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Altes Neues Jahr

Heute wird nach dem julianischen Kalender in den orthodoxen Ländern das „alte neue Jahr“ gefeiert. Im letzten Jahr waren wir aus diesem Anlass im Dorf Semezhava, wo die Tradition des Umzugs der Kalyady-(Weihnachts-)Zaren in besonderer Weise begangen wird.
In diesem Jahr will ich das Datum zum Anlass nehmen, einen Blick zurück auf das orthodoxe Weihnachtsfest zu werfen, das hierzulande wieder mehr Aufmerksamkeit erfährt, als dies noch zu Sowjetzeiten und in den letzten Jahren der Fall war.
Der Heilige Abend, Sochelnik, also der 6. Januar abends, gilt gläubigen orthodoxen Christen als Vorbereitung für das Fest. An diesem Abend darf nichts gegessen werden, bis der erste Stern am Himmel erscheint. Dann allerdings wird ein großzügiges Mahl mit der ganzen Familie eingenommen, nachdem zuvor das Haus, so jedenfalls die Tradition, gründlich geputzt und geschmückt wurde.
Auch ein Kirchgang ist für diesen Abend vorgesehen, um sich auf den Weihnachtstag am 7. Januar vorzubereiten. Die Nachtgottesdienste um 0.00 Uhr dauern oft mehrere Stunden. Der Gottesdienst am Vormittag des 7. Januar fällt deutlich kürzer aus und wird überwiegend von Familien besucht.
Insgesamt lässt sich eine Rückeroberung der alten Traditionen beobachten, inwieweit diese jedoch religiöse motiviert sind, oder der auch hier zunehmenden Kommerzialisierung der Weihnachtszeit zuzuschreiben sind, lässt sich schwer sagen. In jedem Fall waren in diesem Jahr schon mehr Weihnachtsbäume und blinkender Fensterschmuck verbreitet, als noch im letzten Jahr. Anders aber als in Russland wird das öffentliche Leben in Belarus nicht für zwei Wochen lahm gelegt – im Gegenteil: Ein Erlass des Präsidenten sieht vor, dass am 21. Januar nacharbeiten muss, wer am 6. Januar frei gemacht hat.

Wie im letzten Jahr gibt es in dem gesamten Zeitraum von Mitte Dezember bis Mitte Januar Verkaufsmärkte mit Fleisch, Fisch und Gemüse vom Feld. Um den Erlebnischarakter zu erhöhen, findet an den Wochenende ein musikalisches Programm auf den Bühnen der Märkte statt, deren Angebot von propagandistischen Durchhalteliedern bis zu bekannten Schlagern reicht. Weihnachtslieder, wie wir sie kennen, gibt es nicht, allerdings dudelte neulich im Supermarkt „Oh Tannenbaum“ (auf deutsch!) im Hintergrund und im Gottesdienst am 6. Dezember in einer kleinen Kirche ertönte „Stille Nacht“ auf russisch. Überall stößt man auf „Väterchen Frost“ und Snegurochka (seine Tochter, das Schneeflöckchen). Stets im Doppelpack erfüllen sie hier die Funktion des Weihnachtsmann und/oder des Christkindes.
Insgesamt ist die Stimmung weihnachtlicher als noch im letzte Jahr, wenngleich die erstmals aufgestellten „Weihnachtsmärkte“ noch ausbaufähig sind: Noch sind es wenige Buden mit eher alltäglichen Waren, aber ein Glühweinstand ist schon dabei und erfreut sich großer Beliebtheit. Ein Weihnachtsfest haben wir noch vor uns in Belarus, um zu sehen, wohin die winterliche Reise geht.

Zwischen den Jahren

Die "Haupttanne des Landes" steht vor dem Palast der Republik. Foto: http://www.snpltd.ru/new_year/belorussia/Minsk_K_3days/

Es ist jedes Jahr dasselbe, man lebt in der Spannung der letzten Tage und Stunden des einen und in der freudigen und zugleich bangen Erwartung des kommenden Jahres. So war es auch dieses Mal – unserem ersten Sylvester in Belarus, nur wurde die Spannung der letzten Stunden dramatisch gesteigert durch die Zwischenlage, in der wir uns hier befinden.
Stichwort Diplomatie: Am liebsten wäre ich ja zu Hause geblieben, zumal wir aus unserem 18. Stockwerk zweifellos einen phantastischen Ausblick auf das Feuerwerk gehabt hätten. Aber die Pflicht rief, also folgten wir ihr in Form einer Einladung unserer diplomatischen Nachbarn (aus deutscher wie aus belarussischer Perspektive). Die erste Wahl, den Abend gemeinsam in einem zünftigen Restaurant in der Innenstadt mit allem Drum und Dran zu verbringen, wurde kurzfristig abgelöst durch die durchaus vornehmere Wahl zugunsten des ersten Hotels am Platz. Hier sollten uns, gegen eine nicht unerhebliche Eintrittsgebühr (etwa ein Monatsgehalt in Belarus!), ein „hochwertiges“ Showprogramm und ein „ausgezeichnetes“ Menü erwarten. Die Frage, ob die Damen in lang und die Herrn im Smoking gehen, erledigte sich, als sich herausstellte, dass die Getränke selbst mitzubringen seien. Dass es sich dennoch um ein erstklassiges Hotel handelt, haben wir der tröstlichen Nachricht entnommen, dass es stets im Fokus der Aufmerksamkeit steht, insbesondere durch die „Dienste“, die es natürlich auch hier besonders auf die Deutschen und Polen abgesehen haben.
Stichwort Feiern: Dass die Belarussen gerne und ausgiebig feiern, ist bekannt und das haben sie auch in dieser Nacht getan: Viel essen, viel trinken, viel tanzen, und das mit der ganzen Familie und über mehrere Generationen hinweg. Ein leichtes Naserümpfen gab es allein von den Nachbarn – hier sei man es gewöhnt, viel mehr zu tanzen und nicht so lange zu essen. Auch bringe man keine Kinder mit zur Sylvesterfeier, allerdings zeigte man sich einsichtig, dass in Belarus bekanntlich das Neujahrsfest weniger dem „westeuropäischen“ Sylvester als dem Weihnachtsfest im Familienkreis gleiche. Und überhaupt, die Entscheidung für diesen Ort sei gut und richtig gewesen, schließlich sei hier alles auf „ausgesprochen hohem Niveau“. Darin waren sie sich dann auch mit den Belarussen einig, insbesondere was den Auftritt der „Zigeuner“ gegen 3.00 Uhr morgens betraf. Ein Feuerwerk hat offenbar niemand außer uns vermisst.
Stichwort Zeit: Aufgrund der Zeitzonen sowie unterschiedlicher Auffassungen zur halbjährlichen Zeitumstellung hatten wir das Vergnügen, viermal auf den Jahreswechsel anzustoßen. Nachdem die Feierlichkeiten überhaupt erst um 22.00 Uhr begonnen hatten, waren als erstes die Russen dran – wer sonst. Kurz vor 23.00 Uhr Minsker Ortszeit übermittelte Präsident Medwedew seine guten Wünsche für das kommende Jahr, und spätestens nach den würdevollen Klängen der Nationalhymne und dem ersten Erheben der Gläser wurde deutlich, wer die Russen unter uns waren. Nach einer nur kurzen Verschnaufpause waren dann die Belarussen dran, nur dass hier die Ansprache des Präsidenten wesentlich länger dauerte, dafür aber niemand mehr der Nationalhymne lauschte. Die anwesenden Litauer und Ukrainer beschränkten sich sodann eine Stunde später auf das Anstoßen und verstärktes Tanzen, um dann mit allen anderen gemeinsam um 2.00 Uhr Ortszeit die letzte Gelegenheit zu ergreifen, endlich auch die Deutschen und die Polen ins neue Jahr zu begleiten. Erst jetzt meldeten sich ebenfalls anwesende Österreicher zu Wort, um den Neujahrsgruß in einer weiteren Fremdsprache zu Gehör zu bringen. Abschließend gratulierte der Animateur allen Nationen und ihren Metropolen zum neuen Jahr, konnte sich aber nicht mehr an die Hauptstadt von Österreich erinnern.
Gegen 6.00 Uhr waren wir zu Hause, nicht ohne dass uns der noch einzig verfügbare Taxifahrer die vierfache Summe des Normalpreises abgenommen hatte. Es war ein ebenso schöner wie wunderlicher Abend, aus dem nicht nur die deutsch-polnische Freundschaft gestärkt hervorgeht, sondern auch die aller Mitteleuropäer.

3. Juli – Nationalfeiertag

Die Gedenktafel an dem T-34 ist nicht korrekt, so der Autor eines Artikels der Belarussischen Militörzeitung vom 12.5.2011.

Am kommenden Sonntag ist es wieder soweit: Mit Pomp und Parade feiert die Republik Belarus ihren Nationalfeiertag. Schon jetzt hängen riesige Plakate in der Innenstadt, die Hauptachsen werden nachts regelmäßig für den Verkehr gesperrt, um für die große Militärparade zu üben. Und damit es keine Missverständnisse gibt, liest man allenthalben: „Tag der Unabhängigkeit (= Tag der Republik Belarus)“. Diese Erklärung ist offenbar nötig, denn in der Tat gibt es unterschiedliche Anasichten, welches der wahre Nationalfeiertag ist.

Von 1991 bis 1996 war es der 27. Juli, der Tag, an dem die Weißrussische Sozialistische Sowjetrepublik im Jahre 1991 ihre Unabhängigkeit von der Sowjetunion erklärte. Im November 1996 machte dann Präsident Lukaschenko mit Hilfe eines umstrittenen Referendums den 3. Juli zum Tag der Unabhängigkeit und Nationalfeiertag.

In oppositionellen Kreisen, in der belarussischen Emigration sowie für viele Menschen im Land gilt schließlich der 25. März als Nationalfeiertag. Dies ist der Tag der Gründung der „Weißrussischen Volksrepublik“ im Jahre 1918, die freilich nur bis zum Herbst 1918 Bestand hatte, für viele aber heute zu einem Symbol staatlicher Souveränität geworden ist.

Historisch geht das heutige Datum des Feiertages, also der 3. Juli, auf den Tag der Befreiung der Hauptstadt Minsk von der nationalsozialistischen Besatzung durch die Roten Armee im Rahmen der militärischen Operation Bagration zurück. Ursprünglich allein zur Befreiung von Minsk gedacht, weitete sich die Operation aus und fügte der deutschen Heeresgruppe Mitte entscheidende Verluste bei, und führte letztlich zu deren Zusammenbruch. Die Folge war das Ende der Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten auf sowjetischem Territorium und die Auflösung der Lager. So wurde das Ghetto Minsk am 21.10.1943 aufgelöst und die letzten 2.000 Einwohner im nahe gelegenen Vernichtungslager Malyj Trostenec ermordet.

Auch diese Inschrift in Zaslavl wurde im April durch eine weitere in der Nähe ergänzt und damit präzisiert.

Mehr als die Schrecken der Besatzungsherrschaft wird heute offiziell jedoch noch immer der militärischen Erfolge der Roten Armee gedacht. Vor diesem Hintergrund wird auch die erhoffte Symbolkraft und Wirkungsmacht der Militärparade verständlich. Ein nationaler Konsens kann offenbar jedoch auch hier nicht hergestellt werden. So beschreibt ein Artikel in der „Belarussischen Militärzeitung“ vom 12.5.2011 ausführlich die militärische Operation zur Befreiung der Stadt und weist anschließend minutiös nach, dass zahlreiche der seit Jahren im Stadtbild und der Umgebung befindlichen Gedenk- und Erinnerungstafeln falsche Inschriften zeigen. Bemerkenswert ist dabei, dass diese Tafeln vom Kulturministerium, dem Institut für Geschichte der Akademie der Wissenschaften und anderen zuständigen Behörden angebracht wurden. Diese ruft der Autor, ein Kriegsveteran und Generalmajor im Ruhestand, nun in einer offiziellen Zeitung zur Korrektur auf – natürlich nur, um auch hier der allseits verbreiteten „Falsifikation der Geschichte“ entgegenzutreten.

Totengedenken

Heute ruht der Alltag in Belarus zugunsten der Toten. Radunica/Radonica , wie der heutige religiöse Feiertag heißt, ist im slawischen, insbesondere dem russischen Kulturraum dem ersten Totengedenken, am 9. Tag nach den Osterfeierlichkeiten, gewidmet. Die russisch-orthodoxe Kirche unterstützt diesen Feiertag, der jedoch auch auf heidnische Traditionen zurückgeht.

Es ist Brauch, an diesem Tag zu den Gräbern auf den Friedhöfen zu fahren und den Sieg des Lebens über den Tod zu feiern. Viele Angehörige begehen diesen Tag mit zum Teil ausgelassenen Festen auf den Friedhöfen, wiederum zum Befremden derjenigen, die die stille Trauer vorziehen.

Radunica ist ein arbeitsfreier, wenngleich auch kein staatlicher Feiertag. Die öffentlichen Verkehrsmittel zu den Friedhöfen, die oft weit außerhalb der Städte liegen, fahren in verstärktem Aufkommen und auch die Polizei ist zu höherer Wachsamkeit aufgerufen.

Das orthodoxe Neujahrsfest: Die Kalyady-Zaren

Die Kalyady-Zaren in einem der Häuser im Dorf.

Das Ritual der „Kalyady-Zaren“ findet traditionell am 13. Januar statt. Dies ist der Beginn des neuen Jahres nach dem alten, dem julianischen Kalender.

2009 wurde die Zeremonie in dem südlich von Minsk gelegenen Dorf Semezhava in die Liste der „Intangible Cultural Heritage in Need of Urgent Safeguarding“ der UNESCO aufgenommen. Sie gehört damit zu den zu schützenden Elementen kulturellen Erbes in Belarus. Die Kalyady-Zaren sind Teil des Karnevals, ihr Zug durch das Dorf verbindet heidnische mit christlichen Elemente. In der Sowjetunion waren die Feiern seit 1937 verboten, wurden aber zunächst weiter geführt und waren unter der deutschen Besatzung wieder erlaubt. 1957 wurden sie erneut verboten. Bereits in den 80er Jahren kam es zu einer Wiederbelebun in der Region. Heute kann man das Spektakel wieder jährlich in Semezhava verfolgen.

Die Prozession, angeführt von jungen Männern in den Kostümen der Kalyady(Weihnachts)-Zaren, führt durch das Dorf, wobei Elemente eines traditionellen Schauspiels dargeboten werden. Die Zaren erhalten Geschenke und gute Wünsche von den Einwohnern. Der Besuch der Zaren wird als gutes Omen für das neue Jahr betrachtet und bringt den Häusern, in die sie einkehren, besonderes Glück.

Am 8. Januar 2011 wurde das Ritual auf Initiative des belarussischen Kulturministers im Rahmen des „Staatlichen Programms zur Förderung der Belarussischen Kultur 2011-2015“ mit dem Preis des Präsidenten der Republik Belarus ausgezeichnet.

Die Wiederbelebung und Auszeichnung der Zeremonie fügt sich in das allgemeine Bestreben, nationale Traditionen zu stärken.