Museen

Auf Wiedersehen, Belarus! Да пабачэння, Беларусь!

Alla Stashkevich, Tatjana Bembel und ich mit der Handreichung zu den Museumsseminaren.

Nun ist es soweit, nach drei Jahren geht unsere Zeit in Minsk zu Ende. Für mich war es eine anregende, spannende und lebhafte Zeit, die wohl einmalige Chance, als Slavistin und langjährige Russlandreisende endlich einmal in der Kultur- und Sprachregion zu leben, deren Studium ich mir zu meiner Lebensaufgabe gemacht habe. Auf meinen Wegen durch dieses für viele noch immer unbekannte Land haben mich Menschen begleitet, denen ich für ihr Vertrauen danke. Sie haben mich an die Hand genommen auf meinen Erkundigungen durch die Museums- und Kulturlandschaft, bei der Erforschung und der teilweise schmerzvollen Erinnerung an die tragische Geschichte, die unsere beiden Länder verbindet, sowie bei meinen Ausflügen in die verbindende Welt des Sports, allen voran des Dressurreitsports. Sie alle werde ich vermissen!

Mit dem Rückumzug nach Deutschland endet auch der Blog. Zwar ließe sich auch von Deutschland aus eine Kommentierung der Museums- und Kulturszene fortsetzen. Da es noch immer recht wenig Informationen zur aktuellen Kulturlandschaft in Belarus gibt, würde das einer Annäherung und dem gegenseitigen Austausch auch gut tun. Dennoch scheint mir die Beendigung des Blogs folgerichtig, da ich diese Form der freien Rede, kurzer Kommentare und persönlicher Eindrücke in der Absicht gewählt hatte, um meine punktuellen, nicht immer systematischen Beobachtungen im Lande zu notieren. Dieser unmittelbare Zugang ist nun nicht mehr gegeben.

Unser Rückumzug nach Deutschland ist zugleich auch die Schließung des deutschen Militärattaché-Stabes in Minsk, d.h. es wird kein Nachfolger kommen. Zu den vorausgegangenen Verwicklungen hatte ich berichtet, sie haben letztlich zu diesem Schritt geführt, für dessen Einschätzung und Bewertung dieser Blog nicht der richtige Ort ist. Diesen Moment hat die Belarussische Militärzeitung zum Anlass genommen, ein lange geplantes Interview mit meinem Mann, Niels Janeke, zu führen. Seine Publikation ist ein Überblick und Rückblick auf die Arbeit des Militärattachéstabes der letzten drei Jahre aus belarussischer Sicht.

Foto zum Artikel in der Belarusskaja Voennaja Gazeta, 26.6.2013

Was mich betrifft, so werde ich auch weiterhin mit meinen belarussischen Kollegen in verschiedenen Projekten zusammenarbeiten und meinen Teil dazu beitragen, die kulturellen Kontakte auszubauen und zu vertiefen. Sofern es dazu etwas zu berichten gibt, tue ich dies nter der Rubirk Aktuelles auf meiner Website. Die aktuelle und regelmäßige Analyse überlasse ich anderen, die noch näher dran sind, weil sie im Land leben oder sich ausschließlich Belarus widmen. Ihre Blogs und Websites sind in der Rubrik Links genannt.

Dank dieser Mischung aus Internet und persönlichen Kontakten wird Belarus weiterhin eine wichtige Rolle in meinen beruflichen und persönlichen Interessen spielen. Ich habe das Land schätzen und lieben gelernt und will es nicht wieder verlieren. Auf Wiedersehen, Belarus! Да пабачэння, Беларусь!

„Museen als Bildungsorte des 21. Jh.“ – Eine Handreichung

Eine meiner letzten Amtshandlungen in Belarus war die Fertigstellung der Handreichung, die die Materialien der Museumsseminare im Goethte-Institut 2012 zusammenfasst. Zusammen mit Alla Stashkevich, Insitut für die Kultur von Belarus und Vorsitzende von ICOM Belarus, haben wir die Unterlagen aller Referenten mit Einleitungstexten, Glossarien zu den einzelnen Themen sowie einer Bibliographie versehen. Nun endlich ist unser Werk auf russisch (als gedrucktes Handbuch) und auf deutsch (als beigefügte CD) erschienen. Beide sprachlichen Versionen sollten demnächst zum Download auf den Websites des Goethe-Instituts und des Instituts für die Kultur Belarus’ bereitstehen. Zudem können sie in der Literaturliste von Tradicia als PDF sowie die deutsche und die russische Version heruntergeladen werden. Und schließlich ist in den Mitteilungen 35 (2013) von ICOM Deutschland ein Abschlussbericht zu dem Projekt erschienen.

Damit kommt eines meiner umfangreichsten Projekte in Belarus zum Abschluss, gerade noch rechtzeitig vor unserer Ausreise. Ich freue mich sehr, dass ich auf diese Weise ein sichtbares und greifbares Resultat meiner Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut, ICOM Belarus, den belarussischen Museen und den deutschen Partnern hinterlassen kann. Möge es sich verbreiten und zu neuen Projekten und Kooperationen führen.

Dass die Reise nach Minsk und der Austausch mit den belarussischen Museumskollegen auch für die deutschen Kollegen ein inspirierendes Erlebnis war, belegen die Blogeinträge von Katrin Hieke und Jörn Brunotte. Möge auch das zur weiteren Vernetzung beitragen!

Schweden und Frankreich pflegen Beziehungen zu belarussischen Museen

Frankreich plant ein Trainung für belarussische Museumsmitarbeiter (BelaPan 14.6.2013). Hinter dieser Initiative, führende Museumsangestellte zur Fortbildung in französische Museen einzuladen, steckt, wen wundert’s, der belarussische Botschafter in Paris und ehemalige Kulturminister seines Landes, Pavel Latushko. Ob es zu zu dieser Maßnahme kommt, die auf höchster politischer Ebene besprochen wurde, steht freilich in den Sternen. Auch bleibt abzuwarten, was die belarussischen Museen letztlich wirklich davon haben und welche Anregungen sich im Museumsalltag abbilden werden.

Deutlich konkreter ist die belarussisch-schwedische Zusammenarbeit in diesem Bereich. Schon lange gibt es hier intensive Beziehungen, die dem Engagement der belarussischen ICOM-Vorsitzenden, Alla Stashkevich zu verdanken sind. Einzelne Projekte werden finanziell unterstützt und es finden Seminare statt. So z.B. im Frühjahr ein Seminar zur Sammlungsinventarisierung, zu dem schwedische Museumsvertreter nach Minsk kamen, und im Juli ein Seminar in Schweden, bei dem Vertreter belarussischer Museen sich vor Ort über die Tätigkeit der Kollegen informieren konnten. Der Ausbau der Kooperation ist geplant.

Bagration-Museum in Vokovysk

Dort, wo Petr Bagration im Juni 1812 das Stabquartier der Zweiten Russischen Armee unter seinem Kommando einrichtete, gibt es ein kleines Museum, dessen Dauerausstellung sich außer der Geschichte des Ortes den Kriegsereignissen 1812 widmet. Das ehemalige Herrenhaus ist liebevoll restauriert und mit zeitgenössischen Möbeln ausgestattet worden. Vor dem Eingang steht eine eindrucksvolle Büste des Bildhauers Azgur von Petr Bagration.

Der Reaktion des Personals auf unseren Besuch etwa eine Stunde vor Schließung nach zu urteilen, hat das Museum nicht viele Besucher. Was aber sehr schade ist, denn es verbindet den Charme eines mit viel Liebe zum Detail eingerichteten, allerdings auch seit langem nicht überarbeiteten Heimatsmuseums mit einer durchaus bemerkenswerten Ausstellung über den Kampf gegen Napoleon.

Exponate sächsischen Ursprungs.

Zwar ist auch diese Ausstellung veraltet, aber sie hat eindrücksvolle Exponate zu bieten, datunter die „Kriegsgalerie des Jahres 1812“, ein im Jahre 1912 in Russland herausgegebenes Buch zum Gedenken an den Vaterländischen Krieg. Etwas ins Grübeln kommt man bei den vielen Exponaten aus Sachsen des frühesn 19. Jh. z.B. einem Kürassiererhelm oder einer Trommel. Den Objektangaben zufolge, sind sie sämtlich aus St. Petersburg nach Volkovysk gekommen, also keineswegs vor Ort gefunden und geborgen. Der außerordentlich gute Zustand wirft die Frage auf, ob die Objekte nicht zu einem weitaus spätereren Zeitpunkt aus dem Sächsichen Militärmuseum nach Petersburg gelangt sind.

Die übrigens erstaunlich informative und morderne Website des Museums gibt darüber leider keinen Aufschluss.

Spezialmuseen: Rettung aus dem Wasser

Aus Anlass des 140. Jahretages seit der Gründung der Rettungsgesellschaft hat 2012 in Minsk ein Museum zum Thema der Lebensrettung aus dem Wasser eröffnet. Zu sehen sind Unterwasseratmungsgeräte, Tauchanzüge, Dokumente, Fotos, Auszeichnungen sowie eine noch funktionsfähige Wasserpumpe aus den 40er Jahren. Die Exponate stammen aus der Sammlung der Rettungsgesellschaft sowie meist von ehemaligen Mitarbeitern.

Diorama im Museum des Großen Vaterländischen Krieges

Foto: http://zn.by/diorama-s%C2%A0datchikami-dvizheniya-otkrylas-v%C2%A0minske.html

Eigentlich erstaunlich, dass es das überhaupt gibt: Ein sowjetisches Kriegsmuseum ohne Diorama. In der Regel findet sich noch im weit entfernt gelegenen Heimatmuseum ein solches Rundbild, meist aus dem für seine Schlachtenmalerei berühmten Moskauer Grekov-Studio. Nur in Minsk gab es bisher keines, man staunt.

Das wird natürlich im neuen Museum anders sein. Dann werden gleich zwei Dioramen aus dem Grekov-Studion gezeigt werden. Beide sind sogar schon fertig, eines schon zu sehen im Museum.

Das Thema des etwas kleineren Dioramas ist die Verteidigung von Minsk Ende Juni 1941. Bei Annäherung des Besuchers wird das Kunstwerk ins Licht getaucht und Kampfgeräusche ertönen, um die Illusion perfekt zu machen. Man kann davon halten, was man will, aber ich bin immer wieder beeindruckt von dieser Kunstform. Das größere widmet sich der Operation Bagration, es ist 23m lang und hat ganze 1 Mio $ gekostet, wie man so hört.

Kulturstatistik

Statistik: MINSK WHERE 8/2012, S. 22.

Laut einer Übersicht des Stadtmagazins WHERE MINSK (9/2012) gehen die Minsker am liebsten ins Kino. Direkt danach folgt schon das Museum, das Theater steht an dritter, Konzerte an vierter Stelle. Mit ihrer Vorliebe für die Lichtspiele überbieten die Belarussen demnach die Russen um das dreifache, die Ukrainer um das vierfache.

127 Vorführungen bieten die 15 Minsker Kinos durchschnittlich am Tag, jeder 12. sah darin den Film „Fluch der Karibik – Auf zu neuen Ufern“ und das, obwohl sich die Zahl der Sitzplätze seit 2005 (18.000) bis 2011 halbiert hat (9.000). Die Zahl der Besucher ist aber im selben Zeitraum von 3.200.000 auf 5.000.000 gestiegen.

Zu den Museen: 1.200.000 Menschen haben 2011 die Minsker Museen besucht (insgesamt 17, davon drei historische, vier kunsthistorische sowie „andere“). Das Museum der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges hatte 700 Besucher pro Tag zu verzeichnen, das Nationale Kunstmuseum 584 und das Nationale Historische Museum 555 pro Tag. Wenig Besucher hatten (erstaunlicherweise!) das Azgur-Museum mit 10.300 Besuchern im Jahr, das Medizinhistorische Museum mit 4.500 und das Sportmuseum mit 6.200 Besuchern im Jahr. Die reichste Sammlung hat das Nationale Historische Museum (284.300 Objekte), die kleinste das Museum für zeitgenössische Kunst (2.709 Objekte).

Unter den Theatern ist das Opern- und Balletttheater das weitaus beliebteste (238.000 Besucher 2011), gefolgt vom Musiktheater (198.000) und dem Gorkij-Theater (105.000). Jede siebte Vorstellung ist eine Premiere, insgesamt wurden 2011 940 Aufführungen gezeigt, 139 von ihnen waren neu.

Der heimliche Favorit ist schließlich der Zirkus: Hier wurden 2011 386.000 Eintrittskarten verkauft, oft lange im voraus.

Lange Nacht der Museen in Minsk

Ausstellungssaal im Savickij-Museum

Auch dieses Mal war ich wieder fasziniert, obwohl ich es ja schon einige Male erlebt habe. Die endlosen Schlangen und Menschenmengen vor den Museen (in diesem Fall dem Kunstmuseum und dem Janka-Kupala-Museum) lassen das Herz eines jeden Museumsprofis höher schlagen. Die Lange Nacht fiel zusammen mit dem Internationalen Museumstag, so dass einige Museen schon am Tage ein Programm angeboten haben. Ich habe die Gelegenheit genutzt, und mir das Jakub-Kolas-Museum angesehen. Die Ausstellung des Gedenkmuseums für den Schriftsteller war leider und aus unverständlichen Gründen teilweise geschlossen, dafür gab es in dem wunderschönen Garten der Villa, in der Kolas gelebt und gearbeitet hat, ein bunts Programm aus Folklore und Brauchtumsvorführungen. Thema waren alle Rituale und Zereminien rund um die Hochzeit, da auch Kolas im Mai geheiratet hatte.

Anschließend war ich im Kunstmuseum, da kommt man einfach in dieser Nacht nicht drumrum. Hier gab es wieder ein sehr vielfältiges Angebot, aus dem die Schauspieler herausragten, die den derzeit in einer Sonderausstellung gezeigten Gemälden aus der Zeit des Großfürstentums aus Lemberg und Luck entsprungen waren.

Weiter ging es zum Janka-Kupala-Museum, wo es eine Modenschau auf der Treppe vor dem Museum zu bestaunen gab, die Modelle waren samt und sonders Angestellte des Hauses. Eine schöne Ergänzung des Museumsprogramms war der Markt mit Kunsthandwerk im Park vor dem Museum mit einem Angebot, das es auf den üblichen Märkten und Festen Minsk selten zu sehen und zu kaufen gibt. Besonders gefallen haben mir die weiß-rot-weißen Kettenanhänger mit allen Spielarten belarussischer Nationalsymbole vk.com/belstyle.

Zum Abschluss habe ich mir das relativ neueSavickij-Museum angesehen, das zum Stadtmuseum Minsk gehört. In einem renovierten Palais sind die Arbeiten von Savisckij  in großen und hellen Räumen zu sehen, die vorher ziemlich zusammengepfercht im zentralen Gebäude des Stadtmuseums präsentiert worden waren. Überhaupt beindruckt das Gebäude durch ein klares Leitsystem und eine durchgängig russisch-belarussisch-englische Beschriftung einschließlich erklärender Texte für den Einzelbesucher.

Hervorzuheben ist schließlich unbedingt, dass im Unterschied zum letzten Jahr (fast) alle Museen ein kulinarisches Angebot hatten. Im Jakub-Kolas-Museum gab es wunderbares selbstgemachtes Gebäck und Fruchtsaft, im Kunstmuseum gibt es ja seit der Ausstellung zur Pariser Schule im letzten Jahr ein dauerhaftes Museumscafé (bisher das einzige in Minsk und Belarus (?)), das auch an diesem Abend gut besucht war.

Direktor des Museums Großer Vaterländischer Krieg entlassen

Sergej Azaronok und ich im letzten Jahr, als er mir stolz eine aus Moskau geschenkte Fahne (Moulage) vorführte.

Laut einer Meldung vom 10. Mai ist der Direktor des Museums der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges, Sergej Azaronok, am Vortag des 8. Mai entlassen worden (BelaPan). Ein Mitarbeiter des Museums berichtet, dass Azarokok dies seinen Mitarbeitern mitgeteilt habe. Eine weitere Bestätigung gibt es noch nicht.

Als Gründe werden Verzögerungen beim Neubau und der Räumung des alten Gebäudes vermutet, was nicht verwundert. An beidem hat Azaronok nur bedingt seinen Anteil. Der Neubau wird immer wieder von baulicher Seite verzögert, so dass an einen Einzug mit Museumsobjekten gar nicht zu denken ist. Das alte Gebäude am Oktoberplatz wiederum konnte bisher nicht geräumt werden, da dem Museums das immer wieder versprochene Zwischenlager niemals zur Verfügung gestellt wurde.

Laut ursprünglichem Plan sollte der Neubau im Mai diesen Jahres fertig sein, die Eröffnung des Museums ist für den 3.7. 2014 geplant. Bereits zum 9. Mai in diesem Jahr sollten allerdings ein bis zwei Säle fertig fertig sein, was angesichts des Baufortschritts schlicht nicht realistisch war. Am alten Platz des Museums soll ein multifunktionales Gebäude, darunter eines der vielen neuen 5-Sterne-Hotels für die Eishockey-Weltmeisterschaft 2014.

Die Objekte sollten schon im letzten Jahr aus dem Gebäude zwichengelagert werden. Abgesehen von der Tatsache, dass immer unklar war, wohin, hat die interne Organisation des Umzugs und der Neukonzeption einen reibungslosen Ablauf allerdings auch nicht begünstigt. Hinzu kommt, dass Azaronok während der Planungsprozesse langjährige und kompetente Mitarbeiter sowie einen weiteren, für die Organistion und Planung zuständigen Manager entlassen hat. Dies waren aus meiner Sicht nur zwei Fehlentscheidungen unter mehreren, kombiniert mit einer, wie es schien, ständigen Überforderung mit dem Projektmanagement.

Trotzdem ist diese Entscheidung sehr zu bedauern, nicht nur für Azaronok persönlich, der sich trotz erheblicher gesundheitlicher Einschränkungen mit ganzer Kraft für das Museum eingesetzt hat, sondern auch weil es schwer sein wird, ein Jahr vor der Eröffnung und unter diesem Druck einen neuen und vor allem fähigen Direktor zu finden, der es schafft, das Museum, von dem der Präsident jüngst noch verkündet hat, es werde das „beste in der Welt“ sein, rechtzeitig zu eröffnen. Zudem haben einige Mitarbeiter des Museums angekündigt, das Museum zusammnen mit dem Direktor zu verlassen.

Museumsgespräche

Leider schon vorbei, aber hoffentlich auch in Zukunft im Angebot, sind die „Samstagsgespräche“ im Nationalen Kunstmuseum. In der Zeit von März bis Anfang Mai gab es jeden Samstag eine 10minütige Einführung in genau ein Gemälde bzw. Kunstwerk in einem jeweils anderen Raum. Das Angebot ist insofern bemerkenswert, als es sich als eines der wenigen an individuelle Besucher richtet und zudem eine neue Zielgruppe der „Highlight-Besucher“ anspricht. Mehr dazu auf der Website des Museums.

Neue Museumswebsites

Screenshot: http://www.modernartmuseum.by/ru/galounaya.html

In neuem Design präsentiert sich das Azgur-Museum. Die neue Website informiert über die Geschichte des Hauses, die Sammlung und das reichhaltige Veranstaltunsgprogramm des Museums. Die englische Variante ist noch nicht aktiv, offenbar aber in Planung.

Ebenfalls eine aktualisierte, wenn mich nicht alles täuscht, überhaupt die erste eigene Website bietet das Museum für zeitgenössische Kunst. Das Angebot besteht in russischer, belarussischer und englischer Sprache. Das wurde aber auch Zeit!

 

Lange Nacht der Museen in Minsk

In der Nacht vom 18. auf den 19. Mai ist es mal wieder soweit: Die Minsker Museen öffnen ihre Tore. Das Programm wird von Jahr zu Jahr unfangreicher und auch immer mehr Museen beteiligen sich daran. Das wohl umfangreichste Programm bietet das Nationale Kunstmuseum, gefolgt vom Nationalen Historischen Museum. Schon traditionell ein Anziehungspunkt in dieser Nacht sind die Literaturmuseen. Für Kinder gibt es dieses Mal in der Langen Nacht in einigen Museen ein eigenes Programm.

Museen in Minsk

Eine gute Übersicht mit Angaben zu Sammlungen, Themen, Öffnungszeiten und Erreichbarkeit Minsker Museen findet sich hier.

Grodno: Stadt der Museen

Die Boris und Gleb-Kirche in Grodno

Schon zum zweiten Mal war ich neulich in Grodno und auch dieses Mal wieder ganz begeistert von dem Flair dieser wohl westlichsten Stadt von Belarus. Das mag an der Architektur liegen, von der sich mehr als in anderen Städten des Landes vieles seit dem 18. Jh. erhalten hat. Aus dieser Perspektive ist es wohl ein Glück, dass den nationalsozialistischen Besatzer die Stadt ebenfalls gefallen hat und sie sie in das Reichsgebiet aufgenommen haben. Wie sehr die Stadt und ihre Bürger trotzdem unter der Besatzung gelitten haben, bezeugen die Gedenktafeln an das Ghetto der Stadt. In denkbar schlechtem Zustand ist die Runie der ehemals großen Synagoge. Gerade wird sie hergerichtet, was daraus werden soll, ist allerdings nicht bekannt.

Heute ist die Stadt reich an Museen, es lag also nahe, hier im letzten Oktober das erste Museumsforum zu veranstalten. Im alten und neuen Schloss logiert das Archäologisch-historische Museum, in dessen reichen Sammlungen ich die Gelegenheit hatte, für einen Auftrag zu recherchieren. Unweit vom Schloss befindet sich das einzige Feuerwehr-Museum in Belarus. Vom Turm des auch heute noch in Dienst stehenden Gebäudes ertönt jeden Tag um 12.00 Uhr ein Trompetensignal (live gespielt!). Schräg gegenüber befindet sich das Museum der Geschichte der Religion (früher das übliche Atheismusmuseum), und ebenfalls unweit davon trifft man auf das zauberhafte Apothekenmuseum, das sich auch in einem alten Apothekengebäude befindet. Darüber informiert eine eigene Website.

Darüber hinaus gibt es noch ein Handwerkermuseum, ein Maksim-Bogdanovich-Museum, ein Bykov-Museum, ein Polizeimuseum, ein Anatomiemuseum, ein ethnographisches Museum…, aber das habe ich nicht mehr geschafft. Infos dazu hier.

Statt dessen habe ich mir eine der ältesten, orthodoxen Kirchen aus vormongolischer Zeit überhaupt, die Boris und Gleb-Kirche aus dem 12. Jh. angeschaut. In der Gesamtschau mit den vielen Jesuitenbauten in der Stadt, zeigt sich wieder einmal die kulturelle und religiöse Vielfalt von Belarus, die hier im Westen so deutlich zu spüren ist, wie kaum in einer anderen Stadt oder Gegend.

Die private Sammlung Feliks Janushkevich

Unlängst führte mich mein Weg nach Rakov, ca. 30 km westlich von Minsk. Dort befindet sich die private Kunstsammlung von Feliks Janushkevich, einem bekannten belarussischen Künstleroriginal. Einst Schüler von Leonid Shchemeljov und Mitglied der Künstlerwerkstatt Michail Savickijs, lebt und arbeitet er heute zurückgezogen in seinem schlossartigen Museumsbau. Dieser umfasst neben den Wohnräumen mehrere Ateliers, Ausstellungs- und Lagerräume, ein Hotel mit Veranstaltungsraum, eine Räucherei, eine Sauna und und und. Janushkevich empfängt Besucher auf Anfrage, die eine mehrstündige Führung einschließlich Verköstigung erhalten – ein sehr unterhaltsames Programm, das jedoch seinen Preis hat, den der Meister je nach Einschätzung der finanziellen Rücklagen seiner Besucher großzügig bestimmt.

Diese Unterstützung leistet man aber gerne, ist dieser Ort doch einer der ganz wenigen privaten Kunst- und Ausstellungsräume in Belarus. Zu sehen bekommt man neben seinen eigenen Werken eine bunte Mischung diverser Gegenstände aus belarussischer, polnischer, ukrainischer und jüdischer Kulturgeschichte, Landwirtschaft und Kunstgewerbe. Für Historiker ist die Sammlung aller möglichen Gegenstände aus seiner eigenen Lebens- und Familiengeschichte sowie der Nachbarn von unschätzbarem Wert, befindet sich Rakov doch in einer Gegend, die mehrfach und immer wieder unter russische, polnische, deutsche und sowjetische Herrschaft geriet, wovon Bücher, Haushaltsgegenstände, Textilien, Dokumente, Pässe, Familienpapiere und Fotos zeugen.

Hervorzuheben ist die Sammlung von Keramik aus der früheren Produktion in Rakov. Sie ist übrigens auch das Dissertationsthema des Malers gewesen, der damit neben seinem Kunststudium seine akademische kunsthistorische Ausbildung abschloss. Überhaupt ist die Familie ein Musterbeispiel an Produktivität: Die vier Brüder des Hausherrn sind ein bekannter Bildhauer (lebt nebenan im selben Dorf), ein „Monumentalist“, ein Philologe (seinerseits mit einer bekannten Künstlerin verheiratet) und ein Naturwissenschaftler. Janushkevich selber ist katholisch und Belarusse durch und durch. Seine Kinder schickt er jeden Tag nach Minsk auf ein belarussisches Gymnasium. Nur mit Mühe ringt er sich für mich einen russischen Vortrag ab, der sich mir angesichts des Tempos aber auch nur zu 70% erschließt. Den Rest erledigt der selbstgebrannte Wodka, der selbstgeräucherte Speck, Honig und Marmelade, alles aus eigener, 100%iger Bio-Produktion.

Einen Besuch kann ich jedem nur empfehlen, der sich für die Kunst und Kultur des Landes in einem früheren Grenzgebiet zwischen Polen und Belarus interessiert und sich ein Bild machen will von alternativen Lebensformen in einem Land, in dem es so etwas scheinbar nicht gibt.

Frühere Besucher haben darüber bereits berichtet, dort finde sich auch weitere Fotos von Haus, Hof und Kunst sowie weiterer Sehenswürdigkeiten von Rakov und Umgebung: http://www.holiday.by/blog/124  und http://news.tut.by/otklik/233552.html

Museum der Filmgeschichte

Von der persönlichen Leidenschaft seines Direktors Igor Avdeev zeugt die Ausstellung im Minsker Filmmuseum. Es erzählt die Geschichte des belarussischen Films. Diese ist naturgemäß eng mit dem sowjetischen Kino verbunden, weist aber durchaus eigene, nationale Entwicklungen auf. Die Ausstellung ist nach Filmen strukturiert, die hierzulande einen besonderen Einfluss hatten oder besonders beliebt waren. Neben Texten und Fotos gibt es alte und neue Filmtechnik zu sehen sowie Highlights aus der umfangereichen Plakatsammlung des Museums, die einige Exemplare seltener Plakate enthält.

Darüber hinaus widmet sich das Museum der Suche nach Filmen, die während des Zweiten Weltkrieges beschlagnahmt wurden und seitdem verschollen sind. Ein entsprechender Eintrag mit der Bitte um Unterstützung findet sich seit 2005 in der LostArt-Datenbank.

Eine eigene Website hat das Museum nicht, dafür aber einen Wikipedia-Eintrag. Weitere Informationen zum Museum finden sich hier.

Das Azgur-Museum

Eines der außergewöhnlichsten Museen in Minsk ist sicherlich das Azgur-Gedenkmuseum. Es befindet sich in der ehemaligen Werkstatt des Bildhauers Zair Isaakovich Azgurs (1908-1995). Schon allein die Familiengeschichte des jüdischen Künstlers mit dagestaner Wurzeln ist bemerkenswert. Er studierte übrigens auch bei Ju. Pen, der auch ein Lehrer Chagalls gewesen war.

In seiner Minsker Werkstatt fand, wie auch bei dem Künstler Michail Savickij, zu Lebzeiten des Künstlers ein Lehrbetrieb für die Studenten statt. Nach seinem Tode entstand hier 1996 das Museum, dessen Konzeption unter der, man möchte fast sagen, quirligen Direktorin den Werkstattcharakter überzeugend aufnimmt. In dem eindrucksvollen Raum voller riesiger Büsten und Skulpturen aller Sowjetgrößen veranstaltet das Museum seit 2000 regelmäßig Events, Performances und Museumstheater. Damit ist das einzige monographische Museum in Minsk zu einem Kultort für die junge Generation und ein Geheimtipp für Museumstouristen geworden. In der langen Nacht der Museen ist kein Durchkommen und die Karten lange im Voraus ausverkauft.

Bis 2004 war das Haus mit seinen 397 m² Ausstellungsfläche eine Filiale des Nationalen Kunstmuseums, seitdem ist es der Stadt zugeordnet.

Das Museum für zeitgenössische Kunst in Minsk

Meine bisherigen Besuche im Museum für zeitgenössische Kunst waren immer ein wenig enttäuschend. Denn Positionen zur aktuellen Kunst in Belarus sind dort, entgegen nahe liegenden Erwartungen, nicht zu finden. Woran das eigentlich liegt, ist schwer zu sagen. Zum einen hat es mit dem Stand der Gegenwartskunst in Belarus im Allgemeinen zu tun, zum anderen sicher auch mit der Direktorin, Natalja Sharangovich, Tochter des bekannten Malers Konstantin Sharangovich, der bis 2011 an der Akademie der Künste unterrichtet hat. Er war es, der das Museum vor 15 Jahren gegründet hat. Offenbar lag es da nahe, dass die Tochter in seine Fußstapfen tritt, das sie nun seit vier Jahren leitet.

Ideen hat sie viele, aber zu sehen ist davon nicht viel. Sie selbst sagt, die Belarussen seien noch nicht reif für Performances, Installationen oder Public Art. Vielmehr rufe das bisher noch Irritationen bis Ablehnung hervor, so dass man die Leute vorsichtig heranführen müsse. Diese Vorsicht führt aber leider dazu, dass das Museum kaum eine Position bezieht und nichts aus der eigenen Sammlung dauerhaft ausstellt. Und das liegt nicht nur an dem Mangel an Ausstellungsfläche in dem kleinen Haus. Gezeigt werden stattdessen Ausstellungen zeitgenössischer Künstler, die sich eng am klassischen Kanon orientieren oder in die Kategorie Kunstgewerbe einzusortieren sind. Bei meinem jüngsten Besuch waren eine Keramik- und eine Puppenausstellung zu sehen.

Brav war auch die Ausstellung „Exlibris“ aus der Sammlung des Museums 2012 (englischer und belarussischer Katalog) oder die beiden Open-Air-Projekte mit polnisch-belarussischen Plakaten und Reproduktionen von Werken von Chagall. Zwar spricht Sharangovich begeistert von Kunst im öffentlichen Raum, die beiden realisierten Projekte jedoch hatten aber noch wenig mit der Wirkungsmacht zeitgenössischer Kunst jenseits der Grenzen des Museums zu tun.

Kreativer sind einige der Mitarbeiterinnen, darunter die Kuratorin Olga Rybchinskaja, für die das Museum bisher der einzige offizielle Ort für die zeitgenössische Kunst ist. Schade, dass sich deren Ideen nicht auch hier realisieren lassen, denn wo sonst sollte man nach aktuellen Tendenzen und Entwicklungen in der Kunst suche, wen nicht im Museum für zeitgenössische Kunst?

Das Museum der belarussischen Staatlichkeit

Wer hätte das gedacht: Ich war tatsächlich drin! Bis zum letzten Moment dachte ich, die Miliz würde mich vielleicht noch abweisen, Gründe hätte es ja genug gegeben: Ausländerin und auch noch Ehefrau des deutschen Verteidigungsattachés. Außerdem hatte es wohl noch einen Rückstau im Kulturministerium gegeben, wie man munkelt, ob unsere Gruppe von Seminarteilnehmern am Goethe-Institut zugelassen werden soll, aber letztlich hat sich alles gefügt: Nach ca. vierwöchiger Prüfung unseres Antrags, hatten wir einen Termin im Präsidentenmuseum. Den wir uns freilich nicht aussuchen konnten, aber sei’s drum.

So hatten wir passend zum Abschluss unserer Seminarreihe zum Ausstellungs- und Museumsmanagement für Mitarbeiter verschiedener belarussischer Museen die Gelegenheit, das aktuell wohl am besten ausgestattete Museum des Landes zu besichtigen. Über die Hintergründe und Inhalte hatte ich hier bereits berichtet, ich beschränke mich also hier auf meine persönlichen Eindrücke.

Geführt hat uns ein junger Mann mit bleichen Gesichtszügen und stoischer Mine, der insofern meine ganze Aufmerksamkeit hatte, als er uns in verblüffenden Ähnlichkeit mit Jesus Christus gleichsam entrückt von den politischen Niederungen des Museumsgegenstandes äußerst versiert und professionell mit Hilfe des guten alten hölzernen Taktstocks UND – – – einem IPad durch die Ausstellung lotste. Damit verwies er auf herausragende Exponate in sündhaft teuren Panzervitrinen aus Deutschland und setzte wahre Wunderwerke an multimedialen Präsentationen auf neuester Technik in Gang.

Viel Technik, gesteuert durch das IPad und den hölzernen Zeigestock!

Damit ist die Faszination dieses Museums auch schon umrissen: Es ist weniger die konservativ umgesetzte Erzählung der Errungenschaften der Republik Belarus (seit 1994), als die geradezu unglaublich aufwendige Gestaltung durch Licht, Technik und Interaktion. Ganz eindeutig zielt diese Inszenierung auf Überwältigung und nicht auf Auseinandersetzung, denn von einem aktuellen Stand moderner Museumspräsentationen kann nicht die Rede sein. Die Exponate sind aneinandergereiht, zu thematischen Blöcken (Sport, Medizin, Landwirtschaft etc.) zusammengefasst und mit kurzen Bezeichnungen (immerhin auf belarussisch und englisch) versehen. Erklärungen, Geschichten und Hintergründe fehlen ganz, die einleitenden Raumtexte geben lediglich einen Überblick über die Heldentaten des Landes (= des Präsidenten) in dem jeweiligen Bereich. Diese sind durchaus nicht immer von der Hand zu weisen, es ist vielmehr, wie so oft, sehr ambivalent: Würde man die Propaganda weglassen, die Themen mutiger und pointierter präsentieren, so stellte sich sicherlich ein überwiegend positiver und sympathischer Eindruck von Belarus ein. Angesichts der gelenkten und zielgerichteten Darbietung ist man, zumal als professioneller Besucher und/oder Ausländer, jedoch leider gleich in einer Abwehrhaltung.

Zum Schluss erwartete uns noch eine ganz besondere Überraschung: Das elektronische Gästebuch. Ein solches Exemplar gibt es hierzulande nur noch einmal, nämlich im Janka-Kupala-Museum. Nur dass dieses Exemplar hier auch noch ein Gruppenfoto anfertigt und ausdruckt, das man gleich mitnehmen kann. Für seinen Eintrag hinterlässt man seinen Kommentar auf einem riesigen Bildschirm mit einem Spezialstift in Handschrift und muss sich für einen der meist kitschig gestalteten Hintergründe entscheiden. Die Beiträge der anderen lassen sich ebenfalls „durchblättern“. Viele waren es noch nicht, das Museum hat erst im Sommer letzten Jahres eröffnet, aber Ausländer waren auch schon da, darunter auch Deutsche, die im Rahmen einer Wahlbeobachtung hier waren. Einer von ihnen hinterließ einen Kommentar, dem nichts mehr hinzuzufügen ist: „Luka, Dein Museum ist geil!“

Auf den Spuren zeitgenössischer Kunst oder Sabine in Minsk

Neulich besuchte mich meine Kollegin und Freundin Sabine Hänsgen in Minsk. Seit vielen Jahren unermüdlich im Einsatz für die russische und informelle Kunst, war es an der Zeit, auch einmal die Lage in der letzten Diktatur Europas zu untersuchen. Drei Tage hatten wir zur Verfügung und sind kreuz und quer um die Kunsthäuser in Minsk gezogen. So wenig wie unsere Wege so folgen auch meine Aufzeichnungen dazu einem Konzept. Sie dienen allein dazu, einige Namen und Orte festzuhalten, die neben vielen anderen eine Rolle ind er zeitgenössischen Kunst von Belarus spielen.

Der Anlass der Reise für Sabine war ein Workshop im Goethe-Institut zu einem ihrer letzten Projekte zu dem Film „Der gewöhnliche Faschismus“ von Michael Romm. Folgerichtig haben wir daher zunächst das Filmmuseum besucht, das mich wirklich beeindruckt hat und einen Besuch auf jeden Fall wert ist. Interessante Gespräche hatten wir mit Tatjana Bembel. In „ihrer“ Galerie Shchemeljova lässt sich vielleicht ein gemeinsames Projekt realisieren; den Ausgangspunkt weiterer Überlegungen bilden die Projekte der Künstlergruppe Aspei.

Eindrücke zur zeitgenössischen Kunst in Belarus hat uns ein Gespräch mit der Direktorin des Museums für zeitgenössische Kunst, Natalja Scharangovich, gegeben. Scharangovich war zuletzt beteiligt an dem belarussischen Pavillon auf der Biennale in Venedig 2011 und dem dort präsentierten Projekt „Kodex“. Dazu liegt eine englisch-russische Broschüre vor mit einem Text über die belarussische Kunst im 20., Jh. (von Michail Borozna) sowie die zeitgenössische Kunst in Belarus (von Ekaterina Kenigsberg), die, das können wir bestätigen, in Westeuropa noch immer „ein weißer Fleck“ ist. Eine spannende Ausstellung des Museums für Zeitgenössische Kunst war zuvor nur in Moskau zu sehen gewesen, die  Ausstellung “Belart.by Junge Künstler aus Belarus” (2010) (es gibt eine dreisprachige Broschüre). Beteiligt waren 48 Künstler aus den Bereichen Malerei, Skulptur, Graphik, Keramik u.a., darunter viele internationale Preisträger wie Ruslan Vaschkevich (auch Triennale 2012), Anna Tichonova (selbst Abteilungsleiterin im Museum für zeitgenössische Kunst) und Konstantin Selichanov (auch Triennale 2012). Wie im Kontext der Biennale wurde auch hier Tschernobyl als ein „wesentlicher Kulturfaktor“ in Belarus bezeichnet (so im Vorwort von Natalja Scharangovich  und Michail Borozna).

Weiterhin trafen wir Olga Rybchinskaja, Kuratorin und Expertin für die zeitgenössische Kunst in Belarus (zuletzt aktiv beim Public-Art-Projekt des Goethe-Instituts, auch aktiv als Autorin, z.B. im  Katalog „Journey to East“ mit einem Aufsatz über die zeitgenössische Kunst in Belarus). Von ihr stammt eine von zwei Ausstellungen mit junger Kunst aus Belarus im Jahr 2012, die Sonderausstellung „Belarussisches Klima“.

Wie in der im Sommer in einer alten Halle der Fabrik Horizont präsentierten Ausstellung „Radius Nulja“ konnte man hier einen Einblick in die noch immer kleine und jenseits der Landesgrenzen wenig bekannte Szene erhalten. Von ihr erfuhren wir von dem wohl einzigen Aktionskünstler in Belarus, Ales Puschkin, der im Exil lebenden Marina Napruschkina, dem Fotokünstler Alexey Shlyk oder auch Igor Savchenko.

Ein eher offiziell geprägtes Bild der zeitgenössischen Kunst des Landes, präsentierte gerade in dieser Zeit die Triennale . Sie war auch der Grund, warum wir Konstantin Selichanov nicht mehr in seinem Atelier besuchen konnten, dafür aber mehr Zeit hatten für einen nachhaltig beeindruckenden Abstecher in die Wohn- und Arbeitsdachstube von Vladimir Tselser .

Von welcher Seite auch immer man sich dem Thema nähert – es tut sich etwas im Bereich der Gegenwartskunst. Noch sind es wenige, die sich dafür interessieren, doch langsam, aber sicher erobert sie sich ihren Raum in der Gesellschaft. Davon kann man sich jederzeit in der Galerie Ŷ überzeugen, aber dorthin haben wir es am Ende leider nicht mehr geschafft. Aber Sabine kommt sicher wieder mal nach Minsk.

Belarus und die EU: Ein origineller Vorschlag

Sie lassen sich was einfallen, das muss man zugeben, um das Thema Belarus und die EU nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Von ukrainischer und belarussischer Seite ist der Vorschlag im Umlauf, ein „Museum der Geschichte und Kultur Europas“ zu gründen (BelaPan 13.12.2012). 12 Intellektuelle wendeten sich in einem Brief mit diesem Vorschlag an den Präsidenten des Europarates, Herman Van Rompuy.

Nach Ansicht der Initiatoren fehlt es neben den europäischen Bemühungen zur Integration von Politik und Wirtschaft angesichts der multikulturellen Gesellschaften einer geistigen und kulturellen Dimension, die auf die nationale Selbstbestimmung der einzelnen Länder und ihre Eigenarten abzielt. Hier liege die Grundlage und Kraftquelle für die europäischen Nationen. Es sei daher geboten, zur Diskussion über die Perspektiven der Gemeinschaft und ihrer Entwicklung zurückzukehren. Dazu könne ein Museum der Geschichte und Kultur Europas beitragen.

Neben den musealen Räumlichkeiten zur Geschichte, Sprachentwicklung, Kultur und Technikgeschichte Europas sieht das Konzept eine Bibliothek, Konferenzsäle und ein touristisches Zentrum vor. Bildungsangebote und Veranstaltungen würden dazu beitragen, sich in Europa besser zu verstehen und Konflikte friedlich zu lösen.

Zu den Unterzeichnern des Briefes gehören der belarussische Schriftsteller Vasil Jakovenko, der ukrainische Schriftsteller und Politologe Vladimir Schovkoschitnyj, Krukovsky Nicholas von der belarussischen Akademie für Bildung u.v.a.

Chagall und die Pariser Schule im Kunstmuseum

Foto: http://www.artmuseum.by/ru/vyst/tek/%E2%80%9Dmark-shagal:-zhizn-i-lyubov%E2%80%9D

Wieder sind alle aus dem Häuschen. Gerade erst ist der Event des V&A-Museums verkraftet, geht es schon weiter: Das Nationale Kunstmuseum ist derzeit das Maß aller Dinge. In diesen Tagen endet die Ausstellung „Künstler der Pariser Schule aus Belarus“, noch bis zum 28. Januar ist parallel die Ausstellung  „Marc Chagall: Leben und Liebe“ aus Israel zu sehen.

Beide Ausstellungen lohnen den Besuch und haben darüber hinaus einiges Neues für Belarus zu bieten. In der Ausstellung zur Pariser Schule, so konnte ich mich bei einer Führung der Kuratorin Olga Archipova überzuegen, gab es überwiegend bisher nicht ausgestellte Werke aus der eigenen Sammlung zu sehen, darunter von Marc Chagall, Chaim Soutine, Osip Cadik, Pinchus Kremen’ und vielen weiteren hier bisher weitgehend unbekannten Landsleuten aus den 20er bis 60er Jahren des 20. Jh. Diese waren vor der Revolution nach Paris geflüchtet oder übergesiedelt. Erstmals gezeigt werden die beiden Werke, die die weißrussische Belgazprombank gekauft hat (von Chagall und Soutine) sowie zwei weitere Chagall-Grafiken, die ebenfalls die Bank gekauft, sie aber dem Museum vermacht hat. Hinzu kamen Werke aus Privatsammlungen aus Minsk und Russland  sowie dem Chagall-Museum in Vitebsk. Zu den russischen Privatsammlern gehören Marina und Aleksej Rodionov, die im Zusammenhang mit der Abholung der Werke aus Minsk in Zusammenarbeit mit der Städtischen Galerie Shchemeljova einen Workshop veranstalten.

Der Ankauf der Kunstwerke durch die Bank ist offenbar eines der ersten Beispiele für ein Sponsoring dieser Art, auch wenn man hört, dass die Bank auf höheren Wunsch gehandelt hat. Außer der Belgazprombank sammelt übrigens auch die Priorbank. Hier ist die Sammlung eigentlich nur für die eigenen Büroräume gedacht, es waren aber auch schon mal Werke im Kunstmuseum ausgestellt.

Neben den Kunstwerken gab es graphisch originell aufbereitete Informationen zu den Biographien, Fotos und Dokumente, Installationen zur Andeutung zeitgenössischer Interieurs sowie eine Filmstation mit einer eigens für die Ausstellung zusammengestellten Dokumentation und Interviews. Die Hauptsensation dürfte aber das erste und bisher einzige Museumscafé sein, das im Rahmen der Ausstellung eröffnet hat und hoffentlich jetzt zur ständigen Einrichtung wird.

Das zweit Highlight ist die Chagall –Ausstellung aus Israel. Die erste Chagall-Ausstellung in Belarus fand 1997 statt, jetzt sind aber erstmals (drei) Gemälde in Belarus zu sehen. Auch hier fällt das „Drumherum“ auf, das sonst in belarussischen Ausstellungen noch fehlt: Musik in den Räumlichkeiten, eine professionelle Gestaltung, thematische Texte, Filmstationen. Überhaupt ist man mächtig stolz auf die Ausstellung,was sich nicht zuletzt dadurch vermittelt, dass die halbe Europa-Abteilung der Dauerausstellung für die Sonderausstellung ausgeräumt wurde. Überhaupt wirkt das Museum ein wenig zerrupft trotz oder gerade wegen der vielen Highlights.

 

Eine Ausstellung von Anatolij Nalivaev im Museum der ersten Sitzung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands

Hier gilt es gleich zweifach, mich über meinen letzten Museums- und Ausstellungsbesuch zu freuen. Aus Anlass der genannten Ausstellung war ich zum ersten Mal in dem kleinen Museum in der Nähe des Siegesplatzes. Beides hat sich gelohnt.

Die Ausstellung zeigte ca. 20 Bilder des noch lebenden belarussischen Künstlers und vielseitigen Kulturschaffenden Anatolij Nalivaev (geb. 1931). Dieser hat nach dem Krieg bis in die 60er Jahre Skizzen und Aquarelle zerstörter Teile und Gebäude von Minsk festgehalten und diese später in Gemälde umgesetzt. Dies ist deshalb so wertvoll, weil das Fotografieren der Stadt in der Nachkriegszeit verboten war. In der Ausstellung war eine Auswahl dieser Bilder, schwerpunktmäßig ehemaliger jüdischer Einrichtungen wie Synagogen, Gymnasien, Bethäuser, Wohnhäuser und Geschäfte zu sehen. Die Objektbeschriftungen gaben Auskunft darüber, in welcher Straße die Gebäude gestanden hatten bzw. heute noch stehen, und wofür sie heute genutzt werden. Damit entsteht ein sehr lebendiges und erweitertes Bild der Stadt. Noch besser hätte man sich das vorstellen können, wenn die Kuratoren einen Stadtplan in die Ausstellung integriert hätten mit der Markierung der von Nalivaev gemalten Orte. Aber auch so regte die an einem Sonntagnachmittag gut besuchte Ausstellung offenbar viele Minsker Bürger an, sich mit der Geschichte ihrer Stadt zu beschäftigen: Im Besucherbuch waren zahlreiche Einträge zu finden, die sich direkt an den Künstler wandten mit herzlichen und bewegenden Dankesworten.

Bemerkenswert ist das hier deutlich sichtbare Interesse an den Spuren jüdischer Geschichte, die oft vernachlässigt wird. Das Nationale Historische Museum dessen Filiale das kleine Parteigründungsmuseum ist, macht sich bei beidem Thema allerdings immer wieder verdient, indem es Ausstellungen jüdischer Künstler, zu denen auch Nalivaev gehört und der selbst eine bewegende Geschichte hat, oder Fotoausstellungen zeigt, die den Blick auf diesen Teil der Geschichte lenken.

Während diese Ausstellung einen Raum in dem kleinen Holzhaus einnimmt, zeigen drei andere ehemalige Zimmer des Hauses die Geschichte von Minsk im 19. Jh. sowie die Hintergründe der Parteigründung von 1898. Dies ist insofern bemerkenswert und unbedingt einen Besuch wert, da diese Informationen weder in der Dauerausstellung des Nationalen Historischen Museums noch im Minsker Stadtmuseum zu finden sind, wo man sie, zumal als Ausländer und Tourist, sicher vermuten würde. Die Ausstellung, die 1995 eingerichtet und 2008 noch einmal modernisiert wurde, ist mit viel Liebe eingerichtet und um alle ideologischen Belehrungen rundum das große Ereignis kommunistischer Geschichtsschreibung bereinigt. Alte Fotos, Anschläge und Zeitungsberichte lassen ein lebendiges Bild der Stadt und ihrer Bevölkerung vor dem Ersten Weltkrieg entstehen. Das rekonstruierte Interieur des Wohnzimmers gibt einen Einblick in die damalige Lebenswelt und Biographien, Dokumente und Fotos informieren über die Ereignisse in dem Gebäude im Jahre 1898 und die weitere Entwicklung der Partei und ihrer Gründer. Dies alles ist, in Minsk durchaus selten, durchgängig in drei Sprachen (russische, belarussisch und englisch) zu haben, so dass auch ausländische Besucher sich hier mit Gewinn aufhalten können.

Museumslabyrinthe

Vom 20. Oktober bis 9. Dezember letzten Jahres fand die Aktion Museumslabyrinthe  statt. Die Idee bestand darin, 10 Museen in einem nicht festgelegten Rundgang zu verbinden, bei dem verschiedene Aufgaben im Team zu lösen waren. Den Gewinner erwartete eine Reise nach Wien. Mit der Aktion verbunden waren Veranstaltungen in den einzelnen Museen.

Initiiert vom Kulturministerium, durchgeführt zusammen mit einer Agentur und koordiniert vom Janka-Kupalla-Museum, sollte das Angebot zur Popularisierung der Museen dienen.

Darüber, wie viele Menschen teilgenommen haben, oder zu anderen Ergebnissen der Aktion, gibt es bisher keine Informationen.

Fachpublikation des Instituts für die Kultur Belarus’ zur Lage der Museen

Unter dem Titel „Muzei Belarusi. Prablemy. Perspektyvy. Inavacyi“, Minsk 2012, ist vor Kurzem eine umfangreiche Broschüre zu verschiedenen Museums- und Ausstellungsfragen erschienen. Herausgeber sind das Kulturministerium und das Institut für die Kultur Belarus’.

Sie umfasst Kurzinterviews mit Akteuren zur Lage der Museen, darunter die Direktoren des Museums für den Großen Vaterländischen Krieg, Sergej Azaronok, des Nationalen Kunstmuseums, Vladimir Prokopcov, sowie weiterer Direktoren, auch aus den Regionen des Landes. Die folgenden Aufsätze werden eröffnet durch einen Beitrag von der Leiterin der Abteilung Museen im Institut für die Kultur Belarus’, Irina Laptjonok zur Entwicklung der Museen zwischen 1991 und 2011 mit Besucherzahlen und Statistik. Es folgt die thematische Abteilung „Schlösser und Paläste“, dabei steht Nezwizh im Mittelpunkt, wo in diesem Jahr zahlreiche neue Räumlichkeiten eröffnet wurden. Vorgestellt werden aber auch bisher nicht renovierte Schlösser und Kulturstätten. In der Rubrik „Konzeptionelle Projekte“ steht das im Sommer eröffnete Museum der belarussischen Staatlichkeit im Zentrum, gefolgt von dem Großprojekt des Museums des Großen Vaterländischen Krieges. Als „Erinnerungsausstellungen“ werden Chatyn und das Museum für Jakub Kolas vorgestellt, sowie Ausstellungen in der Festung Brest und das Chaim Soutine-Zentrum. Unter dem Thema

„Sammlungen“ werden Exponate aus dem Nationalen Kunstmuseum, dem Minsker Regionalmuseum, verschiedenen Heimat- und Spezialmuseen sowie einzelne Schlüsselobjekte vorgestellt.

Eine große Abteilung bildet das Thema „Interaktive Ausstellungen“: Hier wird über die Kinderprogramme aus dem Museumskomplex Polock berichtet, über Projekterfahrungen im Museum für zeitgenössische Kunst sowie zu theoretischen Aspekten der Museumspädagogik. Ebenfalls umfangreich ist die Rubrik „Design und Gestaltung“, ein hierzulande sehr aktuelles Thema. Für den durchaus anderen Umfang mit dem Aspekt hier in Belarus (wie übrigens auch in Russland) sprechen die ersten beiden Texte, in denen Künstler über ihre Arbeit als Gestalter berichten. Theoretisch wird dies noch einmal von Irina Laptjonok eingeordnet.

Zum Thema der „Neuen Medien“ werden die Beiträge eines Rundtischgesprächs auf der ADIT-Konferenz von Mai 2012 abgedruckt sowie weitere Beiträge zur Buchkonservierung und elektronischer Verfügbarkeit von Exponaten. Der Blick ins Ausland stellt das Chopin-Museum in Warschau, den Umgang mit Schlössern in Österreich vor und offeriert einen deutschen Blick auf die Museumslandschaft in Belarus (meine erste belarussische Publikation!).

Eigentlich sollte diese Art der Bestandsaufnahme der nationalen Museumslandschaft öfters erscheinen, dafür gibt es aber nicht genug Geld. Diese Ausgabe jedenfalls ist Teil des Kulturförderprogramms 2011-2015. Infolge dessen finden sich darin auch die Vorworte des Kulturministers (hier noch Latuschko) sowie der im Ministerium zuständigen Bearbeiterin Svetalana Gavrilova. Von Seiten des Instituts führt Irina Laptjonok in das Thema ein.

Das handliche DIN A 4-Format verleiht der Publikation einen Arbeitscharakter. Schade ist, dass alle Text ausschließlich auf belarussisch zu lesen sind, es gibt auch weder eine russische noch eine englische Zusammenfassung. Positiv zu vermerken sind dagegen die vielen farbigen Abbildungen. Literaturangaben finden sich teilweise am Ende der Texte, auch diese meist nur belarussisch, eine Gesamtbibliographie, die auch einige wenige russische und englische Titel nennt, steht am Ende des 200 Seiten dicken Buches.

Heimliche Bilder des zerstörten Minsk

Das Museum des Ersten Kongresses der Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands (SDAPR) zeigt bis zum 6.1.2013 eine Ausstellung mit Gemälden von Anatolij Nalivajev (*1931). Zu sehen sind Gemälde der Hauptstadt in den 40er und 50er Jahren, die der Künstler aus dem Gedächtnis seit den 60er Jahren gemalt hat. Im und nach dem Krieg war es verboten, die Stadt zu fotografieren, es gibt daher nur wenige Aufnahmen, die den Zustand nach der deutschen Besatzung, aber auch nach den Zerstörungen durch die Sowjetunion selbst zeigen.

Das Museum selber ist angeblich der Ort, an dem die Partei im Jahre 1898 gegründet wurde. Es ist heute eine Filiale des Nationalen Historischen Museums und zeigt wechselnde Ausstellungen, die bisweilen gar nichts mit dem historischen Ort zu tun haben.

Neues aus dem Museum des Großen Vaterländischen Krieges

Foto: http://vsr.mil.by/2012/10/31/pod-kupolom-salyuta-pobedy/

Die Verpackung der Objekte hat begonnen, noch in diesem Jahr soll das alte Gebäude des Museums am Oktoberplatz geschlossen werden. Ob es wirklich so kommt, bleibt abzuwarten, diese Ankündigung hat es schon mehrmals gegeben. Richtig ist, dass der Neubau sichtbar voranschreitet, die einzelnen architektonischen Elemente wie die „Strahlen“ oder die Kuppel sind bereits erkennbar.

Erste Säle sollen schon im kommenden Jahr als Ausstellung eingerichtet sein, die feierliche Eröffnung des gesamten Museums ist nach wie vor für 2014 geplant.

Von den Museumsmitarbeitern selbst ist viel Kritik zu hören, sowohl über den schleppenden bürokratischen Prozess, die ständige Einmischung der Behörden, auch in die inhaltliche Planung, immer wieder neue Verzögerungen (derzeit wird ein Präsentationsalbum zum Stand der Dinge für den Präsidenten vorbereitet) als auch über den Neubau selbst. Wie wohl viele Museumsleute, die mit ihren beständen einmal umziehen müssen oder auch Kuratoren, die eine Sonderausstellung in gebäuden von (Star-)Architekten vorbereiten, ist auch hier die Klage zu hören, dass die Räumlichkeiten für Ausstellungen gar nicht geeignet sind: Keine geraden Wände, zu hoch, zu niedrig, zu viel Licht, zu wenig Steckdosen. Man kennt das. Bemerkenswert ist aber doch die Kritik, dass viel zu viel Platz, noch dazu der attraktivste und derjenige, den alle Besucher durchqueren müssen, um in die eigentliche Ausstellung zu kommen, für die Technik und das Großgerät bestimmt ist. Die Ausstellungsarchitektur ist so eingerichtet, dass es hier auch keine Alternativen gibt. Pikant ist das Ganze dadurch, dass es kaum Original-Gerät aus dem Zweiten Weltkrieg gibt, hier also überwiegend mit „Repliken“ gearbeitet wird. Diese werden größtenteils in Russland hergestellt.

Neben den 90% Ausstellungsfläche zum Großen Vaterländischen Krieg, wird es Ausstellungen geben zum Afghanistan-Krieg (dessen Veteranen sich in der Tradition der Veteranen des Großen Vaterländischen sehen) sowie zu anderen kriegerischen Auseinandersetzungen nach 1945.

Besonders hervorzuheben ist schließlich, dass es erstmals ein Internet-Café im Museum sowie ein kleines Restaurant geben wird.

Erstes belarussisches Museumsforum in Grodno

Foto: http://www.grodnonews.by/ru/0/13217/news

Nach offiziellen Angaben haben am ersten Museumsforum des Landes, das vom 12.-14. Oktober in Grodno stattgefunden hat und vom Kulturminister eröffnet wurde, 17 Nationen teilgenommen, darunter Russland, Litauen und Deutschland. Der Minister betonte, dass es um den Austausch zwischen den 1.914 Museen des Landes ging, von denen „nur“ 156 zum Kulturministerium gehörten. (Dazu muss man wissen, dass jedoch alle anderen Museen ebenfalls an die Vorgaben des Ministeriums gebunden sind.)

Das Forum bot einen guten Überblick und Einblick in die Arbeit von ca. 150 Museen. Das Angebot reichte von der Vorstellung der Museen über die Darbietung von traditionellen Handwerkstechniken und Bräuchen bis hin zum Verkauf von museumseigenen Publikationen. Besonders beeindruckt haben mich die Stände der kleinen Museen, wie z.B. des Stadtmuseums Gomel oder des Heimatmuseums Rečica. Bilder von der Ausstellung mit der durchaus modernen Gestaltung finden sich auf der Website des Museums. Thema der Darstellung war die durchaus eindrucksvolle Tätigkeit des Museums auf dem Feld der experimentellen Archäologie. Sie waren durchweg kreativer in ihren Präsentationen, als die großen, etablierten Museen und Museumskomplexe.

Enttäuschend dagegen war das Rahmenprogramm, das letztlich „nur“ die Präsentation weiterer Museen (z.B. aus Österreich und Israel), Konzerte sowie organisierte Museumsbesuche beinhaltete. Podiumsdiskussionen oder Expertengespräche gab es keine.

Ungünstig waren auch die Räumlichkeiten in einem Stadion, das man erstmal durchqueren musste, um überhaupt zur Museumsmesse zu kommen. Wer es nicht wusste, hätte es wohl kaum gefunden.

Freitag war die Messe dem Fachpublikum vorbehalten, am Wochenende stand sie allen Besuchern offen. Gar nicht beteiligt war die nationale Sektion von ICOM, was zum einen mit persönlichen Animosität zwischen den verantwortlichen Damen hier wie dort zusammenhängt, aber natürlich auch mit der Dominanz des Kulturministeriums über die gesamte Museumsszene. Internationale, kritische und nicht planbare Beiträge, etwa in Diskussionsrunden, sind da nicht erwünscht.

Trotz aller Kritik ist die Veranstaltung aus meiner Sicht trotzdem als gelungen anzusehen, wobei ich mir für die Zukunft mehr Informationen für Museumsprofis, weniger für den „Allgemeinbesucher“ wünsche. Es ist geplant, das Forum alle zwei Jahre in einer anderen belarussischen Stadt abzuhalten.

Ausstellung der Görlitzer Skorina-Bibel in Minsk und Neswish

Ich zitiere die Pressemitteilung Nr. 13 der Deutschen Botschaft, Minsk, 02.10.2012:

„Am 4. Oktober 2012 um 16 Uhr findet in der Belarussischen Nationalbibliothek Minsk die feierliche Eröffnung der Ausstellung „Franzisk Skorina – Reise in die Heimat“ statt. In dieser Ausstellung wird neben den Skorina-Büchern aus der Sammlung der Nationalbibliothek Minsk erstmals die Skorina-Bibel der OLB (Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften, Görlitz, Bundesrepublik Deutschland) gezeigt. Diese Bibel umfasst 11 zu einem Konvolut zusammengefasste Bücher, die von Franzisk Skorina in den Jahren 1517-1519 in Prag gedruckt wurden. Unter diesen Drucken befinden sich auch solche, die es in der Sammlung der Nationalbibliothek nicht gibt: „Genesis“ mit dem wunderschönen Holzschnitt auf der Titelseite und die vier „Bücher der Könige“ mit dem berühmten Portrait Skorinas.

Die Görlitzer Skorina-Bibel ist eine herausragende bibliophile Rarität der OLB.  Die Drucke gelangten über ihre früheren Eigentümer zunächst von Prag nach Breslau, dann nach Görlitz, wo sie seit 1615 nachgewiesen sind. Sie werden erstmalig in Belarus ausgestellt. Sie werden vom 4.-13. Oktober 2012 im Buchmuseum der Nationalbibliothek und vom 15.- 24. Oktober 2012 im Kulturhistorischen Nationalmuseum Neswish zu sehen sein.

Die Ausstellungen stehen unter der Schirmherrschaft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland und des Kulturministeriums der Republik Belarus.“

200 Jahre Napoleon – zahlreiche Veranstaltungen in Belarus/Weißrussland

Eine Postkarte aus der Sammlung von V. Lichodedov. http://www.rg.ru/2012/07/19/saltanovka.html

Etwas spät, aber doch noch rechtzeitig vor Ablauf des Jubiläumsjahres, möchte ich die wirklich erstaunliche Aufmerksamkeit hervorheben, die das Land den Ereignissen von 1812 widmet. Die ist insofern bemerkenswert, als der Krieg hier in Belarus vielfach als ein Kampfgeschehen gesehen wird, mit dem die Weißrussen nichts zu tun hatten  – war es doch ein Krieg des Russischen Reiches. Dazu passt, dass man sich gelegentlich von der in der russischen und vorher sowjetischen Historiographie gebräuchlichen Bezeichnung “Vaterländischer Krieg” distanziert. Auf der anderen Seite nutzt man den Jahrestag und erinnert an die Ereignisse, die sich auf dem Gebiet der eigenen Heimat abgespielt haben, und verleiht dieser Form der Erinnerung damit einen nationalen Anspruch.

Bereits im März des Jahres hatte es seine Konferenz von Vertretern des Militärs aus Russland und Belarus gegeben, um die laufenden und weiteren Maßnahmen sowie Forschungsprojekte zu besprechen. Alle Projekte und Vorhaben zum 200. Jahrestag des russisch-französischen Krieges, so das Außenministerium im Mai, dienten der Versöhnung in Europa und dem gemeinsamen historischen Erbe.

Zu den zahlreichen Maßnahmen gehören neben Ausstellungen in verschiedenen Museen und der Nationalbibliothek, Reenactment und Konferenzen auch eine gemeinsame Grabung von belarussischen und französischen Experten am Ort des Geschehens an der Berezina. Dabei sollen sowohl Massengräber als auch Reste von Brücken und militärischen Anlagen gesucht werden. Unterstützt werden die Archäologen von einem Experten des 52. Unabhängigen Suchbataillons der Armee. Auf belarussischer Seite geht man davon aus, dass 25.000 bis 30.000 Weißrussen in der Armee Napoleons gedient haben könnten.

Im Juli fand in der Nähe von Mogiljov eine feierliche Zeremonie zur Beisetzung  der Überreste von drei russischen Soldaten statt, die im Kampf gegen die französische Armee 1812 ihr Leben verloren hatten. Dabei wurde hervorgehoben, dass die Einwohner sich hier tapfer gegen die napoleonische Armee gestellt hatten und diese nicht, wie in vielen anderen Orten, freudig mit Brot und Salz begrüßt haben.

Das Touristenbüro hat einen eigenen Führer zu den historischen Orten von 1812 herausgegeben. Er informiert über lokale Denkmäler und Obelisken, Orte, an denen Napoleon sich aufgehalten hat (z.B. im Gouverneurspalast in Vitebsk) und verweist auf Veranstaltungen und Museen (wie z.B. das Museum im Haus von Pjotr Bagration in Volkovysk). Bemerkenswert ist, dass auch auf ein Denkmal für die russischen Juden hingewiesen wird, das sich in Brilevskoe Pole findet. Besonders hervorzuheben ist die Festung in Bobrujsk.

Von den zahlreichen Artikeln in den Zeitungen möchte ich eine Serie in der Zeitung „Sojuz. Belarus’ – Rossija“ hervorheben. Der eher langweilige Text erzählt die Ereignisse von 1812 nach, ohne Quellen oder sonstige Hinweise. Interessant sind aber die Abbildungen von Postkarten zu 1812 aus der offenbar privaten Sammlung von Vladimir Lichodedov, einen vielfach ausgezeichneten Historiker. Im Juni wurde seine graphische Sammlung zu 1812 im Museum des Großen Vaterländischen Krieges in Minsk gezeigt.

Neben einer Konferenz im Dezember, zu der auch internationale Experten (u.a. vom DHI Moskau) eingeladen sind, steht im November noch eine „Historische Rekonstruktion“ in Studenka auf dem Programm.

Das Victoria & Albert Museum zu Gast in Belarus

„Zu uns kommen die Könige“, so lautete die Überschrift eines Artikels über die aktuelle Präsentation des Londoner Museums im Nationalen Kunstmuseum (WHERE MINSK 8/2012, S. 12). Ganz Minsk ist mächtig stolz auf diese Ausstellung und an einem Besuch führt kein Weg vorbei. Noch bis zum 4. November ist die Ausstellung „Königliche Kostbarkeiten: Europäische Schätze 1600-1800“ in Minsk und im Schloss Nezvizh zu sehen. Die thematisch gegliederte Schau zeigt über 40 Exponate, darunter Gemälde, Skulpturen, Keramik, Glas, Möbel, Textilien und Kleidung aus Großbritannien, Belgien, Frankreich, Holland und anderen europäischen Ländern.

Genau genommen sind alle ganz aus dem Häuschen wegen dieser Ausstellung und das hat wohl mehrere Gründe. Zum einen kommt es leider recht selten vor, dass ein wirklich bedeutendes europäisches Museum mit einem belarussischen Museum in diesem Maßstab kooperiert. In den letzten Jahren jedenfalls hat es keine nennenswerte Ausstellung aus einem westeuropäischen Museum oder ein vergleichbares Gemeinschaftsprojekt gegeben. Und wenn es dann eben doch mal dazu kommt, wie jetzt in diesem Fall, dann ist das auch ein Grund zum Feiern. Für die Kultur- und Museumsszene jedenfalls lassen sich die Reaktionen so zusammenfassen: Es gibt uns auch noch und wir haben auch etwas zu bieten! (Was stimmt!)

Das ist auch der zweite Grund für die fast euphorischen Besprechungen der Ausstellung: Letztlich zeigt die Ausstellung aus London doch nur, dass Belarus heute wie schon immer ein Teil Europas ist. Dies zeige sich, so eine Besprechung,  insbesondere in dem Ausstellungsteil in Nezvizh, wo der Besuch der erst in diesem Jahr eröffneten Räumlichkeiten der Besichtigung der Exponate aus London in keiner Weise nachsteht. Nicht grundlos ist Nezvizh zudem auch die Kulturhauptstadt Weißrusslands in diesem Jahr. Und man ist stolz, dass Minsk die bisher erste Station der Ausstellung in Europa ist!

Drittens schließlich scheinen die für internationale Ausstellungen üblichen und daher meist nicht erwähnenswerten Standards der Präsentation (Licht, Klima, Sicherheit etc.) in Belarus den einen oder anderen Museumsprofi wieder daran zu erinnern, dass die Beachtung eben jener Standards auch den belarussischen Kostbarkeiten in den Ausstellungen ganz gut täte. Genauso scheint es mit der Beschriftung zu sein: Als außergewöhnlich wird hervorgehoben, dass man die Ausstellung mit Hilfe der Objektschilder, also ohne Führung, besichtigen und begreifen kann! Leider sind weder das eine noch das andere die Regel in Belarus, und man wundert sich des Öfteren über den sorglosen Umgang mit den eigenen Sammlungen.

Welche Gründe die Besucher auch immer haben, zu dieser Ausstellung kommen offenbar täglich 500 Besucher, so berichtet der Medienpartner „Sovetskaja Belarus“ . Es wären Belarus mehr solcher Großprojekte für die Sicht über den Tellerrand zu wünschen!

Historisch-Archäologisches Museum Grodno

Der Ausflug nach Grodno führte mich auch in das dortige Geschichtsmuseum. Es befindet sich in Teilen des Neuen und Alten Schlosses im historischen Zentrum der Stadt und beherbergt auch das Naturkundemuseum. Alles ist ein bisschen verstaubt und die so mancher Vitrine sieht man an, dass sie vor sehr langer Zeit eingerichtet wurde. Aber auch hier habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Menschen ihr Museum lieben, die Aufsichtsdamen über „ihre“ Räume vieles wissen, was man nirgends lesen kann und ihre Schätze mit Herzblut bewachen.

Das Museum wurde 1920 gegründet, als man begann, eine eigene Sammlung aufzubauen. Herausragende Exponate finden sich in der archäologischen Sammlung, die Fundstücke von Ausgrabungen aus dem 12.-15. Jh. umfasst. Außerdem lohnen sich eine intensive Betrachtung der ethnographischen Abteilung, der Numismatik und der umfangreichen Ikonensammlung. Im historischen Bereich sind die Kapitel zur Geschichte des Großfürstentums Litauen hervorzuheben, zu dessen Geschichte sich hier einige interessante Exponate finden, wie verschiedene Schriftstücke in alter belarussischer Sprache aus dem 16. Jh., Einrichtungsteile aus dem Königspalast in Grodno oder ausdruckskräftige und detailreiche Stadtansichten.

Immer wieder ein bisschen überraschend ist die hierzulande häufige Verbindung mit dem Naturkundemuseum, das aber auch hier mit viel Liebe gestaltet ist. Der Große Vaterländische Krieg nimmt hier einen überraschend kleinen Raum ein und fällt in der Ausführlichkeit seiner Darstellung gegenüber anderen Bereichen ab.

Eine eigene Website hat das Museum nicht. Informationen finden sich im Eintrag in das Museumsregister sowie hier. Außerdem gibt es eine belarussisch-englische Hochglanzbroschüre. Das ist insofern bemerkenswert, als Informationsmaterial über die Museen von den Museen selbst hier noch einen Seltenheitswert haben, insbesondere, wenn sie, wie in diesem Fall, Raumpläne, eine Ausstellungsbeschreibung und Objektfotos enthalten. Als Individualbesucher hilft das schon sehr viel weiter, denn mit Texten sieht es auch hier nicht gut aus. Neben klassischen Führungen bietet das Museum Programme für Kinder, Schulen und Familien an.

Geldsegen für die Kultur

118.000 $ (996,5 Millionen Rubel) stellt der Präsident für “sozial relevante” Kulturprojekte aus dem Präsidentenfond bereit.

Auch die Museen sollen berücksichtigt werden: Das Nationale Kunstmuseum und das Minsker Stadtmuseum erhalten Zuschüsse für Publikationen, das Theatermuseum für den Ankauf einer Plakatsammlung, das Polocker Museumskomplex für den Ankauf von Gemälden und das Smorgonsker Heimatmuseum für eine Büste.

Was den Präsidenten zu dieser Wohltat bewogen hat, nach welchen Kriterien er die Fördermittel zugesprochen hat und was unter „sozial relevant“ zu verstehen ist, bleibt freilich des Präsidenten Geheimnis.

Dudutki

Nun habe ich es endlich auch mal in eines der wenigen Privatmuseen des Landes geschafft, nämlich in das Freilicht- und Traditionsmuseum Dudutki, das auch über eine deutsche Website verfügt. Ob man hier freilich von einem Museum sprechen kann, kann man sicher diskutieren – Exponate gibt es jedenfalls nur sehr wenige, die man zudem oft gar nicht als solche erkennt, weil sie nicht bezeichnet, geschweige denn erklärt sind.

Aber es muss ja auch nicht immer Bildung sein, Museen sind ja schließlich auch zur Unterhaltung da, und davon gibt es einige in Dudutki. Den verschiedenen Gewerken sind jeweils eine oder auch mehrere Hütten gewidmet, in denen man den Meistern bei der Arbeit zusehen und eine Souvenirwahl aus einem wahrlich großen Angebot wählen kann. Am Eingang findet sich jeweils ein Text, der das Handwerk, seine Werkzeuge und Techniken erläutert – übrigens alles auf russisch, was mich erstaunt hat, geht es doch um spezifisch belarussische Traditionen und Rituale. Die Website ist dagegen auf belarussisch gehalten sowie, mit Einschränkungen, auf englisch.

Originell ist die Idee der traditionellen Käserei und Molkerei, wo jeder Besucher mit seiner Eintrittskarte eine Kostprobe selbstgemachten Käses und Brotes bekommt. Wer mehr Hunger hat, kann im Museumscafé weitere Speisen bestellen, Speck, Gurken und Wodka probieren oder eine Picknickhütte belegen und seine mitgebrachten Speisen verzehren.

Für Kinder wie auch für Erwachsene gibt es eine Runde auf dem Pferderücken oder eine Fahrt im Bollerwagen oder einer hochherrschaftlichen Kutsche. Dieses Erlebnis wird freilich im Eindruck getrübt durch die Kombination der hohen, weißen Kalesche mit einem kleinen braunen Pony. Mit diesem Gespann kann man die größere Wegstrecke zur nahegelegenen Kirche nebst Freigehege für Ziegen, Schafe, Schweine und Kälber zurücklegen oder bis zur Windmühle fahren. Auch hier gibt es dann noch einmal die Möglichkeit, eine traditionelle belarussische Hütte mitsamt Einrichtung, Ausstattung und in Trachten gekleideter Bewohner zu besichtigen.

Alles in allem lohnt sich die Fahrt in das etwa 65km von Minsk gelegene Dudutki für die ganze Familie. Wie beliebt dieser Ort ist, zeigte sich an dem am Wochenende voll besetzten Parkplatz, auf dem u.a. viele Busse und Autos aus Russland zu sehen waren.

Sommeruniversität an der Akademie der Wissenschaften

Als ich dachte, die Organisation an der Staatlichen Universität, wo ich Anfang des Jahres ein Seminar zum Ausstellungsmanagement gehalten habe, sei beklagenswert, so hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch keine Erfahrung in dieser Hinsicht mit der Akademie der Wissenschaften gemacht, konkret mit dem Institut für Geschichte. Das konnte ich jetzt im Rahmen einer DAAD-Sommeruniversität zur Geschichte des Ersten Weltkrieges in Belarus nachholen.

Schon im Frühjahr hatte mich ein Mitarbeiter des Instituts um Rat gefragt bei der Beantragung der Gelder beim DAAD, der thematischen Ausgestaltung des Programms und der Gewinnung deutscher Studenten. Tatsächlich nahm das Unternehmen Gestalt an und so erklärte ich mich bereit, einen Tag zum Thema „Der Erste Weltkrieg im Museum: Ausstellungen in Deutschland, Russland und Belarus“ zu bestreiten. Das ist insofern ein durchaus aktuelles Thema, als es in Belarus Pläne gibt, ein eigenes Museum zum Ersten Weltkrieg zu eröffnen. Eine Arbeitsbesprechung dazu steht Ende September unmittelbar bevor. Soweit so gut.

Im folgenden Verlauf der Vorbereitungen konnte ich dann nur dank hartnäckiger Eigeninitiative immer wieder vorläufige Angaben über den Termin, den Ort oder die Teilnehmer bekommen. Als ich dann zwei Tage vor dem mühsam vereinbarten konkreten Termin noch immer nichts gehört hatte – ganz zu schweigen von einer offiziellen Anfrage, einer Einladung zur Eröffnung oder technischer Absprachen für die Durchführung des Seminars – habe ich mit nur schwer unterdrücktem Unmut wieder hinterher telefoniert, um wieder nur ratlose Antworten und wenig konkrete Informationen zu bekommen.

Um der Studenten willen habe ich das Seminar dann doch noch durchgeführt, was sich vor Ort dann auch als konstruktiv und für alle Beteiligten als informativ erwiesen hat. Teilgenommen haben letztlich drei von ursprünglich acht deutschen Studenten, die sich für die Sommeruniversität beworben hatten, ca. fünf Mitarbeiter des Instituts für Geschichte sowie zwei Mitarbeiterinnen des Museums für belarussische Literatur. Belarussische Studenten, die man bei einer internationalen Sommeruniversität durchaus erwarten könnte, waren nicht anwesend, aber auch als Teilnehmer nicht vorgesehen, angeblich, weil sie alle noch in den Ferien sind.

Die deutschen Studenten waren aber insgesamt zufrieden, fühlten sich gut betreut und in der Stadt wohl. Zu ihrem Programm gehörte noch ein Vortrag zum Ersten Weltkrieg in Belarus von Vjacheslav Bondarenko sowie ein Methodenseminar bei Sergej Novikov von der Pädagogischen Universität. Außerdem Ausflüge in das Museum zum Gedenkfriedhof des Erstens Weltkrieges in Minsk und zum Museum in Zabrodje, nach Naroch’ sowie zu weiteren kulturellen Sehenswürdigkeiten.

Auch wenn sowohl die Organisation als auch der thematische Bezug zum Esten Weltkrieg noch deutlich zu wünschen übrig lassen, so ist es doch letztlich erfreulich, dass sich immerhin einige wenige Studenten aus Deutschland auf den Weg in das ihnen bis dahin völlig unbekannte Belarus machen, um zu Hause von ihren insgesamt positiven Erfahrungen zu berichten.

Museumsforum in Grodno vom 12.-14. Oktober 2012

Auf Initiative des Kulturministeriums wird im Oktober erstmals eine Museumsmesse in Belarus stattfinden, wie die Stellvertretende Vorsitzende der Abteilung für Kultur-Institutionen und Volkskunst des Ministeriums, Svetlana Gavrilova, mitteilte.

Ziel des Forums, so heißt es offiziell, das im Rahmen des Kulturförderprogramms 2011-2015 initiiert wird und alle zwei Jahre stattfinden soll, ist die Stärkung der Museen, ihrer Aktivitäten und Mitarbeiter. Darüber hinaus soll das allgemeine Interesse für die vielfältigen Angebote im Museumsbereich geweckt und gefördert werden. Das Programm wird Ausstellungen, einen Wettbewerb, Seminare und Konferenzen umfassen. Offiziell rechnet man mit großer internationaler Beteiligung.

Ob diese ehrgeizigen Ziele erreicht werden, wird sich zeigen. Museumsmitarbeiter und Kritiker äußern sich eher skeptisch mit Blick auf die Organisation und das Programm. Die belarussische Sektion von ICOM wurde bisher gar nicht offiziell informiert. Zwar ist nachvollziehbar, dass durch die Wahl des Veranstaltungsortes Grodno die Provinz gestärkt werden soll. Auf der anderen Seite ist jedoch für viele Museen eine Reise nach Minsk attraktiver und auch ergiebiger. Freilich werden sie keine Wahl haben, da alle Museen verpflichtet sind, sich auf dem Forum zu präsentieren. Zudem bedauern viele, dass es sich im Format um eine Kopie der Moskauer Museumsmesse InterMuzej handelt und bisher kein eigenes, belarussisches Profil erkennbar ist.

Trotz dieser Kritikpunkte ist die Initiative des Kulturministeriums, die Museumslandschaft zu stärken, natürlich zu begrüßen. Ob und welchen Nutzen das Forum letztlich für die Museen hat, bleibt abzuwarten.

Museum der belarussischen Staatlichkeit

Foto: http://euroradio.fm/report/u-muzei-mozhna-patrapits-tolki-paslya-praverki-w-sluzhbe-byaspeki-112908#

In der Zwischenzeit hat es tatsächlich jemand (eine Korrespondentin von Euroradio.fm) geschafft,, das Museum der belarussischen Staatlichkeit zu besuchen. Demnach muss man zuerst einen Antrag auf Genehmigung beim Nationalen Historischen Museum stellen. Der Antragsteller wird dann zehn Tage lang vom Sicherheitsdienst des Präsidenten geprüft. Falls man das besteht, findet am Eingang eine weitere Kontrolle statt. Der Eintritt kostet 10.000 BYR (ca. 1 €).

Das Museum ist, wie schon zuvor beschrieben, in fünf Säle unterteilt, die die Entwicklung von Belarus seit 1994 veranschaulichen. Der Vorschlag, Jahr 1990 als Anfang des Ausstellungszeitrahmens zu wählen, wie die Mitarbeiter des Historischen Museums vorgeschlagen hatten, wurde abgelehnt. Aus der Zeit vor 1994 findet sich nur ein einziges Dokument in der Ausstellung, nämlich das Gesetz des Obersten Rates der BSSR über die Umbenennung der BSSR in die Republik Belarus. Es wurde vom damaligen Vorsitzenden des Obersten Rates, Stanislaw Schuschkewitsch, unterzeichnet, der in den gegenwärtigen Strukturen in Ungnade gefallen ist. Des Weiteren gibt es Hinweise auf Streiks und die Krise der 90er Jahre, die gegenwärtige Wirtschaftskrise wird jedoch nicht erwähnt. Auf die Frage, warum nur das Wahlprogramm des Präsidenten, nicht aber die der anderen Kandidaten zu sehen sei, verweist der Mitarbeiter des Museums auf Platzmangel. Ausreichend Platz dagegen gibt es für die zahllosen Geschenke an den Präsidenten.

All das macht ja doch neugierig und so habe ich mich auf die Liste setzen lassen und bin gespannt, ob ich die Besuchsgenehmigung erhalten werde.

Neues Museum in Planung

Für 2014 ist die Eröffnung eines Museum zu Ehren des Schriftstellter Vasilij Bykov (1924-2003) in dessen ehemaliger Datscha in Zhdanovichi bei Minsk geplant. Das Museum soll zum Jahrestag seines 90. Geburtstags 2014 als Filiale des Museums belarussischer Literatur eröffnet werden. Hier gab es bereits eine Sonderausstellung zu Leben und Werk Bykovs. Weitere Exponate werden derzeit von den Museumsmitarbeitern in der Datscha gesichtet.

Themen der Ausstellung sollen Leben und Werk Bykovs werden sowie sein besonderer Beitrag zur Darstellung des Großen Vaterländischen Krieges. Spätestens an diesem Punkt wird es spannend werden, ist doch Bykovs umfangreiches Werk zu diesem Thema in Belarus umstritten. Während viele, meist kritische Intellektuelle seine Darstellung für ihre differenzierte und ambivalente Perspektive auf den Krieg, oftmals durch die Augen individueller Schicksale, schätzen, sehen Vertreter der staatlichen Geschichtsinterpretation genau darin eine falsche Schilderung des noch immer ausschließlich als heldenhaft gedeuteten Sieges der Roten Armee.

Um eine einseitige Vereinnahmung des Werkes ihres Mannes zu verhindern, war die Witwe Bykovs bis heute nicht bereit, die bei ihr befindlichen Dokumente, Aufzeichnungen und Fotos für ein staatliches Museum zur Verfügung zu stellen. Vielmehr trägt sie sich, so hört man, mit dem Gedanken, selbst ein Museum zu eröffnen.

Kritische Überlegungen zu dem geplanten staatlichen Museum finden sich auch im Internet auf den Seiten von Radio svoboda. Hier werden ein Foto des zerstörten Geburtshauses von Bykov aus dem Jahre 2004 veröffentlicht und folgende Fragen gestellt: „Interessant, wie der Zeitraum 1988-1998 dargestellt wird, als Bykow ein aktiver Teilnehmer der Belarussischen Volksfront war, oder der Zeitraum 1998-2003, als er aus politischen Gründen gezwungen war, außerhalb der Heimat zu leben? Oder wie werden die Beziehungen des Schriftstellers mit Senon Posnjak oder Iwonka Surwila sowie die mit Kollegen Rygor Borodulin, Gennadi Burawkin oder Wladimir Nekljajew dargestellt? Allem Anschein nach wird dies in der Ausstellung gar nicht erwähnt“.

Spezialmuseen: Geschichte der Staatlichen Universität

Foto: http://www.tio.by/post/468

Im Hauptgebäude der Belarussischen Staatlichen Universität am Lenin-Platz (die U-Bahn-Station heißt schon: Freiheitsplatz) befindet sich eines der Museumsjuwelen aus alten Zeiten. Dieses hier erzählt uns alle Einzelheiten der Universitätsgeschichte, von ihren Anfängen in den 20er Jahren bis heute – ein Spiegel der Geschichte der Republik Belarus, wie mir die Museumsmitarbeiterinn stolz erzählt. Überhaupt erzählt sie mir in der einen Stunde so viel über die Universität, die berühmten Absolventen und ihre späteren Heldentaten, die Besucher, die ein ganzes Arsenal Geschenke mitgebracht haben sowie die zahlreichen Auszeichnungen für Lehre und Forschung, dass mir ganz schwindelig wird. Aber sie freut sich offensichtlich, dass ich mich für das Museum interessiere, sie in den Mühlen der Bürokratie der Universität ausfindig und noch 20 Minuten gewartet habe, bis sie den Schlüssel gefunden und den hölzernen Zeigestock gezückt hat.

Angefangen hat alles mit dem „Museum für primitive Kultur und Religion“ aus dem Jahre 1924, das auf Initiative einiger Professoren mit Kopien altgriechischer und römischer Skulpturen, Masken und Vasen aus der Petersburger Eremitage bestückt war. In den 20er und 30er Jahren kamen Ausgrabungsfunde hinzu, das Museum wurde zu einem archäologisch-historischen, dessen Bestände – wie auch immer (Genaues ist nicht zu erfahren) – aber dem Großen Vaterländischen Krieg zum Opfer gefallen sind.

Nach dem Krieg knüpfte man thematisch an die Vorläuferversionen an und ergänzte die Ausstellung 1954 um die nunmehr 30jährige Geschichte der Universität. Zusammengetragen haben die Exponate überwiegend die Studenten der Historischen Fakultät, eins kam zum anderen. Nach dem Umzug der Universität in den 90er Jahren wurde zunächst 1997 einmal alles rund erneuert, und 2006 eröffnete die heutige Ausstellung nach einer neuerlichen Erweiterung und Überarbeitung.

Von modernen museumswissenschaftlichen oder museologischen Errungenschaften ist das Museum bis heute unberührt geblieben. Das Museum ist öffentlich zugänglich, allerdings nur nach Anmeldung und mit Führung zu besichtigen. Ein Besuch lohnt sich, nicht zuletzt wegen der individuellen, persönlichen Betreuung, bevor auch hier die Museumsmoderniesierungsmaschinerie einsetzt.

Repin in Weißrussland

Foto: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/b/b8/Belarus-Zdrawneva-Manor_of_Ilya_Repin-1.jpg/800px-Belarus-Zdrawneva-Manor_of_Ilya_Repin-1.jpg

Zwischen 1892 und 1902 hat der russische Maler Ilja Repin die Sommermonate in seinem Landhaus in Zdravnevo, unweit von Vitebsk, im heutigen Belarus verbracht. Sein Vater ist in einem Dorf in der Nähe beerdigt. Heute befindet sich in dem Landhaus ein Museum, eine Filiale des Regionalmuseums Vitebsk.

Die Räume sind mit zeitgenössischen Möbeln und Einrichtungsgegenständen hergerichtet. Außerdem gibt es Dokumente, Fotos, Briefe und persönliche Gegenstände des Künstlers und seiner Familie aus dieser Zeit. Originale Werke von Repin gibt es hier nicht zu sehen, allein einige Reproduktionen zieren die Wände. Um originale Werke des führenden „Wandermalers“ zu sehen, muss man aber nicht bis Moskau reisen, sondern kann sich einige davon im Kunstmuseum Vitebsk ansehen. Im Werk Repins gibt es immer wieder Bezüge zu Weißrussland, darunter sein berühmtes Gemälde „Der Belarusse“ von 1892 (Russisches Museum St. Petersburg).

Übrigens gibt es in Belarus auch eine kleine Stadt mit dem Namen „Repin“, im Gebiet Gomel’, die mit dem Sommersitz des Künstlers nichts zu tun hat.

Das Kunstmuseum Vitebsk

Das Vorurteil, in der Provinz lohne sich der Museumsbesuch erst gar nicht, ist in Bezug auf Russland in Fachkreisen längst überholt. Ganz im Gegenteil: Oft gibt es abseits der Metropolen wahre Schätze zu entdecken. Hängt man das Maß nicht all zu hoch und erwartet keine kunsthistorischen Sensationen, dann sollte man seine Vorgenommenheit auch in Belarus ablegen. In Vitebsk jedenfalls gab es einiges im Kunstmuseum zu entdecken, angefangen von den Beständen, bis hin zur Ausstattung des Museums.

Als Filiale des Regionalmuseums befindet sich das Kunstmuseum seit 1992 im Gebäude des ehemaligen Amtsgericht aus dem 19. Jh. Die Sammlung umfasst verschiedene in den 20er Jahren verstaatlichte Privatsammlungen sowie die Werke, die das Museum nach 1945 systematisch zusammengetragen hat. Die Sammlung umfasst Ikonen, Gemälde, Graphik, Holzschnitzereien, religiöse Objekte und Skulpturen. Unter den Gemälden sind einige Werke niederländischer und italienischer Künstler des 16.-18. Jh. zu nennen sowie eine durchaus bemerkenswerte Sammlung russischer Kunst aus dem 19. Jh., darunter  Ivan Aivazovsky und Ilja Repin, sowie aus dem 20. Jh. Werke von Vasilij Kandinsky, Marc Chagall, A. Lentulava, A. Kuprin, V. Rosanow, Natalja Gontscharowa u.a.

Einzigartig aufgrund ihres regionalen Bezugs und ganzer Stolz des Museums ist die Sammlung von 800 Werken M. Pengs, die 1939 ins Museum kam. Dem Lehrer Chagalls ist ein eigener Saal gewidmet und bestätigt einmal mehr, wie wichtig es für Chagall-Liebhaber ist, nach Vitebsk zu reisen. Da die Sammlung des Museums im Zweiten Weltkrieg überwiegend verloren ging, ist es ebenso wunderbar wie unverständlich, wie diese Sammlung den Krieg überstanden hat.

Die Räumlichkeiten des Museums sowie die Architektur sind vor Kurzem restauriert und modernisiert worden, wenn gleich die Mittel für eine Klimatisierung offenbar nicht gereicht haben. Insgesamt macht das Museum einen modernen und offenen Eindruck. Wie fast immer fehlen leider auch hier einführende Texte, es gibt weder einen Audioguide noch Informationstexte oder eine Broschüre zum Mitnehmen, von einem Katalog ganz zu schweigen. Neben der Dauerausstellung veranstaltet das Museum regelmäßig Wechselausstellungen, die mal mehr, mal weniger zum Thema des Hauses passen. Hier entscheidet, wie in den meisten belarussischen Museen, die Miete, die der Veranstalter für die Räumlichkeiten zahlt.

Schon wieder: Das Museum des Großen Vaterländischen Krieges

Einen ausfürhlichen Hintergrundbericht zum Neubau, der Konzeption und der Geschichte des Museums hat am 10. Juli Svetlana Balaschova (Светлана БАЛАШОВА) in der oppositionellen Zeitung Svobodnye Novosti (Freie Nachrichten) publiziert.

Dabei malt sie ein Szenario eines mit Medien überladenen Museums an die Wand, das sich von einer objektgestützten Dokumentation zugunsten eines diffusen Freizeitwertes immer weiter entfernt. Und das auf Kosten der Steuergelder! Und all das, so die Autorin, sei keineswegs geeignet, der jungen Generation einen Eindruck vom Krieg zu vermitteln. Im Gegenteil, dieser verkomme auf diese Weise zur Show.

In ihrem Urteil verbündet sich die Journalistin mit den Veteranen, die angesichts der Verlautbarung, dass nur 10% der Bestände im neuen Museum ausgestellt werden sollen offenbar ebenfalls schon ihre Sorge um das Gedenken an den Krieg zum Ausdruck gebracht haben.

Spezialmuseen: Erster Weltkrieg

Foto: http://www.partal.by/allnews/mainnews/330.html?print=1

In Zabrodje (Забродье), Minsker Gebiet, gibt es ein ganz besonderes Museum. Es hat den Krieg, hier den Ersten Weltkrieg, zum Thema und befindet sich in einer Kirche. Es handelt sich um eines der wenigen Privatmuseen und geht auf die Sammlung des Künstlers Boris Borisovič Citovič (Борис Борисович Цитович), selbst eine eindrückliche Persönlichkeit, zurück. Die Museumsgeschichte wird wie folgt kolportiert:

1975 verkaufte Boris Borisovič seine Wohnung in Minsk und zog mit seiner Frau in das Dorf Zabrodje. Bei einem Waldspaziergang stieß er auf einen verlassenen Militärfriedhof aus der Zeit des Ersten Weltkrieges. Seitdem lässt ihn das Thema nicht mehr los, er setzte sich für die Erinnerung dieser vergessenen Helden ein und begann, eine Sammlung zusammenzutragen. Den Friedhof richtete er mit seiner eigenen Hände Arbeit wieder her und baute die Kapelle der Heiligen Boris und Gleb. Eben dort ist das erste und (im postsowjetischen Raum?) bisher einzige Museum des Ersten Weltkrieges untergebracht. Die Kapelle ist übrigens als Gotteshaus aktiv.

Über das Museum hinaus findet in Zabrodje regelmäßig eine „Biennale“ statt, an der sich junge europäische Künstler beteiligen, darunter auch der Sohn von Boris Borisovič, der wiederum mit einer Deutschen verheiratet ist, auf deren Einladung hin sich auch viele deutsche Künstler an den Aktionen beteiligen. Auf deren Initiative geht der „Stein der Reue“ in der Nähe des Friedhofs zurück. Doch damit nicht genug: Auch eine einmalige Sammlung alter sowjetischer und europäischer Autos, häufig für historische Filmaufnahmen genutzt, geht auf die Initiative der regen Familie zurück.

Aktuelles Projekt ist die Gründung einer gemeinnützigen Stiftung zur Erinnerung an den Ersten Weltkrieg „Kroki“, dessen Vorsitzender Boris Borisovič selbst, sein Stellverterter Vjačeslav Bondarenko (der Autor des einzigen populärwissenschaftlichen Buches über den Ersten Weltkrieg in Belarus) ist. Boris Borisovič wiederum war unlängst in der Talkshow von Bondarenko „Otkrytyj format“ zu Gast, als es im November 2011 um die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg ging.

Wer jetzt noch nicht die Übersicht verloren hat, der sollte sich unbedingt auf den Weg nach Zabrodje machen!

Zwei Bildhauer

Foto: http://ctv.by/node/469833

Noch bis Ende Juli findet im Azgur-Museum eine Ausstellung des Bildhauers Konstantin Selichanov statt. Ein Besuch lohnt sich aus zwei Gründen: Zum einen zeichnet sich das Werk Selichanovs durch einen ganz eigenen Stil aus, den der Künstler selber „neuen sozialistischen Realismus“ nennt. In der aktuellen Ausstellung stehen Sportler der 30er Jahre im Zentrum – zugleich gesichtslos Teil einer imposanten Parade, und doch individuell, jeder für sich. An den Skulpturen arbeitete Selichanov, dessen Werk insgesamt vom Film inspiriert ist, fast 10 Jahre.

Der Ausstellungsort, das Azgur-Museum in Minsk, hat der Künstler nicht zufällig gewählt, und das ist auch der zweite Grund für einen Besuch der Ausstellung. Die Atmosphäre im Museum ist geprägt von den zahlreichen monumentalen Skulpturen vergangener Zeiten, die der Bildhauer Zair Azgur hier, in seiner Werkstatt, angefertigt hat. Zair Isaakovich Azgur (1908-1995) war ein sowjetischer Bildhauer, in Vitebsk geboren, hauptsächlich aktiv in Minsk. Von ihm stammen die Figuren am Opernhaus sowie zahlreiche Büsten bekannter Persönlichkeiten im Stil des sozialistischen Realismus. Seine Werkstatt bietet eine ideale Umgebung für die Werke Selichanovs, die zusammen mit Azgurs Skulpturen gleichsam eine Verbindung eingehen und Parallelen im Werk beider Künstler sichtbar werden lassen.

Das Regionalmuseum in Vitebsk

An zentraler Stelle in der Altstadt, im früheren Rathaus, befindet sich heute das Regionalmuseum (Витебский областной краеведческий музей). Dort ist es sich bereits seit 1924 untergebracht, nachdem seine Sammlungen zuvor seit der Gründung 1868 an verschiedenen Orten geworden waren. Die Bestände selbst gehen zurück auf private Sammlungen, u.a. von A. Brodovskij. Diese wurden in den 20er Jahren durch die sowjetischen Behörden enteignet und mit den Beständen aus dem Kirchlichen Archäologiemuseum, dem Museum der Archivkommission und dem Historischen Museum zusammengefasst.

Heute hat das Museum mehrere Filialen, darunter ein Museum der Privatsammlungen, ein Literatur– und ein Kunstmuseum. Auch das Wohnhaus Ilja Repins in der Nähe von Vitebsk gehört zum Regionalmuseum. Schließlich gehört auch eine Dokumentationsausstellung in einem Keller dazu, in dem sich zwischen 1941 und 1944 ein Gefängnis des nationalsozialistische SD befand, über das sich allerdings auf der Website des Museums keine Information findet.

Die auffallend moderne Website steht in einem Kontrast zu der doch ein wenig verstaubten Ausstellung. Die Dauerausstellung zeigt die Geschichte des alten Vitebsk mit teilweise beeindruckenden Grabungsfunden, die jedoch wenig eindrücklich präsentiert werden. Der historische Teil umfasst weiterhin Waffen, einen Raum zu Napoleon in Vitebsk und den „Großen Vaterländischen Krieg“. Die eindrucksvolle ethnographische Abteilung zeigt Stoffe und Trachten in ihrem Herstellungsprozess, allerdings ohne dabei auf die regionalen Besonderheiten im Unterscheid zu Belarus im Allgemeinen einzugehen. Wie immer, leider muss man es auch hier wieder beklagen, gibt es so gut wie keine Texte oder andere Vermittlungsangebote, die es dem Individualbesucher erlauben, sich einen Überblick zu verschaffen. Führungen sind nur in russisch und belarussisch zu haben und dauern sehr, sehr lange ….

Unerwartet groß ist die Abteilung für Naturkunde, die, vor einigen Jahren neu hergerichtet, herrliche Dioramen mit Flora und Fauna präsentiert. Dieser Fundus erklärt dann auch Sonderausstellungen, die z.B. umfangreiche Schmetterlingssammlungen zeigt.

Interessant ist, dass große Teile der Sammlungen vor dem Einmarsch der Deutschen im Zweiten Weltkrieg nach Russland gerettet werden konnten und von dort offenbar auch zurückgekehrt sind. Dass seitdem trotzdem einiges fehlt, und zwar nicht allein aufgrund der Kriegshandlungen, lässt die Museumsmitarbeiterin nur vorsichtig durchblicken. Immerhin haben sich die alten Inventarbücher erhalten, so dass man die Sammlungsgeschichte besser als an den meisten Orten nachvollziehen kann.

Aktuelle Literatur zum Museum: 90 год Віцебскаму абласному краязнаўчаму музею: матэрыялы навук канф., Віцебск, 30-31 кастр. 2008 г. / рэдкал.: Г.У. Савіцкі [і інш.]. – Мінск: Медысонт, 2009.

Neues aus dem Museum der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges

Kürzlich befasste sich der stellvertretende Ministerpräsident, Anatolij Tozik, mit der Neueinrichtung des Museums. Konkret geht es aktuell um die Ausschreibung der Ausstellungsproduktion. (Zur Erinnerung: Die Ausstellungsgestaltung liegt bei dem polnischen Büro Redan).

Anlässlich der Sitzung kritisierte Tozik die Arbeit des Kulturministeriums und des Museums selbst bei der Erarbeitung der neuen Ausstellung. Im Ergebnis der Sitzung wurden Fristen der Ausschreibung und ein Zeitplan für die weitere Arbeit beschlossen. Es ist vorgesehen, dass seitens des Exekutivkomitees der Stadt Minsk erste Entwürfe für die zu beauftragende Firma am 12. August 2012 vorliegen werden.

Andere Nachrichten berichten im Gegenteil nicht von Kritik, sondern von der zeitgerechten und zufrieden stellenden Arbeit bei der Neueinrichtung. Auch dies war von Anatolij Tozik zu vernehmen. Teile der Ausstellung, so der stellvertretende Ministerpräsident, sollen am 9. Mai kommenden Jahres eröffnet werden.

Aus dem Museum selbst gibt es leider die fast bestürzende Nachricht von der Entlassung einer langjährigen Mitarbeiterin. Sie hatte fast 30 Jahre die Abteilung „Partisanenbewegung“ geleitet und war nicht nur in diesem Feld wissenschaftlich ausgewiesen. Auch kennt sie die Sammlung und das Archiv des Museums praktisch in- und auswendig, hat sich in den letzten Jahren als aufgeschlossene und kompetente Partnerin auch für die internationalen Museumspartner (z.B. Deutsch-Russisches Museum Karlshorst oder das Militärhistorische Museum der Bundeswehr in Dresden) erwiesen. Zudem ist sie eine der wenigen Mitarbeiter des Museums, die gut englisch spricht.

Mit ihr wurde der erst vor kurzem eingestellte Projektmanager für die Neueinrichtung entlassen. Beide sind beim Nationalarchiv untergekommen. Über die Umstände der Entlassung gibt es – naturgemäß – unterschiedliche Versionen. Sicher ist jedoch, dass diese personellen Verluste in der unmittelbaren Vorbereitungsphase des Umzugs dem Museum nur schaden können.

Neues (geheimes) Museum in Minsk

Foto: http://ctv.by/node/470538

Ein ganz besonderes Museum wurde kürzlich in Minsk gegründet – nicht: eröffnet. Besonders ist es deshalb, weil es bisher keiner kennt und sich wohl auch in Zukunft kaum die Möglichkeit ergeben wird, die Ausstellung zu besuchen. Es handelt sich um das viel berüchtigte und zuvor oft angekündigte „Museum der belarussischen Staatlichkeit“.

Es befindet sich in einem Teil des Präsidentenpalastes, in dem sich auch die Bibliothek befindet, und der für die Ausstellung von Grund auf saniert wurde. Das Museum ist nur von dort und auf Einladung durch den Präsidenten persönlich zugänglich. Damit ist auch schon der Sinn und Zweck benannt: Es geht, so darf man getrost vermuten, um eine Darstellung der Heldentaten von Alexander Lukaschenko.

Offiziell widmet sich das Museum der Geschichte des Landes seit der Amtsübernahme Lukaschenkos 1994 und dem Prozess der nationalen Identitätsfindung in dieser Periode. Ein ähnliches Museum gebe es in Europa nicht, sagte der Präsident stolz, womit er ohne Zweifel recht hat. Im ersten Saal sind staatliche Dokumente, Exponate zur Staatssicherheit und dem Geldsystem zu sehen. Saal zwei ist der Wissenschaft und Wirtschaft gewidmet, Saal drei der Medizin, Bildung, dem Sport und der Kultur, Saal vier der Ethnographie und den internationalen Beziehungen sowie die Geschenke, die der Präsident in seiner Amtszeit erhalten hat.

Die Ausstellung wurde durch Mitarbeiter des Staatlichen Historischen Museums zusammengestellt. Bis heute hält sich das Gerücht, dass der damalige Direktor, Sergej Vecher, seinen Hut nehmen musste, weil er dem Unternehmen kritisch gegenüberstand. Von ihm war zu erfahren, dass das Museum über den allerneuesten Stand der Technik, bester Vitrinen und Medien, vieles davon aus Deutschland, verfügt. Damit ist es das wohl am besten ausgestattete Museum in Belarus. Nur schade, dass es niemand besuchen darf, der nicht persönlich eingeladen wird.

Die erste Führung hat dann auch der Präsident selbst übernommen. Der eigentlich für die Führung vorgesehene Museumsführer zeigte sich entsprechend beeindruckt und gab an, viel Neues durch den Präsidenten erfahren zu haben. Der wiederum versprach wiederzukommen und noch viel mehr zu erzählen…

Archäologisches Museum in Brest feiert Geburtstag

Foto: http://www.belarus.by/rel_image/329

Mit einer Konferenz, einem Mittelalterfestival und zahlreichen weiteren Veranstaltungen feierte das Archäologische Museum in Brest in diesen Tagen seinen 30.  Geburtstag. Es ist das einzige Museum, in dem der Besucher sich ein umfassendes Bild von einer mittelalterlichen, ostslawischen Stadt machen kann.

Bei Ausgrabungen zwischen 1969 und 1988 wurden dort mehr als 220 Holzbauten des 11.-13. Jh. gefunden. Die Ausstellung dokumentiert die Grabungen sowie zahlreiche Exponate zur Alltagsgeschichte.

Das Museum befindet sich auf der sog. „Krankenhaus-Insel“ des Brester Festungsgelände und ist von dort über eine Brücke zu erreichen. Es ist eine Filiale des Regionalmuseums und verzeichnet nach eigenen Angaben pro Jahr 60.000 Besucher.

Chagall in Vitebsk

Das Chagall-Art-Center.

Sowjetische Lexika führten Marc Chagall als französischen Künstler, so dass er nach 1991 für seine belarussische Heimat erst wieder entdeckt werden musste. Ein erster Schritt war die Gründung des Chagall-Kunst-Zentrums in Vitebsk, in dem heute in wechselnden Ausstellungen graphische Arbeiten des Künstlers ausgestellt werden. 1997 wurde das Wohnhaus, in dem Chagall seine Jugend verbrachte, als Museum hergerichtet und verzeichnet seitdem eine wachsende Besucherzahl.

Außerdem kann man in der Stadt noch das Gebäude der Kunstschule besichtigen, das Chagall als Kommissar für die „Schönen Künste“ 1919 gegründet hat. Hier ist ein Zentrum für zeitgenössische Kunst geplant, von dem bisher aber nur eine Baustelle zu sehen ist. Darüber hinaus steht noch ein Gebäude, in dem Chagall vermutlich in die jüdische Sonntagschule gegangen ist.

Dass Chagall noch immer nicht ganz im belarussischen Bewusstsein angekommen ist, zeigt z.B. die Tatsache, dass bisher keines der Gebäude mit einer Gedenktafel oder einem anderen Hinweis versehen. Auch gibt es kein Tourismuskonzept, keine Hinweise in der Stadt, geschweige denn Merchandising-Artikel.

Glaubt man der umtriebigen Direktorin, Ludmilla Chmelnickaja, der beiden Chagall-Museen, so ist all das für die Zukunft geplant. Bis jetzt aber muss sie die Sammlungsbetreuung, Führungen und Veranstaltungen mit zwei wissenschaftlichen Mitarbeitern bestreiten.

Das ehemalige Wohnhaus von Marc Chagall.

Seit einigen Jahren veranstaltet das Kunstzentrum die jährlichen „Chagall-Lesungen“ und gibt seit 2000 ein „Bulletin“ heraus. Es informiert über Neuigkeiten zum Museum, Veranstaltungen, Ausstellungen, enthält wissenschaftliche Beiträge, Texte von Chagall sowie die Publikation der jährlichen Konferenzbeiträge. Nach der anfänglichen zweisprachigen Veröffentlichung in russisch und belarussisch, erscheinen die Hefte nunmehr nur auf russisch – zu wenig Feedback zu der belarussischen Ausgabe, wie mir die Direktorin sagte.

Erwähnenswert ist noch die umfangreiche Bibliothek zu Chagall, mit über 5.000 Bänden, die mittlerweile Forscher aus aller Welt anlockt. Zur Sammlung des Museums gehören ca. 300 Arbeiten des Künstlers, darunter eine vollständige Sammlung der Illustrationen zu Gogols „Toten Seelen“, die es sonst nur in Moskau und den USA gibt.

Gesellschaftliches Mäzenatentum à la Belarus

http://news.open.by/region/81329

Dank der beharrlichen Initiative des Museums der Geschichte von Mogiljow ist es gelungen, ein Statut des Großfürstentums Litauen zu erwerben. Es handelt sich um ein von Lew Sapega im Jahre 1588 herausgegebenes Dokument.

Eine erste Präsentation hat nun am 9. Juni im Stadtrat von Mogiljow stattgefunden. Demnächst soll es einen Ehrenplatz im Stadtmuseum erhalten.

Dem Museum war es gelungen, 15.000 $ aus privaten Spenden zu sammeln, die noch fehlenden 30.000 $, um das Dokument von einem russischen Sammler erwerben zu können, stiftete die Unternehmensgruppe „Alpari“. Ganz freiwillig war diese Spende jedoch wohl nicht, die Nationalbank hatte darum „gebeten“.

Für das Museum handelt es sich um eine bedeutende Neuerwerbung, wie der Direktor, Alexej Batjukow, betonte: „Der Kauf des Statuts wurde dank der großen gesellschaftlichen Unterstützung ermöglicht. Diese Aktion ist ein Teil der Maßnahmen zur Rückgewinnung kulturhistorischer Wertgegenstände“.

Neben dem Statut sind im Rahmen dieser Maßnahmen vier Slucker Gürtel erworben worden, die in Nezvizh gezeigt werden sollen (Svaboda.org, Kultura). Insgesamt sind laut Kulturministerium 10 Mrd. BYR für den Ankauf von Kulturgütern im Zeitraum 2011-2012 vorgesehen.