Ausstellungen

Auf Wiedersehen, Belarus! Да пабачэння, Беларусь!

Alla Stashkevich, Tatjana Bembel und ich mit der Handreichung zu den Museumsseminaren.

Nun ist es soweit, nach drei Jahren geht unsere Zeit in Minsk zu Ende. Für mich war es eine anregende, spannende und lebhafte Zeit, die wohl einmalige Chance, als Slavistin und langjährige Russlandreisende endlich einmal in der Kultur- und Sprachregion zu leben, deren Studium ich mir zu meiner Lebensaufgabe gemacht habe. Auf meinen Wegen durch dieses für viele noch immer unbekannte Land haben mich Menschen begleitet, denen ich für ihr Vertrauen danke. Sie haben mich an die Hand genommen auf meinen Erkundigungen durch die Museums- und Kulturlandschaft, bei der Erforschung und der teilweise schmerzvollen Erinnerung an die tragische Geschichte, die unsere beiden Länder verbindet, sowie bei meinen Ausflügen in die verbindende Welt des Sports, allen voran des Dressurreitsports. Sie alle werde ich vermissen!

Mit dem Rückumzug nach Deutschland endet auch der Blog. Zwar ließe sich auch von Deutschland aus eine Kommentierung der Museums- und Kulturszene fortsetzen. Da es noch immer recht wenig Informationen zur aktuellen Kulturlandschaft in Belarus gibt, würde das einer Annäherung und dem gegenseitigen Austausch auch gut tun. Dennoch scheint mir die Beendigung des Blogs folgerichtig, da ich diese Form der freien Rede, kurzer Kommentare und persönlicher Eindrücke in der Absicht gewählt hatte, um meine punktuellen, nicht immer systematischen Beobachtungen im Lande zu notieren. Dieser unmittelbare Zugang ist nun nicht mehr gegeben.

Unser Rückumzug nach Deutschland ist zugleich auch die Schließung des deutschen Militärattaché-Stabes in Minsk, d.h. es wird kein Nachfolger kommen. Zu den vorausgegangenen Verwicklungen hatte ich berichtet, sie haben letztlich zu diesem Schritt geführt, für dessen Einschätzung und Bewertung dieser Blog nicht der richtige Ort ist. Diesen Moment hat die Belarussische Militärzeitung zum Anlass genommen, ein lange geplantes Interview mit meinem Mann, Niels Janeke, zu führen. Seine Publikation ist ein Überblick und Rückblick auf die Arbeit des Militärattachéstabes der letzten drei Jahre aus belarussischer Sicht.

Foto zum Artikel in der Belarusskaja Voennaja Gazeta, 26.6.2013

Was mich betrifft, so werde ich auch weiterhin mit meinen belarussischen Kollegen in verschiedenen Projekten zusammenarbeiten und meinen Teil dazu beitragen, die kulturellen Kontakte auszubauen und zu vertiefen. Sofern es dazu etwas zu berichten gibt, tue ich dies nter der Rubirk Aktuelles auf meiner Website. Die aktuelle und regelmäßige Analyse überlasse ich anderen, die noch näher dran sind, weil sie im Land leben oder sich ausschließlich Belarus widmen. Ihre Blogs und Websites sind in der Rubrik Links genannt.

Dank dieser Mischung aus Internet und persönlichen Kontakten wird Belarus weiterhin eine wichtige Rolle in meinen beruflichen und persönlichen Interessen spielen. Ich habe das Land schätzen und lieben gelernt und will es nicht wieder verlieren. Auf Wiedersehen, Belarus! Да пабачэння, Беларусь!

Belarus im frühen 20. Jh. in Fotos

Foto: http://irina-litva.livejournal.com/812447.html

Im Rahmen von Recherchen für ein Berliner Museum stieß ich jüngst auf eine außergewöhnliche Fotosammlung, die mir den Schlüssel zu einer Ausstellung im Historischen Museum 2011 gab. Schon damals hatte ich staunend vor den Fotos gestanden und mich gefragt, wie sie erhalten geblieben sind und wie es dem Fotografen ergangen ist. Es handelt sich um die Foto-Sammlung von Pavel Volyncevič und vereint 400 Aufnahmen aus der Zeit von 1900 bis 1962.

Gefunden, bearbeitet und recherchiert haben den Fund Vladimir Sutjagin (Fotograf), Dmitrij Serebjannikov (Sammler) und Igor Surmačevskij (Künstler und Restaurator). Neben der Ausstellung im Nationalen Historischen Museum wurden die Bilder mehrfach in Belarus gezeigt, derzeit ist die Ausstellung in Vilnius zu sehen. Unter diesem Link sind einige Fotos aus der Sammlung zu sehen.

Pavel Volyncevič lebte und arbeitete im Nordwesten des heutigen Belarus. Die Orte, in denen er und seine Familie lebten, befanden sich zeitweise unter russischer, polnischer, deutscher und sowjetischer Herrschaft. Das Foto zeigt seinen Hof in den 20er Jahren an der sowjetisch-polnischen Grenze.

Zeit seines Lebens hat er sich, seine Familie und Umgebung fotografiert. Es handelt sich um eine einzigartige Sammlung zur Alltagsgeschichte in Belarus in der ersten Hälfte des 20. Jh. Insgesamt liegen 180 Glasplattenfotos sowie weitere Fotografien aus Fotoalben vor.

Die Fotografien wurden durch Zufall von Dmitrij Serebjannikov und Igor Surmačevskij entdeckt und professionell von Vladimir Sutjagin bearbeitet. Zusammen haben sie mit Hilfe von Archiven, eigenen Recherchen und Nachforschungen die Lebensgeschichte der Familie rekonstruiert. Heute lebt in Minsk noch die Enkelin von Volyncevič, die wesentliche biographische Details ergänzen konnte.

2001 drehte ein russischer Sender einen Dokumentarfilm über die Fotos, Volyncevič  und die drei Kuratoren des Projekts. Auch sind einige Beiträge in Zeitschriften und Zeitungen erschienen.

Nochmal: Die Skarina-Bibel

Foto: http://www.belmarket.by/ru/194/115/15301/%D0%9E%D0%B1%D1%8A%D0%B5%D0%B4%D0%B8%D0%BD%D1%8F%D1%8E%D1%89%D0%B8%D0%B9-%D1%8D%D0%BB%D0%B5%D0%BC%D0%B5%D0%BD%D1%82.htm

Wichtig und nötig scheint mir noch ein Annex zur Ausstellung der Skarina-Bibel aus Görlitz in Minsk im Oktober 2012. Damals wurde dieses besondere Werk im Jahr des Buches, zum 90. Jahrestag seit der Gründung der Nationalbibliothek und im Rahmen der Deutschen Woche zuerst in der Nationalbibliothek, dann im Schloss Nezvizh ausgestellt (BelaPan 4.10.2012).

Den deutsch-belarussischen Charakter, den dieses Buch auszeichnet, spiegelte auch die gemeinsame Projektrealisation durch das Kulturministerium und die Deutsche Botschaft wider. Ein Vertreter der Deutschen Botschaft nannte die Bibel ein „verbindendes Element“, das kaum zu überschätzen sei, und Franziska Skarina den Gutenberg von Belarus.

Angereist aus der Bibliothek in Görlitz, wo die Bibel seit 1527 lagert, war Matthias Wenzel, der die Bibel 2003, wie er selber sagt, im Rahmen einer Ausstellungsvorbereitung zufällig entdeckt hat. Dieses Exemplar ist das einzige in Deutschland. Es erschien zwischen 1517 und 1519 in Prag in alter belarussischer Sprache. Zuerst haben es die Experten gar nicht geglaubt, dass neben den bisher bekannten Exemplaren der Sakrina-Bibel noch ein weiteres existieren könnte. Untersucht und bestätigt hat es dann der ausgewiesene und um die belarussische Literatur verdiente Slawist Norbert Randow (vgl. seine Veröffentlichung dazu im Görlitzer Magazin 18/2005), wo der die historischen Stationen und die Geschichte der Bibel darlegt. Ergänzend dazu seinen ein Aufsatz von Peter Wenzel über „Görlitz 1945“ in demselben Heft sowie ein Text von  Jasper von Richthofen über „Kriegsverlust und Beutekunst“ am Beispiel von Görlitz in Görlitzer Magazin 23/2010 empfohlen. Mit allen Beiträgen entsteht ein rundes Bild über diese einzigartige Bibelausgabe, die nicht nur über die Verbreitung der Bibel in verschiedenen Sprachen im 16. Jh. und die Geschichte des Buchdrucks in Osteuropa erzählt, sondern über die Geschichte der deutsch-belarussischen Beziehungen.

Da die Bibel die belarussischen Sammlungen, in der sich 10 der insgesamt 260 bekannten Ausgaben befinden, gut ergänzen würde, wurde vereinbart, eine digitale Kopie für die Nationalbibliothek anzufertigen.

Bei der Eröffnung der Ausstellung sagte der damals noch amtierende belarussische Kulturminister Pawel

Latuschko: „Diese Ausstellung ist der Anfang eines internationalen Projekts zwischen Belarus und Deutschland, das seit Jahren vorbereitet wurde. Um historische und kulturelle Kostbarkeiten, die aus verschiedenen Gründen aus Belarus verschwunden waren, wieder zu gewinnen, soll eine große Arbeit geleistet werden. Außerdem ist es so, dass die gegenwärtige Gesetzgebung in einigen Staaten nicht erlaubt, einst ausgeführte oder enteignete Schätze oder Raritäten in das jeweilige Herkunftsland zurückzubringen. Deshalb sehen wir uns gezwungen, uns an Privatsammler in der ganzen Welt zu wenden, Ausstellungen zu organisieren und digitale Kopien anzufertigen. Diese Skorina-Ausstellung ist ein Beispiel für eine wenn auch indirekte Rückkehr des kulturell-historischen Erbes nach Belarus. Das Konvolut wurde von den Mitarbeitern der Nationalbibliothek bereits digitalisiert, so dass eine Kopie für immer in unserem Land bleibt“ (BelTA).

Auf den Spuren zeitgenössischer Kunst oder Sabine in Minsk

Neulich besuchte mich meine Kollegin und Freundin Sabine Hänsgen in Minsk. Seit vielen Jahren unermüdlich im Einsatz für die russische und informelle Kunst, war es an der Zeit, auch einmal die Lage in der letzten Diktatur Europas zu untersuchen. Drei Tage hatten wir zur Verfügung und sind kreuz und quer um die Kunsthäuser in Minsk gezogen. So wenig wie unsere Wege so folgen auch meine Aufzeichnungen dazu einem Konzept. Sie dienen allein dazu, einige Namen und Orte festzuhalten, die neben vielen anderen eine Rolle ind er zeitgenössischen Kunst von Belarus spielen.

Der Anlass der Reise für Sabine war ein Workshop im Goethe-Institut zu einem ihrer letzten Projekte zu dem Film „Der gewöhnliche Faschismus“ von Michael Romm. Folgerichtig haben wir daher zunächst das Filmmuseum besucht, das mich wirklich beeindruckt hat und einen Besuch auf jeden Fall wert ist. Interessante Gespräche hatten wir mit Tatjana Bembel. In „ihrer“ Galerie Shchemeljova lässt sich vielleicht ein gemeinsames Projekt realisieren; den Ausgangspunkt weiterer Überlegungen bilden die Projekte der Künstlergruppe Aspei.

Eindrücke zur zeitgenössischen Kunst in Belarus hat uns ein Gespräch mit der Direktorin des Museums für zeitgenössische Kunst, Natalja Scharangovich, gegeben. Scharangovich war zuletzt beteiligt an dem belarussischen Pavillon auf der Biennale in Venedig 2011 und dem dort präsentierten Projekt „Kodex“. Dazu liegt eine englisch-russische Broschüre vor mit einem Text über die belarussische Kunst im 20., Jh. (von Michail Borozna) sowie die zeitgenössische Kunst in Belarus (von Ekaterina Kenigsberg), die, das können wir bestätigen, in Westeuropa noch immer „ein weißer Fleck“ ist. Eine spannende Ausstellung des Museums für Zeitgenössische Kunst war zuvor nur in Moskau zu sehen gewesen, die  Ausstellung “Belart.by Junge Künstler aus Belarus” (2010) (es gibt eine dreisprachige Broschüre). Beteiligt waren 48 Künstler aus den Bereichen Malerei, Skulptur, Graphik, Keramik u.a., darunter viele internationale Preisträger wie Ruslan Vaschkevich (auch Triennale 2012), Anna Tichonova (selbst Abteilungsleiterin im Museum für zeitgenössische Kunst) und Konstantin Selichanov (auch Triennale 2012). Wie im Kontext der Biennale wurde auch hier Tschernobyl als ein „wesentlicher Kulturfaktor“ in Belarus bezeichnet (so im Vorwort von Natalja Scharangovich  und Michail Borozna).

Weiterhin trafen wir Olga Rybchinskaja, Kuratorin und Expertin für die zeitgenössische Kunst in Belarus (zuletzt aktiv beim Public-Art-Projekt des Goethe-Instituts, auch aktiv als Autorin, z.B. im  Katalog „Journey to East“ mit einem Aufsatz über die zeitgenössische Kunst in Belarus). Von ihr stammt eine von zwei Ausstellungen mit junger Kunst aus Belarus im Jahr 2012, die Sonderausstellung „Belarussisches Klima“.

Wie in der im Sommer in einer alten Halle der Fabrik Horizont präsentierten Ausstellung „Radius Nulja“ konnte man hier einen Einblick in die noch immer kleine und jenseits der Landesgrenzen wenig bekannte Szene erhalten. Von ihr erfuhren wir von dem wohl einzigen Aktionskünstler in Belarus, Ales Puschkin, der im Exil lebenden Marina Napruschkina, dem Fotokünstler Alexey Shlyk oder auch Igor Savchenko.

Ein eher offiziell geprägtes Bild der zeitgenössischen Kunst des Landes, präsentierte gerade in dieser Zeit die Triennale . Sie war auch der Grund, warum wir Konstantin Selichanov nicht mehr in seinem Atelier besuchen konnten, dafür aber mehr Zeit hatten für einen nachhaltig beeindruckenden Abstecher in die Wohn- und Arbeitsdachstube von Vladimir Tselser .

Von welcher Seite auch immer man sich dem Thema nähert – es tut sich etwas im Bereich der Gegenwartskunst. Noch sind es wenige, die sich dafür interessieren, doch langsam, aber sicher erobert sie sich ihren Raum in der Gesellschaft. Davon kann man sich jederzeit in der Galerie Ŷ überzeugen, aber dorthin haben wir es am Ende leider nicht mehr geschafft. Aber Sabine kommt sicher wieder mal nach Minsk.

Chagall und die Pariser Schule im Kunstmuseum

Foto: http://www.artmuseum.by/ru/vyst/tek/%E2%80%9Dmark-shagal:-zhizn-i-lyubov%E2%80%9D

Wieder sind alle aus dem Häuschen. Gerade erst ist der Event des V&A-Museums verkraftet, geht es schon weiter: Das Nationale Kunstmuseum ist derzeit das Maß aller Dinge. In diesen Tagen endet die Ausstellung „Künstler der Pariser Schule aus Belarus“, noch bis zum 28. Januar ist parallel die Ausstellung  „Marc Chagall: Leben und Liebe“ aus Israel zu sehen.

Beide Ausstellungen lohnen den Besuch und haben darüber hinaus einiges Neues für Belarus zu bieten. In der Ausstellung zur Pariser Schule, so konnte ich mich bei einer Führung der Kuratorin Olga Archipova überzuegen, gab es überwiegend bisher nicht ausgestellte Werke aus der eigenen Sammlung zu sehen, darunter von Marc Chagall, Chaim Soutine, Osip Cadik, Pinchus Kremen’ und vielen weiteren hier bisher weitgehend unbekannten Landsleuten aus den 20er bis 60er Jahren des 20. Jh. Diese waren vor der Revolution nach Paris geflüchtet oder übergesiedelt. Erstmals gezeigt werden die beiden Werke, die die weißrussische Belgazprombank gekauft hat (von Chagall und Soutine) sowie zwei weitere Chagall-Grafiken, die ebenfalls die Bank gekauft, sie aber dem Museum vermacht hat. Hinzu kamen Werke aus Privatsammlungen aus Minsk und Russland  sowie dem Chagall-Museum in Vitebsk. Zu den russischen Privatsammlern gehören Marina und Aleksej Rodionov, die im Zusammenhang mit der Abholung der Werke aus Minsk in Zusammenarbeit mit der Städtischen Galerie Shchemeljova einen Workshop veranstalten.

Der Ankauf der Kunstwerke durch die Bank ist offenbar eines der ersten Beispiele für ein Sponsoring dieser Art, auch wenn man hört, dass die Bank auf höheren Wunsch gehandelt hat. Außer der Belgazprombank sammelt übrigens auch die Priorbank. Hier ist die Sammlung eigentlich nur für die eigenen Büroräume gedacht, es waren aber auch schon mal Werke im Kunstmuseum ausgestellt.

Neben den Kunstwerken gab es graphisch originell aufbereitete Informationen zu den Biographien, Fotos und Dokumente, Installationen zur Andeutung zeitgenössischer Interieurs sowie eine Filmstation mit einer eigens für die Ausstellung zusammengestellten Dokumentation und Interviews. Die Hauptsensation dürfte aber das erste und bisher einzige Museumscafé sein, das im Rahmen der Ausstellung eröffnet hat und hoffentlich jetzt zur ständigen Einrichtung wird.

Das zweit Highlight ist die Chagall –Ausstellung aus Israel. Die erste Chagall-Ausstellung in Belarus fand 1997 statt, jetzt sind aber erstmals (drei) Gemälde in Belarus zu sehen. Auch hier fällt das „Drumherum“ auf, das sonst in belarussischen Ausstellungen noch fehlt: Musik in den Räumlichkeiten, eine professionelle Gestaltung, thematische Texte, Filmstationen. Überhaupt ist man mächtig stolz auf die Ausstellung,was sich nicht zuletzt dadurch vermittelt, dass die halbe Europa-Abteilung der Dauerausstellung für die Sonderausstellung ausgeräumt wurde. Überhaupt wirkt das Museum ein wenig zerrupft trotz oder gerade wegen der vielen Highlights.

 

Eine Ausstellung von Anatolij Nalivaev im Museum der ersten Sitzung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands

Hier gilt es gleich zweifach, mich über meinen letzten Museums- und Ausstellungsbesuch zu freuen. Aus Anlass der genannten Ausstellung war ich zum ersten Mal in dem kleinen Museum in der Nähe des Siegesplatzes. Beides hat sich gelohnt.

Die Ausstellung zeigte ca. 20 Bilder des noch lebenden belarussischen Künstlers und vielseitigen Kulturschaffenden Anatolij Nalivaev (geb. 1931). Dieser hat nach dem Krieg bis in die 60er Jahre Skizzen und Aquarelle zerstörter Teile und Gebäude von Minsk festgehalten und diese später in Gemälde umgesetzt. Dies ist deshalb so wertvoll, weil das Fotografieren der Stadt in der Nachkriegszeit verboten war. In der Ausstellung war eine Auswahl dieser Bilder, schwerpunktmäßig ehemaliger jüdischer Einrichtungen wie Synagogen, Gymnasien, Bethäuser, Wohnhäuser und Geschäfte zu sehen. Die Objektbeschriftungen gaben Auskunft darüber, in welcher Straße die Gebäude gestanden hatten bzw. heute noch stehen, und wofür sie heute genutzt werden. Damit entsteht ein sehr lebendiges und erweitertes Bild der Stadt. Noch besser hätte man sich das vorstellen können, wenn die Kuratoren einen Stadtplan in die Ausstellung integriert hätten mit der Markierung der von Nalivaev gemalten Orte. Aber auch so regte die an einem Sonntagnachmittag gut besuchte Ausstellung offenbar viele Minsker Bürger an, sich mit der Geschichte ihrer Stadt zu beschäftigen: Im Besucherbuch waren zahlreiche Einträge zu finden, die sich direkt an den Künstler wandten mit herzlichen und bewegenden Dankesworten.

Bemerkenswert ist das hier deutlich sichtbare Interesse an den Spuren jüdischer Geschichte, die oft vernachlässigt wird. Das Nationale Historische Museum dessen Filiale das kleine Parteigründungsmuseum ist, macht sich bei beidem Thema allerdings immer wieder verdient, indem es Ausstellungen jüdischer Künstler, zu denen auch Nalivaev gehört und der selbst eine bewegende Geschichte hat, oder Fotoausstellungen zeigt, die den Blick auf diesen Teil der Geschichte lenken.

Während diese Ausstellung einen Raum in dem kleinen Holzhaus einnimmt, zeigen drei andere ehemalige Zimmer des Hauses die Geschichte von Minsk im 19. Jh. sowie die Hintergründe der Parteigründung von 1898. Dies ist insofern bemerkenswert und unbedingt einen Besuch wert, da diese Informationen weder in der Dauerausstellung des Nationalen Historischen Museums noch im Minsker Stadtmuseum zu finden sind, wo man sie, zumal als Ausländer und Tourist, sicher vermuten würde. Die Ausstellung, die 1995 eingerichtet und 2008 noch einmal modernisiert wurde, ist mit viel Liebe eingerichtet und um alle ideologischen Belehrungen rundum das große Ereignis kommunistischer Geschichtsschreibung bereinigt. Alte Fotos, Anschläge und Zeitungsberichte lassen ein lebendiges Bild der Stadt und ihrer Bevölkerung vor dem Ersten Weltkrieg entstehen. Das rekonstruierte Interieur des Wohnzimmers gibt einen Einblick in die damalige Lebenswelt und Biographien, Dokumente und Fotos informieren über die Ereignisse in dem Gebäude im Jahre 1898 und die weitere Entwicklung der Partei und ihrer Gründer. Dies alles ist, in Minsk durchaus selten, durchgängig in drei Sprachen (russische, belarussisch und englisch) zu haben, so dass auch ausländische Besucher sich hier mit Gewinn aufhalten können.

Fachpublikation des Instituts für die Kultur Belarus’ zur Lage der Museen

Unter dem Titel „Muzei Belarusi. Prablemy. Perspektyvy. Inavacyi“, Minsk 2012, ist vor Kurzem eine umfangreiche Broschüre zu verschiedenen Museums- und Ausstellungsfragen erschienen. Herausgeber sind das Kulturministerium und das Institut für die Kultur Belarus’.

Sie umfasst Kurzinterviews mit Akteuren zur Lage der Museen, darunter die Direktoren des Museums für den Großen Vaterländischen Krieg, Sergej Azaronok, des Nationalen Kunstmuseums, Vladimir Prokopcov, sowie weiterer Direktoren, auch aus den Regionen des Landes. Die folgenden Aufsätze werden eröffnet durch einen Beitrag von der Leiterin der Abteilung Museen im Institut für die Kultur Belarus’, Irina Laptjonok zur Entwicklung der Museen zwischen 1991 und 2011 mit Besucherzahlen und Statistik. Es folgt die thematische Abteilung „Schlösser und Paläste“, dabei steht Nezwizh im Mittelpunkt, wo in diesem Jahr zahlreiche neue Räumlichkeiten eröffnet wurden. Vorgestellt werden aber auch bisher nicht renovierte Schlösser und Kulturstätten. In der Rubrik „Konzeptionelle Projekte“ steht das im Sommer eröffnete Museum der belarussischen Staatlichkeit im Zentrum, gefolgt von dem Großprojekt des Museums des Großen Vaterländischen Krieges. Als „Erinnerungsausstellungen“ werden Chatyn und das Museum für Jakub Kolas vorgestellt, sowie Ausstellungen in der Festung Brest und das Chaim Soutine-Zentrum. Unter dem Thema

„Sammlungen“ werden Exponate aus dem Nationalen Kunstmuseum, dem Minsker Regionalmuseum, verschiedenen Heimat- und Spezialmuseen sowie einzelne Schlüsselobjekte vorgestellt.

Eine große Abteilung bildet das Thema „Interaktive Ausstellungen“: Hier wird über die Kinderprogramme aus dem Museumskomplex Polock berichtet, über Projekterfahrungen im Museum für zeitgenössische Kunst sowie zu theoretischen Aspekten der Museumspädagogik. Ebenfalls umfangreich ist die Rubrik „Design und Gestaltung“, ein hierzulande sehr aktuelles Thema. Für den durchaus anderen Umfang mit dem Aspekt hier in Belarus (wie übrigens auch in Russland) sprechen die ersten beiden Texte, in denen Künstler über ihre Arbeit als Gestalter berichten. Theoretisch wird dies noch einmal von Irina Laptjonok eingeordnet.

Zum Thema der „Neuen Medien“ werden die Beiträge eines Rundtischgesprächs auf der ADIT-Konferenz von Mai 2012 abgedruckt sowie weitere Beiträge zur Buchkonservierung und elektronischer Verfügbarkeit von Exponaten. Der Blick ins Ausland stellt das Chopin-Museum in Warschau, den Umgang mit Schlössern in Österreich vor und offeriert einen deutschen Blick auf die Museumslandschaft in Belarus (meine erste belarussische Publikation!).

Eigentlich sollte diese Art der Bestandsaufnahme der nationalen Museumslandschaft öfters erscheinen, dafür gibt es aber nicht genug Geld. Diese Ausgabe jedenfalls ist Teil des Kulturförderprogramms 2011-2015. Infolge dessen finden sich darin auch die Vorworte des Kulturministers (hier noch Latuschko) sowie der im Ministerium zuständigen Bearbeiterin Svetalana Gavrilova. Von Seiten des Instituts führt Irina Laptjonok in das Thema ein.

Das handliche DIN A 4-Format verleiht der Publikation einen Arbeitscharakter. Schade ist, dass alle Text ausschließlich auf belarussisch zu lesen sind, es gibt auch weder eine russische noch eine englische Zusammenfassung. Positiv zu vermerken sind dagegen die vielen farbigen Abbildungen. Literaturangaben finden sich teilweise am Ende der Texte, auch diese meist nur belarussisch, eine Gesamtbibliographie, die auch einige wenige russische und englische Titel nennt, steht am Ende des 200 Seiten dicken Buches.

Die erste Triennale zur zeitgenössischen Kunst in Belarus

In der Zeit vom 23.11. bis 10.12.2012 war in Minsk zum ersten Mal eine große staatliche Ausstellung zur zeitgenössischen Kunst zu sehen. Veranstalter waren das Kulturministerium, die Stadt Minsk und das Zentrum für Zeitgenössische Kunst. Gezeigt wurde die Ausstellung in der gerade renovierten Halle der BelExpo.

Eigentlich wollte der Präsident nur mal wissen, wie es um die zeitgenössische Kunst im Lande steht. Herausgekommen ist eine sehr ambivalente Veranstaltung, die so ziemlich alle Fronten gegeneinander ausgespielt hat, die es in diesem Feld gibt. Zur anfänglichen Auswahl eines Kurators wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben, an der Jury waren noch mehr oder weniger alle Interessengruppen beteiligt. Der Gewinner zog seine Bewerbung zurück, der Zweitplatzierte übernahm den Job. Beenden konnte er ihn aber nicht, da es zu Auseinandersetzungen mit dem Leiter des Zentrums für Zeitgenössische Kunst, Viktor Olschewski, kam. Dieser (offenbar verwandt und verschwägert mit dem Präsidenten) schmiss den Kurator kurzerhand raus, weil er mit dem Konzept und der Auswahl der Künstler nicht einverstanden war. Obwohl kurz vor der Eröffnung, war das insofern kein Problem, weil er daraufhin einfach mehr seiner eigenen Werke ausstellte. Einige der zuvor ausgewählten Künstler übernahm er, die Lücken füllte er mit Schülern der Kunsthochschulen.

Wer all das nicht weiß, erhielt einen durchaus anregenden und interessanten Einblick in die verschiedenen Richtungen der Kunst im Lande. Außerdem bleibt schlicht die Tatsache, dass eine solche Ausstellung stattfindet, bemerkenswert bis hin dazu, dass damit die hierzulande wenig populäre zeitgenössische Kunst überhaupt ins Gespräch kommt. Zu verdanken, so hört man, sei das dem scheidenden Kulturminister Latuschko. Zu sehen sind die wohl bekanntesten belarussischen Künstler Ruslan Vaschkevich, Konstantin Selichanov und Vladimir Tsesler, der allerdings nach der Eröffnung seine Werke teilweise abzog, weil ihm das plüschige und postsowjetische Design der Halle ungeeignet für die Präsentation aktueller Kunsttendenzen schien – sicher zu recht. Des Weiteren sind verschiedene Künstlergruppen, darunter aus Vitebsk, zu sehen, Arbeiten von russischen, ukrainischen und serbischen Künstlern sowie Arbeiten aus dem Kontext der Akademie der Künste, der wiederum das Zentrum für Zeitgenössische Kunst untersteht.

Freilich gar nicht erste beteiligt hatten sich freie und unabhängige Künstler, andere sind abgesprungen, die Galerie Y wurde ebenfalls nicht eingeladen. Auch hatten sich viele Kuratoren gar nicht erst beworben, um nicht in die Nähe dieser staatlich dominierten Veranstaltung gerückt zu werden.  Kritiker beklagen aber letztlich nicht unbedingt allein die Auswahl der Künstler, sondern auch die Auswahl ihrer Werke. Auf diese Weise ist am Ende weniger eine Ausstellung zeitgenössischer Kunst, als vielmehr eine eher traditionelle Ausstellung herausgekommen. Ob es nach diesen Vorgängen eine Fortsetzung gibt, bleibt offen. Trotz aller Kritik aber ist das wünschenswert, kann doch unter den aktuellen Bedingungen die Kunst nur auf diesem (staatlichen) Wege aus ihrem Nischendasein geholt werden.

Begleitet wurde die Ausstellung durch zahlreiche Veranstaltungen im Begleitprogramm, darunter Musikprogramm und Gespräche. Hervorzuheben ist auch die durchaus entspannte Antmosphäre ind er Halle, in der auf großen Freifläschen Sitzkissen ausgeselgt waren, auf denen die Besucher sitzen oder liegen und entspannen konnten.

Heimliche Bilder des zerstörten Minsk

Das Museum des Ersten Kongresses der Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands (SDAPR) zeigt bis zum 6.1.2013 eine Ausstellung mit Gemälden von Anatolij Nalivajev (*1931). Zu sehen sind Gemälde der Hauptstadt in den 40er und 50er Jahren, die der Künstler aus dem Gedächtnis seit den 60er Jahren gemalt hat. Im und nach dem Krieg war es verboten, die Stadt zu fotografieren, es gibt daher nur wenige Aufnahmen, die den Zustand nach der deutschen Besatzung, aber auch nach den Zerstörungen durch die Sowjetunion selbst zeigen.

Das Museum selber ist angeblich der Ort, an dem die Partei im Jahre 1898 gegründet wurde. Es ist heute eine Filiale des Nationalen Historischen Museums und zeigt wechselnde Ausstellungen, die bisweilen gar nichts mit dem historischen Ort zu tun haben.

Ausstellung in Brest

Foto: http://www.tio.by/news/16774

Im Museum der Festung Brest hat die Ausstellung „Auf den Spuren der Museumssammlungen“ eröffnet. Sie erinnert an die Eröffnung des Museums vor 56 Jahren. Sie zeigt ca. 150 Exponate aus dem Fundus, die meisten davon aus persönlichen Sammlungen von Beteiligten der Kämpfe um die Festung im Juni 1941: Briefe, Fotos, persönliche Gegenstände, Bücher, Zeichnungen etc.

Eigentlich ist das für die Festung nichts Neues, aber dieses Mal geht es den Kuratoren um die Herkunft der Objekte. Wie sind sie ins Museum gekommen? Wer hat sie dem Museum geschenkt und warum? Die Herkunft der Gegenstände lässt sich dabei nicht nur auf Kriegsveteranen und ihre Familie zurückführen, sondern zum Beispiel auch auf den Zoll oder Ausgrabungen in Brest und Umgebung.

Der gesamte Fundus umfasst nach Angaben des Museums 84.000 Exponate. Leider sind solche Zahlen wenig aussagekräftig, da jedes Museum anders zählt (z.B. eine Münze oder eine Sammlung, einen Brief oder einen persönlichen Nachlass etc.). Die Ausstellung soll einen Beitrag dazu leisten, Objekte zu zeigen, die bisher nicht in der Dauerausstellung zu sehen waren. Die Ausstellung ist noch bis Anfang 2013 zu sehen.

Das Museum in der Festung haben (wieder nach Angaben des Museums) seit der Gründung 22 Millionen Besucher gesehen! Auf dem Platz der belarussischen Besucherstatistik nimmt es nach dem Nationalen Kunstmuseum den zweiten Platz ein.

Zeitzeugen der verbrannten Dörfer in Belarus

Foto: http://rus.delfi.lv/news/daily/politics/fond-vystavka-ugnannoe-detstvo-v-latvii-otkladyvaetsya-iz-za-davleniya-vlastej.d?id=42236388

Am 5.11.2012 wurden unter dem Titel „Verlorene Kindheit. Minderjährige Opfer der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik im Nordwesten der UdSSR“ in der Geschichtswerkstatt eine Fotoausstellung und ein Dokumentarfilm gezeigt, die sich dem Schicksal der Opfergruppe der „verbrannten Dörfer“ widmeten. Sie ist von der russischen Einrichtung „Historisches Gedächtnis“ zusammen mit dem belarussischen Fond Mira erarbeitet worden. Bereits im Januar war sie in Moskau im Museum für Zeitgenössische Geschichte gezeigt worden. Insbesondere in Lettland, aber auch Belarus hatte die Ausstellung für Diskussionen gesorgt.

Die Ausstellung umfasst ca. 30 Fotos aus Archiven aus Belarus, Lettland, Russland und privaten Sammlungen.

Sie zeigen den Alltag der Bevölkerung unter den nationalsozialistischen Terror-Aktionen, insbesondere von Kindern im KZ Salaspils. Der Film zeigt Interviews mit Überlebenden, die durch Filmaufnahmen und historische Fotos in den Kontext eingeordnet werden. Dabei handelt es sich um die Operation Winterzauber.

Die Fotos sind mit Quellenangaben versehen, im Film entsteht zuweilen der Eindruck, die Datierung von Ereignissen oder die Zuordnung von Einheiten und Orten gerate ein wenig durcheinander. Der Leiter von „Historisches Gedächtnis“, Alexander Djukov, hat zum Thema Kollaboration eine Publikation von Dokumenten vorgelegt: „Destroy as much as possible.“ Latvian collaborationist formations on the territory of Belarus, 1942 – 1944 (russisch 2009, englisch 2010), das auch einen Aufsatz des belarussischen Historikers Alexej Litvin enthält. Am Folgetag fand eine Konferenz in der Akademie der Wissenschaften statt mit Vertretern aus Deutschland, Russland, der Schweiz. Hier war u.a. ein Beitrag zu dem bisher völlig unerforschten Thema der Blutentnahme bei Kindern für deutsche Soldaten zu hören.

Archivmaterial zu dem Thema befindet sich um USHMM.

Eine Ausstellung zu Opfern des Vernichtungslagers Malyj Trostenec

Die Tafel zum Schicksal von Sima Margolina.

Für kurze Zeit war in der Geschichtswerkstatt eine Ausstellung von Studierenden der Humboldt-Universität in Berlin zusehen. Seit 2009 wird dort unter der Leitung von Prof. Dr. Michael Wildt das Schicksal von Juden erforscht, die aus Berlin in das Ghetto Minsk und das nahe gelegene Vernichtungslager Malyj Trostenec deportiert wurden. Einige dieser Biographien Zeit die kleine, aber feine Ausstellung, die derzeit in Schulen und anderen Bildungsorten in Belarus unterwegs ist.

In die Ausstellung für die Geschichtswerkstatt waren auch Biographien von belarussischen Opfern integriert worden, darunter die Schicksale von Sima Margolina und Maja Krapina. Beide haben den Holocaust überlebt, leben heute in Minsk und waren bei der Eröffnung der Ausstellung anwesend. Beide kommen regelmäßig zu den Veranstaltungen der Geschichtswerkstatt, mit deren Hilfe sie ihre Lebensgeschichten publiziert haben.

Die Ausstellung wird ergänzt durch eine Website, auf der die Berliner Biographien zu lesen sind. Darüber hinaus gibt es einen Stadtplan von Berlin, in dem virtuelle Stolpersteine für die Opfer verlegt sind. Mit einem Gedenkbuch, das in publizierter Form im April 2013 vorliegen soll, wird an alle Opfer erinnert.

Robert Büchtger

Screenshot der Website http://www.buechtger.tradicia.de/

Mit Belarus hatte er nichts zu tun, aber er steht doch für eine enge Verbindung zwischen deutsch- und russischsprachigem Kulturraum: der deutsch-russische Maler Robert Büchtger (1862-1951). Anlässlich seines 150. Geburtstages in diesem Jahr habe ich die eine Website zu seinem Leben und Werk erstellt. Das Projekt geht zurück auf einen Auftrag einer privaten Sammlerin von Robert Büchtger, der für mich Anlass war, in deutschen und russischen Museen und Archiven einmal nachzuforschen. Gerade wurde das Projekt auf einer Konferenz der Russischen Nationalbibliothek, der Jelzin-Präsidialbibliothek und des Generalkonsulats der Bundesrepublik Deutschland in St. Petersburg am 13.-14. November vorgestellt.

Roma als Opfer des Nationalsozialismus in Belarus

Unter diesem Titel wird in diesem Herbst eine Fotoausstellung der Organisation „Soziale Projekte“ in Gomel gezeigt. 40 Fotografien von Inna Trusevitch dokumentieren das Leben von Menschen im heutigen Belarus, die die Vernichtungsaktionen überlebt haben. Die Ausstellung verfolgt das Ziel, auf die Situation der Roma im Land aufmerksam zu machen. Diese leben meist in völliger Isolation, über ihr Schicksal ist so gut wie nichts bekannt.

Aktuell läuft ein Förderantrag eines belarussischen Archivwissenschaftlers und Historikers auf Förderung eines Forschungsprojektes zum Schicksal der Sinti und Roma in den besetzten Gebieten des heutigen Belarus zwischen 1941 und 1944.

Galina Lewina und das „International Children Plein Air Art Forum ‚Jewish Shtetle Revival’“ in Belarus

Foto: http://www.europeanjewishfund.org/index.php?/projects/projects_full/the_4th_ejf_art_forum_jewish_shtetl_revival_belarus/

In der vergangenen Woche war ich erstmals Gast beim International Art Forum, das in diesem Jahr zum 6. Mal in Belarus stattfand. Dank der Unterstützung des European Jewish Fund  kommen dabei jährlich 15-20 Jugendliche aus Belarus und weiteren Ländern (in diesem Jahr Bulgarien, Belarus, Serbien, Litauen, Moldova, Israel) zusammen, um eine Woche gemeinsam auf den Spuren jüdischer Geschichte in Belarus zu wandeln. Ihre Eindrücke verarbeiten die jungen Leute im Alter von 16 bis 23 künstlerisch. Dabei erhalten sie Workshops von Künstlern zu Malerei, Graphik, Töpfern und anderen Techniken. Als Schüler künstlerischer Schulen und Hochschulen in ihren Heimatländern ist dies zum einen eine Fortbildung.

Darüber hinaus besuchen sie aber auch historische Orte und verfallene Synagogen, sprechen mit Überlebenden des Holocausts und verarbeiten all das in ihren eigenen Arbeiten, aus denen am Ende der Woche eine Ausstellung entsteht.

Initiatorin und fachkundige Begleiterin der Jugendlichen ist Galina Lewina, selbst mehrfach ausgezeichnete Architektin und eine der drei Vertreterinnen von Belarus im European Jewish Parliament. Außerdem ist sie die Tochter des bekannten und ebenfalls mehrfach ausgezeichneten Architekten Leonid Lewin, der das Programm des Art Forums aktiv begleitet.

Das Ziel des Projektes beschreibt Galina Lewina in der Publikation der Projektergebnisse und Kunstwerke aus dem Jahr 2007 und 2008: „The plein air was a step of young members of Jewish communities to Jewish history through the art.” Sie selber hat offenbar einen starken Eindruck bei den jungen Leuten hinterlassen. Eine polnische Teilnehmerin aus dem Jahr 2007/2008 schreibt über sie: „… a kind of super-woman, who between an active career as an architect, a published poet and writer, also a community organizer, found the time and energy to organize this art camp…“ Diesen Eindruck kann ich aus meiner persönlichen Bekanntschaft mit Galina nur bestätigen!

Belarussisch-französische Kulturbeziehungen könnten besser sein

… so drückte sich unlängst der französische Botschafter Michel Rainieri anlässlich der Eröffnung eines französischen Filmfestivals in Mogiljov aus. Er brachte seine persönliche Enttäuschung zum Ausdruck und verwies auf seine ehrgeizigen Pläne im Kulturbereich, als er vor drei Jahren als Botschafter nach Belarus kam. Aufgrund unterschiedlicher Prioritäten, aber auch nicht eingehaltener Absprachen und fehlender Partner sei es nicht zur Realisierung dieser Pläne gekommen.

Zu den Vorhaben der französischen Seite zählte zum Beispiel eine Reihe von Veranstaltungen zum 200. Jahrestag der napoleonischen Kriege. Auch war die Ausstellung eines französischen Museums in Belarus geplant, doch die belarussische Seite konnte die Sicherheit und fachgerechte Präsentation der Exponate nicht gewährleisten, so Rainieri . Im letzten Moment sei die Ausstellung daher ins europäische Ausland vergeben worden. Offenbar ging es um eine Ausstellung von Gemälden Marc Chagalls – kein belarussisches Museum sei bereit gewesen, die Ausstellung zu zeigen.

Ausstellung der Görlitzer Skorina-Bibel in Minsk und Neswish

Ich zitiere die Pressemitteilung Nr. 13 der Deutschen Botschaft, Minsk, 02.10.2012:

„Am 4. Oktober 2012 um 16 Uhr findet in der Belarussischen Nationalbibliothek Minsk die feierliche Eröffnung der Ausstellung „Franzisk Skorina – Reise in die Heimat“ statt. In dieser Ausstellung wird neben den Skorina-Büchern aus der Sammlung der Nationalbibliothek Minsk erstmals die Skorina-Bibel der OLB (Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften, Görlitz, Bundesrepublik Deutschland) gezeigt. Diese Bibel umfasst 11 zu einem Konvolut zusammengefasste Bücher, die von Franzisk Skorina in den Jahren 1517-1519 in Prag gedruckt wurden. Unter diesen Drucken befinden sich auch solche, die es in der Sammlung der Nationalbibliothek nicht gibt: „Genesis“ mit dem wunderschönen Holzschnitt auf der Titelseite und die vier „Bücher der Könige“ mit dem berühmten Portrait Skorinas.

Die Görlitzer Skorina-Bibel ist eine herausragende bibliophile Rarität der OLB.  Die Drucke gelangten über ihre früheren Eigentümer zunächst von Prag nach Breslau, dann nach Görlitz, wo sie seit 1615 nachgewiesen sind. Sie werden erstmalig in Belarus ausgestellt. Sie werden vom 4.-13. Oktober 2012 im Buchmuseum der Nationalbibliothek und vom 15.- 24. Oktober 2012 im Kulturhistorischen Nationalmuseum Neswish zu sehen sein.

Die Ausstellungen stehen unter der Schirmherrschaft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland und des Kulturministeriums der Republik Belarus.“

200 Jahre Napoleon – zahlreiche Veranstaltungen in Belarus/Weißrussland

Eine Postkarte aus der Sammlung von V. Lichodedov. http://www.rg.ru/2012/07/19/saltanovka.html

Etwas spät, aber doch noch rechtzeitig vor Ablauf des Jubiläumsjahres, möchte ich die wirklich erstaunliche Aufmerksamkeit hervorheben, die das Land den Ereignissen von 1812 widmet. Die ist insofern bemerkenswert, als der Krieg hier in Belarus vielfach als ein Kampfgeschehen gesehen wird, mit dem die Weißrussen nichts zu tun hatten  – war es doch ein Krieg des Russischen Reiches. Dazu passt, dass man sich gelegentlich von der in der russischen und vorher sowjetischen Historiographie gebräuchlichen Bezeichnung “Vaterländischer Krieg” distanziert. Auf der anderen Seite nutzt man den Jahrestag und erinnert an die Ereignisse, die sich auf dem Gebiet der eigenen Heimat abgespielt haben, und verleiht dieser Form der Erinnerung damit einen nationalen Anspruch.

Bereits im März des Jahres hatte es seine Konferenz von Vertretern des Militärs aus Russland und Belarus gegeben, um die laufenden und weiteren Maßnahmen sowie Forschungsprojekte zu besprechen. Alle Projekte und Vorhaben zum 200. Jahrestag des russisch-französischen Krieges, so das Außenministerium im Mai, dienten der Versöhnung in Europa und dem gemeinsamen historischen Erbe.

Zu den zahlreichen Maßnahmen gehören neben Ausstellungen in verschiedenen Museen und der Nationalbibliothek, Reenactment und Konferenzen auch eine gemeinsame Grabung von belarussischen und französischen Experten am Ort des Geschehens an der Berezina. Dabei sollen sowohl Massengräber als auch Reste von Brücken und militärischen Anlagen gesucht werden. Unterstützt werden die Archäologen von einem Experten des 52. Unabhängigen Suchbataillons der Armee. Auf belarussischer Seite geht man davon aus, dass 25.000 bis 30.000 Weißrussen in der Armee Napoleons gedient haben könnten.

Im Juli fand in der Nähe von Mogiljov eine feierliche Zeremonie zur Beisetzung  der Überreste von drei russischen Soldaten statt, die im Kampf gegen die französische Armee 1812 ihr Leben verloren hatten. Dabei wurde hervorgehoben, dass die Einwohner sich hier tapfer gegen die napoleonische Armee gestellt hatten und diese nicht, wie in vielen anderen Orten, freudig mit Brot und Salz begrüßt haben.

Das Touristenbüro hat einen eigenen Führer zu den historischen Orten von 1812 herausgegeben. Er informiert über lokale Denkmäler und Obelisken, Orte, an denen Napoleon sich aufgehalten hat (z.B. im Gouverneurspalast in Vitebsk) und verweist auf Veranstaltungen und Museen (wie z.B. das Museum im Haus von Pjotr Bagration in Volkovysk). Bemerkenswert ist, dass auch auf ein Denkmal für die russischen Juden hingewiesen wird, das sich in Brilevskoe Pole findet. Besonders hervorzuheben ist die Festung in Bobrujsk.

Von den zahlreichen Artikeln in den Zeitungen möchte ich eine Serie in der Zeitung „Sojuz. Belarus’ – Rossija“ hervorheben. Der eher langweilige Text erzählt die Ereignisse von 1812 nach, ohne Quellen oder sonstige Hinweise. Interessant sind aber die Abbildungen von Postkarten zu 1812 aus der offenbar privaten Sammlung von Vladimir Lichodedov, einen vielfach ausgezeichneten Historiker. Im Juni wurde seine graphische Sammlung zu 1812 im Museum des Großen Vaterländischen Krieges in Minsk gezeigt.

Neben einer Konferenz im Dezember, zu der auch internationale Experten (u.a. vom DHI Moskau) eingeladen sind, steht im November noch eine „Historische Rekonstruktion“ in Studenka auf dem Programm.

Das Victoria & Albert Museum zu Gast in Belarus

„Zu uns kommen die Könige“, so lautete die Überschrift eines Artikels über die aktuelle Präsentation des Londoner Museums im Nationalen Kunstmuseum (WHERE MINSK 8/2012, S. 12). Ganz Minsk ist mächtig stolz auf diese Ausstellung und an einem Besuch führt kein Weg vorbei. Noch bis zum 4. November ist die Ausstellung „Königliche Kostbarkeiten: Europäische Schätze 1600-1800“ in Minsk und im Schloss Nezvizh zu sehen. Die thematisch gegliederte Schau zeigt über 40 Exponate, darunter Gemälde, Skulpturen, Keramik, Glas, Möbel, Textilien und Kleidung aus Großbritannien, Belgien, Frankreich, Holland und anderen europäischen Ländern.

Genau genommen sind alle ganz aus dem Häuschen wegen dieser Ausstellung und das hat wohl mehrere Gründe. Zum einen kommt es leider recht selten vor, dass ein wirklich bedeutendes europäisches Museum mit einem belarussischen Museum in diesem Maßstab kooperiert. In den letzten Jahren jedenfalls hat es keine nennenswerte Ausstellung aus einem westeuropäischen Museum oder ein vergleichbares Gemeinschaftsprojekt gegeben. Und wenn es dann eben doch mal dazu kommt, wie jetzt in diesem Fall, dann ist das auch ein Grund zum Feiern. Für die Kultur- und Museumsszene jedenfalls lassen sich die Reaktionen so zusammenfassen: Es gibt uns auch noch und wir haben auch etwas zu bieten! (Was stimmt!)

Das ist auch der zweite Grund für die fast euphorischen Besprechungen der Ausstellung: Letztlich zeigt die Ausstellung aus London doch nur, dass Belarus heute wie schon immer ein Teil Europas ist. Dies zeige sich, so eine Besprechung,  insbesondere in dem Ausstellungsteil in Nezvizh, wo der Besuch der erst in diesem Jahr eröffneten Räumlichkeiten der Besichtigung der Exponate aus London in keiner Weise nachsteht. Nicht grundlos ist Nezvizh zudem auch die Kulturhauptstadt Weißrusslands in diesem Jahr. Und man ist stolz, dass Minsk die bisher erste Station der Ausstellung in Europa ist!

Drittens schließlich scheinen die für internationale Ausstellungen üblichen und daher meist nicht erwähnenswerten Standards der Präsentation (Licht, Klima, Sicherheit etc.) in Belarus den einen oder anderen Museumsprofi wieder daran zu erinnern, dass die Beachtung eben jener Standards auch den belarussischen Kostbarkeiten in den Ausstellungen ganz gut täte. Genauso scheint es mit der Beschriftung zu sein: Als außergewöhnlich wird hervorgehoben, dass man die Ausstellung mit Hilfe der Objektschilder, also ohne Führung, besichtigen und begreifen kann! Leider sind weder das eine noch das andere die Regel in Belarus, und man wundert sich des Öfteren über den sorglosen Umgang mit den eigenen Sammlungen.

Welche Gründe die Besucher auch immer haben, zu dieser Ausstellung kommen offenbar täglich 500 Besucher, so berichtet der Medienpartner „Sovetskaja Belarus“ . Es wären Belarus mehr solcher Großprojekte für die Sicht über den Tellerrand zu wünschen!

Sommeruniversität an der Akademie der Wissenschaften

Als ich dachte, die Organisation an der Staatlichen Universität, wo ich Anfang des Jahres ein Seminar zum Ausstellungsmanagement gehalten habe, sei beklagenswert, so hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch keine Erfahrung in dieser Hinsicht mit der Akademie der Wissenschaften gemacht, konkret mit dem Institut für Geschichte. Das konnte ich jetzt im Rahmen einer DAAD-Sommeruniversität zur Geschichte des Ersten Weltkrieges in Belarus nachholen.

Schon im Frühjahr hatte mich ein Mitarbeiter des Instituts um Rat gefragt bei der Beantragung der Gelder beim DAAD, der thematischen Ausgestaltung des Programms und der Gewinnung deutscher Studenten. Tatsächlich nahm das Unternehmen Gestalt an und so erklärte ich mich bereit, einen Tag zum Thema „Der Erste Weltkrieg im Museum: Ausstellungen in Deutschland, Russland und Belarus“ zu bestreiten. Das ist insofern ein durchaus aktuelles Thema, als es in Belarus Pläne gibt, ein eigenes Museum zum Ersten Weltkrieg zu eröffnen. Eine Arbeitsbesprechung dazu steht Ende September unmittelbar bevor. Soweit so gut.

Im folgenden Verlauf der Vorbereitungen konnte ich dann nur dank hartnäckiger Eigeninitiative immer wieder vorläufige Angaben über den Termin, den Ort oder die Teilnehmer bekommen. Als ich dann zwei Tage vor dem mühsam vereinbarten konkreten Termin noch immer nichts gehört hatte – ganz zu schweigen von einer offiziellen Anfrage, einer Einladung zur Eröffnung oder technischer Absprachen für die Durchführung des Seminars – habe ich mit nur schwer unterdrücktem Unmut wieder hinterher telefoniert, um wieder nur ratlose Antworten und wenig konkrete Informationen zu bekommen.

Um der Studenten willen habe ich das Seminar dann doch noch durchgeführt, was sich vor Ort dann auch als konstruktiv und für alle Beteiligten als informativ erwiesen hat. Teilgenommen haben letztlich drei von ursprünglich acht deutschen Studenten, die sich für die Sommeruniversität beworben hatten, ca. fünf Mitarbeiter des Instituts für Geschichte sowie zwei Mitarbeiterinnen des Museums für belarussische Literatur. Belarussische Studenten, die man bei einer internationalen Sommeruniversität durchaus erwarten könnte, waren nicht anwesend, aber auch als Teilnehmer nicht vorgesehen, angeblich, weil sie alle noch in den Ferien sind.

Die deutschen Studenten waren aber insgesamt zufrieden, fühlten sich gut betreut und in der Stadt wohl. Zu ihrem Programm gehörte noch ein Vortrag zum Ersten Weltkrieg in Belarus von Vjacheslav Bondarenko sowie ein Methodenseminar bei Sergej Novikov von der Pädagogischen Universität. Außerdem Ausflüge in das Museum zum Gedenkfriedhof des Erstens Weltkrieges in Minsk und zum Museum in Zabrodje, nach Naroch’ sowie zu weiteren kulturellen Sehenswürdigkeiten.

Auch wenn sowohl die Organisation als auch der thematische Bezug zum Esten Weltkrieg noch deutlich zu wünschen übrig lassen, so ist es doch letztlich erfreulich, dass sich immerhin einige wenige Studenten aus Deutschland auf den Weg in das ihnen bis dahin völlig unbekannte Belarus machen, um zu Hause von ihren insgesamt positiven Erfahrungen zu berichten.

Zwei Bildhauer

Foto: http://ctv.by/node/469833

Noch bis Ende Juli findet im Azgur-Museum eine Ausstellung des Bildhauers Konstantin Selichanov statt. Ein Besuch lohnt sich aus zwei Gründen: Zum einen zeichnet sich das Werk Selichanovs durch einen ganz eigenen Stil aus, den der Künstler selber „neuen sozialistischen Realismus“ nennt. In der aktuellen Ausstellung stehen Sportler der 30er Jahre im Zentrum – zugleich gesichtslos Teil einer imposanten Parade, und doch individuell, jeder für sich. An den Skulpturen arbeitete Selichanov, dessen Werk insgesamt vom Film inspiriert ist, fast 10 Jahre.

Der Ausstellungsort, das Azgur-Museum in Minsk, hat der Künstler nicht zufällig gewählt, und das ist auch der zweite Grund für einen Besuch der Ausstellung. Die Atmosphäre im Museum ist geprägt von den zahlreichen monumentalen Skulpturen vergangener Zeiten, die der Bildhauer Zair Azgur hier, in seiner Werkstatt, angefertigt hat. Zair Isaakovich Azgur (1908-1995) war ein sowjetischer Bildhauer, in Vitebsk geboren, hauptsächlich aktiv in Minsk. Von ihm stammen die Figuren am Opernhaus sowie zahlreiche Büsten bekannter Persönlichkeiten im Stil des sozialistischen Realismus. Seine Werkstatt bietet eine ideale Umgebung für die Werke Selichanovs, die zusammen mit Azgurs Skulpturen gleichsam eine Verbindung eingehen und Parallelen im Werk beider Künstler sichtbar werden lassen.

Chagall in Vitebsk

Das Chagall-Art-Center.

Sowjetische Lexika führten Marc Chagall als französischen Künstler, so dass er nach 1991 für seine belarussische Heimat erst wieder entdeckt werden musste. Ein erster Schritt war die Gründung des Chagall-Kunst-Zentrums in Vitebsk, in dem heute in wechselnden Ausstellungen graphische Arbeiten des Künstlers ausgestellt werden. 1997 wurde das Wohnhaus, in dem Chagall seine Jugend verbrachte, als Museum hergerichtet und verzeichnet seitdem eine wachsende Besucherzahl.

Außerdem kann man in der Stadt noch das Gebäude der Kunstschule besichtigen, das Chagall als Kommissar für die „Schönen Künste“ 1919 gegründet hat. Hier ist ein Zentrum für zeitgenössische Kunst geplant, von dem bisher aber nur eine Baustelle zu sehen ist. Darüber hinaus steht noch ein Gebäude, in dem Chagall vermutlich in die jüdische Sonntagschule gegangen ist.

Dass Chagall noch immer nicht ganz im belarussischen Bewusstsein angekommen ist, zeigt z.B. die Tatsache, dass bisher keines der Gebäude mit einer Gedenktafel oder einem anderen Hinweis versehen. Auch gibt es kein Tourismuskonzept, keine Hinweise in der Stadt, geschweige denn Merchandising-Artikel.

Glaubt man der umtriebigen Direktorin, Ludmilla Chmelnickaja, der beiden Chagall-Museen, so ist all das für die Zukunft geplant. Bis jetzt aber muss sie die Sammlungsbetreuung, Führungen und Veranstaltungen mit zwei wissenschaftlichen Mitarbeitern bestreiten.

Das ehemalige Wohnhaus von Marc Chagall.

Seit einigen Jahren veranstaltet das Kunstzentrum die jährlichen „Chagall-Lesungen“ und gibt seit 2000 ein „Bulletin“ heraus. Es informiert über Neuigkeiten zum Museum, Veranstaltungen, Ausstellungen, enthält wissenschaftliche Beiträge, Texte von Chagall sowie die Publikation der jährlichen Konferenzbeiträge. Nach der anfänglichen zweisprachigen Veröffentlichung in russisch und belarussisch, erscheinen die Hefte nunmehr nur auf russisch – zu wenig Feedback zu der belarussischen Ausgabe, wie mir die Direktorin sagte.

Erwähnenswert ist noch die umfangreiche Bibliothek zu Chagall, mit über 5.000 Bänden, die mittlerweile Forscher aus aller Welt anlockt. Zur Sammlung des Museums gehören ca. 300 Arbeiten des Künstlers, darunter eine vollständige Sammlung der Illustrationen zu Gogols „Toten Seelen“, die es sonst nur in Moskau und den USA gibt.

Chagall in Minsk

Foto: http://blogs.privet.ru/community/paam/125225034

Seit dem 7. Juni ist im Zentrum von Minsk eine Open-Air-Ausstellung mit Reproduktionen von Werken von Marc Chagall zusehen. Anlass ist der 125. Geburtstag des Künstlers, der in diesem Jahr mit verschiedenen Veranstaltungen und Ausstellungen begangen wird.

Die vom Museum für Zeitgenössische Kunst initiierte Ausstellung wird bis zu, 9. September, dem Geburtstag der Stadt Minsk, auf dem Jakub Kolas-Platz zu sehen sein. Sie zeigt 19 Arbeiten des in Vitebsk geborenen Künstlers, die sich heute in Moskau, Petersburg und Vitebsk befinden. Sie alle sind entstanden, bevor Chagall seine Heimat verließ und nach Paris umsiedelte.

Open-Air-Ausstellungen gibt es so gut wie keine in Belarus, es handelt sich also um ein für die Stadt ungewohntes Format. Hinzu kommt, dass die Arbeiten in einem vergrößerten Format gezeigt werden, womit sie dem Platz einen ganz ungewohnten Charakter verleihen.

Im September sollen im Kunstmuseum die vor Kurzem von einer Bank erworbenen Werke von Chagall und Soutine sowie weitere Originalwerke gezeigt werden. Dies gab Kulturminister Latuschko bei der Eröffnung am 7. Juni bekannt. In der Ausstellung sollen auch 92 Werke Chagalls aus Jerusalem gezeigt werden.

Gedenkstätte für die zerstörten Dörfer in Dalva

Unweit von Chatyn, der zentralen Gedenkstätte für die im Zweiten Weltkrieg zerstörten und verbrannten Dörfer in Belarus, befindet sich ein weiterer, kleinerer Gedenkort für die Dörfer. In dem ehemaligen, am 19.6.1944 zerstörten Dalva, gibt es ein Denkmal und ein kleines Museum.

Wie in Chatyn, zu dessen Verwaltung Dalva auch gehört, wurden auch hier die 44 Bewohner in eine Scheune gesperrt, die daraufhin abgebrannt wurde. Einer der Überlebenden initiierte die Gedenkstätte, die 1973 eröffnet wurde. Die Gestaltung der Gedenkstätte stammt von dem Bildhauer Vladimir Terebun. Insbesondere durch die angedeuteten Umrisse der ehemaligen Häuser erinnert die Konzeption stark an Chatyn, man könnte fast sagen, es handelt sich um ein Plagiat.

Das kleine Museum umfasst einen Raum und ist eher ein Gedenkraum, als eine Ausstellung. Auch hier gibt es keinerlei erklärenden Text, sondern nur eine Aneinanderreihung von Dokumenten, Fotos und Erinnerungsstücken, die im Einzelnen nicht erklärt werden. 

Ausstellung in der Geschichtswerkstatt

Foto: http://ibb.by/ru/news/644

Noch bis zum 22. Juni zeigt die Geschichtswerkstatt die Ausstellung des weißrussischen Künstlers Vladimir Vol’nov „Asche in den Himmel“. Zur Eröffnung sprachen der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinden und Organisationen, Leonid Levin, und der Leiter des IBB Minsk, Viktor Balakirev.

Die Arbeiten des Künstlers reflektieren dessen persönliche Verarbeitung des Holocaust in Belarus. Dazu verwendet er persönliche Erinnerungs- und Fundstücke von Opfern der nationalsozialistischen Besatzung und verarbeitet sie in Gemälden, Kollagen und Installationen. Vol’nov hat den Krieg als 4jähriger in Vitebsk überlebt, bevor er in ein Kinderheim in Russland kam. Erst 1961 wurde sein Vater gefunden, und er kehrte in seine Heimat zurück. Dort war ihm 2011 eine Einzelausstellung gewidmet.

Ursprünglich war geplant, eine der großen Installationen „Asche in den Himmel“ im Parkgelände vor der Geschichtswerkstatt aufzustellen. Darauf wurde aufgrund der Wetterbedingungen, aber auch des wohl unendlichen Genehmigungsverfahrens verzichtet. Sehr zum Vorteil der Geschichtswerkstatt, wie ich finde, die mit dieser Ausstellung eine der leider zu seltenen, für Minsk und Belarus so besonderen Ausstellungen zeigen kann. Noch immer ist die Auseinandersetzung mit dem Holocaust und den individuellen Erinnerungen an den Krieg in der zeitgenössischen Kunst in Belarus eine Seltenheit. Wo, wenn nicht in der Geschichtswerkstatt, sollte sie gezeigt werden?

Die düsteren, aber sehr wirkungsmächtigen Werke kommen in dem Gebäude, dem letzten erhaltenen Haus im Gebiet des ehemaligen Ghettos, eindrucksvoll zur Geltung. Zuvor war die Ausstellung in Nienburg in Deutschland zu sehen. Arbeiten des Künstlers sind in Deutschland bereits mehrfach ausgestellt worden.

„Nachkriegsfrühling“ – eine gelungene Sonderausstellung im Museum der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges

Derzeit zeigt das Museum des Großen Vaterländischen Krieges die dritte aus einer Reihe von Sonderausstellungen , deren Exponate in der Bevölkerung per Aufruf gesammelt wurden. Dieses Mal sind es Kleider und Accessoires für die Dame in den beiden Jahrzehnten nach dem Krieg. Dabei sind einzigartige Ausstellungsstücke zusammengekommen: handgenähte Kleider und Abendtaschen, Familienschmuck, der den Krieg wie auch immer überstanden hat, frühe Importe, u.a. aus Tschechoslowakei und der DDR, Gummiüberschuhe zur Schonung der einzigen Abendschuhe, Haarschmuck, Fotografien und vieles mehr.

Man kann auch bei dieser Ausstellung wieder vieles bemängeln, was nicht dem internationalen Standard entspricht. Sieht man von Beleuchtung, Präsentation, technischer Ausstellung etc. ab, so bleibt, wie fast immer, zu beklagen, dass es keinerlei Texte gibt. Damit fehlt jede Einordnung in den historischen Kontext, aus dem wir entnehmen könnten, wie es um die weibliche Bevölkerung nach dem Großen Vaterländischen Krieg stand, woher unter den gewaltigen Herausforderungen der Nachkriegszeit die Kleider und Stoffe kamen und wie sich das kulturelle und gesellschaftliche Leben in Friedenzeiten neu entwickelte, zu dessen Veranstaltungen die Kleider getragen wurden.

Man kann sich aber auch einlassen auf das Konzept dieser liebenswerten Ausstellung, in der einem angesichts des im übrigen Museum so bedrückenden Themas das Herz aufgeht. Für fast jedes Exponat findet sich eine kleine persönliche Geschichte darüber, von wem es stammt und unter welchen Umständen es entstanden oder in die Familie gekommen ist. Während man die teilweise einfach nur schönen oder anrührenden Erinnerungsstücke betrachtet, begleitet einen Tanzmusik der frühen 50er Jahre, und an einer Stelle kann man die Düfte der legendären Parfümfabrik „Neue Morgenröte“ ausprobieren oder sich ein einem Fotoabbild eines der Kleider fotografieren lassen.

Auf diese Weise verlässt man das Museum wohl gestimmt und durchaus zufrieden. So geht es übrigens wohl den meisten Besuchern, bei denen die Ausstellung sehr beliebt ist. In den ersten beiden Monaten kamen 3.000, der Journalistin von Narodnaja Volja hat es so gut gefallen, dass sie einen großen Artikel geschrieben hat. Die Ausstellung ist noch bis zum 1. Juni zu sehen.

Lange Nacht der Museen

Heute ist es mal wieder soweit, und das auch noch am Internationalen Museumstag: In Minsk startet die Lange Nacht der Museen mit einem vielfältigen Programm.

Neueröffnung der Ausstellungsräume im Schloss Nesvizh steht kurz bevor

Als eines der bedeutendsten Kulturereignisse hat der Kulturminister Pavel Latuschko die Wiedereröffnung des Radziwill-Schlosses Nesvizh im Juni nach der Restaurierung bezeichnet.

Angesichts der gestiegenen Besucherzahlen von Museen (5 Mio im letzten Jahr), will Latuschko dieses Ereignis auch nutzen, um den Tourismus fördern. Positive Erfahrungen hat man bereits beim Schloss Mir gemacht, wo die Einnahmen nach der Neueröffnung um ein 8faches gestiegen waren, so der Minister. Zusammen mit den durchschnittlich 60 Festivals in Belarus pro Jahr biete das neue Schloss einen weiteren Anziehungspunkt für einheimische und ausländische Touristen.


Gerüchteküche aus dem Nationalen Kunstmuseum

Aus Kollegenkreisen ist zu hören, dass das Kunstmuseum das für dieses Jahr zugesagte Budget für Sonderausstellungen vom Kulturministerium nicht bzw. nicht in vollem Umfang erhält. Deshalb könne, so heißt es, keine der geplanten Ausstellungen stattfinden, mit einer Ausnahme: Der Präsentation der von der Belgazprombank neu angekauften Gemälde , die in der Zwischenzeit in Belarus sind (BelaPan 10. April) und im September im Kunstmuseum gezeigt werden sollen. Es handelt sich um die Gemälde „les Amoureux“ von Marc Chagall und “Les grands pres a Chartres” von Chaim Soutine. Es sind die ersten und bisher einzigen Werke der beiden Künstler in Belarus.

Für weiteren Unmut sorgt die Tatsache, dass auch aus Russland, genauer aus der Eremitage, eine „versprochene“ Ausstellung zu 1812 nicht nach Minsk kommen wird. Offenbar fehlt auch hierfür auf weißrussischer Seite das Geld. Und schließlich gab es (bisher freilich interne) Pläne, im Rahmen der Städtepartnerschaft Bonn-Minsk eine Ausstellung zu realisieren. Dieses Projekt wurde ebenfalls auf Eis gelegt – zum einen wegen des fehlenden Geldes, zum anderen aber auch wegen der angespannten politischen Lage, die insbesondere auch das Verhältnis zu Deutschland betreffen.

Lewin-Ausstellung in Chatyn eröffnet

Leonid Lewin und seine Tocher Galina Lewina.

Gestern fand in der Gedenkstätte in Chatyn die Eröffnung einer kleinen Ausstellung über das Werk des bekannten Architekten Leonid Lewin statt. Die Ausstellung basiert auf einer Publikation des IBB Minsk über Lewins Gedenkstätten. Die deutsch- und russischsprachige Ausstellung wurde bereits in einigen Städten Deutschlands und an verschiedenen Orten in Belarus gezeigt, u.a. auch in der Geschichtswerkstatt.

Die Ausstellung ist wieder mal ein Beispiel dafür, wie sich das Verständnis von Sonderausstellungen und ihrer Bedeutung für ein Museum oder eine Gedenkstätte in Belarus von dem in Deutschland unterscheidet. Sie werden häufig nur sehr kurz gezeigt, gar nicht oder nur sehr kurzfristig beworben und kaum als besonderes Ereignis im Veranstaltungskalender genutzt. Die Eröffnung findet meist an einem Wochentag vormittags statt, das Programm beschränkt sich auf eine Aneinanderreihung von Grußworten. Die Räumlichkeiten selbst sind häufig für den Zweck umgestaltete Räume der Dauerausstellung, wobei sich die Gestaltung auf die Hängung beschränkt.

So war es auch in diesem Fall, und sieht man von den sicher eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten gerade der Gedenkstätte in Chatyn ab, so war es doch angesichts der Bedeutung von Leonid Lewin fast ein wenig beschämend. Es waren maximal 15 Gäste anwesend, darunter Museumsmitarbeiter, einige Studentinnen und Angehörige der Geschichtswerkstatt. Von offizieller Seite war gerade mal ein Stellvertreter der Bezirksverwaltung gekommen, dessen große Worte weder zu seiner Erscheinung noch zu der realen Unterstützung der Verwaltung für die Gedenkstätte passten. Nur gut, dass Lewin das alles nicht anficht und er, zusammen mit seiner Tochter Galina, unerschütterlich für generationenübergreifende Erinnerung, Verständigung und Versöhnung eintritt.

Napoleon-Ausstellung im Historischen Museum

In diesem Jahr jährt sich bekanntlich der Überfall Napoleons auf das Russische Reich zum 200. Mal. Aus diesem Anlass zeigt das Nationale Historische Museum seit einigen Wochen eine Sonderausstellung. Der Titel „Der Krieg des Jahres 1812 in der Stadt Minsk“ gibt die Perspektive vor, die sich allerdings nicht konsequent durch die Ausstellung zieht. Vielmehr ist, wie so häufig in hiesigen Sonderausstellungen, auf den ersten Blick weder Konzept noch Gliederung für den Einzelbesucher erkennbar.

Die Ausstellung beginnt in dem ersten der sechs Abschnitte mit einer Bestandsaufnahme der russisch-französischen Beziehungen Anfang des 19. Jh., wirft einen Blick auf die Lage in den Armeen und zeichnet die Kampfhandlungen nach. Dabei liegt der Fokus leider nicht immer erkennbar auf Minsk und den weißrussischen Gebieten. Nur vereinzelt finden sich Bezüge zur Stadt Minsk, etwa in zeitgenössischen Abbildungen oder in Dokumenten.

Die Highlights und Blickfänge der abwechslungsreich und lebendig gestalteten Ausstellung sind Uniformen und Waffen. Nicht alle sind Originale, die Reproduktionen allerdings sind ausgewiesen. Texte zur Orientierung fehlen, es gibt nur einen einleitenden, sehr langen und schlecht lesbaren Text am Eingang der Ausstellung, der die politischen Konstellationen reflektiert. Ein Bildschirm sollte wohl vertiefende Filmdokumente bieten, ist aber bisher nicht in Betrieb. Überhaupt sieht das Konzept vor, die Ausstellung im Laufe des Jahres immer wieder durch Objekte aus den verschiedenen Museen des Landes zu aktualisieren und neue Akzente zu setzen.

Die Kuratoren der Ausstellung sind junge professionelle Museumsleute, die das inhaltliche Konzept ursprünglich stärker auf die Person Napoleons und seine durchaus auch positive Aufnahme in dieser Region fokussieren wollten. Dies schien dem Museum aber nicht geheuer und wurde entsprechend zurückgenommen. Immerhin besteht die Ausstellung darauf, für Weißrussland/Belarus nicht, wie in der russischen und sowjetischen Rezeption üblich, vom „Vaterländischen Krieg“ zu sprechen mit dem Argument, eine Verteidigung des Vaterlandes sei dieser Krieg für die dem Russischen Reich einverleibten weißrussischen Regionen nicht gewesen.

Die Ausstellungskonzeption und weitere Hintergründe zur Ausstellung finden sich in einem Artikel im aktuellen Heft der Zeitschrift „Muzejny Vesnik“ (Музейны Веснiк) .

Ausgrabungsfunde am Alten Schloss in Minsk

Im Zusammenhang mit Ausgrabungen des Minsker Schlosses sind im Februar antike Schmuckstücke gefunden worden. Ein besonderes Stück, das jetzt im Nationalen Historischen Museum ausgestellt wird, ist ein goldenes Armband aus dem 12.-13. Jh., das insofern selten ist, als die meisten Schmuckstücke dieser Zeit in der Region aus Silber gefertigt waren. Wahrscheinlich wurde es nicht hier gefertigt, sondern von weither nach Minsk gebracht. Diese Vermutung liegt nahe, da es keine Vergleichsstücke in Belarus gibt. Vielmehr finden sich solche Arbeiten in Skandinavien. (Quelle: Zeitschrift WHERE MINSK, Februar 2012, S. 30)

Ausgrabungen auf dem Gebiet der ehemaligen Altstadt von Minsk, entlang des heutigen Prospekt Pobeditelej, wo sich auch das Schloss befand, finden seit einigen Jahren statt. Geplant ist ein Museum zur Geschichte der Stadt.

Moderne Kunstklassiker in Belarus/Weißrussland

Lange hat sich Belarus nicht sonderlich um sein künstlerisches Erbe der Moderne bemüht. Der wohl berühmteste auf dem Gebiet von Belarus (in Vitebsk) geborene Künstler, Marc Chagall, schien seinen Landsleuten bisweilen sogar ein wenig peinlich zu sein. Jedenfalls gibt es bis jetzt außer einigen wenigen Graphiken (sie befinden sich im Marc-Chagall-Museum in Vitebsk) keine Originalwerke im Land.

Das soll sich jetzt ändern. Auf einer Auktion bei Christie’s hat die weißrussische Belgazprombank zwei Werke bekannter belarussischer Künstler gekauft: Eine Arbeit von Marc Chagall (Öl auf Leinwand, 1934) und eine von Chaim Soutine (1981), mehr ist noch nicht bekannt über den Ankauf. Die Bilder sollen im September im Nationalen Kunstmuseum ausgestellt werden. Sie werden allerdings in keine staatliche Sammlung übergehen, sondern Teil der Kunstsammlung der Bank bleiben. Diese umfasst bereits mehrere Werke weißrussischer Künstler der Pariser Schule (École de Paris) von Ende des 19. und Anfang des 20. Jh.

Soutine wurde 1893 in Smilowitschi, in der Nähe von Minsk, geboren. Eine kleine Ausstellung, die an ihn erinnert, befindet sich in seiner Heimatstadt.

Radius Null – Zeitgenössische Kunst in Minsk

Blick in die Ausstellung.

Vom 29.2. bis 10.3. fand eine der seltenen innovativen Kunstprojekte in öffentlich zugänglichem Raum in Minsk statt. Eine Gruppe von zeitgenössischen Künstlern stellte ihre Werke in der stillgelegten Fabrikhalle der staatlichen Konsumgutfirma Horizont aus. Ziel war es, so die Veranstalter, künstlerische Positionen des ersten Jahrzehnts im 21. Jahrhundert am Beispiel von Minsk auszuloten.

Die Kuratoren des Projekts sind R. Vaškevič, O. Žgirovskaja und O. Šparaga. Die beteiligten Künstler leben meist in Belarus, einige auch im Ausland, und gehören zum Einzugskreis der Galerie Ŷ. Diese wiederum gehörte, wie auch die Zeitschriften/ Portale Novaja Evropa und artaktivist zu den Sponsoren der Ausstellung, übrigens zusammen mit den staatlichern Firmen Horizont, der Juwelierkette Monomach u.a.

Die Auswahl der Künstler erfolgte durch eine Expertenkommission, zu der Vertreter der freien Kunstszene im In- und Ausland ebenso gehören wie Angehörige staatlicher Museen und Einrichtungen. Mitglieder dieser Kommission, die Auswahlkriterien und Auszüge aus den Gutachten der Kommission sind in der Ausstellung zu lesen. Ausführlich dokumentiert werden soll das gesamte Projekt in einem Katalog.

Andrej Lenkevič: "Leb wohl, Heimat!"

Mit einem historischen Mythos beschäftigt sich die Arbeit „Leb wohl, Heimat!“ (Прощай, родина!) (nach einem Zitat eines Soldaten in der Brester Festung) von Andrej Lenkevič. Was wissen wir eigentlich, so fragt der Künstler, wirklich vom Großen Vaterländischen Krieg? Jenseits von Paraden, Feiertagen, Ritualen und einem Pflichtbesuch im Museum kümmert sich niemand um die Veteranen, nur wenige wissen genau, wer die die mit dem Krieg verbundenen Menschen sind, nach denen mehr als die Hälfte aller Straßen in Minsk benannt sind, keiner kann sich, auch aufgrund zurückgehaltener Informationen, eine zuverlässige Vorstellung von der viel beschworenen Partisanenbewegung machen. Mehr als ein halbes Jahrhundert danach, so meint der Künstler, ist es an der Zeit, über die Grenzen von Kult und Verklärung hinauszugehen, um ein echtes Gespräch mit den jetzt noch lebenden Zeitzeugen zu beginnen, die Relevanz des Krieges für unsere Gegenwart zu erkunden. Einen Anfang dazu will das Projekt des Künstlers machen, das vier Kurzbiographien von offiziellen Kriegshelden zusammen mit einer Stadtkarte in Waffenform sowie eine von der staatlichen Wodkafabrik produzierte Flasche in Form einer Kalaschnikov zeigt.

Ausstellung im Kunstmuseum

Foto: http://www.artmuseum.by/

Seit einer Woche ist im Nationalen Kunstmuseum ein Gemälde aus Litauen zu sehen, das aus mehreren Gründen seine Aufmerksamkeit auf sich zieht. Es handelt sich um ein Portrait von Vaitiekus Puslovskis (1762-1833) von dem Maler Valentinas Vankavicius/Valentin Vankovič.

Der Portraitierte rückt das Großfürstentum Litauen ins Zentrum der Aufmerksamkeit, zu dessen einflussreichsten Persönlichkeiten Puslovskis im 18. Jahrhundert gehörte. Für Polen, Litauen und Belarus ist es gleichermaßen ein Bezugspunkt nationaler Vergangenheit. Für Belarus ist es zudem ein politisches Bekenntnis, bei der offiziell verordneten Nähe zu Russland eigene Wurzeln auch und gerade in Mitteleuropa und westlicher Kultur zu suchen. Das transnational Verbindende dieses Erbes war somit auch der Tenor aller Reden auf der Eröffnung der Ausstellung.

Der Person des Malers führt indes weiter in die Tiefen und Untiefen der regional verbindenden Geschichte. Wie viele andere Persönlichkeiten des Großfürstentums wird auch Vankovič von Polen und Belarus in derselben Weise als nationaler Maler reklamiert. Belarus tut dies mit einem eigenen Museum, in dem sich freilich kein einziges Original des Malers befindet. Die Arbeiten Vankovičs sind wiederum in Polen und Litauen zu finden, so dass es nun umso wichtiger für Belarus ist, wenigstens vorübergehend ein Original des Malers ausstellen zu können. Die Situation ist symptomatisch für viele Teile des kulturellen Erbes: Es lässt sich schlicht nicht einer Nation in den heutigen Grenzen zuordnen.

Foto: http://www.artmuseum.by/

Schließlich sind die mit der Ausstellung verbundenen Slutzker Gürtel oder Schärpen der Erwähnung wert. Aus der Sammlung des Litauischen Kunstmuseums sind neben dem Gemälde vier dieser wertvollen Textilien nach Minsk gekommen und erinnern damit an die Ausstellung von 2008-2010, als in Minsk die Sammlung von Schärpen gezeigt wurde, die sich heute im Historischen Museum in Moskau befindet. Bei den Schärpen handelt es sich um eine Laibbinde, die als Gürtel zur traditionellen Kleidung weißrussischer, polnischer und litauischer Adliger zwischen dem 16. und frühen 19. Jahrhundert gehörte und auf den Reichtum ihres Trägers schließen ließ. Für die Kulturgeschichte der Region sind sie von großem Wert, was offenbar auch den Präsidenten bewogen hat, an höchster Stelle darüber zu informieren.

In Minsk und Belarus sind nur noch zwei Slutzker Gürtel vorhanden, sie befinden sich in der Sammlung des Kunstmuseums. Einst gab es eine bedeutende Sammlung von 40 Gürteln, die allerdings im Krieg verloren gin. Genaueres ist nicht bekannt, und gerade deshalb ist das Kunstmuseum an Forschungen zum Verbleib der Sammlung und sogar an einer konkreten Suche interessiert.

Neugestaltung des historischen Ortes in Malyj Trostenec

Gedenkstein am historsichen Ort des Lagers.

Die seit 1994 anhaltenden Diskussionen um die Gestaltung des Gedenkortes in Malyj Trotenec kommen nun offenbar in eine neue Phase. Nachdem über Jahre entweder Architekten abgesprungen, das Geld ausgegangen oder gar nicht erst welches zur Verfügung gestellt wurde, kam es jetzt Anfang Februar zur Unterzeichnung eines Vertrags (3.2.2012) zur Neugestaltung der Anlage unter der Leitung der Architektin Anna Aksjonowa.

Malyj Trostenec war das größte Vernichtungslager, das von den Nationalsozialisten auf dem Gebiet der Sowjetunion errichtet wurde. Zu dem damals etwa 13 km von Minsk entfernten Lagerkomplex gehörten eine zu einem SS-Gut umgewandelte ehemalige Kolchose, in der meist jüdische Zwangsarbeiter eingesetzt waren, sowie die Erschießungsplätze bei Blagowschtschina und Schaschkowka. Hier wurden in den Kriegsjahren 1941–1944 belarussische und deportierte ausländische  Juden, Kriegsgefangene, Partisanen, Untergrundkämpfer, Einwohner von Minsk und den nahe gelegenen Städten erschossen oder vergast. Die Angaben zu den Opferzahlen schwanken zwischen 60.000 und über 200.000 Menschen. Weder das ehemalige Krematorium noch wirtschaftliche und administrative Gebäude des Lagers sind heute noch vorhanden.

Obelisk zur Erinnerung an die Soldaten der Roten Armee.

Der historische Ort des Lagers ist derzeit durch zwei kleine Gedenksteine aus den 60er Jahren markiert. Sie sind schwer zu finden und eine Information fehlt ganz. Nicht am ursprünglichen Ort des Lagers einige Kilometer entfernt steht ein Obelisk in einer gestalteten Gedenkanlage zur Erinnerung an den Sieg über den Nationalsozialismus und die gefallenen sowjetischen Soldaten ohne einen Hinweis auf das Vernichtungslager in Malyj Trostenec.

Sowohl die beiden Gedenksteine als auch die Anlage um den Obelisken sind in denkbar schlechtem Zustand. Um hier Abhilfe zu schaffen, ist folgendes geplant: Der historischen Wegführung zum Lager folgend soll der „Weg des Todes“ erhalten bleiben. Der zentrale Weg wird der „Weg der Erinnerung“ sein. An seinem Anfang soll eine Informationstafel über den historischen Ort informieren. Hinter dem Obelisken eröffnet sich sodann das „Beerdigungsfeld“, wohin die Asche der verbrannten Körper gestreut wurde. Auch hier sollen Informationstafeln aufgestellt werden. Ebenfalls in die Neugestaltung einbezogen wird der deutsche Friedhof, der sich dort befindet. Wann die Umgestaltung abgeschlossen sein soll, ist nicht bekannt.

Inschrift auf der Rückseite des Obelisken.

Bislang ist dieser historische Ort kaum Gegenstand der Forschung in Belarus gewesen, allenfalls in den Arbeiten der Geschichtswerkstatt, wenngleich Dokumente und Quellen zugänglich sowie die historischen Fakten bekannt sind.

Inschrift auf der Vorderseite des Obelisken.

Die Museumslandschaft in Belarus …

… ist vielfältig und birgt viele Überraschungen in einem politischen System, in dem man wenig Spielräume vermutet. Mehr noch als die Museen selbst profitieren die Museumsmitarbeiter noch immer von der Aufbruchstimmung der frühen 90er Jahre. Was fehlt, sind internationale Kontakte und die Entwicklukng von Qualitätsstandards.

Eine Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Situation, aktueller Tendenzen und Herausforderungen habe ich für die aktuelle Ausgabe der „Belarus-Analysen“ der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität in Bremen zusammengestellt, ergänzt von statistischen Angaben zur lage der Museen, die vom Institut für Belarussische Kultur stammen. Zum vollständigen Text geht es hier.

Zum Schicksal sowjetischer Kriegsgefangener

Jüngst fand im Rahmen des Projekts „Sowjetische und deutsche Kriegsgefangene und Internierte. Forschungen zum Zweiten Weltkrieg und der Nachkriegszeit“ der Stiftung Sächsische Gedenkstätten die letzte Übergabe sog. schicksalsklärender Dokumente an die Angehörigen in Belarus statt. Solche Zeremonien hat es in Belarus zuvor bereits in 2006 in Mogiljow, 2008 in Witebsk, 2009 in Minsk und 2010 in Gomel und Brest gegeben. Den Abschluss der Aktion bildete nun die Festveranstaltung in Grodno.

Hintergrund ist ein seit 2000 laufendes Projekt im Auftrag der Bundesregierung und unter Leitung der Dokumentationsstelle der Stiftung Sächsische Gedenkstätten. Ziel ist die Digitalisierung aller Personalunterlagen der Wehrmacht zu sowjetischen Kriegsgefangenen, um diese für humanitäre und wissenschaftliche Zwecke eingeschränkt zur Verfügung zu stellen. Zu den Partnern in Russland gehören der Generalstab der Streitkräfte der Russischen Föderation, das Zentralarchiv des Verteidigungsministeriums der Russischen Föderation, das Zentralarchiv des Verteidigungsministeriums der Russischen Föderation (ZAMO) sowie die staatlichen Archivdienste und der FSB, in der Ukraine sind es das Staatliche Archivkomitee und der SBU (früher KGB) und in Belarus der KGB und die staatlichen Archivdienste.

Seit 2008 gibt es eine Datenbank im Internet zu sowjetischen Kriegsgefangenen und Kriegsgefangenenlagern auf der Grundlage sowjetischer und deutscher Dokumente. Mit Bezug darauf wenden sich immer wieder Menschen, darunter auch aus Belarus, an die Dokumentationsstelle mit der Bitte um Aufklärung des Schicksals ihrer Angehörigen.

Über die Aktivitäten im Rahmen des Projektes gibt es eine kleine Ausstellung, die derzeit in Grodno gezeigt wird.

„Wer ihm als Deutscher gegenübertritt, wird von seiner großherzigen Bereitschaft zur Versöhnung dankbar berührt“

So schreibt Dr. Christof Weil, der deutsche Botschafter, über Leonid Mendeleevič Levin und beschreibt damit, wie ich finde, dessen Persönlichkeit sehr treffend. Lewin ist ein in Belarus und über die Landesgrenzen hinaus bekannter Architekt und eine Schlüsselfigur für die Versöhnung und Verständigung zwischen Deutschen und Belarussen. In diesem Jahr ist er 75 Jahre alt geworden – Anlass zur Publikation einer zweisprachigen Fotobroschüre (Leonid Lewin Architekt. Erlebtes erleben, hg. bzw. finanziert von der Deutschen Botschaft und dem IBB Dortmund und Minsk , Minsk 2011), aus der das oben genannte Zitat stammt. Sie stellt die von ihm (und weiteren Architekten) gestalteten Gedenkstätten in Belarus, der Ukraine, Polen und anderen Ländern vor und ehrt ihn als Leninpreisträger, mehrfach mit staatlichen Preisen Belarus’ Ausgezeichneten sowie Träger des Bundesverdienstkreuzes. Ebenfalls aus Anlass seines Geburtstages wurde am 20. September eine Ausstellung in der Geschichtswerkstatt eröffnet.

Leodnid Lewin und Galina Lewina im Juli 2011 in der Geschichtswerkstatt

Sein wohl bekanntestes Werk ist die Gedenkstätte in Chatyn (1969 eröffnet). Lewin ist noch immer aktiv und realisiert weiterhin Projekte, u.a. mit seiner Tochter Galina Lewina, ebenfalls Architektin. Seit 1991 ist er Vorsitzender des Verbandes der jüdischen Gemeinden und Organisationen in Belarus.

Ausführlich zu seinem Werk: http://www.ibb-d.de/fileadmin/user_upload/pdf/Studientag-Vortrag_Sahm.pdf

Zeitgenössische Kunst in der Galerie Ȳ

Die gestrige Eröffnung der Ausstellung „Wie in einem schrecklichen Märchen“ möchte ich nutzen, um endlich über die einzige unabhängige Galerie für zeitgenössische Kunst zu berichten. Leicht versteckt in einem typischen Minsker Hinterhof, bildet die 120 m² große, 2009 gegründete Galerie den Mittelpunkt einer Reihe von Geschäften und Einrichtungen der alternativen Jugend- und Kunstszene. Dies war gestern Abend wieder mal eindrucksvoll zu erleben: Eine erfrischend schräge Mischung aus jungen und ganz jungen Leuten, vielen Künstlern und Literaten, aber auch „ganz normaler“ mittelalter Besucher und einigen Ausländern. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stand zunächst die Eröffnung der Ausstellung des Künstlers Michail Senk’kov, der eine Reihe von Gemälden und Graphiken in seiner ersten Einzelausstellung präsentierte. Eindrucksvoll in ihrer Wirkung und technisch präzise in der Ausführung sind seine Werke Ausdruck für die inneren Konflikte, Ängste und Träume des Künstlers. Verstärkt wurde die zugleich beklemmende wie inspirierende Atmosphäre durch den Auftritt von Schauspielern des Freien Theaters, die in eindrucksvollen Kostümen die Fantasie der Märchenwelt in die Galerieräume trugen.

Draußen vor der Tür wurde alsbald ein Feuer in einer alten Tonne entzündet – endlich mal wieder ein Gefühl wie in Berlin-Kreuzberg – und die Gespräche bei einem Glas Wein, einer Flasche Bier und einer Zigarette fortgesetzt. Der Galerieshop (mit seinem in Minsk einzigartig originellen Angebot), das Designer-Büro direkt neben der Galerie, war ebenso geöffnet wie das Café Malako, das sich auf wohltuende Weise von den sonst entweder teuren und schicken, provisorisch in einem Zelt untergebrachten oder standarisierten Cafés in Minsk unterschiedet. Allein die Buchhandlung des Verlags Loginoȳ mit ihrem reichen Angebot an belarussischer (Naša Niva, PARTisan, Arche etc.) sowie nicht überall zu habender russischsprachiger Literatur war nicht mehr geöffnet.

Das Programm der Galerie kommt bereits in ihrem Namen zum Ausdruck, dem Buchstaben ȳ, den es nur im belarussischen Alphabet gibt. Dies verweist auf den Programmschwerpunkt der Galerie: belarussische Künstler sowie solche, die mit ihrem Werk in Beziehung zu Belarus stehen. Galina Kisiljova, eine der beiden Direktorinnen, ist selbst zugezogen, nicht mit belarussisch als Muttersprache aufgewachsen und spricht zur Eröffnung auch russisch. Dafür die ist Internetseite der Galerie nur auf belarussisch, für eine englische Variante hat bisher das Geld nicht gereicht. Überhaupt ist das der wunde Punkt: Die Galerie ist im wesentlichen auf Eigenmittel angewiesen, Sponsoren finden sich nur selten und das System der Spenden oder eines Freundeskreises ist in Belarus bisher nicht sehr verbreitet. Staatliche Unterstützung gibt es keine, dafür zwischendurch eine Projektförderung durch den German Marshall-Fund oder das Goethe-Institut im Rahmen des Programms für Kulturmanager. Insgesamt vier Personen arbeiten in der Galerie, die neben dem Ausstellungsraum über ein winziges Büro und einen Lagerraum verfügt. Von Anfang an hat das Projekt Resonanz in internationalen Künstlerkreisen gefunden, der sich mit den Jahren stetig erweitert. Leider ist es nur selten möglich, die zum Verkauf stehenden Arbeiten der Künstler in einem Katalog zu veröffentlichen. Ernsthafte Probleme mit „den Behörden“ gab es bisher nicht, wenngleich die Arbeit schwierig bleibt. Doch das Engagement lohnt sich, die Galerie ist ohne Zweifel ein besonderer Ort in Minsk.

Interview mit den beiden Leiterinnen: http://news.tut.by/146438.html

Weiteres zur zeitgenössischen Kunst in Belarus: www.art-belarus.com

Die Schlossmuseen in Mir und Nesvizh

Schloss Nesvizh

Anlässlich der bevorstehenden Eröffnung der historischen Räumlichkeiten in Schloss Nesvizh in diesem Herbst, möchte ich einen Blick in die bisherige Ausstellung sowie diejenige in Schloss Mir werfen. Beide Schlösser sind Vorzeigeprojekte des belarussischen Tourismus und werden als solche gehegt und gepflegt. Beide stehen auf der Liste des Weltkulturerbes in Belarus.

Sowohl Nesvizh als auch Mir sind eng mit der Geschichte der Radziwills verbunden, deren Kulturschaffen und Mäzenatentum diese Region bis heute prägt. Während die Ausstellung in Mir bereits im letzten Jahr ihre Pforten für das Publikum eröffnete, wird dies in Nesvizh nach Abschluss langjähriger Restaurierungsarbeiten in diesem Jahr erwartet. Von dem, was zu sehen sein wird, kann man sich hier ein Bild machen. Eine Beschreibung der Restaurierungsarbeiten findet sich hier.

Schloss Mir

Schon jetzt sind auch in Nezvizh zwei Ausstellungsräume der Geschichte des Schlosses und der berühmten Bibliothek gewidmet. Im Stil ähneln sie denen in Schloss Mir. Beides sind klassische Präsentationen mit einem Schwerpunkt auf der Geschichte des Ortes, (so weit vorhanden) der Einrichtung der historischen Räume sowie Kunst- und Kunstgewerbeobjekten. Das Ausstellungsdesign ist klassisch zurückhaltend, dabei von guter Qualität. Bildschirme, teilweise interaktiv zu bedienen, sind Teil der Ausstellung und funktionieren meistens. Ansonsten gibt es so gut wie keine Vermittlungsangebote, Hands-On oder Partizipationsmöglichkeiten für die Besucher. Beschriftungen und Texte sind vorhanden, so dass sich auch der Einzelbesucher orientieren kann – leider keine Selbstverständlichkeit in belarussischen Museen. Raumtexte sind meist in russisch und englisch vorhanden, die Objektbeschriftungen hingegen unkonsequent mal in belarussisch, mal russisch, mal englisch, mal in einer Kombination gehalten. Ärgerlich ist, dass sie inhaltlich innerhalb der Ausstellungen stark differieren, d.h. mal die Herkunft des Objekts angeben, mal nicht, mal eine Erklärung neben dem Titel bieten, mal nicht usw., mal eine Orts- und Datumsangabe bieten, mal nicht usw.

Ausstellung in Schloss Mir

Ein weiterer Schwachpunkt sind die mangelnden Erklärungen der Baugeschichte. Zwar gibt es Dokumente und auch Texte dazu, doch wird aus der Ausstellung nicht deutlich, welche Bauetappe(n) bei der Rekonstruktion zugrunde gelegt wurden. Letztlich bleibt der Eindruck, es handele sich um einen Wiederaufbau der „schönsten“ Teile der Schlösser aus verschiedenen Zeiten, was zwar legitim, aber doch erklärungsbedürftig ist.

Ausstellung in Schloss Mir

Trotzdem sind beide Schlösser einschließlich ihrer Ausstellungen lohnende Ausflugsziele und bieten viele, wenn auch punktuell zusammengetragene Informationen, über die vielfältige und wechselvolle Geschichte der Region zwischen Polen, Litauen, der Ukraine und Russland, deren Einflüsse gerade an so symbolträchtigen Orten wie Mir und Nezvizh deutlich zu sehen und zu spüren sind. Ein Café oder Museumsshop sucht man allerdings bisher vergeblich.

Italien in den Werken russischer Künstler

Diesem Thema ist derzeit eine kleine Ausstellung im Nationalen Kunstmuseum gewidmet. Zu sehen sind Werke von Fedor Matveev, Silvester Ščedrin,  Ivan Ajvazovskij u.a. aus der Sammlung des Minsker Kunstmuseums.

An drei Abenden finden im Rahmen des Begleitprogramms Konzertabende im Foyer des Museums statt. Der gestrige Abend bot Genuss auf höchstem Niveau: Lieder, Arien und Klavierstücke russischer und italienischer Meister ließen den Besucher eintauchen in die so unterschiedlichen und doch künstlerisch verbundenen Welten Italiens und Russlands im 19. Jahrhundert.

All jenen, die Kunst und Musik in schönem Ambiente genießen möchten, sei der Besuch des dritten und letzten „Musikalischen Abends“ am 18. August sehr empfohlen.

Belarus auf der 54. Biennale in Venedig I

Erstmals wieder seit 2005 ist Belarus mit einem eigenen Pavillon in Venedig präsent. Auf 170 m² vertreten die Künstler Yury Alisevich, Artur Klinau, Kanstantsin Kastsiuchenka, Viktar Piatrou und Dzianis Skvartsou ihr Land mit dem Projekt „Kodex“, einer künstlerischen Interpretation von Textdesign. Es ist geplant, einige der Arbeiten im Dezember in Minsk im Museum für zeitgenössische Kunst auszustellen.

Die Teilnahme in diesem Jahr geht auf eine Entscheidung „von ganz oben“ zurück und wird vom Kulturministerium finanziert. Außerdem beteiligt sind das Museum für zeitgenössische Kunst, die Kunstakademie und die Botschaften Italiens in Belarus und von Belarus in Italien. 2009 hatte es die staatliche Kulturförderung, die die zeitgenössische Kunst ohnehin kaum bis gar nicht einschließt, „versäumt“, Belarus auf der Biennale zu präsentieren. Daraufhin initiierten 30 Künstler ein Projekt: Den Weißrussischen Pavillon auf der 53. Biennale in Venedig – in Minsk. Die Ausstellung, die im Juni 2009 im Ausstellungszentrum BelExpo eröffnet wurde, erregte viel Aufmerksamkeit und unterstrich den Vorwurf der Künstler, seitens der staatlichen Stellen werde im Ausland der Eindruck vermittelt, in Belarus mangele es an Gegenwartskunst auf internationalem Niveau – was insofern stimmt, als Künstler hier unter erschwerten Bedingungen kaum Chancen haben, sich international zu entwickeln.

Offenbar aber wollte Belarus diesen Vorwurf nicht auf sich sitzen lassen und schickte nun fünf Vertreter der zeitgenössischen Kunst nach Italien. In der Berichterstattung über die Biennale ist Belarus bisher nicht aufgetaucht, was angesichts der schwierigen Situation, in der sich viele der Künstler im eigenen Land befinden, bedauerlich ist. Umso mehr Aufmerksamkeit sei dem Pavillon in Venedig und damit auch Belarus selbst beschieden!

Einen virtuellen Rundgang durch den Pavillon bietet ein Video auf youtube. Weitere Informationen zu zeitgenössischen Künstlern findet man bei der amerikanischen (!) Galerie BellaBelarus.

Die Kunstgalerie „L. Schtschemelew“

Ein Blick in die Dauerausstellung.

Etwas abseits der touristischen Route befindet sich eine Ausstellung mit Werken des belarussischen Malers Leonid Schtschemelew (*1923). Zu seinem 80. Geburtstag spendete er 2003 der Stadt einen Teil seiner Werke. Die Stadt eröffnete daraufhin die erste städtische Galerie in Minsk.

Neben der Dauerausstellung, die einen größeren Saal umfasst, veranstaltet die Galerie regelmäßig Sonderausstellungen zeitgenössischer Künstler und kulturelle Veranstaltungen. Werke von Schtschemelew befinden sich auch in der Tretjakov-Galerie in Moskau, im Nationalen Kunstmuseum sowie verschiedenen Privatsammlungen. Leiterin der Galerie ist die eine der wenigen Kunstkritikerinnen in Belarus, Tatjana Bembel, die Enkelin des Bildhauers Andrej Bembel.

Biographische Informationen und einige Abbildungen seiner Werke auf der Website des Museums für zeitgenössische Kunst in Jersey City, New Jersey http://www.museum-rus.org/biography.htm?UrlRid=551
sowie unter http://minsk.gov.by/ru/org/3204/

Lange Nacht der Museen

In der Nacht vom 14. auf den 15. Mai gibt es auch in Minsk die Lange Nacht der Museen. Erstaunlich, dass sich ausgerechnet auf der offiziellen Seite der belarussischen Museen kein Hinweis auf die Veranstaltung findet, das Programm kann man aber verschiedenen Infoseiten im Internet entnehmen, z.B. hier.

Chatyn: Museum

Der erste Raum des Museums.

Das 2004 am Eingang der Gedenkstätte an die verbrannten Dörfer in Chatyn, 30 km nördlich von Minsk, eröffnete, freilich sehr kleine Museum soll dem Besucher die historischen Informationen vermitteln, die er benötigt, um die vielschichtige Gedenklandschaft im Außengelände zu verstehen. Dies gelingt nur bedingt. Zwar sind die Gestaltung und einige Elemente durchaus modern: So werden, wie bisher nur in wenigen weißrussischen Museen, im ersten Saal mit Fotos und Dokumenten auf die Vorgeschichte des Überfalls auf die Sowjetunion verwiesen und andere Kriegsschauplätze erwähnt. Texte zur Einordnung oder Erklärung fehlen jedoch in der gesamten Ausstellung.

Der zweite Raum ist den Ereignissen in Chatyn und der Erinnerung durch die wenigen Überlebenden gewidmet. Hier findet der Besucher Kopien von Archivdokumenten, leider aber wiederum ohne Quellenverweis und Hintergrundinformation. Wer also kein historisches Vorwissen hat, wird hier keine verwertbaren Informationen finden.

Leider fehlen überall Objektbeschriftungen und erklärende Texte.

Im dritten Raum ist die Geschichte des Gedenkens am Ort in Chatyn dokumentiert. Gerne wüsste man, aus welchem Jahr das Foto mit den provisorischen Grabkreuzen am Ort des Schreckens stammt. Auch den Fotos zum Wettbewerb für die Gedenkstätte in den 60er Jahren kann man nicht entnehmen, wer sich mit welchen Entwürfen daran beteiligt hat. Eine unkommentierte Biographie des Ersten Parteisekretärs in Belarus, Petr Mascherow (1918-1980), weist auf die Diskussionen hin, die es um den Entwurf Leonid Lewins gegeben hat, dies aber auch nur dann, wenn man es schon weiß.

Insgesamt ein wichtiger Museumsstandort mit guten Absichten, jedoch noch mit viel Nachholbedarf.

Fotoausstellung zum Alltagsleben in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts

In über 130 Fotos entfaltet die derzeitige Sonderausstellung der Aufnahmen des Geistlichen Pavel Volyncevich (1875-1962) im Nationalen Historischen Museum ein Tableau ländlichen Lebens in der ersten Hälfte des 20. Jh. Der Dorfpfarrer, der mehrere Pfarreien im Gebiet Grodno innehatte, hat als Hobby-Fotograph zahlreiche Bilder seines Familienlebens, der Kirchen und des Alltags auf dem Dorf gemacht. Der Bestand ist nicht nur deshalb von großem Interesse, weil durch ihn seltene Abbildungen etwa heute zerstörter Gebäude oder des täglichen Lebens vorhanden, sondern auch, weil wenig Fotosammlungen auf Glasplatten überhaupt bis heute erhalten geblieben sind. Aufgrund der eigenen, akribischen Ordnung seiner Fotos sowie durch ergänzende Archivstudien war es nun möglich, das Leben Volyncevichs anhand seiner Bilder nachzuvollziehen.

Leider erfährt man jedoch nichts in der Ausstellung über die Einflüsse der historischen Ereignisse auf das Leben des Pfarrers (bzw. eines Dorfgeistlichen im Allgemeinen), seiner Gemeinden und seiner Familie. Allein Grodno befand sich in der von Revolution, Erstem Weltkrieg und Bürgerkrieg, Kollektivierung, Terror, Okkupation und Zweitem Weltkrieg geprägten Periode zuerst im Russischen Reich, unter deutscher Besatzung (1915-1919), in Polen, der Sowjetunion, wieder unter deutscher Besatzung (1941-1944) und schließlich wieder in der Sowjetunion. Es wäre spannend gewesen, die Fotos eines offenbar friedlichen Land- und Familienlebens in diesem größeren Kontext zu betrachten.

Weitere Informationen unter: http://religia.by/pravoslavie/segodnya-otkrylas-fotovystavka-pavel-volyncevich-fotoletopis-dlinoyu-v-polstoletiya

Geschichtswerkstatt Minsk

Ein wenig versteckt und nicht leicht zu finden liegt in der Suchaja Straße 25 in Minsk die Geschichtswerkstatt, ein deutsch-belarussisches Gemeinschaftsprojekt. Der Besuch sei all jenen empfohlen, die sich für die nicht offizielle Seite der Geschichte von Belarus im Zweiten Weltkrieg interessieren. Themen der Ausstellungen und Veranstaltungen der Geschichtswerkstatt sind das Schicksal der jüdischen Bevölkerung und des Minsker Ghettos sowie des Konzentrationslagers Malyj Trostenec.

Das Gebäude der Geschichtswerkstatt.

Das Gebäude der Geschichtswerkstatt ist eines der letzten erhalten gebliebenen Baracken des Minsker Ghettos. Damals versteckten sich hier in einem unterirdischen Versteck, einer sog. Malina, 26 Menschen für die Dauer von neun Monaten vor den deutschen Besatzungstruppen. 13 von Ihnen überlebten.

Mehr Informationen unter: http://www.ibb-d.de/geschichtswerkstatt_minsk0.html und http://ibb.by/de/education/Geschichtswerkstatt. Derzeit entsteht eine neue Website, die demnächst unter www.gwminsk.org zu finden ist.

Zeitgenössische Kunst

Noch bis zum 9. Januar 2011 zeigt das Contemporary Art Centre in Vilnius (nur 170 km von Minsk entfernt) eine Ausstellung zeitgenössischer weißrussischer Künstler. Unter dem Titel „Durys atsidaro? Baltarusių menas šiandien“ („Öffnen sich die Türen? Weißrussische Kunst heute“) stellt die Ausstellung künstlerische Positionen zur aktuellen gesellschaftlichen und politischen Lage in Belarus vor. Der Zeitpunkt der Präsentation vor und nach den Präsidentschaftswahlen in Belarus ist zweifellos mit Bedacht gewählt und macht auf die Tatsache aufmerksam, dass zeitgenössische Kunst in Belarus kaum gefördert wird. Umso überraschender war eine kürzliche Initiative des Präsidenten zur Errichtung eines Zentrums für zeitgenössische Kunst. Es wird zu beobachten sein, welche der hier formulierten Ziele realisiert werden und wie sich das auf die Kunstszene auswirkt.

Zur Ausstellung in Vilnius ist ein Katalog in litauischer, englischer und russischer Sprache erschienen. Die weißrussische Zeitung BelGazeta hat, wohlgemerkt vor den Wahlen, am 13.12.2010 in der Ausgabe 49 (772), S. 5, eine ebenso bitterböse wie gute Kritik der Ausstellung publiziert.

Museum des Großen Vaterländischen Krieges II

Anlässlich des 65. Jahrestages seit dem Ende des Großen Vaterländischen Krieges zeigt das Museum im Rahmen des Projekts „Die Parade des Sieges am 24.6.1945“ aktuell drei Sonderausstellungen. Zuerst eröffnete eine Präsentation über die sowjetische Gesellschaft im Krieg, danach eine Ausstellung über die die Lebensbedingungen und Aktionen der Partisanen. Seit dem 28.10.2010 ist auch die dritte Ausstellung zu sehen, die persönliche Gegenstände und erbeutete Waffen und Fahnen der Teilnehmer an der Siegesparade unter Einbeziehung von originalen Tondokumenten zeigt.

Ausstellungseröffnung am 27.10.2010

Auf den ersten Blick bieten die Ausstellungen nichts Neues auf die im Museum präsentierte Sicht des Krieges durch die Brille der sowjetischen Ideologie. Dieser Eindruck wird durch die traditionell überladene, in roten Farben gehaltene und sehr realistische Gestaltung unterstützt. Auch die Eröffnungszeremonien folgen alten Mustern, indem mit Orden beladene Veteranen die zur Anwesenheit verpflichtete Jugend auf die Heldentaten Stalins zum Sieg über die Faschisten und zur Befreiung von Belarus einschwören.

Auf den zweiten Blick jedoch zeigt sich eine differenzierte Sicht auf die Ereignisse. Weiterlesen