Rau-Gespräche mit Henning Scherf

Im November fand das 7. Johannes-Rau-Gespräch zum Thema Geschichtspolitik und Erinnerung in der IBB Minsk statt. Festredner war der ehemalige Bürgermeister der Stadt Bremen, Henning Scherf. In einem sher persönlichen Vortrag schilderte er den Weg historischer Erinnerung nach 1945 in beiden Teilen Deutschlands. Den meisten Gewinn daraus konnten sicher die anwesenden Westdeutschen, darunter die Vertreter der IBB Dortmund, aber auch die Vertreter der österreichischen Delegation ziehen. Für die Belarussen, so zeigte auch die anschließende Diskussion, waren die Ausführungen letztlich zu detailliert.

Von belarussischer Seite sprachen der stellvertretende Bürgermeister der Stadt Minsk, Igor Karpenko, sowie ein Historiker der Akademie der Wissenschaften, Vladimir Kusmenko. Geschickt lavierte dieser auf der Welle der offiziellen Geschichts- und Erinnerungspolitik, die auf sowjetischen Geschichtsparadigma basiert, durch die Einbeziehung belarussisch-nationaler Elemente und eine scheinbare Offenheit allen Opfergruppen gegenüber suggeriert, als sei sie das Ergebnis eines offenen Diskurses.

Die Wortmeldungen von Zeitzeugen und Überlebenden verschiedener Opfergruppen zeigte ein weiteres Mal, dass Deutsche und Belarussen in Fragen der Geschichte aneinander vorbei, oder besser gesagt: nebeneinander diskutieren. Dem gebetsmühelartig vorgebrachten Schuldeingeständnis und Bekenntnis zur Verantwortung durch die Deutschen steht auf Seiten der Belarussen eine offene und oft lebhafte bis wütende Diskussion gegenüber, die in diesen geschützten Räumen wie dem IBB oder auch dem Goethe-Institut eine Plattform findet. Da diese Beiträge sich nur selten in schriftlicher Form niederschlagen können, geschweige denn von einem größeren Publikum rezipiert und auch in einer gesellschaftlichen Debatte weiterentwickelt werden können, bleibt am Ende das Gefühl ständiger Wiederholung auf beiden Seiten.

Dennoch war diese Konferenz ein wichtiger Beitrag zur Diskussion von Erinnerungsfragen in Belarus, das durch Berichte über verschiedene österreichische Zugänge zur Erinnerung bereichert wurde.