Geschichte

Vorbereitungen auf den Jahrestag der Befreiung 2014

Seit kurzem gibt es ein offizielles Komitee, das sich mit den Vorbereitungen der Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag der Befreiung von den nationalsozialistischen Besatzern 1944 befasst (BelaPan 21.5.2013). Vorsitzender des Komitees ist der Premierminister Michail Mjasnikovich, weitere Mitglieder sind Regierungsbeamte, Journalisten, Vertreter der Veteranenorganisationen (auch Afghanistan!), die Armee, verschiedene Berufsverbände u.a.

Außer um die Planung von Veranstaltungen geht es auch um die Verbesserung des Lebensstandards der Veteranen, die Verbreitung des Patriotismus [sic!] und die Instandsetzung von Denkmälern. Schon lange ist ja die pünktliche Eröffnung des neuen Museums zum Großen Vaterländischen Krieg angeordnet und, weil das offenbar nicht klappt, der Direktor gerade gefeuert worden. Es bleibt abzuwarten, ob der neue Direktor (ein pensionierter General aus der Truppe, ohne Museumserfahrung, versteht sich) dieser Herausforderung gewachsen sein wird. Noch ist der alte Direktor Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirates und zieht den einen oder anderen Faden. Aber er steht schwer unter Beschuss von Seiten des Kulturministeriums und der Regierung und es ist fraglich, wie lange das noch so weiter geht. Erste Gerüchte streuen bereits Zweifel am Eröffnungstermin im kommenden Juli.

Illustrierte Geschichte von Belarus

Ein neuer Bildband soll helfen, die belarussische Kultur und Geschichte auch im Westen bekannter zu machen. Dazu ist vor Kurzem die englische Übersetzung des bisher nur auf russisch (!) vorliegenden Bild- und Textbandes zur belarussischen Geschichte von Vladimir Orlow und Dmitrij Gerasimovich erschienen. “By this book we also wanted to show that the Belarusians belong to European culture not only geographically but also historically, culturally and mentally, and that our ancestors were an integral part of the European civilization,” sagte Orlov bei der Buchpräsentation (BelaPan, 23.5.2013).

Die Idee ist grundsätzlich zu begrüßen, nur ist nicht nachvollziehbar, waum dazu eine 10 Jahre alte Publikation ausgewählt wird. Da hätte es doch auch neuere Werke gegeben, zumal es sehr gute, neuere mehrsprachige Bildbände von Minsk und Belarus gibt. Auch haben sich die touristischen Publikationen in den letzten Jahren deutlich verbessert. Hier tun gute (!) Übersetzungen Not sowie eine verbesserte Präsentation im Internet. Beides scheint mir deutlich besser geeignet, Belarus jenseits seiner Grenzen zu promoten.

Das sowjetische Minsk

Foto: http://www.spiegel.de/fotostrecke/widerstand-in-weissrussland-schule-im-untergrund-fotostrecke-92495.html

Im November 2012 veröffentlichte das Stadtmagazin WHERE MINSK eine Übersicht über die noch heute nach kommunistischen Führern oder entsprechenden historischen Ereignissen benannten Orte in Minsk. Demnach gibt es noch ganze 16 Lenindenkmale in Minsk, 40 Straßen sind nach Lenin, Marx, der Pariser Kommune und anderen kommunistischen Helden(-taten) benannt, 3 Firmen bzw. Geschäfte führen die Namen „Kommintern“, „Kommunarka“ und „Roter Lebensmittelverkäufer“ [sic!], 4 Durchhalteparolen an der Metro Oktrjabrskaja sind noch immer in Stein gemeißelt zu bewundern und 4 Zeitungen heißen „Roter Oktober“, „Oktoberweg“, „Licht des Oktober“ und „Flagge des Oktober“. Straßen mit religiösen Namen und Bezeichnungen gibt es dagegen keine einzige, nachdem die „Lutherstraße“ 1966 umbenannt wurde.

Auch wenn viele Betrachter von außen diese Seite der Vergangenheit deutlich in Politik und Gesellschaft auszumachen meinen, so spielt sie für die belarussischen Marketing- und Tourismusexperten keine Rolle. Für die Marke Minsk, über die sich derzeit alle hier den Kopf zerbrechen, gelten andere Bezugspunkte. Beauftragt mit der Markenbildung wurde ausgerechnet eine britische Firma, die bereits Ergebnisse vorgelegt hat. Folgt man dem Reiseführer Lonely Planet, so hätte man durchaus auch den Kommunismus zur Markenbildung heranziehen können: Seine Autoren bezeichnen die Stadt als „Kommunismus mit Cappuchinogeschmack“, wie MINSK WHERE treffend zitiert.

Zeitschrift ARCHE wieder zugelassen

Laut einer Meldung von BelaPan (24. Mai) wurde die Neuregistrierung der einzigen unabhänigen, auf belarussisch erscheinenden historischen Zeitschrift durch das Kulturministerium akzeptiert. Die Zeitschrift war im letzten Jahr verboten. Damit gab das Ministerium dem vierten Antrag der Herausgeber seit November 2012 auf Genehmigung statt.

Im September 2012 wurde der Herausgeber Bulgakov in Grodno bei einer Buchpräsentation verhaftet. Ihm wurde vorgeworfen, das Buch „Die Sowjetifizierung von Westbelarus“ illegal verkauft zu haben. Anschließend wurde das Bankkonto von ARCHE eingefroren. Der Fernsehsender Belarus 1 beschuldigte die Herausgeber des Extremismus und der Nazi-Propaganda. Daraufhin floh Bulgakov ins Ausland. Nun ist er seit einiger Zeit wieder in Minsk. Die Anklage gegen ihn wurde fallen gelassen, das Bankkonto wieder freigegeben.

Planungen für Malyj Trostenec

Foto: http://www.my-minsk.ru/novosti-respubliki/7579-trostenec-kakim-budet-memorial-i-kak-belorusam-ne.html

Gleich im Anschluss an die Konferenz zu Chatyn fand am 23.3.2013 eine weitere „wissenschaftlich-praktische Konferenz“ in der IBB Minsk statt. Veranstaltet wurde sie von der IBB selbst sowie der Geschichtswerkstatt aus Anlass ihres 10-jährigen Bestehens. Thema waren die aktuellen Planungen für einen Gedenkort in Trostenec.

Kurz zur Erinnerung: Es handelt sich um das größte Vernichtungslager der Nationalsozialisten auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion. Die Angaben zu den Opfern schwanken in deutschen und belarussischen Publikationen zwischen 50.000 und 206.500. Insgesamt geht es um drei historische Orte: Schaschkowa, wo ein Gedenkstein an die Verbrennung zahlreicher Opfer erinnert. Ein Friedhof in einiger Entfernung am Standort des ehemaligen Gutes Trostenec erinnert an die Mordaktionen kurz vor der Befreiung im Juli 1944. Schließlich der Wald von Blagowschtschina, in dem bis zu 150.000 Juden aus Belarus, Österreich und Deutschland ermordet wurden. Offiziell dient ein Obelisk als Erinnerungsort, dessen Standort aber mit dem historischen Geschehen nicht in Zusammenhang steht und auch keinen Aufschluss über die Ereignisse gibt.

Auf der Konferenz stellte erstmals die zuständige Architektin, Anna Aksenova, ihre im Auftrag der Stadt Minsk erarbeiteten Entwürfe vor. Ihre Gestaltungsideen beziehen sich auf zwei der insgesamt drei historischen Orte (ausgenommen ist die Blagowtschina) auf ca. 65 ha. Die von ihr vorgestellten Pläne lassen eine konservative Anlage mit ausgewiesenen Wegen vermuten, die sich nicht erkennbar auf diesen Ort bezieht oder ihn gar problematisiert. Positiv anzumerken ist, dass, sollte der Entwurf tatsächlich realisiert werden, die Stadt Minsk sich erstmals überhaupt mit diesem für das historische Gedenken so wichtigen Ort beschäftigt. Pessimistisch stimmt die bisher bereit gestellte Summe vom a. 100.000 €, die die kosten bei weitem nicht decken kann. Gerüchte besagen, dass die schon seit langem und immer wieder diskutierten Überlegungen zu Trostenec gerade jetzt wieder auf die Tagesordnung kommen, weil ursprünglich ein Besuch des israelischen Staatspräsidenten angesagt gewesen war. Kurzerhand hatte man die Blagowtschina mit einem Erdwall zugeschüttet, um den Ort unbegehbar zu machen. Nachdem der Staatsbesuch dann gar nicht stattgefunden hatte, wurde beschlossen, die Planungen nun voranzutreiben. Ob das stimmt, kann ich nicht beurteilen, allein diese Gerüchteküche zeigt aber, wie schwer sich das Land noch immer mit dem Gedenken an überwiegend jüdische Opfer tut.

Es ist daher auch ein positives Signal, dass die Stadt Minsk offenbar einem Vorschlag von deutscher Seite zugestimmt hat, die Planung der Stadt durch einen zusätzlichen Entwurf des Architekten Leonid Lewin, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinden in Belarus, ergänzen zu lassen. Dahinter steht eine Initiative der IBB Dortmund, zusammen mit der österreichischen Bürgerinitiative der Aktivistin Waltraud Barton, speziell der jüdischen Opfer, die in der Blagowtschina ums Leben gekommen sind, zu gedenken. Über die Realisierung dieser Idee gibt es durchaus Differenzen zwischen der deutschen und österreichischen Seite. Immerhin konnte der österreichische Bundespräsident für ein Engagement seines Landes in Trostenec gewonnen werden, der deutsche Bundespräsident wurde um Unterstützung des Vorhabens gebeten.

Der Entwurf von Lewin ist sehr viel konkreter und unmittelbarer auf den ort bezogen als der der Stadt Minsk, er bleibt dem Stil dieses Architekten mit einer Verbildlichung der zu erinnernden Ereignisse treu und arbeitet mit stilisierten Waggons, umgestürzten jüdischen Symbolen und einer Gruppe von Koffern, die die Reise in den Tod symbolisieren sollen. Ob es zur Realisierung des Entwurfs kommen wird, hängt von vielen Faktoren ab, darunter der bisher völlig offenen Finanzierung und der Frage, ob es nicht doch einen internationalen Wettbewerb geben muss.

Sollten beide Entwürfe tatsächlich umgesetzt werden, so wäre zwar dieser historische Ort als sichtbarer Erinnerungsort markiert, würde aber die nach wie vor geteilte Erinnerung an „friedliche sowjetische Bürger“ und Juden offenbaren. Darüber hinaus ist bisher weder an ein Leitsystem in dem sehr weitläufigen  Gelände gedacht noch an Informationstafeln, die darüber aufklären würden, an was hier erinnert wird. Schließlich bleibt anzumerken, dass die Ereignisse in der Blagowtschina vor 1941, also die Nutzung des Ortes als Erschießungsstätte des NKWD, in den bisherigen Überlegungen überhaupt nicht vorkommt. Dies ist freilich ein sehr schwieriges Thema, insbesondere, wenne s von deutscher Seite angesprochen wird. Aus wissenschaftlicher Perspektive bzw. im Sinne der historischen Aufarbeitung darf darüber aber nicht hinweggegangen werden.

Fotos zu den einzelnen Gedenkorten finden sich hier.

Belarus im frühen 20. Jh. in Fotos

Foto: http://irina-litva.livejournal.com/812447.html

Im Rahmen von Recherchen für ein Berliner Museum stieß ich jüngst auf eine außergewöhnliche Fotosammlung, die mir den Schlüssel zu einer Ausstellung im Historischen Museum 2011 gab. Schon damals hatte ich staunend vor den Fotos gestanden und mich gefragt, wie sie erhalten geblieben sind und wie es dem Fotografen ergangen ist. Es handelt sich um die Foto-Sammlung von Pavel Volyncevič und vereint 400 Aufnahmen aus der Zeit von 1900 bis 1962.

Gefunden, bearbeitet und recherchiert haben den Fund Vladimir Sutjagin (Fotograf), Dmitrij Serebjannikov (Sammler) und Igor Surmačevskij (Künstler und Restaurator). Neben der Ausstellung im Nationalen Historischen Museum wurden die Bilder mehrfach in Belarus gezeigt, derzeit ist die Ausstellung in Vilnius zu sehen. Unter diesem Link sind einige Fotos aus der Sammlung zu sehen.

Pavel Volyncevič lebte und arbeitete im Nordwesten des heutigen Belarus. Die Orte, in denen er und seine Familie lebten, befanden sich zeitweise unter russischer, polnischer, deutscher und sowjetischer Herrschaft. Das Foto zeigt seinen Hof in den 20er Jahren an der sowjetisch-polnischen Grenze.

Zeit seines Lebens hat er sich, seine Familie und Umgebung fotografiert. Es handelt sich um eine einzigartige Sammlung zur Alltagsgeschichte in Belarus in der ersten Hälfte des 20. Jh. Insgesamt liegen 180 Glasplattenfotos sowie weitere Fotografien aus Fotoalben vor.

Die Fotografien wurden durch Zufall von Dmitrij Serebjannikov und Igor Surmačevskij entdeckt und professionell von Vladimir Sutjagin bearbeitet. Zusammen haben sie mit Hilfe von Archiven, eigenen Recherchen und Nachforschungen die Lebensgeschichte der Familie rekonstruiert. Heute lebt in Minsk noch die Enkelin von Volyncevič, die wesentliche biographische Details ergänzen konnte.

2001 drehte ein russischer Sender einen Dokumentarfilm über die Fotos, Volyncevič  und die drei Kuratoren des Projekts. Auch sind einige Beiträge in Zeitschriften und Zeitungen erschienen.

Zeitschrift Arche wurde eingestellt

Die in Belarus wohl einmalige Zeitschrift „Arche“ wurde eingestellt. Dies ist die Folge langer Schikanen von offizieller Seite, das Ende der Zeitschrift kommt damit letztlich einem Verbot gleich. Die weitere Arbeit ist wohl nur noch im Internet möglich.

Bei der Zeitschrift handelt es sich um eine seit 1998 erscheinende unabhängige Publikation zu meist historischen Fragen in belarussischer Sprache. Arche ist einmalig in der belarussischen Publizistik, auch wenn viele Belarussen die Zeitschrift wohl gar nicht kennen. Neben belarussischen Autoren publizieren hier auch internationale Historiker. Zudem übersetzt die Zeitschrift Artikel aus anderen Sprachen. Die Beiträge sind in dem Netzwerk eurozine zu lesen.

Angefangen hat es mit der Präsentation einer Ausgabe von Arche zum Thema „Sowjetifizierung von Westbelarus“ am 14. September in Grodno durch den Herausgeber der Zeitschrift, Valer Bulhakaw. Während der Präsentation wurde er verhaftet, das Buch beschlagnahmt und in der Folge der Autor wegen „Verkaufs belarussischer Bücher ohne Lizenz“ zu einer Strafe von 500.000 Rubeln (ca. 58 $) verurteilt (BelaPan 23.10.2012). In demselben Zusammenhang sind auch die Entlassungen mehrerer Historiker der Universität Grodno aufgrund unliebsamer Publikationen zur Geschichte von Belarus zu sehen.

Politisch wurde die Angelegenheit durch die Fernsehberichterstattung Ende Oktober, in der die Zeitschrift des Extermismus und der NS-Propaganda bezichtigt wurde. Bulhakaw hat in der Zwischenzeit das Land verlassen  (BelaPan 13.11.2012). Ingo Petz berichtete über den Fall in den deutschen Medien (FAZ 27.10.2012).

Ausstellung der Görlitzer Skorina-Bibel in Minsk und Neswish

Ich zitiere die Pressemitteilung Nr. 13 der Deutschen Botschaft, Minsk, 02.10.2012:

„Am 4. Oktober 2012 um 16 Uhr findet in der Belarussischen Nationalbibliothek Minsk die feierliche Eröffnung der Ausstellung „Franzisk Skorina – Reise in die Heimat“ statt. In dieser Ausstellung wird neben den Skorina-Büchern aus der Sammlung der Nationalbibliothek Minsk erstmals die Skorina-Bibel der OLB (Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften, Görlitz, Bundesrepublik Deutschland) gezeigt. Diese Bibel umfasst 11 zu einem Konvolut zusammengefasste Bücher, die von Franzisk Skorina in den Jahren 1517-1519 in Prag gedruckt wurden. Unter diesen Drucken befinden sich auch solche, die es in der Sammlung der Nationalbibliothek nicht gibt: „Genesis“ mit dem wunderschönen Holzschnitt auf der Titelseite und die vier „Bücher der Könige“ mit dem berühmten Portrait Skorinas.

Die Görlitzer Skorina-Bibel ist eine herausragende bibliophile Rarität der OLB.  Die Drucke gelangten über ihre früheren Eigentümer zunächst von Prag nach Breslau, dann nach Görlitz, wo sie seit 1615 nachgewiesen sind. Sie werden erstmalig in Belarus ausgestellt. Sie werden vom 4.-13. Oktober 2012 im Buchmuseum der Nationalbibliothek und vom 15.- 24. Oktober 2012 im Kulturhistorischen Nationalmuseum Neswish zu sehen sein.

Die Ausstellungen stehen unter der Schirmherrschaft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland und des Kulturministeriums der Republik Belarus.“

200 Jahre Napoleon – zahlreiche Veranstaltungen in Belarus/Weißrussland

Eine Postkarte aus der Sammlung von V. Lichodedov. http://www.rg.ru/2012/07/19/saltanovka.html

Etwas spät, aber doch noch rechtzeitig vor Ablauf des Jubiläumsjahres, möchte ich die wirklich erstaunliche Aufmerksamkeit hervorheben, die das Land den Ereignissen von 1812 widmet. Die ist insofern bemerkenswert, als der Krieg hier in Belarus vielfach als ein Kampfgeschehen gesehen wird, mit dem die Weißrussen nichts zu tun hatten  – war es doch ein Krieg des Russischen Reiches. Dazu passt, dass man sich gelegentlich von der in der russischen und vorher sowjetischen Historiographie gebräuchlichen Bezeichnung “Vaterländischer Krieg” distanziert. Auf der anderen Seite nutzt man den Jahrestag und erinnert an die Ereignisse, die sich auf dem Gebiet der eigenen Heimat abgespielt haben, und verleiht dieser Form der Erinnerung damit einen nationalen Anspruch.

Bereits im März des Jahres hatte es seine Konferenz von Vertretern des Militärs aus Russland und Belarus gegeben, um die laufenden und weiteren Maßnahmen sowie Forschungsprojekte zu besprechen. Alle Projekte und Vorhaben zum 200. Jahrestag des russisch-französischen Krieges, so das Außenministerium im Mai, dienten der Versöhnung in Europa und dem gemeinsamen historischen Erbe.

Zu den zahlreichen Maßnahmen gehören neben Ausstellungen in verschiedenen Museen und der Nationalbibliothek, Reenactment und Konferenzen auch eine gemeinsame Grabung von belarussischen und französischen Experten am Ort des Geschehens an der Berezina. Dabei sollen sowohl Massengräber als auch Reste von Brücken und militärischen Anlagen gesucht werden. Unterstützt werden die Archäologen von einem Experten des 52. Unabhängigen Suchbataillons der Armee. Auf belarussischer Seite geht man davon aus, dass 25.000 bis 30.000 Weißrussen in der Armee Napoleons gedient haben könnten.

Im Juli fand in der Nähe von Mogiljov eine feierliche Zeremonie zur Beisetzung  der Überreste von drei russischen Soldaten statt, die im Kampf gegen die französische Armee 1812 ihr Leben verloren hatten. Dabei wurde hervorgehoben, dass die Einwohner sich hier tapfer gegen die napoleonische Armee gestellt hatten und diese nicht, wie in vielen anderen Orten, freudig mit Brot und Salz begrüßt haben.

Das Touristenbüro hat einen eigenen Führer zu den historischen Orten von 1812 herausgegeben. Er informiert über lokale Denkmäler und Obelisken, Orte, an denen Napoleon sich aufgehalten hat (z.B. im Gouverneurspalast in Vitebsk) und verweist auf Veranstaltungen und Museen (wie z.B. das Museum im Haus von Pjotr Bagration in Volkovysk). Bemerkenswert ist, dass auch auf ein Denkmal für die russischen Juden hingewiesen wird, das sich in Brilevskoe Pole findet. Besonders hervorzuheben ist die Festung in Bobrujsk.

Von den zahlreichen Artikeln in den Zeitungen möchte ich eine Serie in der Zeitung „Sojuz. Belarus’ – Rossija“ hervorheben. Der eher langweilige Text erzählt die Ereignisse von 1812 nach, ohne Quellen oder sonstige Hinweise. Interessant sind aber die Abbildungen von Postkarten zu 1812 aus der offenbar privaten Sammlung von Vladimir Lichodedov, einen vielfach ausgezeichneten Historiker. Im Juni wurde seine graphische Sammlung zu 1812 im Museum des Großen Vaterländischen Krieges in Minsk gezeigt.

Neben einer Konferenz im Dezember, zu der auch internationale Experten (u.a. vom DHI Moskau) eingeladen sind, steht im November noch eine „Historische Rekonstruktion“ in Studenka auf dem Programm.

Sommeruniversität an der Akademie der Wissenschaften

Als ich dachte, die Organisation an der Staatlichen Universität, wo ich Anfang des Jahres ein Seminar zum Ausstellungsmanagement gehalten habe, sei beklagenswert, so hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch keine Erfahrung in dieser Hinsicht mit der Akademie der Wissenschaften gemacht, konkret mit dem Institut für Geschichte. Das konnte ich jetzt im Rahmen einer DAAD-Sommeruniversität zur Geschichte des Ersten Weltkrieges in Belarus nachholen.

Schon im Frühjahr hatte mich ein Mitarbeiter des Instituts um Rat gefragt bei der Beantragung der Gelder beim DAAD, der thematischen Ausgestaltung des Programms und der Gewinnung deutscher Studenten. Tatsächlich nahm das Unternehmen Gestalt an und so erklärte ich mich bereit, einen Tag zum Thema „Der Erste Weltkrieg im Museum: Ausstellungen in Deutschland, Russland und Belarus“ zu bestreiten. Das ist insofern ein durchaus aktuelles Thema, als es in Belarus Pläne gibt, ein eigenes Museum zum Ersten Weltkrieg zu eröffnen. Eine Arbeitsbesprechung dazu steht Ende September unmittelbar bevor. Soweit so gut.

Im folgenden Verlauf der Vorbereitungen konnte ich dann nur dank hartnäckiger Eigeninitiative immer wieder vorläufige Angaben über den Termin, den Ort oder die Teilnehmer bekommen. Als ich dann zwei Tage vor dem mühsam vereinbarten konkreten Termin noch immer nichts gehört hatte – ganz zu schweigen von einer offiziellen Anfrage, einer Einladung zur Eröffnung oder technischer Absprachen für die Durchführung des Seminars – habe ich mit nur schwer unterdrücktem Unmut wieder hinterher telefoniert, um wieder nur ratlose Antworten und wenig konkrete Informationen zu bekommen.

Um der Studenten willen habe ich das Seminar dann doch noch durchgeführt, was sich vor Ort dann auch als konstruktiv und für alle Beteiligten als informativ erwiesen hat. Teilgenommen haben letztlich drei von ursprünglich acht deutschen Studenten, die sich für die Sommeruniversität beworben hatten, ca. fünf Mitarbeiter des Instituts für Geschichte sowie zwei Mitarbeiterinnen des Museums für belarussische Literatur. Belarussische Studenten, die man bei einer internationalen Sommeruniversität durchaus erwarten könnte, waren nicht anwesend, aber auch als Teilnehmer nicht vorgesehen, angeblich, weil sie alle noch in den Ferien sind.

Die deutschen Studenten waren aber insgesamt zufrieden, fühlten sich gut betreut und in der Stadt wohl. Zu ihrem Programm gehörte noch ein Vortrag zum Ersten Weltkrieg in Belarus von Vjacheslav Bondarenko sowie ein Methodenseminar bei Sergej Novikov von der Pädagogischen Universität. Außerdem Ausflüge in das Museum zum Gedenkfriedhof des Erstens Weltkrieges in Minsk und zum Museum in Zabrodje, nach Naroch’ sowie zu weiteren kulturellen Sehenswürdigkeiten.

Auch wenn sowohl die Organisation als auch der thematische Bezug zum Esten Weltkrieg noch deutlich zu wünschen übrig lassen, so ist es doch letztlich erfreulich, dass sich immerhin einige wenige Studenten aus Deutschland auf den Weg in das ihnen bis dahin völlig unbekannte Belarus machen, um zu Hause von ihren insgesamt positiven Erfahrungen zu berichten.

Zensur in der Geschichtswerkstatt?

Die für den 20. Juni geplante, reguläre Sitzung des Filmklubs „Unbekanntes Belarus“ wurde am Vorabend kurzfristig durch den Leiter der Geschichtswerkstatt, Kuzma Kozak, abgesagt. Offenbar hatte es viele Anrufe  gegeben, so dass sich Kozak entschied, keinen weiteren Verdacht auf die Geschichtswerkstatt zu lenken. Was war der Hintergrund?

Der Klub der Filmhistoriker, der seit längerer Zeit in den Räumen der Geschichtswerkstatt tagt und viele historische Dokumentarfilme dort gezeigt hat, wollte an diesem Tag den Film „Stalin-Linie: Ehre oder Schande?“ von BelSat TV aus dem Jahr 2008 diskutieren. Darüber hinaus, so der Historiker Igor Kuznecov, ein Mitglied des Klubs, sollte auch der Film „Stalin-Line, Gomel-Region“ gezeigt werden. Hier geht es um Erinnerungen von Überlebenden des Stalin-Terrors. Der Film war in Gomel verboten worden.

Kuznecov wehrte sich gegen die seiner Meinung nach ausgeübte Zensur durch die Geschichtswerkstatt und kündigte an, das Programm des Klubs in Zukunft nicht mehr zur Disposition zu stellen.

Gedenkstätte für die zerstörten Dörfer in Dalva

Unweit von Chatyn, der zentralen Gedenkstätte für die im Zweiten Weltkrieg zerstörten und verbrannten Dörfer in Belarus, befindet sich ein weiterer, kleinerer Gedenkort für die Dörfer. In dem ehemaligen, am 19.6.1944 zerstörten Dalva, gibt es ein Denkmal und ein kleines Museum.

Wie in Chatyn, zu dessen Verwaltung Dalva auch gehört, wurden auch hier die 44 Bewohner in eine Scheune gesperrt, die daraufhin abgebrannt wurde. Einer der Überlebenden initiierte die Gedenkstätte, die 1973 eröffnet wurde. Die Gestaltung der Gedenkstätte stammt von dem Bildhauer Vladimir Terebun. Insbesondere durch die angedeuteten Umrisse der ehemaligen Häuser erinnert die Konzeption stark an Chatyn, man könnte fast sagen, es handelt sich um ein Plagiat.

Das kleine Museum umfasst einen Raum und ist eher ein Gedenkraum, als eine Ausstellung. Auch hier gibt es keinerlei erklärenden Text, sondern nur eine Aneinanderreihung von Dokumenten, Fotos und Erinnerungsstücken, die im Einzelnen nicht erklärt werden. 

Gehälter an der Staatlichen Universität

Foto: istfak.bsu.ru

Im Februar und April habe ich einen „Speckurs“, also nach deutschem Sprachgebrauch eine „Übung“ an der Historischen Fakultät der Staatlichen Universität abgehalten. Mein Auftraggeber war der Lehrstuhl für Museumswissenschaften und Ethnologie und das Thema meines Kurses das „Ausstellungsmanagement“.

Insgesamt habe ich 49 akademische Stunden (à 40 Minuten) unterrichtet, die nach für mich noch immer undurchschaubaren Berechnungen in Vorlesung, Seminar, Hausaufgaben, Konsultation, Examen und Kontrollarbeiten aufgeteilt waren. Letztlich belief sich der Aufwand auf eine Arbeitszeit, wie sie in Deutschland für ein Seminar im Semester anfällt, die Vorbereitung und Korrekturen der Seminararbeiten freilich ausgeschlossen. In diesem Fall habe ich noch die Kopien für die Studenten hergestellt, was hier deutlich teurer ist als in einem deutschen im Copyshop.

Für all das habe ich ein Honorar in Höhe von 948.000 BY Rubeln bekommen, zum Auszahlungszeitpunkt ca. 94 €. Hätte ich den Rang eines Professors (hier: Doktor der Wissenschaften) (und nicht bloß einen Doktortitel, hier: Kandidat der Wissenschaften), dann hätte ich (unwesentlich) mehr bekommen. Erhalten habe ich das Honorar am 10. April, dem Tag jeden Monats, wo alle Dozenten und Angestellten der Uni ihr Geld bekommen. Man erhält es in bar und muss es sich an der zentralen Kasse der Universität gegen Vorlage des Passes abholen. Das hat aber immerhin einwandfrei geklappt!

Die auch für belarussische Verhältnisse niedrige Bezahlung für die Lehre führt dazu, dass es immer weniger Nachwuchs für die Universitäten gibt. Das wiederum hat zur Folge, dass das Durchschnittsalter der Professoren und Dozenten immer weiter ansteigt, wie der Rektor der Universität kürzlich beklagte. Es liegt zwischen 57 und 65 Jahren! Ein junger Dozent, der noch keinen akademischen Titel trägt, erhält derzeit im Monat 2.600.000 Millionen BY Rubel (ca. 310 $), ein Professor immerhin schon 6.500.000 BY Rubel (ca. 780 $). Die Lehrbelastung bei den Engagements ist dabei deutlich höher als bei uns, von dem niedrigen Organisationsgrad und bürokratischen Aufwand aller Aktivitäten, die nochmals Zeit kosten, ganz zu schweigen.

Proteste gegen Grabungsarbeiten bei einem Massengrab

Foto: https://nash-dom.info/novosti/vse-novosti/proisshestviya/perekopayut/

Aktivisten des Menschenrechts-Netzwerkes „Nash Dom“ haben Protest erhoben gegen Grabungsarbeiten in Drozdy (bei Minsk). Dort befindet sich ein Massengrab aus dem Zweiten Weltkrieg, in dem Insassen des dortigen KZs begraben sind. Dabei handelte es sich um Kriegsgefangene und Zivilbevölkerung.

Das Netzwerk hat online sowohl über die historischen Hintergründe, als auch über die Pläne der Behörden berichtet und die Bevölkerung aufgerufen, sich an die zuständigen Abgeordneten zu wenden. Offenbar mit Erfolg: Immerhin sind diese an den Ort des Geschehens gefahren, um sich vor Ort ein Bild von der Lage zu machen. Die konkrete Aktion endet mit dem Aufruf an alle Bürger, ihre Rechte zum Protest wahrzunehmen und nicht zu schweigen.

 

Lange Nacht der Museen

Heute ist es mal wieder soweit, und das auch noch am Internationalen Museumstag: In Minsk startet die Lange Nacht der Museen mit einem vielfältigen Programm.

Konferenz „Belarus und Deutschland“

An der Linguistischen Universität, am Lehrstuhl für Geschichte und Belaruswissenschaften, fand am vergangenen Freitag die 11. internationale Konferenz zum Thema „Belarus und Deutschland“ statt. Veranstalter der jährlich stattfindenden Konferenz ist Sergej Novikov, ein auch in internationalem Kontext ausgewiesener Historiker. International freilich wurde die Konferenz durch einige russische Kollegen und mich.

Themenschwerpunkt war die Militärgeschichte, die meisten Vorträge widmeten sich dem „Großen Vaterländische Krieg“. Hervorzuheben sind aus meiner Sicht die Beiträge von Julija Kantor aus Petersburg zur Frage der Kulturgüterverluste (leider zu wenig zu Belarus), Anatolij Šarkov von der Akademie des Innenministeriums über die Vergeltungspolitik gegenüber Kollaborateuren (leider kaum Quellenbezug) und Igor Kusnecov von der BGU über die Forschungen zu Trostenec (präzise und sehr kritisch!). Als reaktion auf meinen eigenen Vortrag über die neue Konzeption des Museums der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges bekam ich durchweg zu hören, dass sowohl die Konzeption als auch die Pläne für Architektur und Gestaltung weitest gehend unbekannt waren – was mich ehrlich überrascht hat.

Insgesamt herrschte eine offene, kritische und aufgeschlossene Atmosphäre, wie ich sie oft in geschlossenen Kreisen erfahre. Der Austausch war rege, der Nachfragen viele. Sieht man von der schieren Masse der Vorträge ab (in der Nachmittagssitzung 18!!), meist ohne Folien oder anderes Anschauungsmaterial, wie es hier leider so üblich ist, bot die Tagung einen guten Einblick und Überblick über die aktuellen Fragen der Militärgeschichtsforschung in Belarus.

Belarus/Weißrussland und Vilnius …

Vilnius im März mit den Ständen des Kazimir-Marktes.

… das ist ein langes und schwieriges Kapitel, und ich möchte einen Ausflug nach Vilnius zum Anlass nehmen, einen Blick darauf zu werfen. Das verbindende Element zwischen Vilnius und Belarus war an diesem Wochenende der jährliche Kasimir-Markt, der größte Handwerks- und Volkskunstmarkt in Litauen, der traditionell am ersten März-Wochenende stattfindet. Auch in Grodno stellten an diesem Wochenende Belarussen, Polen und Ukrainer nationale Volkskunst anlässlich des Namenstages des Heiligen Kazimir aus – eine Tradition, die diese historisch sehr heterogen bevölkerte Region verbindet.

Vilnius/Wilna war lange die Hauptstadt des Großfürstentums Litauen und der Polnischen Adelsrepublik mit immer starken weißrussischen Bevölkerungsanteilen. Seit dem 15. Jh. hatte die Stadt das Magdeburger Stadtrecht und entwickelte sich zu einen jüdischen Zentrum Ostmitteleuropas. Seit 1795 gehörte Vilnius in Folge der polnischen Teilungen zum Russischen Reich. Lange stellten die Litauer und Balten neben Juden Polen, Weißrussen und Ukrainer nicht die Mehrheit der Bevölkerung.

Im Ersten Weltkrieg kam es 1918 unter deutscher Besatzung zur Gründung des ersten unabhängigen Staates Litauen mit Vilnius als Hauptstadt. Bald jedoch wurde die Stadt erst von der Roten Armee, dann von polnischen Truppen besetzt, bis Litauen mit dem Versailler Vertrag unabhängig und Vilnius die Hauptstadt wurde. Als Ergebnis des Polnisch-Litauischen Krieges 1920/1921 kam Vilnius wieder unter polnische Herrschaft, was der Friede von Riga 1921 bestätigte. 1939 besetzte die UdSSR Vilnius in Folge des Hitler-Stalin-Paktes und machte Vilnius 1940 zur Hauptstadt der Litauischen Sozialistischen Sowjetrepublik. Dies wurde Vilnius abermals nach der deutschen Besatzung 1941-44.

Dass genau das ein Fehler war und Vilnius/Wilna nicht der BSSR zugeschlagen wurde, darin sind sich hier jenseits sonstiger Meinungsverschiedenheiten in Belarus alle einig. Aus ihrer Sicht ist Vilnius oder Wilna ein eindeutig weißrussisches Gebiet, in dem sich im 19. Jh. obwohl hier überwiegend polnisch gesprochen wurde, ein Zentrum nationalen weißrussischen Lebens entwickelte. Viele Schriftsteller lebten und arbeiteten in Wilna, 1906 wurde hier die erste weißrussische Zeitung „Naša Niva“ gegründet. Gerade in der Zeit zwischen 1870 und 1914 entfaltete sich hier die nationale Emanzipationsbewegung der Belarussen/Weißrussen.

Diese Entwicklung setzte sich in den 20er Jahren fort, als hier auch das erste belarussische Museum entstand. Es geht zurück auf die historisch und kulturgeschichtlich geprägte Sammlung von Ivan Luckevič. Bei seiner Auflösung 1945/46 wurden die Bestände des Museums auf die Litauische und Belarussische SSR aufgeteilt. Das Historische Museum in Minsk berichtet darüber auf seiner Website. Versuche des Instituts für Belarussische Kultur, das Museum virtuell zu rekonstruieren, sind bisher gescheitert.

Für die Expats in Minsk ist Vilnius ein willkommenes Ausflugsziel, nicht weiter als 2 Stunden Autofahrt entfernt, mit westlichen Einkaufszentren und vertrautem Angebot.   Die Ein- und Ausreise in und aus der EU ist allerdings auch mühsam und mit langen Wartezeiten verbunden und letztlich sicher eher aus kulturell-historischen Gründen lohnend.

Ausführlich zu dem häufig verwirrenden Konglomerat in der Region siehe:
Handbuch der Geschichte Weißrusslands, hg. von Dietrich Beyrau und Rainer Lindner, Göttingen 2001.

Historikerstreit in der Geschichtswerkstatt

Anlässlich der Vorstellung des neuen Buches des Leiters der Geschichtswerkstatt, Kuzma Kozak, kam es zu heftigen Debatten unter den fünf Historikern, die in Belarus/Weißrussland für eine mehr oder weniger kritische, an internationalen Standards orientierte Forschung zum Zweiten Weltkrieg stehen. Anlass war die Publikation des Buches „Deutsche und Kollaborateurverluste auf dem Territorium von Belarus während des Großen Vaterländischen Kriegs 1941-1944: Analyse und Ergebnisse“. Zu den Diskutanten gehörten neben dem Autor selbst (Professor an der Historischen Fakultät der Staatlichen Universität), Aleksej Litvin (Leiter der Sektion für Militärgeschichte in Belarus an der Akademie der Wissenschaften), Anatolij Šarkov, Professor an der Akademie des Innenministeriums), Emanuil Joffe (Politologe, Soziologe und Historiker an der Staatlichen Pädagogischen Universität) und Sergej Novikov (Lehrstuhlleiter für Heimatgeschichte und Weltkultur an der Staatlichen Linguistischen Universität).

Das Buch thematisiert erstmals die Verluste der Besatzer und derer, die mit ihnen zusammengearbeitet haben – ein noch immer ungeliebtes Thema in Belarus und schon deshalb ein mutiges Unterfangen. Für seine Recherchen hat Kozak, in Belarus nicht selbstverständlich, deutsche Archivquellen aus dem Bundes- und dem Bundesmilitärarchiv eingesehen sowie russisch- und deutschsprachige Sekundärliteratur. Ohne Zweifel ist die Arbeit damit ein wichtiger Beitrag zur Geschichte des Zweiten Weltkrieges in Belarus und ein Anstoß zu weiteren Diskussionen, auch wenn es hinsichtlich der Methode und Analyse der Zahlen sicher noch einige offene Fragen gibt.

Genau diese waren bereits bei der Präsentation des Buches Anlass zu heftigen Debatten unter den Historikerkollegen. An zwei Fragen machte sich die durchaus kontroverse Auseinandersetzung fest: Wie sind die verschiedenen, bis heute nicht immer nachvollziehbaren Angaben zu den Opfern auf beiden Seiten zu bewerten und wie kann man zu einer wissenschaftlich begründeten These kommen? Und: Was bedeutet „Kollaboration“, wer hat sich schuldig gemacht, wer nur um sein Leben gekämpft?

Alle der genannten Historiker beschäftigen sich in ihren Arbeiten mit diesen und anderen Fragen zur Geschichte von Besatzung, Krieg und Erinnerung in Belarus. Dabei reicht das Spektrum von einer von der offiziellen Lesart geprägten Position in der Akademie der Wissenschaften über eine offene, auf Zeitzeugenberichten und Oral History basierenden Forschung in der Geschichtswerkstatt und die immer wieder ungeliebte Themen aufgreifende Publikationstätigkeit Joffes bis hin zu einer maximal quellengestützten und vernetzten Forschung bei Novikov. Für mich war es eine zugleich vertraute und in Belarus doch so seltene Erfahrung einer lebhaften, an Fachfragen orientierten offenen und freien Diskussion.

Konferenz „Verbrannte Dörfer“ in Belarus/Weißrussland

Vom 15.-17. Mai findet im Museum des Großen Vaterländischen Krieges eine Konferenz zur Thema der „verbrannten Dörfer“ in Belarus statt. Informationen sind auf der Website des Museums zu finden.

Als Mitglied des sog. Orgkomitees erlebe ich dabei mal wieder eine Lehrstunde der belarussischen Konferenzvorbereitung und –organisation. Wichtiger als formale Aspekte ist aber das geplante Programm. Leider sieht es so aus, als stünden letztlich weniger die Dörfer, als die „Zivilgesellschaft im Krieg“ im Vordergrund. Das hieße, dass das noch immer brisante Thema der verbrannten Dörfer wahrscheinlich wieder nicht ausgeleuchtet wird, sondern in einer breit angelegten und damit sehr allgemeinen Betrachtung der Bevölkerung im Krieg untergehen wird.

Neugestaltung des historischen Ortes in Malyj Trostenec

Gedenkstein am historsichen Ort des Lagers.

Die seit 1994 anhaltenden Diskussionen um die Gestaltung des Gedenkortes in Malyj Trotenec kommen nun offenbar in eine neue Phase. Nachdem über Jahre entweder Architekten abgesprungen, das Geld ausgegangen oder gar nicht erst welches zur Verfügung gestellt wurde, kam es jetzt Anfang Februar zur Unterzeichnung eines Vertrags (3.2.2012) zur Neugestaltung der Anlage unter der Leitung der Architektin Anna Aksjonowa.

Malyj Trostenec war das größte Vernichtungslager, das von den Nationalsozialisten auf dem Gebiet der Sowjetunion errichtet wurde. Zu dem damals etwa 13 km von Minsk entfernten Lagerkomplex gehörten eine zu einem SS-Gut umgewandelte ehemalige Kolchose, in der meist jüdische Zwangsarbeiter eingesetzt waren, sowie die Erschießungsplätze bei Blagowschtschina und Schaschkowka. Hier wurden in den Kriegsjahren 1941–1944 belarussische und deportierte ausländische  Juden, Kriegsgefangene, Partisanen, Untergrundkämpfer, Einwohner von Minsk und den nahe gelegenen Städten erschossen oder vergast. Die Angaben zu den Opferzahlen schwanken zwischen 60.000 und über 200.000 Menschen. Weder das ehemalige Krematorium noch wirtschaftliche und administrative Gebäude des Lagers sind heute noch vorhanden.

Obelisk zur Erinnerung an die Soldaten der Roten Armee.

Der historische Ort des Lagers ist derzeit durch zwei kleine Gedenksteine aus den 60er Jahren markiert. Sie sind schwer zu finden und eine Information fehlt ganz. Nicht am ursprünglichen Ort des Lagers einige Kilometer entfernt steht ein Obelisk in einer gestalteten Gedenkanlage zur Erinnerung an den Sieg über den Nationalsozialismus und die gefallenen sowjetischen Soldaten ohne einen Hinweis auf das Vernichtungslager in Malyj Trostenec.

Sowohl die beiden Gedenksteine als auch die Anlage um den Obelisken sind in denkbar schlechtem Zustand. Um hier Abhilfe zu schaffen, ist folgendes geplant: Der historischen Wegführung zum Lager folgend soll der „Weg des Todes“ erhalten bleiben. Der zentrale Weg wird der „Weg der Erinnerung“ sein. An seinem Anfang soll eine Informationstafel über den historischen Ort informieren. Hinter dem Obelisken eröffnet sich sodann das „Beerdigungsfeld“, wohin die Asche der verbrannten Körper gestreut wurde. Auch hier sollen Informationstafeln aufgestellt werden. Ebenfalls in die Neugestaltung einbezogen wird der deutsche Friedhof, der sich dort befindet. Wann die Umgestaltung abgeschlossen sein soll, ist nicht bekannt.

Inschrift auf der Rückseite des Obelisken.

Bislang ist dieser historische Ort kaum Gegenstand der Forschung in Belarus gewesen, allenfalls in den Arbeiten der Geschichtswerkstatt, wenngleich Dokumente und Quellen zugänglich sowie die historischen Fakten bekannt sind.

Inschrift auf der Vorderseite des Obelisken.

Nochmal zum Ersten Weltkrieg

Dass der Erste Weltkrieg zunehmend das Interesse von Forschung, öffentlicher Erinnerung und Gesellschaft weckt, ist bekannt. Speziell für Belarus hat der Autor Vjacheslav Bondarenko dieses Interesse aufgenommen und im letzten Jahr ein Buch über „Die verlorenen Siege des Russischen Imperiums“ auf dem Gebiet des heutigen Belarus veröffentlicht. Darin beschreibt er in zwölf Kapiteln die militärischen Operationen an der russischen Westfront zwischen 1915 und 1917, geht auf die (erstmals) eingesetzten Waffen ein, liefert eine Auflistung der beteiligten Truppenteile und stellt die Aktivitäten der Flottenbrigade vor.

Eine wissenschaftlich militärhistorische, geschweige denn militärische Monographie ist das Buch allerdings nicht. Vielmehr schreibt Bondarenko als Journalist, motiviert durch sein persönliches Interesse an diesem Abschnitt der Geschichte: Einige seiner Vorfahren haben den Krieg in verschiedenen Rängen und Funktionen erlebt, er listet sie mit kurzen biographischen Daten im Schlusswort auf. Auch kommen sie an verschiedenen Stellen des Buches vor, niemals jedoch in aufdringlicher Weise. Überhaupt liest sich das Buch flott und fast spannend, was möglicherweise den Autor einer Rezension im Internet dazu verleitet hat, es als Roman zu bezeichnen. Zur guten Lesbarkeit trägt auch das Kapitel über die „Heimatfront“ und den Einsatz der Frauen in den Kriegsjahren bei.

Mit Recht weist Bondarenko im Vorwort darauf hin, dass der Krieg über Jahrzehnte aus dem kollektiven Gedächtnis der Region verdrängt wurde, da die Soldaten nicht für die „richtige Sache“ gekämpft hätten. Dabei hat der Krieg tiefe Spuren auch im heutigen Belarus hinterlassen. Nach Angaben des Autors wurden von insgesamt 7 Mio Belarussen 700.000 bis 920.000 Männer eingezogen, 1,5 Mio wurden zu Flüchtlingen gemacht, 3,5 Mio kamen unter deutsche Besatzung. Eine wissenschaftliche Überprüfung der Zahlen ist schwierig, da die Gebiete des heutigen Belarus Teil des Russischen Reiches waren und keine isolierten Daten vorliegen. Es ist jedoch wahrscheinlich von niedrigeren Schätzungen auszugehen (vgl. dazu die Artikel von Sachar Schybeka und Mikola Iwanou im Handbuch der Geschichte Weißrusslands, Göttingen 2001). Leider verzichtet der Autor ganz auf Anmerkungen und auch die Literaturliste (mit durchaus neueren Veröffentlichungen) beinhaltet nur russisch- und belarussischsprachige Literatur, wobei nicht zwischen Quellen, Memoiren, Sekundärliteratur und Belletristik unterschieden wird. Ein Hinweis auf das „Russische militärhistorische Archiv“ (fälschlich mit RGALI (Russischen Staatliches Archiv für Literatur und Kunst) verweist auf Quellennutzung, ohne diese näher zu beschreiben.

Dafür unterscheidet Bondarenko konsequent zwischen „Belarussija“ für die topographische Bezeichnung während der Kriegsjahre und „Belarus“ für die heutige Republik. Innerhalb ihrer Grenzen lag das Hauptquartier des Kommandos des Obersten Befehlshaber der Armee Nikolaus II. (in Mogilev), wurde der spätere Vertrag von Brest-Litowsk unterzeichnet, mit dem Russland aus dem Krieg ausschied und die Abdankungsurkunde des Zaren unterschrieben. Auch wurde das erste Denkmal für die Soldaten des Ersten Weltkrieges 1915 in Baranovichi errichtet.

Zwar geht es Bondarenko nicht um eine Nationalisierung des Krieges, zweifelsohne jedoch um einen Beitrag zur Aufarbeitung eines historischen Abschnitts, der in der nationalen Selbstdefinition der Belarussen eine zunehmend starke Rolle spielt. Umso bedauerlicher ist es, dass es kein Kapitel zur Bedeutung und Erinnerung an den Krieg im heutigen Belarus gibt. Gerade dies wäre aus der Feder des erfolgreichen und populären Journalisten und Publizisten sicher anregend gewesen.

Illustriert wird das Buch durch zahlreiche, in mittelmäßiger Qualität abgedruckte Fotos, die teilweise mit Orts- und Zeitangabe versehen sind, oft jedoch ohne Erläuterung bleiben. Auch hier fehlen Quellenangaben, sieht man von dem Hinweis ab, viele der Fotos stammten aus dem Archiv des Autors.

Insgesamt ist das Buch meiner Ansicht nach ein wichtiger, wenn auch nicht erschöpfender Beitrag zur Geschichte heutiger weißrussischer Gebiete im Ersten Weltkrieg, das viele Anknüpfungspunkte sowohl für die aktuelle Diskussion über die kollektive Erinnerung als auch für weitere Forschung bietet.

Zum Thema vgl. auch: „Ereignisse und Folgen des Ersten und Zweiten Weltkrieges in Weißrussland. Recherchen im Zusammenhang mit den Workcamps der Jahre 2000 – 2005 am Narotschsee und in Stari Lepel. Wege der Versöhnung mit der humanitären Hilfsorganisation Heim-statt Tschernobyl e.V.“ mit Zeitzeugeninterviews und Erinnerungen an den Ersten Weltkrieg auf dem Gebiet des heutigen Belarus.

http://www.ruessmeyer.de/admin/veranstaltungen/data/05122006183439_pdf.pdf

Zaslavl‘

Die orthodoxe und katholoische Kirche von Zaslavl'.

Ein Ausflug führte uns letztens in eine der ältesten Städte des Landes unweit von Minsk. 985 von Großfürst Vladimir gegründet, ist das verschlafene Städtchen ein Spiegel der Geschichte der Region.

Die Anlage des Marktplatzes stammt aus dem 11./12. Jh. Ende des 11. Jh. entstand die Burg, eine der frühesten Verteidigungsstrukturen auf dem Gebiet des heutigen Belarus, von der aber heute nur mehr Torfragmente zu sehen sind. Zur Erinnerung an diese Epoche veranstaltet die Stadt immer wieder Mittelalterfestivals.

Von der religiösen Geschichte des Landes zeugen die Gebäude einer katholischen und einer orthodoxen Kirche. Letztere wurde als eine der ersten protestantischen Kirchen in Belarus im 16. Jh. von Calvinisten erbaut, einer Zeit starker protestantischer Strömungen in der Region. Im 17. Jh. wurde sie der katholischen Gemeinde übergeben, Ende des Jh. zu einem Teil des neu gegründeten Dominikanerklosters. Die Kirche erfuhr später zahlreiche Umbauten. Wahrscheinlich im 17. Jh. erhielt sie den 35 m hohen Turm. 1883 ließ der russische Zar Kloster schließen, das Kirchengebäude wurde der orthodoxen Kirche übergeben. Bis 1961 war sie aktiv, seit 1977 diente sie als Museum und ist seit Ende der 90er Jahre wieder ein Gotteshaus.

Die heute katholische Kirche am Marktplatz stammt aus dem Jahr 1774 und war ursprünglich barock ausgestattet. Ende des 19. Jh. übergaben die russischen Behörden die Kirche an die orthodoxe Gemeinde, verbunden mit einigen Umbauten. Gottesdienste wurden hier bis 1941 abgehalten. Der Krieg führte zur fast völligen Zerstörung des Gebäudes. Erst Ende der 90er Jahre begannen die Restaurierungsarbeiten, zu deren Abschluss die Kirche wieder der katholischen Gemeinde übergeben wurde.

Das 20. Jh. prägt den Platz im Zentrum vor dem Gebäude der Stadtverwaltung, Hier steht noch immer eine Leninfigur und weist den Weg in die richtige Zukunft. Unmittelbar daneben kann der Besucher in der Tradition der „Helden der Arbeit“ die Portraits der verdienten Bürger der Stadt bewundern. Am anderen Ende des Platzes befindet sich das kleine Stadtmuseum. Aus professioneller Sicht ist eine Erneuerung der Ausstellung dringend nötig, aus touristischer Perspektive ist das Museum eine wahre Fundgrube und sinnliche Anregung.

Bemerkenswert ist eine Tafel an einem der Häuser am zentralen Platz. Hiermit erinnert eine Schule an ihre ehemaligen Schüler, die im Afghanistan-Krieg ums Leben gekommen sind.

Noch immer aktiv ist schließlich eine uralte Mühle. Ihre Geschichte und Funktion sowie die Lebensweise der Müller werden in einer kleinen Ausstellung erklärt, einer Dependance des Geschichts- und Kulturgeschichtlichen Museums. Erwähnenswert ist noch eine weitere Außenstelle des Museums, das „Kindermuseum der Waldmythologie“.

Nicht unerwähnt bleiben soll eine Gedenktafel zur Befreiung der Stadt durch die Partisanen, unweit der Mühle. Diese Tafel war unlängst Gegenstand in einem kritischen Artikel in der „Belarussischen Militärzeitung“ vom 12.5.2011 , in dem der Autor auf Ungenauigkeiten hingewiesen hatte – an der Tatsache, dass die Stadt von Partisanen befreit wurde, aber letztlich doch nicht zweifeln wollte.

11.11.2011 – Erinnerung an den Ersten Weltkrieg

Mitglieder einer Re-Enactment-Gruppe in Uniformen deutscher Soldaten des Ersten Weltkrieges.

Ein neuer Wind weht, was die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg betrifft. Ich hatte an dieser Stelle schon berichtet, dass in diesem Jahr der Friedhof im nördlichen Stadtzentrum für Gefallene bzw. im Krankenhaus verstorbene Soldaten wieder hergestellt wurde. Damit ist dieser wohl der einzige Friedhof des Ersten Weltkrieges im GUS-Raum, der so aufwändig und gezielt als Erinnerungsort angelegt wurde.

Dort fand nun am 11.11., dem Gedenktag an das Ende des Großen Krieges, unter dem Motto „Tag der Versöhnung“ (dreispachig in russisch, deutsch und englisch!) eine Gedenkfeier statt. Schon einmal hatte es 2008 eine Gedenkfeier am 11.11. in Baranoviči gegeben, die jedoch bei weitem nicht so aufwändig gestaltet war.

Einer kurzen Andacht von Geistlichen mehrerer Konfessionen in der kleinen Kapelle folgten Reden des belarussischen Informationsministers, des ungarischen (!) Botschafters sowie des Verteidigungsattachés der Russischen Föderation. Der deutsche Botschafter legte einen Kranz nieder, Vertreter russischer Kosakenverbände und verschiedene Einzelpersonen legten Blumen nieder. Die Zeremonie wurde durch die Anwesenheit von Vertretern einer Reenactment-Gruppe in deutschen und russischen Weltkriegsuniformen eingerahmt und mit Salutschüssen und einer Militärkapelle begleitet.

Im Anschluss fand ein Austausch von Meinungen zur Erinnerung an den Weltkrieg in der „Mitso“-Universität statt. Angekündigt war eine Konferenz, allerdings handelte es sich eher um eine Veranstaltung im Gedenken an die Soldaten des Krieges, die ebenso übrigens wie die Soldaten des „Großen Vaterländischen Krieges“ für Ihre Heimat gestorben seien. Angekündigt wurde die Errichtung einer neuen Gedenkstätte, die zum 100. Jahrestag de Kriegesbeginn eingeweiht werden soll.

Auch eine bekannte Talk-Show widmete sich immerhin eine ganze Stunde dem Ersten Weltkrieg. Unter der Leitung des Moderators Vjacheslav Bondarenko, einem Schriftsteller und Journalisten, der sich durch mehrere Publikationen zum Ersten Weltkrieg insbesondere in Belarus, hervorgetan hat („Vergessene Schlachten des Russischen Imperiums in Belarus“, 2010), befragte Historiker, Hobbyforscher, Militärvertreter und ausländische Militärattachés. Die Sendung war am 14.11.2011 auf ONT zu sehen.

Den Abschluss des Tages bildete ein Empfang des Verteidigungsministeriums, der in zahlreichen Toasts die Versöhnung zum 93. Jahrestag des Krieges besiegelte.

Greifbare Geschichte im Historischen Museum

Foto: http://en.belapan.com/archive/2011/10/26/en_media_vitaut/

Die Rekonstruktionen zweier historischer Figuren sind seit dem 24. Oktober im Nationalen Historischen Museum zu sehen: Großfürst Vytautas und der polnische König Jagiello. Die Figuren sind lebensgroß und wurden nach Abbildungen in historischen Quellen hergestellt. In Gesichtszügen und Kleidung, so das Museum, entsprechen sie dem historischen Vorbild möglichst nah. Genaueres ist hier nachzulesen.

Beide Figuren sind zentrale Persönlichkeiten der nationalen Geschichte, so der Direktor des Museums bei der Eröffnung. Unter Vytautas (1350-1430) gelangte der litauisch-polnisch-weißrussische Staat zu seiner größten Macht und Ausdehnung. Zusammen mit dem polnischen König Jagiello (1348?-1434) befehligte er die Armee in der Schlacht von Tannenberg (hierzulande „Grünwald“) 1410, in der der Deutsche Orden eine schwere Niederlage gegen das Großfürstentum Litauen und das Königreich Polen erlitt.

Beide Figuren sollen demnächst im Zentrum einer Sonderausstellung stehen.

Die Herstellung und Präsentation der Figuren ist übrigens nicht etwa der belarussischen Regierung, sondern Japan Tobacco International (JTI) zu verdanken. Das japanische Tabakunternehmen hat auch die neue Website des Museums, jetzt auf russisch und belarussisch, ermöglicht. Hier ein Video der Enthüllung der Figuren am 24. Oktober:

http://en.belapan.com/archive/2011/10/26/en_media_vitaut/ (Foto und Video)

Überreste von Soldaten in Brest gefunden

Bei Grabungsarbeiten des 52. Suchbataillons der Belarussischen Armee wurden Ende Oktober die Überreste von 58 Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden (BelaPan, 28. Oktober). Auf das Gelände aufmerksam geworden war der Suchtrupp durch eine Fotografie in dem Album eines deutschen Soldaten der 45. Infanterie Division der Wehrmacht. Die Aufnahme zeigte das Einschlagloch einer Bombe und Leichen in dem Krater.

Die Soldaten hatten an den Kämpfen um die Festung Brest im Juni 1941 teilgenommen. Mit Hilfe der ebenfalls gefundenen persönlichen Gegenstände war eine Datierung möglich. Die Beerdigung soll im November im Gelände der Festung erfolgen. Der genaue Ort wird derzeit aktiv im Internet diskutiert.

Kurapaty

Traditionsgemäß fand am 30. Oktober wieder eine Versammlung zum Gedenken an die in den 30er Jahren bis zu 200.000 in Kurapaty bei Minsk ums Leben gekommenen Opfer des Stalinschen Terrors statt (BelaPan 30.10.2011). Anlass war der Dzyady-Feiertag, der am 2.11. begangen wird. Im belarussischen Volkskalender ist der ursprünglich als „Tag der Erinnerung an die Vorfahren“ bekannte Gedenktag zum Gedenktag aller Opfer politischer Repressionen geworden, wie übrigens in Russland auch.

Von der Konservativen Christlichen Partei initiiert, war der Marsch dieses Mal von den Behörden genehmigt. Die verbotene weiß-rote Nationalflagge war ebenso zu sehen wie Banner oppositioneller Gruppen mit den Aufschriften „Lasst uns an die Opfer von Kurapaty erinnern!“. Die Erinnerung an die historischen Ereignisse wurde verbunden mit politischen Forderungen nach der Freilassung der politischen Gefangenen und der kritischen Analyse der Präsidentschaftswahlen im Dezember 2010.

Das Gedenken und die Reden in Kurapaty  selbst riefen zur Erinnerung an die nationale Vergangenheit Belarus’ in der Tradition des Großfürstentums Litauen auf. Die Rückbesinnung auf die eigene Geschichte und ihre Symbole, wie die weiß-rote Fahne, seien sehr wichtig für das nationale Selbstbewusstsein von Belarus. Dazu gehöre auch die Erinnerung an den Stalinschen Terror, an den die nunmehr fast 1.000 Kreuze in Kurapaty  gemahnten.

Zur näheren Information siehe: Temper, Elena (2008): „Konflikte um Kurapaty. Geteilte Erinnerung im postsowjetischen Belarus“, in: Osteuropa 6, S. 253-266.

Zum Schicksal sowjetischer Kriegsgefangener

Jüngst fand im Rahmen des Projekts „Sowjetische und deutsche Kriegsgefangene und Internierte. Forschungen zum Zweiten Weltkrieg und der Nachkriegszeit“ der Stiftung Sächsische Gedenkstätten die letzte Übergabe sog. schicksalsklärender Dokumente an die Angehörigen in Belarus statt. Solche Zeremonien hat es in Belarus zuvor bereits in 2006 in Mogiljow, 2008 in Witebsk, 2009 in Minsk und 2010 in Gomel und Brest gegeben. Den Abschluss der Aktion bildete nun die Festveranstaltung in Grodno.

Hintergrund ist ein seit 2000 laufendes Projekt im Auftrag der Bundesregierung und unter Leitung der Dokumentationsstelle der Stiftung Sächsische Gedenkstätten. Ziel ist die Digitalisierung aller Personalunterlagen der Wehrmacht zu sowjetischen Kriegsgefangenen, um diese für humanitäre und wissenschaftliche Zwecke eingeschränkt zur Verfügung zu stellen. Zu den Partnern in Russland gehören der Generalstab der Streitkräfte der Russischen Föderation, das Zentralarchiv des Verteidigungsministeriums der Russischen Föderation, das Zentralarchiv des Verteidigungsministeriums der Russischen Föderation (ZAMO) sowie die staatlichen Archivdienste und der FSB, in der Ukraine sind es das Staatliche Archivkomitee und der SBU (früher KGB) und in Belarus der KGB und die staatlichen Archivdienste.

Seit 2008 gibt es eine Datenbank im Internet zu sowjetischen Kriegsgefangenen und Kriegsgefangenenlagern auf der Grundlage sowjetischer und deutscher Dokumente. Mit Bezug darauf wenden sich immer wieder Menschen, darunter auch aus Belarus, an die Dokumentationsstelle mit der Bitte um Aufklärung des Schicksals ihrer Angehörigen.

Über die Aktivitäten im Rahmen des Projektes gibt es eine kleine Ausstellung, die derzeit in Grodno gezeigt wird.

Institut für Belarussische Kultur

Hierbei handelt es sich um die erste belarussische Kultureinrichtung, gegründet in den 20er Jahren des 20. Jh. in einer Zeit, als die belarussischen Gebiete im Westen zu Polen, im Osten zur Belarussischen Sozialistischen Sowjetrepublik (BSSR) gehörten. Während sich in Polen aus unterschiedlichen Gründen keine eigene weißrussische Bewegung entwickelte, treib die Sowjetunion nach der Teilung der weißrussischen Gebiete durch den Friedensvertrag von Riga 1921 in ihrem Landesteil zunächst eine „Weißrussifizierung“ voran. In diesem Zusammenhang kam es zur Gründung des Instituts in Minsk, das von 1922 bis 1928 Bestand hatte. Zu seinen Aufgaben gehörte die Forschung in den Bereichen Geschichte, Archäologie, Linguistik, Literaturwissenschaft und Ethnographie.

1928 wurde das Institut aufgelöst und bildete eine der Grundsteine für die in diesem Jahr gegründete Akademie der Wissenschaften. Die Abwicklung des Instituts ist im Zusammenhang mit der zunehmenden Einschränkung einer eigenständigen belarussischen Nationalbewegung zugunsten einer zunehmenden Ideologisierung des gesamten Kulturbereichs zu sehen.

Zwischen 1991 und 2008 wurde es unter dem Namen „Institut für die Probleme der Kultur“ erneut ins Leben gerufen. 2008 schließlich wurde es unter dem alten Namen Teil der Belarussischen Staatlichen Universität für Kultur. Sein Aufgabenspektrum hat sich damit erheblich erweitert: Neben aus- und Weiterbildung im Kulturbereich (auch für Museen), ist die Einrichtung zuständig für Fragen des materiellen und immateriellen Kulturerbes, wissenschaftliche Fragen der Kulturgüterrückführung sowie wissenschaftliche Forschung in allen Bereichen der Kultur.

Die Schlossmuseen in Mir und Nesvizh

Schloss Nesvizh

Anlässlich der bevorstehenden Eröffnung der historischen Räumlichkeiten in Schloss Nesvizh in diesem Herbst, möchte ich einen Blick in die bisherige Ausstellung sowie diejenige in Schloss Mir werfen. Beide Schlösser sind Vorzeigeprojekte des belarussischen Tourismus und werden als solche gehegt und gepflegt. Beide stehen auf der Liste des Weltkulturerbes in Belarus.

Sowohl Nesvizh als auch Mir sind eng mit der Geschichte der Radziwills verbunden, deren Kulturschaffen und Mäzenatentum diese Region bis heute prägt. Während die Ausstellung in Mir bereits im letzten Jahr ihre Pforten für das Publikum eröffnete, wird dies in Nesvizh nach Abschluss langjähriger Restaurierungsarbeiten in diesem Jahr erwartet. Von dem, was zu sehen sein wird, kann man sich hier ein Bild machen. Eine Beschreibung der Restaurierungsarbeiten findet sich hier.

Schloss Mir

Schon jetzt sind auch in Nezvizh zwei Ausstellungsräume der Geschichte des Schlosses und der berühmten Bibliothek gewidmet. Im Stil ähneln sie denen in Schloss Mir. Beides sind klassische Präsentationen mit einem Schwerpunkt auf der Geschichte des Ortes, (so weit vorhanden) der Einrichtung der historischen Räume sowie Kunst- und Kunstgewerbeobjekten. Das Ausstellungsdesign ist klassisch zurückhaltend, dabei von guter Qualität. Bildschirme, teilweise interaktiv zu bedienen, sind Teil der Ausstellung und funktionieren meistens. Ansonsten gibt es so gut wie keine Vermittlungsangebote, Hands-On oder Partizipationsmöglichkeiten für die Besucher. Beschriftungen und Texte sind vorhanden, so dass sich auch der Einzelbesucher orientieren kann – leider keine Selbstverständlichkeit in belarussischen Museen. Raumtexte sind meist in russisch und englisch vorhanden, die Objektbeschriftungen hingegen unkonsequent mal in belarussisch, mal russisch, mal englisch, mal in einer Kombination gehalten. Ärgerlich ist, dass sie inhaltlich innerhalb der Ausstellungen stark differieren, d.h. mal die Herkunft des Objekts angeben, mal nicht, mal eine Erklärung neben dem Titel bieten, mal nicht usw., mal eine Orts- und Datumsangabe bieten, mal nicht usw.

Ausstellung in Schloss Mir

Ein weiterer Schwachpunkt sind die mangelnden Erklärungen der Baugeschichte. Zwar gibt es Dokumente und auch Texte dazu, doch wird aus der Ausstellung nicht deutlich, welche Bauetappe(n) bei der Rekonstruktion zugrunde gelegt wurden. Letztlich bleibt der Eindruck, es handele sich um einen Wiederaufbau der „schönsten“ Teile der Schlösser aus verschiedenen Zeiten, was zwar legitim, aber doch erklärungsbedürftig ist.

Ausstellung in Schloss Mir

Trotzdem sind beide Schlösser einschließlich ihrer Ausstellungen lohnende Ausflugsziele und bieten viele, wenn auch punktuell zusammengetragene Informationen, über die vielfältige und wechselvolle Geschichte der Region zwischen Polen, Litauen, der Ukraine und Russland, deren Einflüsse gerade an so symbolträchtigen Orten wie Mir und Nezvizh deutlich zu sehen und zu spüren sind. Ein Café oder Museumsshop sucht man allerdings bisher vergeblich.

Verbrannte Dörfer

Angesichts des Ausmaßes der Zerstörung von Städten und Dörfern in Belarus im Zweiten Weltkrieg mag es erstaunen, dass dieses Thema in der nationalen Forschung nicht mehr Beachtung findet. Bisher erinnerte nur die Gedenkstätte in Chatyn an das Schicksal tausender Dörfer, die zum Teil mit samt ihren Einwohnern während der deutschen Besatzung 1941 bis 1944 verbrannt wurden.

Dies scheint sich allmählich zu ändern. Seit einiger Zeit arbeiten der frühere Direktor der Nationalbibliothek, V. Selemenev, sowie die frühere Direktorin der Gedenkstätte in Chatyn, N. Kirillova, an einer Datenbank zu den verbrannten Dörfern. Die Arbeiten stehen im Zusammenhang mit einem Projekt der Belarussischen Friedensstiftung, das diese in Kooperation mit der Stiftung Verständigung und Aussöhnung durchführt. Letztere ist die Partnerorganisaiton für die Stiftung Erinnerung, Verantwortung, Zukunft bei der Auszahlung der Entschädigungszahlungen an die Zwangsarbeiter.

Zwar sieht das Projekt keine finanzielle Förderung der wissenschaftlichen Tätigkeit an der Datenbank vor, dennoch ist diese aus der Initiative hervorgegangen und kann bereits ein beeindruckendes Zwischenergebnis vorweisen. Ausgangspunkt ist die im Zusammenhang mit dem Bau der Gedenkstätte in Chatyn in den 60er Jahren erarbeitete Liste, die von 9.200 Dörfern ausgeht. Davon, so die bis heute offiziellen Angaben, wurden 619 Dörfer mitsamt ihren Einwohnern dem Erdboden gleichgemacht, 186 davon nicht wieder aufgebaut.

Schon jetzt hat die Arbeit an der Datenbank gezeigt, dass die Zahlen korrigiert werden müssen. Viele Dörfer wurden aus ganz unterschiedlichen Gründen nicht erfasst, andere wurden in die Liste aufgenommen, auch wenn keine Menschen dabei ums Leben kamen, ohne dies jedoch zu differenzieren, einige Dörfer wurden nicht von den Deutschen, sondern von Partisanen zerstört – auch dies ist in der bisherigen Liste nicht kenntlich gemacht. Diese Defizite sollen mit der Datenbank behoben werden. Grundlage ist eine Tabelle, in der alle Dörfer erfasst sind, verbunden mit Zahlenangaben aus der Zeit vor und nach dem Krieg, Quellen- und Literaturangaben, Links zu eingescannten Archivdokumenten sowie Fotos aus der Nachkriegszeit und heutiger Gedenktafeln und –steine.

Bereits in diesem Jahr erschienen ist ein Buch der beiden Wissenschaftler mit Dokumenten zu den verbrannten Dörfern. Es ist dies, neben einer Publikation der Gedenkstätte in Chatyn aus dem Jahr 2010, die einzige neuere Veröffentlichung zu diesem Thema. Sieht man von wenigen älteren, noch zu Zeiten der Sowjetunion erschienenen Bücher ab, so beschränkt sich die Bearbeitung des Themas in Belarus bisher auf die Veröffentlichung von Dokumenten und Erinnerungen. Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung fehlt bisher, wie übrigens auch in Russland.

Einen Anstoß zur weiteren Bearbeitung des Themas kann eine Konferenz bieten, die im Mai 2012 im Museum der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges stattfinden wird. Gefördert vom Kulturministerium greift sie eine Initiative des deutschen Aktuellen Forums e.V. auf, das seit einigen Jahren Konferenzen zu den verbrannten Dörfern durchführt, bisher in Berlin/Köln (2006), Lidice (2008) und Banská Bystrica (Slowakei, 2010).

Tage des Europäischen Kulturerbes in Belarus

In diesen Tagen werden zum wiederholten Male die Tage des europäischen Kulturerbes in Belarus begangen. Ziel der Aktion der seit 1991 vom Europarat und seit 1999 vom Europarat und der Europäischern Kommission geförderten Aktion ist es – ähnlich dem deutschen Tag des offenen Denkmals –  auf Architekturdenkmäler aufmerksam zu machen und zu ihrem Schutz beizutragen. Zudem sind die ausgewählten Gebäude, die normalerweise für die Öffentlichkeit geschlossen sind, in diesen Tagen für das Publikum zugänglich.

Jedes Land stellt die Kulturerbetage unter ein Motto. Belarus hat dieses Jahr das Thema „Kulturerbe und Religion“ gewählt und rückt damit die jahrhundertealten Beziehungen zwischen Staat und Kirche(n) in der Region in den Fokus. Aufgrund seiner geographischen Lage kommen in Belarus die orthodoxe, katholische, protestantische und jüdische Religion auf einzigartige Weise zusammen. Kunsthistorisch verbinden sich Einflüsse aus Byzanz, der Romanik und Gotik sowie ethnisch geprägter Kultur. Diese Synthese kommt insbesondere in der Architektur eindrucksvoll zum Ausdruck.

Zu der Aktion ist eine Broschüre des Kulturministeriums, hg. vom Institut für Belarussische Kultur, in belarussischer und englischer Sprache mit zahlreichen Farbfotos erschienen (siehe Foto). Ausgewählt und in der Broschüre vorgestellt werden das orthodoxe Frauen-Kloster Spaso- Evfrosinievkij in Polock, das ebenfalls orthodoxe Männer-Kloster Svjato-Uspenskij in Zhirovichi und die katholische Bernhardinerkirche in Budslav mit jeweils einzigartigen Ikonen, Fresken und Altären. Alle drei Orte pflegen ein aktives, religiöses Leben und werden regelmäßig von Pilgern besucht.

2010 hatte Belarus das Thema « Renaissancebauten » gewählt.

17. September

Dies ist der Tag, an dem im Jahre 1939 sowjetische Truppen die ostpolnischen Gebiete besetzten. Dieses Vorgehen entsprach der geheimen Übereinkunft zum Hitler-Stalin-Pakt. Damit kam das gesamte Gebiet mit weißrussischen Bevölkerungsanteilen, das in der Zwischenkriegszeit im Westen zu Polen, im Osten zur Sozialistische Sowjetrepublik Weißrussland (BSSR) und damit seit 1922 zur UdSSR gehörte, unter sowjetischen Einfluss. Es ist diese um die bis dahin polnischen Gebiete Westweißrusslands erweiterte BSSR, die am 22. Juni 1941 dem Überfall der Wehrmacht zum Opfer fiel.

Die Darstellung der Ereignisse des 17.9.1939 im Museum des Großen Vaterländischen Krieges.

Bis heute wird im offiziellen Sprachgebrauch – und in den meisten Museen – von der „Befreiung“ gesprochen, so auch im Museum des Großen Vaterländischen Krieges. Auch im ersten Konzept für die Neugestaltung des Museums wurde diese Formulierung gewählt. In der Zwischenzeit wurde die Struktur der Ausstellung überarbeitet und es ist die Rede von „Übergang der Roten Armee in das westliche Belarus“.

Aus polnischer sieht die historische Bewertung natürlich ganz anders aus, gehörten doch die ostpolnischen Gebiete, die „Kresy“, gemäß dem völkerrechtsgültigen Vertrag von Riga seit 1921 zur Zweiten Republik Polen. Aber auch ein Blick auf verschiedene litauische Websites zeigt, dass es noch weitere Perspektiven gibt. Siehe ausführlich dazu das Handbuch der Geschichte Weißrusslands, Göttingen 2001.

Für Belarus ist dieses Datum aber insofern Interessant, als sich hier – selten genug – Anhänger der offiziellen Geschichtspolitik und Anhänger der Opposition sowie die meisten kritischen Intellektuellen und Nationalisten einig sind: Diese Gebiete, so die geteilte Überzeugung, gehören schon immer zu Belarus.

Heute ist in etwa auf der Linie der Grenze von 1921 bis 1939 eine Toll-Station der Autobahn, die an die alte Grenze erinnert. Und ebenfalls bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass der Ausstellungsgestalter für das neue Museum des Großen Vaterländischen Krieges (Eröffnung 2013) ein polnisches Büro ist. Oh, oh.

Nadezhda Trojan gestorben

Am 7. September verstarb eine der drei Partisaninnen, die am 23.9.1943 das tödliche Attentat auf Wilhelm Kube, den Generalkommissar für den Generalbezirk Weißruthenien, in Minsk verübt hatten. Die Meldung des Todes der in der BSSR geborenen und mehrfach mit hohen Orden der Sowjetunion ausgezeichneten Trojan in Moskau im Alter von 90er Jahren wurde hier in Minsk und Belarus von vielen Medien aufgegriffen.

Trojan war während des Krieges in mehreren Partisanenbrigaden auf dem Gebiet der BSSR aktiv und arbeitete als Krankenschwester und Agentin. Zu ihren spektakulärsten Erfolgen im Kampf gegen die Besatzer gehörte das Attentat auf Kube. Dieser war am 23.9.1943 durch eine Bombe zu Tode gekommen, die unter seinem Bett versteckt worden war. Weitere Beteiligte waren Elena Mazanik und Marija Osipova, die ebenso wie Trojan mit dem höchsten Orden der UdSSR, „Held der Sowjetunion“, ausgezeichnet worden waren.

Nach dem Krieg wurde Trojan Ärztin, Dozentin an verschiedenen Universitäten und Vizepräsidentin des Internationalen Roten Kreuzes. Sie war aktiv im Verband der Veteranen und anderen gesellschaftlichen Organisationen engagiert.

Die Geschichte des Attentats auf Kube wird in einer gesonderten Ausstellungseinheit im „Museum des Großen Vaterländischen Krieges“ behandelt (siehe Foto). Hier stehen weniger Trojan als Osipova und Mazanik im Vordergrund. Ausgestellt ist u.a. ein an letztere gerichteter Brief der Ehefrau Kubes, Anita Kube, vom 23.9.1992, dem Jahrestag des Attentats.

„Tag des belarussischen militärischen Ruhmes“

http://belapan.com/archive/2011/09/08/media_voin_slava/

Eben diesen galt es gestern, am 8. September, zu feiern. Es ist ein Gedenktag der demokratischen Öffentlichkeit in Belarus. Er geht zurück auf das historische Datum des Sieges der Truppen des Großfürstentums Litauen über die Truppen des Moskauer Fürstentums 1514 bei Orscha, mit dem das Großfürstentum seine Unabhängigkeit behauptete. Hierzulande handelt es sich um einen inoffiziellen Feiertag, an den erst seit den 80er Jahren erinnert wird. 1992 wurde er feierlich auf dem Platz der Unabhängigkeit in Minsk mit der Vereidigung von Soldaten und Offizieren der Streitkräfte begangen. Da das Gedenken an das Großfürstentum als wichtigen Bezugspunkt der nationalen Unabhängigkeit und belarussischen Kultur offiziell nicht erwünscht ist und mit der politischen Opposition in Verbindung gebracht wird, sind größere Veranstaltungen zu diesem Datum nicht denkbar. Dennoch tauchte die (verbotene) rot-weiße Flagge in diesem Zusammenhang hier und da auf. Wie wichtig der Tag für das nationale Selbstverständnis ist, zeigt die Tatsache, dass Belarussen in anderen Ländern daran erinnern, wie das Foto aus Warschau zeigt.

Gelenktes Gedenken

Ich nutze ein weiteres Mal die Quelle von BelaPAN, deren gestrige Meldung einer Denkmalenthüllung ich aufnehmen möchte. Demnach gibt es in der Stadt Sjanno (Bezirk Vitebsk) seit heute ein neues Monument, für die Soldaten der Roten Armee, die im Juli 1941 in der dortigen Panzerschlacht gekämpft haben. Glaubt man dem Pressebüro des Verteidigungsministeriums, handelte es sich um die „größte Panzerschlacht der Weltgeschichte“, an der mehr Panzer und gepanzerte Fahrzeuge betilgit waren, als in Kursk.

Wie wichtig diese Einschätzung ist, belegt die Anwesenheit des Verteidigungsministers bei der Enthüllung. Mit dem Denkmal soll diese lange wenig beachtete militärische Auseinandersetzung gewürdigt und ein weiteres Mal der „Falsifizierung der Geschichte“ entgegengewirkt werden. Dahinter steht aber noch etwas anderes, nämlich die Betonung der besonderen Leistung der Belarussen (gegenüber Russland!) im Kampf gegen den Feind, der in dieser frühen Phase des Krieges zurückgedrängt werden konnte und erhebliche Verluste erlitten habe. Damit sei auf belarussischem Gebiet bereits 1941 der Grundstein für den Gesamtsieg gelegt worden.

An der Meldung fällt zweiterlei auf: Wie viele Panzer auch immer es genau waren, allein der überholte Vergleich mit Kursk zeigt, dass es hier weniger um Forschungsergebnisse, als um Superlative geht. Schon lange hat die Wissenschaft die Zahlen der an der Schlacht im Kursker Bogen beteiligten Panzer nach unten korrigiert. Ein Blick in die Geschichte des Ortes legt zudem nahe, dass von etwas anderem abgelenkt werden soll. Sjanno war bis zum Krieg jüdisch geprägt, woran heute nur wenige Spuren in der Stadt erinnern, wie z.B. eine Gedenktafel.

Schwieriges Gedenken

Es sind solche Meldungen wie die von BelaPAN  vom 31.8.2011, die daran erinnern, wie schwer sich Belarus offenbar noch immer mit seinem jüdischen Erbe tut. Eine kleine Versammlung von Menschen zum Gedenken an den Selbstmord einer Gruppe von Juden am 31.8.1941 nach dem Einmarsch der Deutschen in Mazyr wurde von den Behörden argwöhnisch verfolgt und schließlich aufgelöst. Ihr Vorschlag, das Gedenken am Internationalen Holocaust-Gedenktag am 27. Januar abzuhalten, zeigt, dass individuelles, nicht organisiertes Gedenken nach wie vor nicht in das Schema der offiziell regulierten Gedächtniskultur passt.

Hinzu kommen die historischen Umstände, derer gedacht wurde. Vertreter der in den USA registrierten World Association of Belarusan Jewry (WABJ), der Christlichen Partei sowie von Menschenrechtsvertretungen kamen am Mittwoch in Mazyr zusammen, um an das Schicksal derjenigen jüdischen Familien zu erinnern, die sich selbst in einem Holzhaus verbrannt haben, um nicht in die Hände der Besatzer zu fallen.

Seit 2003 erinnerte ein Gedenkstein der WABJ an das Ereignis, der in hebräischer, englische rund weißrussischer Sprache darauf hinwies, dass sich die Menschen lieber selbst umgebracht haben, als sich dem Feind zu ergeben.

Die Stadtregierung entfernte den Stein und ließ ihn im Mai 2010 durch eine Tafel ersetzen, die lediglich an die „friedliche Selbstopferung von Einwohnern“ erinnert.

Belhistory.com

So lautet die Internetadresse eines Portals zur weißrussischen Geschichte. Über Texte, Ton- und Filmdateien sowie eine Fotogalerie historischer Persönlichkeiten kann man sich hier über die Geschichte des Landes informieren, vorausgesetzt man hat keinen wissenschaftlichen Anspruch und erwartet weiterführende Anmerkungen oder Literaturhinweise. Im Mittelpunkt steht die Geschichte des Großfürstentums Litauen, über dessen Ausmaß, Kultur und Geschichte als Grundlage für das heutige nationale Selbstverständnis hier näher informiert werden soll.

Betrieben wird das Portal von der Initiative Budzma Belarusami, zu deutsch etwa „Lasst uns Belarussen sein“. Dahinter steht eine Reihe von kulturellen und gesellschaftlichen Initiativen und Vereinigungen, die sich die Vermittlung der belarussischen Sprache und Kultur durch Veranstaltungen, Buchpräsentationen und Angeboten im Internet zum Ziel gesetzt haben. Konsequenterweise wird dieses Portal ausschließlich auf belarussisch angeboten, während bei Belhistory.com einige Texte auch in russischer Sprache zu finden sind.

Seit kurzem ist auf beiden Portalen ein Kurzfilm zur Geschichte zu sehen (und bei www.budzma.org nachzulesen). Im Rap-Stil und originellem Design wird die Geschichte von Belarus in gut 5 Minuten von den Anfängen, über die Christianisierung, das Großfürstentum Litauen, die polnischen Teilungen und Napoleon bis ins 20. Jh. erzählt. Die Weißrussische Volksrepublik 1918 kommt ebenso vor wie die Gründung der Zeitschrift Naša Niwa, der Überfall der Deutschen 1941 und die Zeit nach 1945. Bezeichnenderweise endet die Erzählung 1991 mit der Erlangung der Unabhängigkeit. Text und Musik stammen von dem hierzulande bekannten Sänger Ljavon Volski.

Deutscher Soldatenfriedhof in Schatkowo

Vor Kurzem wurde ein weiterer Friedhof für deutsche Soldaten des Zweiten Weltkrieges in Belarus eröffnet. Das großzügige Gelände, geschützt in einem großen Wald gelegen, befindet sich im Gebiet Mogiljew unweit der Stadt Bobruisk. Dort wurde am 2. Juli 2011 die Eröffnung des Friedhofs nach einer Erweiterung und Neugestaltung durch den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge vorgenommen. In Anwesenheit zahlreicher Angehöriger, die aus Deutschland angereist waren, sowie von Kirchenvertretern und weiteren Gästen wurden die Überreste von fünf Soldaten beigesetzt.

Der Friedhof ist derzeit Ruhestätte für 15.000 deutsche Soldaten, bis zu 40.000 können hier in Zukunft noch beerdigt werden. Insgesatm sind 200.000 deutsche Soldaten zwischen 1941 und 1943 im heutigen Belarus ums Leben gekommen. Noch immer sind viele nicht gefunden worden oder ihre Grabstätte ist weiterhin unbekannt.

Die nachhaltige Suche und das Bemühen des Volksbundes um die Toten löst in Belarus zwiespältige Gefühle aus. Nicht immer erfolgt die Suche nach den eigenen Soldaten und Kriegsopfern mit demselben Engagement, zumal eine Identifizierung der sowjetischen Soldaten aufgrund unvollständiger Registrierung und des Erkennungszettels aus Papier ungleich schwieriger ist. Hinzu kommt die Zurückhaltung der Regierungsbehörden in der Unterstützung des Volksbundes: Bis heute ist das Kriegsgräberabkommen von Mitte der 90er Jahre nicht vom weißrussischen Parlament ratifiziert worden. Damit hängt die Zusammenarbeit von den einzelnen Bezirksbehörden ab, die der Arbeit des Volksbundes in der Regel allerdings aufgeschlossen gegenüber stehen. Auf beiden Seiten ist man sich einig über die Notwendigkeit und zukunftsweisende Absicht der Erinnerung an alle Opfer des Krieges. Dies zeigt auch die Kranzniederlegung an einem Denkmal für die gefallenen sowjetischen Soldaten durch den VDK und alle anwesenden Gäste, zu denen der deutsche Botschafter, der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, General a.D. Wolfgang Schneiderhan sowie der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Wieland gehörten, vor der Einweihung des deutschen Friedhofs.

Die Kranzniederlegung am sowjetischen Ehrenmal.

Weitere Informationen bietet ein Bericht von Elfie Siegl in der Sendung SCALA auf WDR 5 am 31.7.2011:

http://www.wdr5.de/fileadmin/user_upload/Sendungen/Alte_und_neue_Heimat/2011/07/Manuskripte/07_31_siegl_weissrussland.pdf

Blog zu Minsk und Minsker Geschichte

Neulich stieß ich auf einen mir bisher nicht bekannten Blog zu Minsk und Umgebung. Immer ausgehend von einem Foto finden sich hier viele Hinweise auf historische Spuren in der Stadt und der Minsker Region. Zusammen mit den kurzen texten und Kommentaren der Leser lässt sich viel Neues entdecken. Ein Schwerpunkt der Einträge liegt auf dem Thema Architektur.

Bisher unbekannte Fotos aus dem zerstörten Minsk

Auf den Seiten von Spiegel online bzw. einestages wurden im Juni Fotos aus einem erst jüngst entdeckten Fotoalbums veröffentlich. Es handelt sich um Fotos des Salzburger Kriegsberichterstatters und Fotografen Franz Krieger. Krieger kam mit der Wehrmacht bis in der zerstörte Minsk, von wo viele der Aufnahmen aus in dem Album stammen.

U.a. fotografierte er im Sommer 1941 Kriegsgefangene und das Ghetto. Ein weiteres Foto zeigt einen deutschen Soldatenfriedhof vor der Akademie der Wissenschaften. Laut Auskunft des VdK, so einestages, sind diese Soldaten identifiziert, aber bisher nicht umgebettet worden. Wahrscheinlich sei dies das einzige Foto, das ihren Familienangehörigen geblieben sei.

Dies stimmt meiner Kenntnis nach nicht, da es weitere Aufnahmen von diesem Ort, der Akademie und dem davor angelegten Friedhof, aus anderen Perspektiven gibt. Gesehen habe ich sie in der Geschichtswerkstatt Minsk , dessen Leiter Kuzma Kozak eine Publikation über die deutschen Verluste vorbereitet. Sie wird im September erscheinen und die genannten Fotos – hoffentlich mit verlässlichen Quellenangaben – publizieren.

Archäologisches Museum im Institut für Geschichte der Akademie der Wissenschaften

Foto: http://www.history.by/rus/exposition.html

Klein, aber fein ist die Ausstellung zur Geschichte der archäologischen Forschung in Belarus im obersten Stock des Gebäudes, in dem sich auch das Institut für Geschichte der Akademie der Wissenschaften befindet (Экспозиция „Развитие археологической науки в Национальной академии наук Беларуси“ при ГНУ Институт истории НАН Беларуси“). In zwei Räumen bietet die überraschend modern gestaltete Ausstellung einen Überblick über verschiedene Ausgrabungsorte und Funde auf dem Gebiet des heutigen Belarus.

Das nach Voranmeldung öffentlich zugängliche kleine Museum dient vorrangig der Ausbildung von Studierenden. Für sie werden Formen und Exemplare archäologischer Funde auf einzeln verschiebbaren Tafeln zum Vergleich präsentiert. Großfotos, kleine Inszenierungen und moderne Vitrinen hinterlassen einen professionellen Eindruck. Auffällig sind die durchweg belarussiche und englische Beschriftung aller Exponate – ein Service für den Einzelbesucher, den man nur selten in weißrussischen Museen findet. Einführende Texte zur Einordnung einzelner Fundorte wünscht man sich dagegen leider vergeblich.

Das Museum zeigt nur einen kleinen Teil der weitaus größeren Sammlung der Akademie der Wissenschaften. Diese hat im Zweiten Weltkrieg stark gelitten, große Teile wurden nach Deutschland verbracht. Von dem, was nach dem Krieg zurückgegeben wurde, gelangten viele Exponate aufgrund der sowjetischen Verteilungsstruktur an andere Museen im ganzen Land. Mit dem vorhandenen Bestand sollte bereits 1963 ein Museum eröffnet werden. Dieses Vorhaben wurde jedoch erst 2006 realisiert.

Zur Ausstellung gibt es eine russisch- und englischsprachige Broschüre sowie Informationen im Internet.

3. Juli – Nationalfeiertag

Die Gedenktafel an dem T-34 ist nicht korrekt, so der Autor eines Artikels der Belarussischen Militörzeitung vom 12.5.2011.

Am kommenden Sonntag ist es wieder soweit: Mit Pomp und Parade feiert die Republik Belarus ihren Nationalfeiertag. Schon jetzt hängen riesige Plakate in der Innenstadt, die Hauptachsen werden nachts regelmäßig für den Verkehr gesperrt, um für die große Militärparade zu üben. Und damit es keine Missverständnisse gibt, liest man allenthalben: „Tag der Unabhängigkeit (= Tag der Republik Belarus)“. Diese Erklärung ist offenbar nötig, denn in der Tat gibt es unterschiedliche Anasichten, welches der wahre Nationalfeiertag ist.

Von 1991 bis 1996 war es der 27. Juli, der Tag, an dem die Weißrussische Sozialistische Sowjetrepublik im Jahre 1991 ihre Unabhängigkeit von der Sowjetunion erklärte. Im November 1996 machte dann Präsident Lukaschenko mit Hilfe eines umstrittenen Referendums den 3. Juli zum Tag der Unabhängigkeit und Nationalfeiertag.

In oppositionellen Kreisen, in der belarussischen Emigration sowie für viele Menschen im Land gilt schließlich der 25. März als Nationalfeiertag. Dies ist der Tag der Gründung der „Weißrussischen Volksrepublik“ im Jahre 1918, die freilich nur bis zum Herbst 1918 Bestand hatte, für viele aber heute zu einem Symbol staatlicher Souveränität geworden ist.

Historisch geht das heutige Datum des Feiertages, also der 3. Juli, auf den Tag der Befreiung der Hauptstadt Minsk von der nationalsozialistischen Besatzung durch die Roten Armee im Rahmen der militärischen Operation Bagration zurück. Ursprünglich allein zur Befreiung von Minsk gedacht, weitete sich die Operation aus und fügte der deutschen Heeresgruppe Mitte entscheidende Verluste bei, und führte letztlich zu deren Zusammenbruch. Die Folge war das Ende der Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten auf sowjetischem Territorium und die Auflösung der Lager. So wurde das Ghetto Minsk am 21.10.1943 aufgelöst und die letzten 2.000 Einwohner im nahe gelegenen Vernichtungslager Malyj Trostenec ermordet.

Auch diese Inschrift in Zaslavl wurde im April durch eine weitere in der Nähe ergänzt und damit präzisiert.

Mehr als die Schrecken der Besatzungsherrschaft wird heute offiziell jedoch noch immer der militärischen Erfolge der Roten Armee gedacht. Vor diesem Hintergrund wird auch die erhoffte Symbolkraft und Wirkungsmacht der Militärparade verständlich. Ein nationaler Konsens kann offenbar jedoch auch hier nicht hergestellt werden. So beschreibt ein Artikel in der „Belarussischen Militärzeitung“ vom 12.5.2011 ausführlich die militärische Operation zur Befreiung der Stadt und weist anschließend minutiös nach, dass zahlreiche der seit Jahren im Stadtbild und der Umgebung befindlichen Gedenk- und Erinnerungstafeln falsche Inschriften zeigen. Bemerkenswert ist dabei, dass diese Tafeln vom Kulturministerium, dem Institut für Geschichte der Akademie der Wissenschaften und anderen zuständigen Behörden angebracht wurden. Diese ruft der Autor, ein Kriegsveteran und Generalmajor im Ruhestand, nun in einer offiziellen Zeitung zur Korrektur auf – natürlich nur, um auch hier der allseits verbreiteten „Falsifikation der Geschichte“ entgegenzutreten.

22. Juni 2011 – 70. Jahrestag des Überfalls des Deutschen Reichs auf die Sowjetunion

„Achtung – es spricht Moskau.“ So begann die Mitteilung des offiziellen sowjetischen Rundfunks am 22. Juni 1941 zum deutschen Angriff – heute zu hören auf der Homepage der Festung Brest, dem Ort, an dem die Deutschen die Grenze überschritten. Noch immer läuft einem dabei ein Schauer über den Rücken.

In diesen Tagen finden allerorts Veranstaltungen anlässlich des Jahrestages, des „Gedenktages der Opfer des Großen Vaterländischen Krieges“ statt. Dabei fällt auf, dass es sich überwiegend um wissenschaftliche Konferenzen und Vorträge handelt, wie z.B. in der Gedenkstätte der Festung Brest oder in der Geschichtswerkstatt. Angebote für eine breite Öffentlichkeit gibt es, sieht man von den offiziell inszenierten Gedenkfeieren in vielen Städten ab, kaum.  Auch das Museum der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges zeigt keine Sonderausstellung.

In Minsk war allein eine Schweigeminute für den 22.6. um 18.00 Uhr auf dem Freiheitsplatz angekündigt, übrigens zum ersten Mal, wie ich vielfach gehört habe. Wie befürchtet, diente diese Veranstaltung auch der Besetzung des Platztes, auf dem sich in letzter Zeit Mittwochs abend Kritiker der Reigierung versammeln, und wo für gestern über die sozialen Netzwerke eine Demonstration angekündigt war.

Deutlich präsenter im Stadtbild ist der bevorstehende 3. Juli, der Tag der Unabhängigkeit, der selbst auf ein historisches Datum im Großen Vaterländischen Krieg zurückgeht: den 3. Juli 1944, die Befreiung von Minsk. Auch im „Park des Sieges“, am Komsomolzen-See, sind die Plakate zu sehen. Es ist dies der Ort, an dem am 22. Juni 1941 die Minsker vom Überfall des nationalsozialistischen Deutschlands auf die Sowjetunion erfuhren, als der Park, damals noch unter anderem Namen, öffentlich eingeweiht wurde.

Der Minsker Brüderfriedhof – Der Große Krieg oder der Erste Weltkrieg III

Die Baustelle im Mai 2011.

Noch zu Beginn des Jahres war es eine unscheinbare Grünfläche, deren Bezug zum Ersten Weltkrieg man nur über eine ebenso unscheinbare Tafel an den beiden Seiteneingängen entnehmen konnte. Nun entsteht dort eine „Memorialkomposition“, der der Abbildung auf dem Bauschild zufolge eine Neugestaltung des Parks sowie den Bau einer Kapelle umfasst. Die Arbeiten gehen zügig voran, so dass das Ganze wohl noch vor 2014 fertig wird. Dies wiederum würde zu dem allseits erwachenden Interesse am Ersten Weltkrieg passen, das hier, wie übrigens auch in Russland, zu beobachten ist.

Die Rede ist von dem „Minsker Brüderfriedhof“, einem Ort an der Červjakov-Straße in der Nähe des Komsomolzen-Sees nördlich vom Stadtzentrum Minsk. Hier wurden beim Bau des Fundaments für die Kapelle menschliche Überreste gefunden. Dabei handelt es sich um Soldaten der russischen Armee, die hier 1915 beerdigt worden waren, nachdem sie in Minsker Krankenhäusern in Folge ihrer Kriegsverletzungen gestorben waren. Diese Erkenntnis haben die Angehörigen des Suchbataillons der Belarussischen Streitkräfte aus weiteren Funden, wie medizinischem Gerät, abgeleitet, wie ein Artikel der Belarussischen Militärzeitung vom 11.3.2011 berichtet.

Neben einem Rückblick auf die Ereignisse des Krieges empört sich der Autor, dass sich lange Jahre niemand für dieses Thema interessiert habe. Nur so habe es passieren können, dass auf Teilen des ursprünglich viel größeren Friedhofsgeländes, auf dem Orthodoxe, Juden, Katholiken und Moslems getrennt beerdigt worden waren, heute mehrstöckige Wohnhäuser stehen. In der Tat spielt der Erste Weltkrieg in Belarus, wie in Russland und zuvor in der Sowjetunion, kaum eine Rolle im offiziellen Gedächtnis. Seit einigen Jahren jedoch gibt es immer mehr Historiker und Museen, die sich dieser Epoche in Studien oder Ausstellungen widmen. Das heutige Gebiet von Belarus war auch in diesem Krieg ein zentraler Schauplatz militärischer Auseinandersetzungen. In dem Bemühen, nationale Traditionen und Anknüpfungspunkte für die nationale Identität zu finden, liegt es nahe, auch diese historische Periode zu erforschen. In diesem Sinne ist es konsequent, dass an der Kapelle eine Liste mit den Namen aller hier Beerdigten angebracht werden soll, eine aufwendige Umbettung der Überreste geplant ist sowie eine Beerdigung mit allen militärischen Ehren.

Foto: http://zapadrus.su/zaprus/istbl/295--1914-18-.html

2003/2004 konnten im Rahmen eines Forschungsprojektes nähere Informationen zu dem am 29. November 1914 angelegten Friedhof und den Toten gefunden werden. Das Hauptinteresse lag auf der Erstellung einer Namensliste sowie der Rekonstruktion von möglichst vielen biographischen Details der ursprünglich ca. 5.000 Toten dieses Friedhofs. Über die Ergebnisse berichtet Andrej Karkotko, ein Historiker des Suchbataillons in der Belarussischen Militärzeitung vom 24.3.2011 und auf den Seiten von Zapadnaja Rus vom 17.3.2011, wo sich auch eine Liste der hier beerdigten Soldaten findet.

Ein Übersichtsplan findet sich hier.

Ein Museum für Valentin Vankovič

Etwas zurückgesetzt an einer Straße mitten im Zentrum hinter dem Kulturpalast liegt das Memorialmuseum für Valentin Vankovič. Dieser Museumstyp war schon zu Sowjetzeiten sehr verbreitet und findet sich heute noch häufig in Russland, Belarus und der Ukraine. Gemeint ist ein, meist kleines Museum oder einige Räumlichkeiten in einem Gebäude, die biographisch mit einem Künstler, Literaten oder Musiker verbunden sind und eher Andenken und Verehrung, als Dokumentation und wissenschaftlicher Aufarbeitung gewidmet sind. Ihren ganz besonderen Reiz beziehen diese Museen für mich daraus, dass meist mehrere ältere Damen ein strenges Regime führen, auf das Wohlverhalten in den Ausstellungsräumen achten und den wenigen Besuchern persönlich Anekdoten aus dem Leben des Künstlers und rund um die als Ikonen erehrten Objekte erzählen.

So ist es auch im Falle des Museums für diesen, wie ich im Museum erfahre, berühmten Vertreter der weißrussischen Romantik. Vankovič lebte von 1800-1842, verbrachte aber nur wenige Jahre in seiner Heimat, in Minsk. In diesen Jahren befand sich eine seiner Werkstätten in diesem Haus seines Cousins. Die ersten beiden Säle zeigen Dokumente und Gemälde zu Leben und Werk des Malers, dessen Portraits von u.a. von A. Puschkin P. Vjazemskij und A. Mickewicz in Museen in Polen, Litauen, Frankreich, Italien und Russland hängen. Dagegen findet sich kein einziges Original in Belarus, wo er indes als nationaler Künstler reklamiert wird. Aus polnischer Perspektive freilich ist das ebenso.

Die folgenden drei Säle zeigen (meist Kopien) von Portraits bekannter und weniger bekannter Zeitgenossen, kombiniert mit Möbeln und Einrichtungsgegenständen aus der Zeit Ende des 18./ Anfang 19. Jahrhunderts. Hier vermittelt sich die Atmosphäre eines städtisch-adeligen Lebens in Minsk zu dieser Zeit.  Passend zu diesem Rahmen veranstaltet das Museum regelmäßig Konzerte auf dem hauseigenen Flügel, Lesungen und andere kulturelle Veranstaltungen.

Das Museum befindet sich in der Internationalnaja Straße 33a und ist eine Filiale des Nationalen Kunstmuseums, wo man auch weitere Informationen erhält.

Der Große Krieg oder der Erste Weltkrieg II

Der herannahende 100. Jahrestag seit Ausbruch des Ersten Weltkrieges erfährt in Belarus eine noch vor 10 Jahren undenkbare Aufmerksamkeit. Am nördlichen Zentrum von Minsk wird ein erst kürzlich entdecktes Massengrab in eine Parkanlage verwandelt. Und erst im letzten Jahr erschien eine Publikation über die „Soldatengräberanlagen aus dem Ersten Weltkrieg in Belarus“. Die auf deutsch und russisch erschienene Broschüre im DIN A 4-Format enthält neben einer Einleitung zweier belarussischer Historiker (Anatolij Scharkow und Wjatscheslaw Selemenew) eine Übersicht über die nach Gebieten geordneten Gedenksteine, Friedhöfe und Denkmäler in Belarus nebst kurzer Beschreibung, einem Foto und einer Zustandsbeschreibung.

Die Ausgabe wurde vom Österreichischem Schwarzen Kreuz und dem Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge finanziert und herausgegeben. Neben Vorworten von Vertretern dieser beiden Einrichtungen, gibt es ein Vorwort des Leiters des Ludwig Boltzmann-Instituts für Kriegsfolgenforschung in Graz sowie ein „Verzeichnis der österreichischen Gefallenen, die nahe Bereza im gebiet Brest begraben sind“.

Das Heft stellt eine gute Grundlage für weitere Forschungen zum Ersten Weltkrieg in Belarus sowie die Erinnerung an diesen in der Sowjetunion fast vergessenen Krieg dar.

Theater gegen das Vergessen

Foto: Geschichtswerkstatt Minsk

Am 27.5.2011 fand in der Geschichtswerkstatt die Uraufführung des Theaterstücks «Без названияМинское гетто» („Ohne Titel – Minsker Ghetto“) statt. Unter der Leitung der Theaterregisseurin Anna Sulima fassten die Schauspielerinnen und Schauspieler der Theatergruppe «Театральный квадрат» („Theater quadrat“) das Grauen der Konzentrationslager in eindrucksvolle, starke Bilder.

Das Projekt ist in Kooperation mit dem Historischen Institut der Belarussischen Staatlichen Universität entstanden, an der der Leiter der Geschichtswerkstatt, Kuzma Kozak, unterrichtet. Für das Stück gewann die junge Regisseurin Studierende unterschiedlicher Fakultäten, die meisten Historiker. Für die inhaltlichen Grundlagen arbeitete Sulima mit Überlebenden des Minsker Ghettos und anderer Lager zusammen, die sich regelmäßig in der Geschichtswerkstatt treffen. Auch der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde und Verbände, Leonid Lewin, wirkte an der Realisierung mit.

Foto: Geschichtswerkstatt Minsk

Die 30 geladenen Gäste erlebten eine eindrucksvolle Inszenierung, die für die Räumlichkeiten der Geschichtswerkstatt entstanden ist. Neben Ausdruckstanz und Musik trugen die jungen Laienschauspieler Textstellen aus Erinnerungen von Überlebenden in deutscher, französischer, russischer, belarussischer, polnischer und litauischer Sprache vor. Darin kommt das zentrale Anliegen der Autorin zum Ausdruck, an alle Opfer des Holocaust aus verschiedenen Ländern zu erinnern, auch wenn, so die Künstlerin selbst, kein Theaterstück, kein künstlerischer oder anderer Ausdruck jemals in der Lage sei, die schrecklichen Erfahrungen der Betroffenen in Bilder oder Worte zu fassen. In diese Sinne entließ sie ihre sichtlich betroffenen Zuschauer mit den Worten: „Irgendwann wird es niemand mehr glauben.“

Der Große Vaterländische Krieg II: 8. Mai

Ich habe selten einen so traurig-bewegten Nachmittag erlebt wie heute. Und das, obwohl ich mich in den letzten sechs Monaten schon richtig an die russischen Schlager gewöhnt habe. Beim Kochen, auf der Eisbahn oder im Autor machen sie durchaus gute Laune. Nicht so heute, obwohl genau das wohl die Absicht war.

Wir waren beim „Festakt“ und „Feiertags-Konzert“ im Palast der Republik anlässlich der Eröffnung der Feierlichkeiten zum Tag des Sieges am 9. Mai. Die ganze Zeit habe ich mich gefragt, ob es daran liegt, dass wir nun mal die Deutschen sind. Sicher, das spielt eine Rolle, wohl habe ich mich nicht in meiner Haut gefühlt. Aber das war es nicht allein, mal ganz abgesehen davon, dass Russen, Weißrussen, Chinesen und alle anderen einem ohnehin unbekümmert zum Feiertag gratulieren.

Nein, vielmehr war es die Anstrengung der Belarussen, um jeden Preis und ausschließlich ein Fest aus dem Sieg zu machen. Was er zweifellos war; aber eben nicht nur. Kein Wort von den Opfern unter den Soldaten und der Zivilbevölkerung oder der deutschen Vernichtungspolitik, keine Rede von den verbrannten Dörfern und den ermordeten Juden.

Das gehört nicht in ein „feierliches Konzert“, aber ist dieses Format der Erinnerung überhaupt angemessen? Ja, vielleicht, und wenn es auch nur für die (noch immer) zahlreich anwesenden Veteranen so ist. Und doch: Wie fühlen gerade diese Menschen sich, die den Krieg erlebt haben, die dabei waren, die selbst gekämpft und gelitten haben? Ist es allein die Würdigung in diesen Tagen oder ist es nicht doch auch die bittere Erkenntnis, dass sich nicht wirklich jemand für den Krieg interessiert? Interessiert, indem nachgefragt, diskutiert und aufgearbeitet wird.

Sieht man von den wenigen Initiativen jenseits der staatlich organisierten Erinnerung ab, wie z.B. der Geschichtswerkstatt, dann gibt es eine ernsthafte, ehrliche und schonungslose Auseinandersetzung mit dem Krieg in Belarus bis heute nicht. Es müsste – neben der nationalsozialistischen Ideologie der „Untermenschen“, der Ausrottung der Juden, die einen großen Teil der Bevölkerung von Belarus vor dem Krieg ausmachten, von den Konzentrationslagern und der Zwangsarbeit – die Rede sein von den ersten Jahren der Sowjetunion mit Kollektivierung und Industrialisierung, von den „Säuberungen“ in der Armee und dem Großen Terror gegen die Bevölkerung, von der menschenverachtenden Kriegführung Stalins, von der Behandlung der Kriegsgefangenen in der Sowjetunion nach dem Krieg, von der Angst der Bevölkerung vor den Partisanen und der Glorifizierung des „Volkssieges“. Von all dem herrscht weitest gehend Schweigen.

Stattdessen singen Stars und Sternchen jedes Jahr dieselben, alt bekannten sowjetischen Kampflieder, danken Kinder ihren Großeltern für ihren Heldenmut und tanzen die Partisanen im Wald in der Vorfreude des Sieges. All das vor dem Hintergrund einer Rede des Verteidigungsministers, der die historische Linie von der Entscheidung Belarus’, im Verbund der Sowjetunion gegen den „Faschismus“ zu kämpfen zu der Wahl Lukaschenkos 1994 und den letzten Präsidentschaftswahlen im Dezember 2010 zieht. Vielleicht bin ich allein mit diesem Gefühl, aber ich hatte Mitgefühl mit den Veteranen, die noch immer instrumentalisiert werden, und mit den vielen Menschen in Belarus, die sich schon lange nicht mehr allein über den Krieg definieren. Als ich nach dem Konzert auf dem Boulevard im Stadtzentrum in der Maisonne zwischen jungen und alten Belarussen nach Hause ging, fühlte ich mich ihnen ganz nah – am Tag des historischen Sieges über das nationalsozialistische Deutschland, wie sie nach neuen Anknüpfungspunkten in ihrer Geschichte, Sprache und Kultur suchen, ohne sie bisher wirklich gefunden zu haben.

Chatyn: Museum

Der erste Raum des Museums.

Das 2004 am Eingang der Gedenkstätte an die verbrannten Dörfer in Chatyn, 30 km nördlich von Minsk, eröffnete, freilich sehr kleine Museum soll dem Besucher die historischen Informationen vermitteln, die er benötigt, um die vielschichtige Gedenklandschaft im Außengelände zu verstehen. Dies gelingt nur bedingt. Zwar sind die Gestaltung und einige Elemente durchaus modern: So werden, wie bisher nur in wenigen weißrussischen Museen, im ersten Saal mit Fotos und Dokumenten auf die Vorgeschichte des Überfalls auf die Sowjetunion verwiesen und andere Kriegsschauplätze erwähnt. Texte zur Einordnung oder Erklärung fehlen jedoch in der gesamten Ausstellung.

Der zweite Raum ist den Ereignissen in Chatyn und der Erinnerung durch die wenigen Überlebenden gewidmet. Hier findet der Besucher Kopien von Archivdokumenten, leider aber wiederum ohne Quellenverweis und Hintergrundinformation. Wer also kein historisches Vorwissen hat, wird hier keine verwertbaren Informationen finden.

Leider fehlen überall Objektbeschriftungen und erklärende Texte.

Im dritten Raum ist die Geschichte des Gedenkens am Ort in Chatyn dokumentiert. Gerne wüsste man, aus welchem Jahr das Foto mit den provisorischen Grabkreuzen am Ort des Schreckens stammt. Auch den Fotos zum Wettbewerb für die Gedenkstätte in den 60er Jahren kann man nicht entnehmen, wer sich mit welchen Entwürfen daran beteiligt hat. Eine unkommentierte Biographie des Ersten Parteisekretärs in Belarus, Petr Mascherow (1918-1980), weist auf die Diskussionen hin, die es um den Entwurf Leonid Lewins gegeben hat, dies aber auch nur dann, wenn man es schon weiß.

Insgesamt ein wichtiger Museumsstandort mit guten Absichten, jedoch noch mit viel Nachholbedarf.