, dass die Förderung der Verbreitung der Belarussischen Sprache zwar Teil des Regierungsprogramms der Jahre 2011-2015 sei, die dort formulierten Ziele bisher aber nicht erreicht worden seien. 2012 könne nun das „Jahr des Buches“ und die Jubiläen von Jakub Kolas und Janka Kupala genutzt werden, insbesondere bei „nationalen“ Einrichtungen die Belarussische Sprache stärker einzusetzen.

Seit 2009 steht die Belarussische Sprache auf der Liste der vom Aussterben bedrohten Sprachen der UNESCO . Über die reale Verbreitung der Sprache im Land gibt es unterschiedliche Auffassungen. Während in Minsk überwiegend russisch gesprochen wird, ist Belarussisch auf dem Land und im Westteil des Landes stärker verbreitet. Oft handelt es sich hier aber auch um eine Mischsprache, in der sich sowohl russische, polnische, ukrainische und regionale Besonderheiten verbinden. Obwohl die Sprache offiziell nicht gefördert wird, ist sie in einigen Abteilungen von Ministerien und staatlichen Einrichtungen (z.B. Institut für Belarussische Kultur, Nationales Historisches Museum) durchaus als Arbeitssprache üblich.

Zur Geschichte der Sprachenfrage siehe auch:

Hermann Bieder: Der Kampf um die Sprachen im 20. Jahrhundert, in: Handbuch der Geschichte Weißrusslands, hg. von Dietrich Beyrau und Rainer Lindner, Göttingen 2001, S. 451-471.

Ein Ausflug in die Musikszene

Für die Berichterstattung über die Musikszene in Belarus/Weißrssland gibt es kompetentere Schreiber als mich. Ich will daher nur meine ganz persönlichen Eindrücke von einem Konzert der beliebten Jazzband Apple Tea zum Besten geben. Im Januar hatte ich das Vergnügen, die Band in einem der wenigen Klubs zu hören, die von der alternativen Jugendszene besucht werden. Eine gute Bekannte und Kollegin hatte mich eingeladen, mich mehrfach nervös darauf hingewiesen, dass es mir vielleicht nicht gefallen könnte, handele es sich bei dem Graffiti-Klub doch um einen abgelegenen Ort, schwer zu finden und sicherlich nicht meinen „diplomatischen Erwartungen“ entsprechend. Am Ende war sie ganz erleichtert, dass es mich nicht nur nicht geschockt, sondern es mir sogar ausnehmend gut gefallen hat. Die entspannte und offene Atmosphäre hat mich außer an Berlin an die für uns gar nicht mehr hinterfragte Selbstverständlichkeit einer freien Musikszene erinnert.

Die Band selbst gibt es schon sehr lange, sie hat sich in den späten 80er Jahren gegründet, als in Russland Kino, DDP oder Nautilus Pompilius entstanden. Seitdem hat sie sich vielfältig entwickelt, tritt vor ganz großem Publikum ebenso wie in kleinen Klubs auf und wird gerade dafür bei der kritischen Jugend sehr geschätzt.

Video zu Apple Tea auf Youtube: http://youtu.be/L0h9n7HXvM4

Weitere Informationen zur Musikszene:

http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/?artikelID=20060306

http://www.eurozine.com/articles/2007-02-08-petz-de.html

Nationales Programm zur Instandsetzung historischer Schlösser

Das Schloss Mir steht unter UNESCO-Weltkulturerbe.

Ein umfassendes Programm zur Bewahrung und Restaurierung historischer Schlösser in Belarus für die Jahre 2012 bis 2018 wurde im Januar vom Ministerrat beschlossen. Insgesamt wird das Programm 131 Billionen Rubel (nach heutigen Stand knapp 12 Milliarden Euro) kosten. Davon werden nur 2,5 Billionen Rubel aus dem staatlichen Budget zur Verfügung gestellt. Die restliche Summe sollen die lokalen Behörden aufbringen. Profitieren sollen 38 Schlösser (von insgesamt 150 auf dem heutigen Gebiet von Belarus), die meisten von ihnen sind in schlechtem Zustand und bisher nicht für den Tourismus erschlossen. Dies gilt bisher nur für die Schlösser in Mir und Nezvizh.

Das Museum des Großen Vaterländischen Krieges und die Wirtschaftskrise

Der Neubau des „Museums des Großen Vaterländischen Krieges“ am Obelisken Minsk Heldenstadt geht voran, trotz Wirtschaftskrise und chronischem Staatsdefizit. Probleme gibt es derzeit mit dem alten Gebäude bzw. der dort gelagerten Sammlung. Diese kann aufgrund der Stadtplanung der Behörden dort nicht bis zum Umzug in das neue Gebäude bleiben, das 2013 eröffnet werden soll. Der Plan sieht vor, dass die Sammlung in einem anderen Gebäude zwischengelagert werden soll, damit das alte Gebäude am Oktoberplatz in der Stadtmitte noch vor Juli 2012 abgerissen werden kann. An seiner Stelle soll ein 5-Sterne Hotels entstehen, das bereits bis zur Hälfte gebaut ist. Der zweite Teil kann nun nicht begonnen werden, da es bisher kein Gebäude gibt, in das das Museum mitsamt seiner Sammlung umziehen kann. Offenbar betreffen die Folgen  dieser Planänderung aber bisher nicht das Museum, sondern das Hotel. Demnach ist dieses Bauvorhaben eines von mehreren Projekten mit internationaler Beteiligung, die nicht in der geplanten Weise realisiert werden, sondern den veränderten Umständen angepasst werden müssen. Demnach wird das Museum vorerst an alter Stelle bleiben.

Seminare zum Ausstellungs- und Museumsmanagement

Auch in diesem Jahr wird es wieder eine Reihe von Veranstaltungen für Mitarbeiter/-innen von weißrussischen Museen am Goethe-Institut geben. Anders als im letzten Jahr wird eine regelmäßig tagende Arbeitsgruppe zusammenkommen, die sich aus einem festen Teilnehmerkreis zusammensetzt. Die Museumsfachleute erhalten am Ende ein Zertifikat über ihre Teilnahme, ausgestellt vom Goethe-Institut, ICOM und Tradicia History Service. Darüber hinaus finden zwei mehrtägige Workshops zur Vertiefung einzelner Themen statt.

Der Ausschreibungstext zur Bewerbung um die Teilnahme ist ab heute in deutscher, russischer und belarussischer Sprache auf der Website des Goethe-Instituts zu finden.

Außerdem habe ich in der vergangenen Woche mit meinem „Speckurs“ zum Thema Ausstellungsmanagement an der Historischen Fakultät am Lehrstuhl für Museumswissenschaften der Staatlichen Universität begonnen. Eine durchaus lohnende Erfahrung: Die Studierenden sind engagiert und saugen den Stoff praktisch auf, zur Bearbeitung von Texten, Websites etc. kann ich auf deutsche, englische und französische Sprachkenntnisse zurückgreifen, die Technik (Beamer, WiFi) hat bis jetzt einwandfrei funktioniert.

Weniger erfreulich sind das Honorar (10.0000 Rubel (ca. 1 €) pro Stunde), nur mäßig geheizte Räumlichkeiten mit zwar vielen PCs, dafür aber keiner Tafel, einer Flipchart o.ä., die nicht vorhandene Fachliteratur für einen Handapparat und die Organisation seitens der Uni. Dafür ist es umso erstaunlicher, dass sich aber auch inhaltlich niemand um mich kümmert, sprich: ich bin vollkommen frei in der Wahl meiner Seminarinhalte und Beispiele, incl. uneingeschränktem Zugang zum Internet. Auch hier also wieder die so oft zu beobachtende Ambivalenz: Ein insgesamt zu niedriges Niveau, nicht nachvollziehbare Strukturen und vor allem die eingeschränkte Freiheit zu Forschung und Lehre behindern den Beitritt des Landes zum Bologna-Prozess. Eine Kontrolle oder Aufsicht ausländischer Referenten, so jedenfalls meine eigene Erfahrung, findet offenbar nicht systematisch statt.

Nochmal: Buchmesse in Minsk

Im Rahmen der Buchmesse ist Frau Katharina Raabe, Leiterin des Osteuropa-Programms im Suhrkamp Verlag zu Gast in Belarus, um sich einen Eindruck von der Literatur des Landes zu machen. Am Freitag, den 10. Februar, 19.00 Uhr, wird sie in der Galerie Ў gemeinsam mit dem Schriftsteller Artur Klinau sowie den Autorinnen Volha Hapeyeva und Maryia Martysevich zum Thema „Literatur grenzenlos?“ diskutieren.

Mehr Informationen unter: http://www.goethe.de/ins/by/min/ver/de8791289v.htm

Bücher in Belarus/Weißrussland

Der heutige Beginn der XIX. Buchmesse in Minsk (8.-12.2.) sei Anlass darauf hinzuweisen, dass der Präsident dieses Jahr zum Jahr des Buches ausgerufen hat. Neben Veranstaltungen auf der Buchmesse wird es verschiedenen Ausstellungen in Belarus und im Ausland, Konferenzen und eine verstärkte Publikationstätigkeit geben sowie die Feier des 80. Jahrestages des Schriftstellerverbandes. Das Literaturportal Litkritika hat einen Wettbewerb ausgeschrieben.

Zum Programm des Buchjahres gehört auch die Förderung belarussischer Literatur. Dies fügt sich gut, denn in diesem Jahr wird ebenfalls der jeweils 130. Geburtstags der Nationaldichter Jakub Kolas (1882-1956) und Janka Kupala (1882-1942) begangen, zu deren Jubiläen zahlreiche Veranstaltungen stattfinden, darunter auch auf der Buchmesse und in der Nationalbibliothek.

Gerade hat eine Buchhandlung im Zentrum eröffnet, die insbesondere Bücher belarussischer staatlicher Verlage anbietet. Insgesamt machen die Titel in belarussischer Sprache aber nur 10 % der Buchproduktion aus, eine reale Spiegelung der Sprachensituation im Lande. Ca. 120 Bücher erscheinen im Jahr auf weißrussisch, alle unter staatlicher Kontrolle.

Nicht zur Förderung der belarussischen Literatur passt die Meldung von BelaPan (31.1.) zur bevorstehenden Schließung der Abteilung für belarussische Literatur in der Vitebsker Regionalbibliothek.

Private Kunsthandlung und Rahmungen in Minsk

Wie so oft, hat sich die Sendung „Alte neue Heimat“ auf WDR 5 auch an diesem Sonntag (5.2.2012) wieder Belarus/Weißrussland zugewandt. In einem Beitrag über die Situation privater Unternehmen im Lande stand eine Kunsthandlung in der Hauptstadt im Mittelpunkt, die Rahmen, Rahmungen und hochwertige Kunstdrucke anbietet.

Unter Verweis auf die doch erheblichen Schwierigkeiten und bürokratischen Schikanen, mit denen ein privates Unternehmen heute in Belarus zu kämpfen hat, wollten die Inhaber der Kunsthandlung nicht genannt werden.

Diesen Wunsch wollen wir nicht unterlaufen. Hochwertige Rahmen, Leisten und Kunstdrucke gibt es jedenfalls an verschiedenen Stellen: http://www.ramka.by/, http://baget.by/, http://heritage.belcoins.com/podzemka.html, http://www.bagetstudia.by/contact.html

Statistik Belarus/Weißrussland

Abb.: http://minsk.gov.by/ru/org/8641/attach/14bf620/obesp_dom_xoz_2011.shtml

Nach so viel Jagdgeschichten wird es Zeit, zum normalen Leben und den harten Fakten zurückzufinden. Wie könnte das besser gelingen als durch Statistik. Offenbar ist das gerade sowohl in Belarus als auch in Deutschland ein Thema. Zunächst hat kürzlich das Amt für Statistik in Minsk  interessante Informationen über das „normale Leben“ in der Hauptstadt veröffentlicht. Demnach verfügen immerhin ¾ aller Haushalte über einen PC, in 100 Haushalten gibt es 167 (!) Farbfernseher und zwei Satellitenempfänger, 106 Kühlschränke, 87 Waschmaschinen, 85 Staubsauger, zwei Spülmaschinen, 67 Mikrowellen, 43 Digitalkameras und 223 Mobiltelefone. Immer mehr Haushalte haben einen eigenen PKW (2001 26 PKWs in 100 Haushalten, im Oktober 2011 schon 42).

Dazu passt es wie geplant, dass in der letzten Woche eine Delegation des Statistischen Bundesamtes  hier in Minsk war, um anlässlich einer Inflation von über 100 % im letzen Jahr eine sog. Preiserhebung zur Bestimmung des sog. Kaufkraftausgleiches durchzuführen. Das heißt im Klartext, es wird geprüft, ob wir hier nicht zu viel Geld verdienen, weil das Leben für uns aufgrund eines günstigen Tauschkurses möglicherweise zu preiswert zu haben ist.

In einem zugleich komplizierten (Vergleichskriterien, Durchschnittswerte etc.) wie letztlich ernüchternd einfachen Verfahren (was es nicht gibt, wird nicht erhoben, keine regionalen Besonderheiten etc.) werden im Laufe einer Woche maximal Preise erhoben, diese statistisch verarbeitet und anschließend geprüft, ob deutsche Beamte vielleicht 50 Pfennig zu viel verdienen (zu wenig ist nicht vorgesehen). Im Falle von Weißrussland ist es schwierig, da Lebensmittel und einige Dienstleistungen sehr teuer, Energie und Benzin aber zum Beispiel für uns sehr günstig sind.

Harren wir also der Dinge, die da kommen. Immerhin gibt es wieder zwei Menschen mehr, die von den realen Lebensbedingungen in Belarus berichten können. Wie die meisten waren sie überrascht, denn „ so schlimm, wie immer berichtet wird, ist es doch gar nicht!“.

Zum Thema Kultur sei noch angemerkt, dass das Nationale Statistische Komitee der RB praktisch keine Daten erhebt und veröffentlicht. Hier sei für den Museumsbereich auf die jährlichen Erhebungen des Instituts für belarussische Kultur verwiesen, in diesem Blog für 2010 publiziert unter: www.tradicia.de/wordpress/archives/816 

Die Wolfsjagd – Epilog

Noch immer hängt mir meine Begegnung mit den Wisenten nach – diese stille gegenseitige Betrachtung in im tief verschneiten, frostigen Wald, voller Verwunderung über den anderen. In diese Träumerei hinein kommt die Meldung von BelaPan vom 30. Januar: Offenbar aufgrund eines Jägerfehlers (!) ist in der Region um Gomel’ ein weibliches Wisent getötet und ein weiteres verletzt worden. Erst Tage später wurden sie in dem wenig besiedelten Gebiet gefunden. Ob das verletzte Tier überlebt, war zu diesem Zeitpunkt noch unklar. Von den Jägern, die die Tiere vermutlich mit Wildschweinen verwechselt hatten, keine Spur. So grausam kann die Jagd sein!

Die Wolfsjagd – Eine Fortsetzungsgeschichte (6)

Glückliche Jäger!

Das war’s! Was für ein Abenteuer! Der Wolf ist dabei nicht mehr in Erscheinung getreten, dafür aber noch mal mehrere Herden Wisente, Rehe und andere Waldbewohner. Außerdem lachte über unserem letzten Jagdtag die Wintersonne bei nach wie vor 16˚C Frost. Die Spurensucher waren aktiv, wenn auch erschöpft, und so wurde doch noch eine Drückjagd möglich, nachdem wir erstmals selber eine echte und klare Wolfsspur im Pulverschnee gesehen haben. Ganz in der Nähe fanden sich dann noch die Reste [sic!] eines Rehs, das mehrere Wölfe am selben Tag gerissen hatten. Offenbar war er selber aber schon weg, so dass das zweistündige Warten in der Kälte ohne Erfolg blieb.

Was die Wölfe von einem Reh übrig gelassen haben.

 

 

 

 

Es blieb dann noch Zeit für einen kurzen Abstecher zu einem Denkmal an einen der vielen historischen Orte im Wald. Ein Gedenkstein erinnert an eines der vielen zerstörten Dörfer. Wer sie zerstört hat, bleibt freilich meist offen, in diesem Fall wohl die Deutschen, 1942 war der Partisanenkrieg noch nicht voll entbrannt. Mehr als dieser Stein erinnert an dieses Dorf nicht, von dem man nicht mal mehr den Namen weiß.

Gedenkstein für ein unbekanntes, zerstörtes Dorf.

 

 

 

Alles in allem konnten wir Waldmenschen wie Bürokraten schließlich doch noch davon überzeugen, dass das ganze Unternehmen für uns ein Erfolg und großes Abenteuer war. Erst dann haben letztere uns verraten, dass sie uns wie die Italiener gefürchtet hatten: Nix klappt bei der eigenen Reiseorganisation, und wenn nicht am ersten Tag erfolgreich geschossen wird, dann hagelt es Beschwerden. Und so trinkfest wie wir seien sie auch nicht! Darauf wurden dann einvernehmlich die letzten Flaschen geleert und eine Verabredung für’s nächste Jahr getroffen! Waidmanns Heil!

Die Wolfsjagd – Eine Fortsetzungsgeschichte (5)

Allmählich wird es eng. Heute ist der letzte Tag und bisher hat sich der Wolf nicht gezeigt. Offenbar sind außer den Bürokraten (schlechte Publicity!) auch die Waldmenschen enttäuscht, was sich an dem deutlich verminderten Wodkaverbrauch messen ließ. Für sie fällt das Wochenende aus, heute, am Samstag, heißt es wieder stundenlang bei eisiger Kälte (heute morgen – 16˚C) Spuren suchen, zu Fuß und auf Skiern. Morgen kommen schon die nächsten Jäger – Gott sei Dank nur zur Wildschweinjagd, also einer leichten Beute gegenüber dem Wolf.
Derweil genießt mein Schwiegervater den Schnee, die Wintersonne und den Wald. Von dessen Zustand ist er ganz begeistert, kann er es als Jäger, Landwirt und Waldbesitzer doch beurteilen. Bemerkenswert ist zunächst die wirklich große Fläche des Waldes in Belarus, dem einzigen Land in Europa, in dem der Verbrauch, also die Abholzung des Waldes, hinter dessen Zuwachs zurückbleibt. Hierfür gibt es offenbar mehrere Gründe. Zum einen hat es nach dem Krieg bis in die 50er Jahren eine systematische Aufforstung gegeben, bei der die Männer, so berichteten uns die Waldmenschen, die Löcher mit den Spaten gestoßen und Frauen und Kinder die Setzlinge eingepflanzt haben. Sieht man mal von den sicher katastrophalen Arbeitsbedingungen ab, so hat sich das für den Wald sehr bewährt. Auch die Tatsache, dass selbst abgelegene Gebiete mit der Gaszentralheizung versorgt sind, also nicht auf den sprichwörtlichen Ofen angewiesen sind, schont den Wald, der in großen Teilen unter Naturschutz steht. Hinzu kommt ein, offenbar im Unterschied zu Russland, gut organisierter und effektiver Brandschutz im Sommer, der freilich vom feuchteren Klima begünstigt wird.
Ein Blick in die Dörfer offenbart noch etwas anderes: Trotz postsowjetischer Planwirtschaft, zeigt sich gerade hier, anders als in dem am Reißbrett und im sozialistischen Größenwahn geplanten Minsk, die offenbar nicht auszurottende Tradition und Kultur der Selbstversorgung und Eigeninitiative – auch dies deutlich anders, als in Russland. Hier bekommt das Sprichwort, die Belarussen seien die Deutschen unter den Slawen, einen greifbaren Sinn. Die Häuser, teilweise noch aus ganz altem, also Vorkriegs-Baumbestand gebaut, und die Vorgärten sind gepflegt und individuell angelegt. Bezugspunkte in der Umgebung sind die Kirchen, fast in jedem größeren Dorf stehen neben den katholischen (die vom Einfluss Polens zeugen) teilweise neue orthodoxe Gotteshäuser (um sich gegen die Katholiken zu behaupten!).
Der Wald ist dabei zugleich Objekt der Hege und Pflege, ebenso wie der Nutzung. So war die letzte Aktion nach erfolgloser Jagd gestern Abend die Anlieferung eines riesigen Stückes Biberfleisches auf unserer verschneiten Kreuzung im Wald, bestimmt für ein Minsker Restaurant.  Während die Städter die Delikatesse aus dem Wald genießen, nutzen die Waldmenschen alle Teile des Bibers – vom Fleisch über das Fell, die Innereien, die Knochen und vor allem das Fett.

Die Wolfsjagd – Eine Fortsetzungsgeschichte (4)

Foto: Ochota 12 (2011)

Um es gleich zu sagen: Der Wolf macht es weiterhin spannend. Auch an Tag vier des Abenteuers hat er sich nicht gezeigt. Was offenbar die Experten von BelGosOchota deutlich mehr beunruhigt, als meine Schwiegervater. Mit gewohnter Ruhe und Gelassenheit erinnert er an die unvergleichliche Scheu des Wolfes, der nur wenigen Jägern das Jagdglück beschwert. Die russische Zeitschrift „Ochota“ (Jagd) widmete dieser Faszination ein ganzes Heft im Dezember 2011 .
Über die Beweggründe des Wolfes, sich nicht zu zeigen, ließ sich auch gestern– bei noch milden 6-8 ˚C Frost und Speck und Wodka im Wald – trefflich spekulieren: Ist es ihm zu kalt und er schläft, um Kräfte zu sparen? Oder ist es noch nicht lange genug kalt, um auf Futtersuche gehen zu müssen? Sind die besonderen Umstände der Ranzzeit verantwortlich? Gibt es zu viele Rehe in der Gegend, so dass er satt ist und nicht umherzieht? Oder gibt es gar zu wenig Rehe in der Gegend, so dass er immer neue Wälder aufsucht – und in der Nacht bis zu 30 bis 40 km zurücklegt?
Noch immer heißt es also warten. Dies gestaltet sich indes als ein weiterer Kurs in Landeskunde. Immer klarer wird der Unterschied zwischen den Bürokraten und den Waldmenschen. War es schon ein Abenteuer, den Veranstaltern einen Vertrag über die vereinbarten Leistungen abzuringen, so zeigt sich jetzt einmal mehr ihre Aversion, sich in irgendeiner Form festzulegen. Immer wieder wird ein weiteres Telefonat vereinbart, muss der Direktor befragt und die Lage neu analysiert und wiederholt darauf hingewiesen werden, dass es keine Garantie gibt, um nicht festgenagelt zu werden. Dass das ganze Unterfangen einfach ein Vergnügen und eine unvergessliche Erfahrung ist – mit oder ohne Wolf, will ihnen nicht einleuchten. Und da sie zwischen uns und den Waldmenschen stehen, und die Waldmenschen von den Bürokraten abhängig sind (auch wenn es umgekehrt sein sollte), können wir sie davon auch nicht mehr überzeugen.
Ob das in der Harmonie des Wodkagelages gemachte Versprechen, diese Jagd werde nicht ohne den Wolf beendet, tatsächlich eingehalten werden kann, ist also nach wie vor offen. Derzeit läuft der nächste Versuch bei mittlerweile 15 ˚C Frost. Ich persönlich glaube ja, dass es daran liegt, dass niemand Kontakt mit dem Wolf aufgenommen hat. Aber das will natürlich keiner hören, es sei denn, die Waldmenschen haben genau das getan, und der Wolf hat entschieden, dass wir nicht würdig sind, ihm gegenüberzutreten.

Die Wolfsjagd – Eine Fortsetzungsgeschichte (3)

Vorausgesetzt dieses Abenteuer folgt einer geschäftsfördernden Dramaturgie von BelGosOchota, dann ist diese Strategie bisher perfekt: Nachdem sich am ersten Tag kein einziges Tier gezeigt hat, der zweite Tag die Spannung insofern steigerte, als mangels neuer Spuren des Wolfs überhaupt kein Jagdausflug stattfinden konnte, sind wir gestern, Tag 3, in eine neue Phase eingetreten und nun alle restlos vom Jagdfieber gepackt.
Zunächst ging es bei  9 ˚C unter Null in einem ungeheizten, klapprigen Landrover Marke Eigenbau Richtung Naturschutzgebiet westlich von Ivaniec mitten in die Pushcha (in diesem Fall die Volzhinskaja oder Pershajskaja Puscha), wo am Samstag drei Wölfe gesichtet und seit Februar 2010 13 von ihnen geschossen wurden. Zunächst sollte der Treffpunkt ein Freigehege für die im Wald frei lebenden Wisente sein, die dort über die Neujahrfeiertage zur Besichtigung vorübergehend gefangen wurden. Offenbar kamen 10.000 Menschen zwei Wochen, um sie zu sehen, bevor sie wieder frei gelassen wurden. Während wir auf den Rest der Jagdtruppe warteten, kamen 16 der in der Nähe herumstreunenden Tiere ganz langsam auf uns zu. Ein bisschen unheimlich war es schon, gerade diese langsame Annäherung, bei der sich erst allmählich die imposante Größe dieser Urtiere offenbart. Schließlich waren wir fast umringt von großen und kleinen, weiblichen und männlichen Wisenten, die uns ebenso ungläubig musterten, wie wir sie. Und so standen wir eine ganze Weile und haben dieses Schauspiel in der Stille des Waldes genossen. Unterbrochen wurden wir durch den Anruf, der uns zum richtigen Treffpunkt lotsen sollte – die zuverlässige Abdeckung mit Handynetzen jedenfalls macht auch von einem dichten belarussischen Wald nicht halt.
Weiter ging es tiefer in die Pushcha hinein, vorbei an weiteren Herden von Wisenten, zahlreichen Rehen und einigen Wildschweinen (nur die Elche haben sich uns nicht gezeigt) bis zur „Hauptkreuzung mitten in der Pushcha“, d.h. eine tief verschneite Lichtung mitten im Nirgendwo, an der es allerdings tatsächlich an diesem Tag zu verschiedenen Kollisionen von bis zu 6 Autos kam. Dort kamen wir wieder zurück zu den Anfängen, nämlich das Warten auf den Wolf.
Etwa 8-10 Männer, echte Waldmenschen und Naturburschen, wie sie die zivilisierte Damenwelt nur noch selten zu Gesicht bekommt, waren für uns im Einsatz: Der Chef des Nationalparks, unser Betreuer und der Chef von BelGosOchota und vor allem die Spurensucher. Sie sind die wahren Helden der Wolfsjagd, nur sie können ihn aufspüren. Die Wolfsjagd ist eine der schwierigsten und benötigt viele Leute im Einsatz. Schwierig war es auch gestern, da es in der Nacht und auch am Tage wieder geschneit hatte und alle Spuren bedeckt waren. Und so haben wir gewartet, auf Marat und Igor, die beiden Brüder, die in der Pushcha aufgewachsen sind und eine von insgesamt sieben Häusern auf dem Gebiet des Urwaldes bis heute bewohnen. Erst wenn sie frische Spuren gefunden haben, legen sie die „Lappen“ um die Fundstelle herum und grenzen damit das Gebiet ab, in dem sich die Jäger etwa alle 300m aufstellen, um bewegungslos und schussbereit auf den Wolf zu warten.
Immer wieder kamen sie aus verschiedenen Richtungen zu unserer Kreuzung zurück, immer wieder ohne Ergebnis. Einen Wolf haben wir auch gestern noch nicht gesehen, uns dafür aber die Zeit unvergesslich vertrieben. Dazu beigetragen haben Unmengen von Selbstgebranntem, ebenfalls Unmengen von selbstgemachter Wildwurst, geräucherten Schweineohren, eingelegtem Kohl und sauren Gurken, Blinis und Waldkräutertee und viele Geschichten rund um den Wald. Wie er im Krieg großflächig gelitten, aber auch zum Straßenbau, zum Versteck der Partisanen und dem Wiederaufbau von Dörfern beigetragen hat. Wo die Tiere sich aufhalten und wohin sie zur Nacht wandern. Wo die Beeren wachsen, wo welche Bäume aufgeforstet und wie sie gepflegt werden. Wie die Menschen mit und von dem Wald leben und ihn lieben. Dass es West- und Ostbelarussen gibt und die Pushcha das Herz aller Westbelarussen höher schlagen lässt. Es wurde gesunden und gesprochen, auf belarussisch, polnisch, in einer Mischsprache, auf Mat und auch auf russisch, damit ich es verstehen konnte. Je dämmriger es wurde und je mehr Vodka floss, desto melancholischer  wurden die Waldmenschen, rezitierten Gedichte und waren froh, ihre Liebe zur eigenen Sprache, Kultur und Natur mit uns zu teilen.
Als wir nach Einbruch der Dunkelheit nach Minsk aufgebrochen sind, wobei unterwegs noch zahlreiche weitere Toasts ausgebracht wurden, war ich mir gar nicht sicher, was mich mehr beeindruckt und auch berührt hat: Die Wisente oder die Waldmenschen.

Die Wolfsjagd – Eine Fortsetzungsgeschichte (2)

Wolfsjagd in Belarus. Foto: http://www.berliner-zeitung.de/brandenburg/jagdgesetz-die-jaeger-und-der-wolf,10809312,11271432.html

Als ob ich es vorhergesehen hätte: Ein Wolf hat sich zum Auftakt der Jagd ebenso wenig gezeigt, wie irgendein anderes Tier! Wie zur Beruhigung und Aufmunterung zugleich war dafür sicherheitshalber der Direktor von BelGosOchota mit ins Gelände gefahren – immerhin hat er in diesem Winter schon drei Wölfe geschossen!
Während sie bei uns in Deutschland nicht geschossen werden dürfen (sich deshalb auch wieder ausbreiten), leben in Belarus über 1.000 Wölfe, ein großer Teil davon in der Gegend Richtung Tschernobyl, wo nicht geschossen wird.
Jäger gibt es viele, die Anforderungen zur Prüfung sind im Vergleich zu Deutschland leicht. Das eigentliche Jägerhandwerk ist dann jedoch mühsam, der Umgang mit Waffen erfordert eine ungeheure Bürokratie und zudem ist es schwer (und/oder teuer), an gute Waffen zu kommen.
Für uns heißt es weiter warten auf den Wolf. Damit die Zeit nicht zu lang wird, gab es gestern schon mal reichlich Wodka, der dann auch die letzten Sprachbarrieren zu überwinden hilft. Und er wärmt, denn heute heißt es wieder: stundenlang bewegungslos stehen, mit dem Gewehr im Anschlag.

Die Wolfsjagd – Eine Fortsetzungsgeschichte (1)

Das Auslegen der „Lappen“, Foto: Ochota 12 (2011).

Bekanntlich bietet die belarussische Natur ein weites Betätigungsfeld für Jäger. Der Jagdtourismus wird gefördert, die Infrastruktur stetig ausgebaut. Und doch bleibt das Jagen ein Sport für Abenteurer, und wer an einen organisierten Urlaub denkt, liegt völlig falsch.
Dies erfahren wir gerade am Beispiel meines Schwiegervaters, seines Zeichens leidenschaftlicher und erfahrener Jäger, Waldbesitzer und Vorsitzender der Jagdgenossenschaft in seinem Revier. Nun ist er, wen wundert’s, nach Belarus gekommen, um auch hier sein Glück zu versuchen. Von Wildschweinen redet hier niemand, hier geht es um mehr: Hirsche, Elche, Luchse und auch Bären reizen den Jäger. Am schwierigsten jedoch ist die Wolfsjagd, und genau diese hält uns seit gestern in Atem.
Genau genommen hat es ja schon vorher angefangen, als wir nämlich versucht haben, diese Reise zu organisieren. Viele Möglichkeiten hat man nicht, man wendet sich auch hier vertrauensvoll an den Staat, an BelGosOchota. Mündliche Absprachen unter Jägern und ein Handschlag sollten die Sache besiegeln, und unser Wunsch nach einem Vertrag brachte schon die ersten Schwierigkeiten mit sich.
Die zweite Sorge bereitete das Wetter. Der im Dezember ungewöhnlich milde Winter ohne Schnee drohte uns einen Strich durch die Rechnung zu machen. Doch das sprichwörtliche Jägerglück stellte sich mit 20 cm Schnee pünktlich Mitte Januar ein.
Die nächste Hürde war dann die Einreise mit der Waffe. Es hätte mich schon stutzig machen müssen, als wir die Kontrollen der Bundespolizei problemlos und freundlich absolviert hatten. Die Ernüchterung kam beim Schalter der Belavia: Trotz aller erdenklicher Anfragen, wie es geht und was wir brauchen, hatten wir das entscheidende Dokument nicht, ohne dass es wirklich und unter keinen Umständen geht, denn „in Belarus ist man sehr streng mit Waffen“. Eine Zeitlang sah es tatsächlich so aus, als wäre das bereits das Ende der Geschichte. Einige Telefonate, das entscheidende ein Monolog Fedor Fedorovichs von BelGosOchota gegenüber dem Belavia-Tageschef, haben dann nach vertrauter Methode dazu geführt, dass es dann heute auch ausnahmsweise mal ohne das Dokument geht.
Nachdem die Waffe dann als Übergepäck bezahlt und als Sperrgepäck aufgegeben war, konnte es losgehen. Hier in Minsk läuft bisher alles nach Plan, wenngleich den auch nur Fedor Fedorovich kennt. Eben jener hat uns empfangen und die Waffe nach einer eher gelangweilten Prüfung des Zolls an sich genommen. Die Überprüfung der Munition ist hier wie dort übrigens unter den Tisch gefallen… Also haben wir uns auf den Heimweg gemacht, um Fedor Fedorovich mitsamt Waffe nach Hause zu bringen. Bass erstaunt darüber, dass wir gar kein Wässerchen zur Begrüßung vorbereitet hatten, kam er nach einem Augenblick mit einer Flasche und einem Teller voll zünftiger Speisen zurück zum Auto, so dass wir erstmal auf das deutsch-belarussische Jägerglück anstoßen konnten.

Nun hängt alles vom Wetter und dem Wolf ab. Ob er Spuren hinterlässt und nicht „durch die Lappen geht“ (so heißt es auf deutsch und auf russisch), ist unter ständiger Beobachtung der Experten. Zur Sondierung des Terrains sind die Herren heute Mittag rausgefahren – 70 km nordöstlich von Minsk. Was auch immer dort passiert, es wird zweifellos die Jägerbande unserer Länder vertiefen – mit oder ohne Erscheinen des Wolfs.

Preis für „geistige Wiedergeburt“ auch im Kulturbereich vergeben

Foto: http://zapadrus.su/ruszizn/sobrz/544--l-r-l-r.html

Und da ist er schon wieder – Vjacheslav Bondarenko. Derzeit begegnet er mir wirklich überall. Dieses Mal gehört er zu den Trägern des diesjährigen Preises für „geistige Wiedergeburt“. Zusammen mit weiteren Kollegen vom Fernsehen wurde er für die Dokumentarfilmreihe „Heldenstädte“ ausgezeichnet.
Aus dem Kulturbereich erhielt ferner eine Gruppe von Mosaikkünstlern. Von ihnen stammt das Mosaik in der Kapelle auf dem ehemaligen Friedhof für Soldaten des Ersten Weltkrieges, der zu einer Gedenkanlage umgestaltet wurde.
Neben den Kulturschaffenden sind hauptsächlich Personen aus dem Sozial- und Kirchenbereich ausgezeichnet worden, darunter Ärzte einer Kinderklinik in Gomel und der Erzbischof von Nowogrudok und Lida Guri. Aber auch eine kinderreiche Familie wurde geehrt, die im Laufe von 20 Jahren 11 Waisen großgezogen hat. Derzeit erziehen sie weitere fünf Kinder.

Altes Neues Jahr

Heute wird nach dem julianischen Kalender in den orthodoxen Ländern das „alte neue Jahr“ gefeiert. Im letzten Jahr waren wir aus diesem Anlass im Dorf Semezhava, wo die Tradition des Umzugs der Kalyady-(Weihnachts-)Zaren in besonderer Weise begangen wird.
In diesem Jahr will ich das Datum zum Anlass nehmen, einen Blick zurück auf das orthodoxe Weihnachtsfest zu werfen, das hierzulande wieder mehr Aufmerksamkeit erfährt, als dies noch zu Sowjetzeiten und in den letzten Jahren der Fall war.
Der Heilige Abend, Sochelnik, also der 6. Januar abends, gilt gläubigen orthodoxen Christen als Vorbereitung für das Fest. An diesem Abend darf nichts gegessen werden, bis der erste Stern am Himmel erscheint. Dann allerdings wird ein großzügiges Mahl mit der ganzen Familie eingenommen, nachdem zuvor das Haus, so jedenfalls die Tradition, gründlich geputzt und geschmückt wurde.
Auch ein Kirchgang ist für diesen Abend vorgesehen, um sich auf den Weihnachtstag am 7. Januar vorzubereiten. Die Nachtgottesdienste um 0.00 Uhr dauern oft mehrere Stunden. Der Gottesdienst am Vormittag des 7. Januar fällt deutlich kürzer aus und wird überwiegend von Familien besucht.
Insgesamt lässt sich eine Rückeroberung der alten Traditionen beobachten, inwieweit diese jedoch religiöse motiviert sind, oder der auch hier zunehmenden Kommerzialisierung der Weihnachtszeit zuzuschreiben sind, lässt sich schwer sagen. In jedem Fall waren in diesem Jahr schon mehr Weihnachtsbäume und blinkender Fensterschmuck verbreitet, als noch im letzten Jahr. Anders aber als in Russland wird das öffentliche Leben in Belarus nicht für zwei Wochen lahm gelegt – im Gegenteil: Ein Erlass des Präsidenten sieht vor, dass am 21. Januar nacharbeiten muss, wer am 6. Januar frei gemacht hat.

Wie im letzten Jahr gibt es in dem gesamten Zeitraum von Mitte Dezember bis Mitte Januar Verkaufsmärkte mit Fleisch, Fisch und Gemüse vom Feld. Um den Erlebnischarakter zu erhöhen, findet an den Wochenende ein musikalisches Programm auf den Bühnen der Märkte statt, deren Angebot von propagandistischen Durchhalteliedern bis zu bekannten Schlagern reicht. Weihnachtslieder, wie wir sie kennen, gibt es nicht, allerdings dudelte neulich im Supermarkt „Oh Tannenbaum“ (auf deutsch!) im Hintergrund und im Gottesdienst am 6. Dezember in einer kleinen Kirche ertönte „Stille Nacht“ auf russisch. Überall stößt man auf „Väterchen Frost“ und Snegurochka (seine Tochter, das Schneeflöckchen). Stets im Doppelpack erfüllen sie hier die Funktion des Weihnachtsmann und/oder des Christkindes.
Insgesamt ist die Stimmung weihnachtlicher als noch im letzte Jahr, wenngleich die erstmals aufgestellten „Weihnachtsmärkte“ noch ausbaufähig sind: Noch sind es wenige Buden mit eher alltäglichen Waren, aber ein Glühweinstand ist schon dabei und erfreut sich großer Beliebtheit. Ein Weihnachtsfest haben wir noch vor uns in Belarus, um zu sehen, wohin die winterliche Reise geht.

Zwischen den Jahren

Die "Haupttanne des Landes" steht vor dem Palast der Republik. Foto: http://www.snpltd.ru/new_year/belorussia/Minsk_K_3days/

Es ist jedes Jahr dasselbe, man lebt in der Spannung der letzten Tage und Stunden des einen und in der freudigen und zugleich bangen Erwartung des kommenden Jahres. So war es auch dieses Mal – unserem ersten Sylvester in Belarus, nur wurde die Spannung der letzten Stunden dramatisch gesteigert durch die Zwischenlage, in der wir uns hier befinden.
Stichwort Diplomatie: Am liebsten wäre ich ja zu Hause geblieben, zumal wir aus unserem 18. Stockwerk zweifellos einen phantastischen Ausblick auf das Feuerwerk gehabt hätten. Aber die Pflicht rief, also folgten wir ihr in Form einer Einladung unserer diplomatischen Nachbarn (aus deutscher wie aus belarussischer Perspektive). Die erste Wahl, den Abend gemeinsam in einem zünftigen Restaurant in der Innenstadt mit allem Drum und Dran zu verbringen, wurde kurzfristig abgelöst durch die durchaus vornehmere Wahl zugunsten des ersten Hotels am Platz. Hier sollten uns, gegen eine nicht unerhebliche Eintrittsgebühr (etwa ein Monatsgehalt in Belarus!), ein „hochwertiges“ Showprogramm und ein „ausgezeichnetes“ Menü erwarten. Die Frage, ob die Damen in lang und die Herrn im Smoking gehen, erledigte sich, als sich herausstellte, dass die Getränke selbst mitzubringen seien. Dass es sich dennoch um ein erstklassiges Hotel handelt, haben wir der tröstlichen Nachricht entnommen, dass es stets im Fokus der Aufmerksamkeit steht, insbesondere durch die „Dienste“, die es natürlich auch hier besonders auf die Deutschen und Polen abgesehen haben.
Stichwort Feiern: Dass die Belarussen gerne und ausgiebig feiern, ist bekannt und das haben sie auch in dieser Nacht getan: Viel essen, viel trinken, viel tanzen, und das mit der ganzen Familie und über mehrere Generationen hinweg. Ein leichtes Naserümpfen gab es allein von den Nachbarn – hier sei man es gewöhnt, viel mehr zu tanzen und nicht so lange zu essen. Auch bringe man keine Kinder mit zur Sylvesterfeier, allerdings zeigte man sich einsichtig, dass in Belarus bekanntlich das Neujahrsfest weniger dem „westeuropäischen“ Sylvester als dem Weihnachtsfest im Familienkreis gleiche. Und überhaupt, die Entscheidung für diesen Ort sei gut und richtig gewesen, schließlich sei hier alles auf „ausgesprochen hohem Niveau“. Darin waren sie sich dann auch mit den Belarussen einig, insbesondere was den Auftritt der „Zigeuner“ gegen 3.00 Uhr morgens betraf. Ein Feuerwerk hat offenbar niemand außer uns vermisst.
Stichwort Zeit: Aufgrund der Zeitzonen sowie unterschiedlicher Auffassungen zur halbjährlichen Zeitumstellung hatten wir das Vergnügen, viermal auf den Jahreswechsel anzustoßen. Nachdem die Feierlichkeiten überhaupt erst um 22.00 Uhr begonnen hatten, waren als erstes die Russen dran – wer sonst. Kurz vor 23.00 Uhr Minsker Ortszeit übermittelte Präsident Medwedew seine guten Wünsche für das kommende Jahr, und spätestens nach den würdevollen Klängen der Nationalhymne und dem ersten Erheben der Gläser wurde deutlich, wer die Russen unter uns waren. Nach einer nur kurzen Verschnaufpause waren dann die Belarussen dran, nur dass hier die Ansprache des Präsidenten wesentlich länger dauerte, dafür aber niemand mehr der Nationalhymne lauschte. Die anwesenden Litauer und Ukrainer beschränkten sich sodann eine Stunde später auf das Anstoßen und verstärktes Tanzen, um dann mit allen anderen gemeinsam um 2.00 Uhr Ortszeit die letzte Gelegenheit zu ergreifen, endlich auch die Deutschen und die Polen ins neue Jahr zu begleiten. Erst jetzt meldeten sich ebenfalls anwesende Österreicher zu Wort, um den Neujahrsgruß in einer weiteren Fremdsprache zu Gehör zu bringen. Abschließend gratulierte der Animateur allen Nationen und ihren Metropolen zum neuen Jahr, konnte sich aber nicht mehr an die Hauptstadt von Österreich erinnern.
Gegen 6.00 Uhr waren wir zu Hause, nicht ohne dass uns der noch einzig verfügbare Taxifahrer die vierfache Summe des Normalpreises abgenommen hatte. Es war ein ebenso schöner wie wunderlicher Abend, aus dem nicht nur die deutsch-polnische Freundschaft gestärkt hervorgeht, sondern auch die aller Mitteleuropäer.

Schillernd

Foto: http://www.newsvm.com/news/17/61255/. Bondarenko in einer Filmrolle als Offizier der Russischen Armee – ganz er selbst.

Man hört und sieht ja oft nur, was man weiß, heißt es doch immer. So ging es mir in letzter Zeit mit Vjacheslav Bondarenko (* 1974). Zugegeben hatte ich bis vor einem Monat noch nichts von ihm gehört und nun begegnet er mir gerade auf Schritt und Tritt. Und wie bei so vielen Erfahrungen in diesem Land, werde ich auch aus dieser bisher noch nicht schlau.

Kennengelernt habe ich Bondarenko in einer Konferenzpause am 11.11.2011 nach der Gedächtnisfeier anlässlich des Jahrestages des Endes des Ersten Weltkrieges. Hier trat er in seiner Funktion als Moderator der Talkshow „Otkrytyj format“ auf ONT auf, die sich an diesem Tag eben der Erinnerung an den Weltkrieg widmen sollte. Erst später habe ich erfahren, dass er selber bereits einige Bücher, Artikel und Drehbücher zum Thema veröffentlich hat, zuletzt 2010, und soweit ich das bisher beurteilen kann, überhaupt einer der wenigen ist, die sich mit dem Ersten Weltkrieg in Belarus beschäftigt haben. Überhaupt ist das Interesse an Militärgeschichte ein Kennzeichen seiner Arbeit in den letzten Jahren. So bestreitet er beispielsweise eine eigene Rubrik in der staatstreuen Zeitung „Belarussischen Militärzeitung“.

Eine Suche in Internet öffnet ungeahnt viele Seiten über ein erstaunlich breites Betätigungsfeld Bondarenkos. So ist er z.B. der Autor der Romanvorlage der in Russland und hierzulande beliebten Fernsehserie „Likvidacija“, von der mir – Zufall?- Tage zuvor meine Friseure (!) und meine Russisch-Lehrerin unabhängig voneinander vorgeschwärmt haben. Und nicht nur das, Bondarenko ist als Schriftsteller natürlich Mitglied belarussischen Schriftstellerverbandes, aber darüber hinaus auch Träger einiger Preise für sein Werk, darunter der „Allrussischen Auszeichnung für Literatur L. Tolstoj“ (2005).

Zu seinem Oeuvre gehören neben weiteren Romanen mit häufig historischem Sujet musikalische Beiträge als Sänger und Komponist, als Drehbuchautor und Schauspieler, als Journalist für Radio und Fernsehen sowie Gedichte. Auf mich wirkt dieses breite Portfolio weniger beliebig als sympathisch – offenbar bewegt sich Bondarenko zugleich suchend und anregend auf verschiedenen Bühnen zwischen Kultur, Geschichte und Kommerz.

Erst kürzlich hatte ich wieder das Vergnügen einer Begegnung, als Bondarenko mich einlud, ein Statement in seiner Talkshow anlässlich des 20. Jahrestages des Zerfalls der UdSSR zu äußern. Hier habe ich ihn, wie schon beim ersten Mal, als souveränen, wenngleich auch nicht polarisierenden Moderator erlebt, der durchaus um eine offene Diskussion bemüht ist. Dass die Sendung nicht live ausgestrahlt wird, ist keine Ausnahme in Belarus. Wie groß sein Spielraum aber wirklich ist, wird sich mit der Zeit erweisen, ist er doch bei „Otkrytyj format“ der Nachfolger des populären Sergej Dorofeev, der nach der Sendung zum 19.12.2010 nach einer falschen Frage an die Leiterin der Wahlkommission seinen Hut nehmen musste. Aber irgendwie habe ich in meinen Gesprächen mit Bondarenko den Eindruck gewonnen, dass er diese, wie auch seine vielen anderen Rollen, mit einer gewissen Distanz zu sich, seinen Themen und wohl auch seinen Auftraggebern ausfüllt, und wenn nicht dieses, dann eben ein anderes Projekt um seiner selbst willen realisiert.

Zaslavl‘

Die orthodoxe und katholoische Kirche von Zaslavl'.

Ein Ausflug führte uns letztens in eine der ältesten Städte des Landes unweit von Minsk. 985 von Großfürst Vladimir gegründet, ist das verschlafene Städtchen ein Spiegel der Geschichte der Region.

Die Anlage des Marktplatzes stammt aus dem 11./12. Jh. Ende des 11. Jh. entstand die Burg, eine der frühesten Verteidigungsstrukturen auf dem Gebiet des heutigen Belarus, von der aber heute nur mehr Torfragmente zu sehen sind. Zur Erinnerung an diese Epoche veranstaltet die Stadt immer wieder Mittelalterfestivals.

Von der religiösen Geschichte des Landes zeugen die Gebäude einer katholischen und einer orthodoxen Kirche. Letztere wurde als eine der ersten protestantischen Kirchen in Belarus im 16. Jh. von Calvinisten erbaut, einer Zeit starker protestantischer Strömungen in der Region. Im 17. Jh. wurde sie der katholischen Gemeinde übergeben, Ende des Jh. zu einem Teil des neu gegründeten Dominikanerklosters. Die Kirche erfuhr später zahlreiche Umbauten. Wahrscheinlich im 17. Jh. erhielt sie den 35 m hohen Turm. 1883 ließ der russische Zar Kloster schließen, das Kirchengebäude wurde der orthodoxen Kirche übergeben. Bis 1961 war sie aktiv, seit 1977 diente sie als Museum und ist seit Ende der 90er Jahre wieder ein Gotteshaus.

Die heute katholische Kirche am Marktplatz stammt aus dem Jahr 1774 und war ursprünglich barock ausgestattet. Ende des 19. Jh. übergaben die russischen Behörden die Kirche an die orthodoxe Gemeinde, verbunden mit einigen Umbauten. Gottesdienste wurden hier bis 1941 abgehalten. Der Krieg führte zur fast völligen Zerstörung des Gebäudes. Erst Ende der 90er Jahre begannen die Restaurierungsarbeiten, zu deren Abschluss die Kirche wieder der katholischen Gemeinde übergeben wurde.

Das 20. Jh. prägt den Platz im Zentrum vor dem Gebäude der Stadtverwaltung, Hier steht noch immer eine Leninfigur und weist den Weg in die richtige Zukunft. Unmittelbar daneben kann der Besucher in der Tradition der „Helden der Arbeit“ die Portraits der verdienten Bürger der Stadt bewundern. Am anderen Ende des Platzes befindet sich das kleine Stadtmuseum. Aus professioneller Sicht ist eine Erneuerung der Ausstellung dringend nötig, aus touristischer Perspektive ist das Museum eine wahre Fundgrube und sinnliche Anregung.

Bemerkenswert ist eine Tafel an einem der Häuser am zentralen Platz. Hiermit erinnert eine Schule an ihre ehemaligen Schüler, die im Afghanistan-Krieg ums Leben gekommen sind.

Noch immer aktiv ist schließlich eine uralte Mühle. Ihre Geschichte und Funktion sowie die Lebensweise der Müller werden in einer kleinen Ausstellung erklärt, einer Dependance des Geschichts- und Kulturgeschichtlichen Museums. Erwähnenswert ist noch eine weitere Außenstelle des Museums, das „Kindermuseum der Waldmythologie“.

Nicht unerwähnt bleiben soll eine Gedenktafel zur Befreiung der Stadt durch die Partisanen, unweit der Mühle. Diese Tafel war unlängst Gegenstand in einem kritischen Artikel in der „Belarussischen Militärzeitung“ vom 12.5.2011 , in dem der Autor auf Ungenauigkeiten hingewiesen hatte – an der Tatsache, dass die Stadt von Partisanen befreit wurde, aber letztlich doch nicht zweifeln wollte.

Frauenpower

Eigentlich fällt diese Nachricht nicht in den engeren Themenbereich des Blogs, Kultur und Museen in Belarus, aber ich kann nicht umhin, sie doch aufzugreifen. Wie BelaPan am 14. Oktober schreibt, hat der Präsident verkündet, dass er Frauen zwar sehr schätze, ja sie sogar für „die größte und unnachahmliche Arbeit der Natur“ halte, aber Präsident des Landes könnten sie dann doch nicht werden. Begründung: Das sei eine schwere Arbeit, für die Frauen nicht gemacht seien.

Vorsichtshalber wies wer noch darauf hin, dass 30 % der Sitze im Belarussischen Parlament von Frauen besetzt seien. Der Grund dafür, so Lukaschenko weiter, liege darin, dass er Frauen mehr vertraue als Männern, sie seien verantwortungsbewusst, weniger abenteuerlustig und weniger korrupt. Aber Präsident, nein, dass dann doch nicht. Möglich, so Lukaschenko, ist das in der EU, hier geht es schließlich mehr um die Repräsentation. In Belarus dagegen muss der Präsident hart arbeiten.

Dies tun übrigens viele Frauen in hohen Positionen in Belarus, das jüngste Beispiel ist die Präsidentin der Nationalbank. Auch werden deutlich mehr Museen im Land von Frauen geführt, als das in Deutschland der Fall ist, z.B. das Janka-Kupala-Literatur-Museum (Minsk), das Theater- und Musikmuseum (Minsk), das Kultur- und Palastmuseum in Polock und viele andere.

Institut für Deutschlandstudien jetzt an der BGU

Das Institut wurde 1998 auf Initiative der Deutschen Botschaft in Minsk gegründet und war zunächst an der Europäischen Humanistischen Universität angesiedelt. Diese wurde 2004 verboten und zog nach Vilnius um. Das Institut blieb in Minsk und war seit März 2005 Teil des Center for International Studies (CfIS). Seit dem 5. Oktober befindet es sich nun an der Staatlichen Universität.

Das Institut fördert die Verbreitung der deutschen Sprache in Belarus, bietet Informationen über Deutschland und  verschiedene Studienangebote an. Innerhalb der BGU soll es die Kooperation mit wissenschaftlichen, pädagogischen und touristischen Einrichtungen in Deutschland fördern und gemeinsame Forschungsprojekte auf den Weg bringen. Außerdem ist dem Institut ein Lektor der Robert Bosch Stiftung angegliedert.

Zusammen mit dem Goethe-Institut und dem IBB ist dies die dritte prominente deutsche Einrichtung in Minsk. Das anhaltende Interesse – für die Kurse am GI gibt es sogar eine Warteliste – belegt, dass sich der aktuell negative politische Kurs gegenüber Deutschland nicht bis in die Gesellschaft durchsetzt. Nach wie vor ist Deutschland ein geschätzter Partner, das persönliche Verhältnis auf der Arbeitsebene in der Regel freundschaftlich und kollegial.

 Meldungen zur Eröffnung des Instituts an der BGU (12.10.2011):

http://www.ont.by/news/our_news/0070397

http://naviny.by/rubrics/germany/2011/10/04/ic_news_625_377741/

„Wer ihm als Deutscher gegenübertritt, wird von seiner großherzigen Bereitschaft zur Versöhnung dankbar berührt“

So schreibt Dr. Christof Weil, der deutsche Botschafter, über Leonid Mendeleevič Levin und beschreibt damit, wie ich finde, dessen Persönlichkeit sehr treffend. Lewin ist ein in Belarus und über die Landesgrenzen hinaus bekannter Architekt und eine Schlüsselfigur für die Versöhnung und Verständigung zwischen Deutschen und Belarussen. In diesem Jahr ist er 75 Jahre alt geworden – Anlass zur Publikation einer zweisprachigen Fotobroschüre (Leonid Lewin Architekt. Erlebtes erleben, hg. bzw. finanziert von der Deutschen Botschaft und dem IBB Dortmund und Minsk , Minsk 2011), aus der das oben genannte Zitat stammt. Sie stellt die von ihm (und weiteren Architekten) gestalteten Gedenkstätten in Belarus, der Ukraine, Polen und anderen Ländern vor und ehrt ihn als Leninpreisträger, mehrfach mit staatlichen Preisen Belarus’ Ausgezeichneten sowie Träger des Bundesverdienstkreuzes. Ebenfalls aus Anlass seines Geburtstages wurde am 20. September eine Ausstellung in der Geschichtswerkstatt eröffnet.

Leodnid Lewin und Galina Lewina im Juli 2011 in der Geschichtswerkstatt

Sein wohl bekanntestes Werk ist die Gedenkstätte in Chatyn (1969 eröffnet). Lewin ist noch immer aktiv und realisiert weiterhin Projekte, u.a. mit seiner Tochter Galina Lewina, ebenfalls Architektin. Seit 1991 ist er Vorsitzender des Verbandes der jüdischen Gemeinden und Organisationen in Belarus.

Ausführlich zu seinem Werk: http://www.ibb-d.de/fileadmin/user_upload/pdf/Studientag-Vortrag_Sahm.pdf

Zeitgenössische Kunst in der Galerie Ȳ

Die gestrige Eröffnung der Ausstellung „Wie in einem schrecklichen Märchen“ möchte ich nutzen, um endlich über die einzige unabhängige Galerie für zeitgenössische Kunst zu berichten. Leicht versteckt in einem typischen Minsker Hinterhof, bildet die 120 m² große, 2009 gegründete Galerie den Mittelpunkt einer Reihe von Geschäften und Einrichtungen der alternativen Jugend- und Kunstszene. Dies war gestern Abend wieder mal eindrucksvoll zu erleben: Eine erfrischend schräge Mischung aus jungen und ganz jungen Leuten, vielen Künstlern und Literaten, aber auch „ganz normaler“ mittelalter Besucher und einigen Ausländern. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stand zunächst die Eröffnung der Ausstellung des Künstlers Michail Senk’kov, der eine Reihe von Gemälden und Graphiken in seiner ersten Einzelausstellung präsentierte. Eindrucksvoll in ihrer Wirkung und technisch präzise in der Ausführung sind seine Werke Ausdruck für die inneren Konflikte, Ängste und Träume des Künstlers. Verstärkt wurde die zugleich beklemmende wie inspirierende Atmosphäre durch den Auftritt von Schauspielern des Freien Theaters, die in eindrucksvollen Kostümen die Fantasie der Märchenwelt in die Galerieräume trugen.

Draußen vor der Tür wurde alsbald ein Feuer in einer alten Tonne entzündet – endlich mal wieder ein Gefühl wie in Berlin-Kreuzberg – und die Gespräche bei einem Glas Wein, einer Flasche Bier und einer Zigarette fortgesetzt. Der Galerieshop (mit seinem in Minsk einzigartig originellen Angebot), das Designer-Büro direkt neben der Galerie, war ebenso geöffnet wie das Café Malako, das sich auf wohltuende Weise von den sonst entweder teuren und schicken, provisorisch in einem Zelt untergebrachten oder standarisierten Cafés in Minsk unterschiedet. Allein die Buchhandlung des Verlags Loginoȳ mit ihrem reichen Angebot an belarussischer (Naša Niva, PARTisan, Arche etc.) sowie nicht überall zu habender russischsprachiger Literatur war nicht mehr geöffnet.

Das Programm der Galerie kommt bereits in ihrem Namen zum Ausdruck, dem Buchstaben ȳ, den es nur im belarussischen Alphabet gibt. Dies verweist auf den Programmschwerpunkt der Galerie: belarussische Künstler sowie solche, die mit ihrem Werk in Beziehung zu Belarus stehen. Galina Kisiljova, eine der beiden Direktorinnen, ist selbst zugezogen, nicht mit belarussisch als Muttersprache aufgewachsen und spricht zur Eröffnung auch russisch. Dafür die ist Internetseite der Galerie nur auf belarussisch, für eine englische Variante hat bisher das Geld nicht gereicht. Überhaupt ist das der wunde Punkt: Die Galerie ist im wesentlichen auf Eigenmittel angewiesen, Sponsoren finden sich nur selten und das System der Spenden oder eines Freundeskreises ist in Belarus bisher nicht sehr verbreitet. Staatliche Unterstützung gibt es keine, dafür zwischendurch eine Projektförderung durch den German Marshall-Fund oder das Goethe-Institut im Rahmen des Programms für Kulturmanager. Insgesamt vier Personen arbeiten in der Galerie, die neben dem Ausstellungsraum über ein winziges Büro und einen Lagerraum verfügt. Von Anfang an hat das Projekt Resonanz in internationalen Künstlerkreisen gefunden, der sich mit den Jahren stetig erweitert. Leider ist es nur selten möglich, die zum Verkauf stehenden Arbeiten der Künstler in einem Katalog zu veröffentlichen. Ernsthafte Probleme mit „den Behörden“ gab es bisher nicht, wenngleich die Arbeit schwierig bleibt. Doch das Engagement lohnt sich, die Galerie ist ohne Zweifel ein besonderer Ort in Minsk.

Interview mit den beiden Leiterinnen: http://news.tut.by/146438.html

Weiteres zur zeitgenössischen Kunst in Belarus: www.art-belarus.com

Institut für Belarussische Kultur

Hierbei handelt es sich um die erste belarussische Kultureinrichtung, gegründet in den 20er Jahren des 20. Jh. in einer Zeit, als die belarussischen Gebiete im Westen zu Polen, im Osten zur Belarussischen Sozialistischen Sowjetrepublik (BSSR) gehörten. Während sich in Polen aus unterschiedlichen Gründen keine eigene weißrussische Bewegung entwickelte, treib die Sowjetunion nach der Teilung der weißrussischen Gebiete durch den Friedensvertrag von Riga 1921 in ihrem Landesteil zunächst eine „Weißrussifizierung“ voran. In diesem Zusammenhang kam es zur Gründung des Instituts in Minsk, das von 1922 bis 1928 Bestand hatte. Zu seinen Aufgaben gehörte die Forschung in den Bereichen Geschichte, Archäologie, Linguistik, Literaturwissenschaft und Ethnographie.

1928 wurde das Institut aufgelöst und bildete eine der Grundsteine für die in diesem Jahr gegründete Akademie der Wissenschaften. Die Abwicklung des Instituts ist im Zusammenhang mit der zunehmenden Einschränkung einer eigenständigen belarussischen Nationalbewegung zugunsten einer zunehmenden Ideologisierung des gesamten Kulturbereichs zu sehen.

Zwischen 1991 und 2008 wurde es unter dem Namen „Institut für die Probleme der Kultur“ erneut ins Leben gerufen. 2008 schließlich wurde es unter dem alten Namen Teil der Belarussischen Staatlichen Universität für Kultur. Sein Aufgabenspektrum hat sich damit erheblich erweitert: Neben aus- und Weiterbildung im Kulturbereich (auch für Museen), ist die Einrichtung zuständig für Fragen des materiellen und immateriellen Kulturerbes, wissenschaftliche Fragen der Kulturgüterrückführung sowie wissenschaftliche Forschung in allen Bereichen der Kultur.

Die Schlossmuseen in Mir und Nesvizh

Schloss Nesvizh

Anlässlich der bevorstehenden Eröffnung der historischen Räumlichkeiten in Schloss Nesvizh in diesem Herbst, möchte ich einen Blick in die bisherige Ausstellung sowie diejenige in Schloss Mir werfen. Beide Schlösser sind Vorzeigeprojekte des belarussischen Tourismus und werden als solche gehegt und gepflegt. Beide stehen auf der Liste des Weltkulturerbes in Belarus.

Sowohl Nesvizh als auch Mir sind eng mit der Geschichte der Radziwills verbunden, deren Kulturschaffen und Mäzenatentum diese Region bis heute prägt. Während die Ausstellung in Mir bereits im letzten Jahr ihre Pforten für das Publikum eröffnete, wird dies in Nesvizh nach Abschluss langjähriger Restaurierungsarbeiten in diesem Jahr erwartet. Von dem, was zu sehen sein wird, kann man sich hier ein Bild machen. Eine Beschreibung der Restaurierungsarbeiten findet sich hier.

Schloss Mir

Schon jetzt sind auch in Nezvizh zwei Ausstellungsräume der Geschichte des Schlosses und der berühmten Bibliothek gewidmet. Im Stil ähneln sie denen in Schloss Mir. Beides sind klassische Präsentationen mit einem Schwerpunkt auf der Geschichte des Ortes, (so weit vorhanden) der Einrichtung der historischen Räume sowie Kunst- und Kunstgewerbeobjekten. Das Ausstellungsdesign ist klassisch zurückhaltend, dabei von guter Qualität. Bildschirme, teilweise interaktiv zu bedienen, sind Teil der Ausstellung und funktionieren meistens. Ansonsten gibt es so gut wie keine Vermittlungsangebote, Hands-On oder Partizipationsmöglichkeiten für die Besucher. Beschriftungen und Texte sind vorhanden, so dass sich auch der Einzelbesucher orientieren kann – leider keine Selbstverständlichkeit in belarussischen Museen. Raumtexte sind meist in russisch und englisch vorhanden, die Objektbeschriftungen hingegen unkonsequent mal in belarussisch, mal russisch, mal englisch, mal in einer Kombination gehalten. Ärgerlich ist, dass sie inhaltlich innerhalb der Ausstellungen stark differieren, d.h. mal die Herkunft des Objekts angeben, mal nicht, mal eine Erklärung neben dem Titel bieten, mal nicht usw., mal eine Orts- und Datumsangabe bieten, mal nicht usw.

Ausstellung in Schloss Mir

Ein weiterer Schwachpunkt sind die mangelnden Erklärungen der Baugeschichte. Zwar gibt es Dokumente und auch Texte dazu, doch wird aus der Ausstellung nicht deutlich, welche Bauetappe(n) bei der Rekonstruktion zugrunde gelegt wurden. Letztlich bleibt der Eindruck, es handele sich um einen Wiederaufbau der „schönsten“ Teile der Schlösser aus verschiedenen Zeiten, was zwar legitim, aber doch erklärungsbedürftig ist.

Ausstellung in Schloss Mir

Trotzdem sind beide Schlösser einschließlich ihrer Ausstellungen lohnende Ausflugsziele und bieten viele, wenn auch punktuell zusammengetragene Informationen, über die vielfältige und wechselvolle Geschichte der Region zwischen Polen, Litauen, der Ukraine und Russland, deren Einflüsse gerade an so symbolträchtigen Orten wie Mir und Nezvizh deutlich zu sehen und zu spüren sind. Ein Café oder Museumsshop sucht man allerdings bisher vergeblich.

Minsk-Forum 2011 fällt aus

Das von der Deutsch-belarussischen Gesellschaft sowie weiteren Partnern initiierte Minsk-Forum fällt in diesem Jahr aus. Zur Begründung weist der Vorsitzende der Gesellschaft, Rainer Lindner, in der Minsk Forum_2011 (Link) der Gesellschaft auf die angespannte politische Lage in Belarus seit den Präsidentschaftswahlen im Dezember 2010 hin.

Das Minsk-Forum bietet seit 1997 einen Raum für den Austausch zwischen Regierungsvertretern aus Belarus, Deutschland und weiteren EU-Ländern sowie Vertretern der Zivilgesellschaft aus Belarus und Deutschland. Zum Vorbild diente der Petersburger Dialog des Deutsch-Russische Forums, dessen politische Bedeutung bisher jedoch nicht erreicht wurde.

Im Mittelpunkt standen bisher Themen aus den Bereichen Wirtschaft und Politik. Fragen aus Kultur und Bildung wurden in deutlich geringerem Umfang behandelt – ein Befund, der aus meiner Sicht die Breitenwirkung des Forums einschränkt und für die Zukunft mit in die Planungen einbezogen werden sollte.

Tage des Europäischen Kulturerbes in Belarus

In diesen Tagen werden zum wiederholten Male die Tage des europäischen Kulturerbes in Belarus begangen. Ziel der Aktion der seit 1991 vom Europarat und seit 1999 vom Europarat und der Europäischern Kommission geförderten Aktion ist es – ähnlich dem deutschen Tag des offenen Denkmals –  auf Architekturdenkmäler aufmerksam zu machen und zu ihrem Schutz beizutragen. Zudem sind die ausgewählten Gebäude, die normalerweise für die Öffentlichkeit geschlossen sind, in diesen Tagen für das Publikum zugänglich.

Jedes Land stellt die Kulturerbetage unter ein Motto. Belarus hat dieses Jahr das Thema „Kulturerbe und Religion“ gewählt und rückt damit die jahrhundertealten Beziehungen zwischen Staat und Kirche(n) in der Region in den Fokus. Aufgrund seiner geographischen Lage kommen in Belarus die orthodoxe, katholische, protestantische und jüdische Religion auf einzigartige Weise zusammen. Kunsthistorisch verbinden sich Einflüsse aus Byzanz, der Romanik und Gotik sowie ethnisch geprägter Kultur. Diese Synthese kommt insbesondere in der Architektur eindrucksvoll zum Ausdruck.

Zu der Aktion ist eine Broschüre des Kulturministeriums, hg. vom Institut für Belarussische Kultur, in belarussischer und englischer Sprache mit zahlreichen Farbfotos erschienen (siehe Foto). Ausgewählt und in der Broschüre vorgestellt werden das orthodoxe Frauen-Kloster Spaso- Evfrosinievkij in Polock, das ebenfalls orthodoxe Männer-Kloster Svjato-Uspenskij in Zhirovichi und die katholische Bernhardinerkirche in Budslav mit jeweils einzigartigen Ikonen, Fresken und Altären. Alle drei Orte pflegen ein aktives, religiöses Leben und werden regelmäßig von Pilgern besucht.

2010 hatte Belarus das Thema « Renaissancebauten » gewählt.

Adam Iosofovich Maldis

Es gibt sie noch, die Intellektuellen, die für mich  – als Ausländerin und zudem aus dem Westen –  den Typ der sowjetischen Intelligencija verkörpern und mich immer wieder in ihren Bann ziehen. Einer von ihnen ist Adam Iosofovich Maldis. 1932 in einem damals zu Polen, heute zu Belarus gehörenden Dorf geboren, ist ein in Fachkreisen weit über die Landesgrenzen hinaus bekannter, mehrfach ausgezeichneter Literatur- und Kulturwissenschaftler, Journalist und Kritiker sowie Autor von zahlreichen Büchern und seit 1989 Mitglied des Belarussischen PEN-Zentrums.

Zusammen mit einer jungen Kollegin aus der Geschichtswerkstatt hatte ich kürzlich Gelegenheit, ihn persönlich kennenzulernen. Er empfing uns in einem Büro, wie es  – ich muss es sagen – sowjetischer nicht hätte sein können. Versteckt im Gebäude einer Zeitungsredaktion gelegen, war es offenbar überhaupt in mitten des Renovierungschaos nur zugänglich, weil er die Handwerker außer mit seiner Autorität mit dem Argument zum Aufräumen gezwungen hatte, dass „Besuch aus Deutschland“ käme. Der winzige Raum, den man sodann betritt, ist Entschädigung genug. Er atmet durch und durch Wissenschaft und Gelehrsamkeit: Dunkle, groß gemusterte Tapeten, schwere Möbel, große Bücher- und Zeitungsstapel und reihenweise (sowjetische) Papki. Die überall herabhängenden Elektrokabel und offenen Kabelkanäle bemerkt der Besucher gar nicht erst ob der Stimmung im Raum. Dazu trägt nicht unerheblich die ältere Dame bei, die ungerührt zwischen Papierbergen an einem der beiden Schreibtische sitzt und in großer Gelassenheit Zeitungen auf wichtige Artikel durchsieht, diese ausschneidet und zu Stapeln ordnet. Undenkbar, ihr Aufgaben einer „Sekretärin“ zuordnen zu wollen, etwa Tee zu kochen oder sich sonst wie um den Besuch zu kümmern. Vielmehr ist sie seit Jahren die rechte Hand und gute Seele der Forschungsprojekte des Herrn Professor.

Dieser geht sofort in medias res, erzählt uns von seinen noch immer zahlreichen Ämtern und Ehrenämter, zu denen auch der Vorsitz der Kommission zur Rückführung von Kulturgütern gehört. Dies war für mich der Anlass gewesen, den Kontakt zu ihm zu suchen. Seit 1987 Vorsitzender der gesellschaftlichen Kommission „Vjartanie“ (Rückführung) der Belarussischen Kulturstiftung , beschäftigte er sich seitdem immer wieder mit den Kulturgüterverlusten Weißrusslands und vertrat sein Land 1995 auf der Konferenz „Spoils of War“ in New York.

Der zweite Schwerpunkt seiner Forschungen ist die Literaturwissenschaft, noch immer ist er Ehrenvorsitzender der Internationalen Vereinigung der Belarussisten, deren Mitglieder er natürlich alle persönlich kennt. Noch immer schreibt er für verschiedene Zeitungen, darunter für die Sovetskaja Belarus.

Ihn politisch einordnen zu wollen, wäre nicht nur unangemessen, es wäre schlicht sinnlos. Universal gebildet, eigenwillig und unangepasst vertritt er seine Position, sachlich, fundiert, gelassen. Doch selbst eine solch humanistische Haltung ist offenbar mitunter gefährlich, wurde Maldis doch 2002 von Unbekannten attackiert und bewusstlos geschlagen. Sein Engagement hat er seitdem nicht aufgegeben, im Gegenteil, man ist versucht, noch viele weitere Bücher, Artikel und Interviews von ihm zu erwarten, die neben einem wissenschaftlichen Beitrag immer auch ein Denkanstoß sind.

Belarussische Literatur auf Deutsch

Seit März 2011 bietet das Portal literabel.de einen Überblick und eine Einführung in die Gegenwartsliteratur von Belarus. In einem ebenso übersichtlichen wie schönen Design präsentiert sich das Projekt, das von dem gemeinnützigen Verein probabel e.V. getragen und von der Robert-Bosch-Stiftung und der Deutsch-Belarussischen Gesellschaft finanziert wird.

Vorgestellt werden 10 Autoren und Autorinnen mit einem Foto und Kurzportrait, einer Liste ihrer bisher erschienenen Werke auf Deutsch sowie ihrer Vita, einschließlich Interviews und Hintergrundinformationen. Zu den Werken gibt es Pressestimmen und Leseproben. Ergänzt wird das Angebot durch die Vorstellung der Übersetzer/-innen.

Das Portal macht Lust aufs Lesen und schließt eine bisher offene Lücke, indem es die Tür zu einer in Deutschland fast unbekannten Literatur öffnet. Gerne wüsste man, was der Verein, der sich der „Vermittlung belarussischer Literatur und Kultur im deutschen Sprachraum verschrieben hat“, noch für Projekte und Initiativen plant, doch leider gibt es bisher offenbar keine eigene Website für probabel.

Belhistory.com

So lautet die Internetadresse eines Portals zur weißrussischen Geschichte. Über Texte, Ton- und Filmdateien sowie eine Fotogalerie historischer Persönlichkeiten kann man sich hier über die Geschichte des Landes informieren, vorausgesetzt man hat keinen wissenschaftlichen Anspruch und erwartet weiterführende Anmerkungen oder Literaturhinweise. Im Mittelpunkt steht die Geschichte des Großfürstentums Litauen, über dessen Ausmaß, Kultur und Geschichte als Grundlage für das heutige nationale Selbstverständnis hier näher informiert werden soll.

Betrieben wird das Portal von der Initiative Budzma Belarusami, zu deutsch etwa „Lasst uns Belarussen sein“. Dahinter steht eine Reihe von kulturellen und gesellschaftlichen Initiativen und Vereinigungen, die sich die Vermittlung der belarussischen Sprache und Kultur durch Veranstaltungen, Buchpräsentationen und Angeboten im Internet zum Ziel gesetzt haben. Konsequenterweise wird dieses Portal ausschließlich auf belarussisch angeboten, während bei Belhistory.com einige Texte auch in russischer Sprache zu finden sind.

Seit kurzem ist auf beiden Portalen ein Kurzfilm zur Geschichte zu sehen (und bei www.budzma.org nachzulesen). Im Rap-Stil und originellem Design wird die Geschichte von Belarus in gut 5 Minuten von den Anfängen, über die Christianisierung, das Großfürstentum Litauen, die polnischen Teilungen und Napoleon bis ins 20. Jh. erzählt. Die Weißrussische Volksrepublik 1918 kommt ebenso vor wie die Gründung der Zeitschrift Naša Niwa, der Überfall der Deutschen 1941 und die Zeit nach 1945. Bezeichnenderweise endet die Erzählung 1991 mit der Erlangung der Unabhängigkeit. Text und Musik stammen von dem hierzulande bekannten Sänger Ljavon Volski.

Planerfüllung im Museum

Wieder mal ein schönes Beispiel für die staatlich reglementierte Kulturpolitik ist der jüngste Beschluss des Ministeriums vom 28. Juli (Meldung bei der Nachrichtenagentur Belapan). Demzufolge müssen alle Museen, die zum Kulturministerium gehören, bis Ende 2012 eine Website aufweisen können.

Ebenfalls vorangetrieben und bis 2015 abgeschlossen sein soll die digitale Erfassung der Sammlungen, die dann online zugänglich sein sollen. Bisher nutzen 125 von 153 Museen eine Software für die Sammlungsverwaltung. Bereits seit im September 2010 existiert ein Nationaler Sammlungskatalog, in den bisher 4.000 Objekte eingespeist wurden. Besser aufgestellt sind die Bibliotheken des Landes, von denen nach Aussage des Ministeriums alle bereits ans Internet angeschlossen sind.

Blog zu Minsk und Minsker Geschichte

Neulich stieß ich auf einen mir bisher nicht bekannten Blog zu Minsk und Umgebung. Immer ausgehend von einem Foto finden sich hier viele Hinweise auf historische Spuren in der Stadt und der Minsker Region. Zusammen mit den kurzen texten und Kommentaren der Leser lässt sich viel Neues entdecken. Ein Schwerpunkt der Einträge liegt auf dem Thema Architektur.

Italien in den Werken russischer Künstler

Diesem Thema ist derzeit eine kleine Ausstellung im Nationalen Kunstmuseum gewidmet. Zu sehen sind Werke von Fedor Matveev, Silvester Ščedrin,  Ivan Ajvazovskij u.a. aus der Sammlung des Minsker Kunstmuseums.

An drei Abenden finden im Rahmen des Begleitprogramms Konzertabende im Foyer des Museums statt. Der gestrige Abend bot Genuss auf höchstem Niveau: Lieder, Arien und Klavierstücke russischer und italienischer Meister ließen den Besucher eintauchen in die so unterschiedlichen und doch künstlerisch verbundenen Welten Italiens und Russlands im 19. Jahrhundert.

All jenen, die Kunst und Musik in schönem Ambiente genießen möchten, sei der Besuch des dritten und letzten „Musikalischen Abends“ am 18. August sehr empfohlen.

Archäologisches Museum im Institut für Geschichte der Akademie der Wissenschaften

Foto: http://www.history.by/rus/exposition.html

Klein, aber fein ist die Ausstellung zur Geschichte der archäologischen Forschung in Belarus im obersten Stock des Gebäudes, in dem sich auch das Institut für Geschichte der Akademie der Wissenschaften befindet (Экспозиция „Развитие археологической науки в Национальной академии наук Беларуси“ при ГНУ Институт истории НАН Беларуси“). In zwei Räumen bietet die überraschend modern gestaltete Ausstellung einen Überblick über verschiedene Ausgrabungsorte und Funde auf dem Gebiet des heutigen Belarus.

Das nach Voranmeldung öffentlich zugängliche kleine Museum dient vorrangig der Ausbildung von Studierenden. Für sie werden Formen und Exemplare archäologischer Funde auf einzeln verschiebbaren Tafeln zum Vergleich präsentiert. Großfotos, kleine Inszenierungen und moderne Vitrinen hinterlassen einen professionellen Eindruck. Auffällig sind die durchweg belarussiche und englische Beschriftung aller Exponate – ein Service für den Einzelbesucher, den man nur selten in weißrussischen Museen findet. Einführende Texte zur Einordnung einzelner Fundorte wünscht man sich dagegen leider vergeblich.

Das Museum zeigt nur einen kleinen Teil der weitaus größeren Sammlung der Akademie der Wissenschaften. Diese hat im Zweiten Weltkrieg stark gelitten, große Teile wurden nach Deutschland verbracht. Von dem, was nach dem Krieg zurückgegeben wurde, gelangten viele Exponate aufgrund der sowjetischen Verteilungsstruktur an andere Museen im ganzen Land. Mit dem vorhandenen Bestand sollte bereits 1963 ein Museum eröffnet werden. Dieses Vorhaben wurde jedoch erst 2006 realisiert.

Zur Ausstellung gibt es eine russisch- und englischsprachige Broschüre sowie Informationen im Internet.

Belarus auf der Biennale in Venedig II

Am 25. Juni findet um 16.00 Uhr in der Galerie NOVA eine Veranstaltung mit Pawel Wojnizki, einem Mitarbeiter des Kurators des belarussischen Pavillons auf der 54. Biennale in Venedig zum Thema „Fotografie im Kontext der zeitgenössischen Kunst“ statt.

Adresse: Galerie NOVA, Ul. Kulman 2, Raum 421 (4. Etage)

Ein Urwald mitten in Europa

Als ich neulich in der Zeitschrift „Kulturaustausch“ über die Bedeutung des Bisons in Belarus las, habe ich sofort bedauert, dass ich es in fast neun Monaten noch nicht geschafft habe, hier in Belarus eines dieser Urviecher mit eigenen Augen und nicht im Zoo zu sehen. Zuletzt habe ich eines im Heimattiergarten [sic!] in Fürstenwalde gesehen. Oder waren das Wisente? Nicht, dass das wirklich wichtig wäre, aber die Tiere tauchen mit großer Regelmäßigkeit und Prominenz in der belarussischen Tourismuswerbung auf. Da wäre es doch interessant zu wissen, ob nun Bisons oder Wisente gemeint sind, oder nicht?

Ein guter Anfang scheint mir die beliebte Wodkamarke „Zubrovka“ zu sein. Sie bildet einen grimmig dreinschauenden Bullen dieser Rasse ab. Ich folge dieser Spur und lerne als erstes, dass es sich bei Zubrovka um eine Grassorte handelt, jedenfalls im russischen Wörterbuch. Im weißrussischen Pendant ist davon nur noch das daraus gebraute alkoholische Getränk übrig. Soweit so gut. Weitere ethymologische Nachforschungen bringen mich zum Zubr– russisch und weißrussisch (!) für Wisent. (Der russische Zubr ist zugleich ein Erzreaktionär, aber das ist sicher eine andere Geschichte.) Mit dem Bison ist es einfacher, es ist sowohl in Russland als auch in Belarus ein Bison. Und genau davon schreibt in der erwähnten Zeitschrift der weißrussische Journalist Anton Trafimowitsch und der muss es doch wissen. Also noch mal von vorne.

Wer in Weißrussland eines dieser riesigen Tiere zu Gesicht bekommen will, womit wir wieder bei der Tourismuswerbung wären, fährt in Richtung polnischer Grenze. Dort befindet sich der einzige Urwald in Europa, der Białowieża-Nationalpark – natürlich unter UNESCO-Naturerbeschutz. Das 150.000 ha große Gelände gehört zu Polen und zu Belarus und bietet eine schier unglaubliche Fülle von Flora und Fauna. Dazu gehören auch – Wisente. Ihr zoologischer Name lautet Bison bonasus, womit wir der Verwirrung schon näher kommen. Unglücklicherweise stoße ich gerade hier (und nur hier) auch auf Zubrons (immerhin bringt mich das wieder zu dem Wodka zurück), bei denen es sich offenbar um eine Kreuzung zwischen Rind und Wisent handelt. Erwartungsgemäß wenig zur Klärung tragen diverse Seiten über den Jagdtourismus in Belarus bei. Den Nutzern dieser Informationen scheint es egal zu sein, ob sie Wisente, Bisons oder Zubrons erlegen. Zubrovka wird jedenfalls genug dabei fließen.

Das belarussische Internetportal www.zubr.com weiß zwar gar nichts über seinen Namensgeber zu berichten, bestätigt aber immerhin die offenbar nationale Bedeutung, die das Tier für Weißrussland hat. Eine wahrlich diplomatische Lösung bieten schließlich die englischsprachigen Websites, die vom „European bison“ sprechen, womit wieder einmal zweifelsfrei erwiesen wäre, dass Belarus mitten in Europa liegt, was wir ja von Polen schon lange wissen.

Belarus auf der 54. Biennale in Venedig I

Erstmals wieder seit 2005 ist Belarus mit einem eigenen Pavillon in Venedig präsent. Auf 170 m² vertreten die Künstler Yury Alisevich, Artur Klinau, Kanstantsin Kastsiuchenka, Viktar Piatrou und Dzianis Skvartsou ihr Land mit dem Projekt „Kodex“, einer künstlerischen Interpretation von Textdesign. Es ist geplant, einige der Arbeiten im Dezember in Minsk im Museum für zeitgenössische Kunst auszustellen.

Die Teilnahme in diesem Jahr geht auf eine Entscheidung „von ganz oben“ zurück und wird vom Kulturministerium finanziert. Außerdem beteiligt sind das Museum für zeitgenössische Kunst, die Kunstakademie und die Botschaften Italiens in Belarus und von Belarus in Italien. 2009 hatte es die staatliche Kulturförderung, die die zeitgenössische Kunst ohnehin kaum bis gar nicht einschließt, „versäumt“, Belarus auf der Biennale zu präsentieren. Daraufhin initiierten 30 Künstler ein Projekt: Den Weißrussischen Pavillon auf der 53. Biennale in Venedig – in Minsk. Die Ausstellung, die im Juni 2009 im Ausstellungszentrum BelExpo eröffnet wurde, erregte viel Aufmerksamkeit und unterstrich den Vorwurf der Künstler, seitens der staatlichen Stellen werde im Ausland der Eindruck vermittelt, in Belarus mangele es an Gegenwartskunst auf internationalem Niveau – was insofern stimmt, als Künstler hier unter erschwerten Bedingungen kaum Chancen haben, sich international zu entwickeln.

Offenbar aber wollte Belarus diesen Vorwurf nicht auf sich sitzen lassen und schickte nun fünf Vertreter der zeitgenössischen Kunst nach Italien. In der Berichterstattung über die Biennale ist Belarus bisher nicht aufgetaucht, was angesichts der schwierigen Situation, in der sich viele der Künstler im eigenen Land befinden, bedauerlich ist. Umso mehr Aufmerksamkeit sei dem Pavillon in Venedig und damit auch Belarus selbst beschieden!

Einen virtuellen Rundgang durch den Pavillon bietet ein Video auf youtube. Weitere Informationen zu zeitgenössischen Künstlern findet man bei der amerikanischen (!) Galerie BellaBelarus.