Wie labil und anfällig bisweilen die kulturelle Zusammenarbeit zwischen deutschen Mittlerinstitutionen, in diesem Falle dem Goethe-Institut, und belarussischen Kulturschaffenden ist, zeigt der jüngst abgeschlossene Fall um eine Installation des Künstlers Michail Gulin und seiner Mitstreiter. Die Aktion fand im Rahmen des Projektes „Going Public“ statt, mit dem das Goethe-Institut in Litauen Künstler aus Litauen, Belarus und Kaliningrad einlud, ihre Positionen zu Kunst im öffentlichen Raum zu präsentieren.
In Minsk wurde das Projekt von Irina Gerasimowitsch und Olga Rybchinskaya kuratiert. Als Künstler nahmen Mikhail Gulin, Artjom Rybchinskiy, Olga Sazykina und Antonina Slobodchikova teil. Gulin erregte mit seiner Aktion großes Aufsehen. Er spazierte mit großen geometrischen Formen, die er immer wider neu zusammensetzte, durch die Stadt. Dadurch entstanden immer wieder neue Zusammenhänge von Kunst und öffentlichem Raum, immer neue Inhalte ergaben sich aus den Gesprächen mit den Passanten.
Einer der Orte, an denen Gulin die Module aufstellte, war der Oktoberplatz im Zentrum von Minsk. Bereits nach kurzer Zeit wurde er von der Miliz angesprochen und letztlich festgenommen. Den Ablauf der Ereignisse beschrieb der Künstler selber mehrfach im Internet, u.a. hier.
Gulin sowie Uladzislaw Lukyanchuk und Aleh Davydchyk wurden verhört, nach eigenen Angaben geschlagen und letztlich zunächst wieder freigelassen, ein gerichtliches Verfahren wegen Widerstands gegen polizeiliche Anordnungen angesetzt. In der letzten Woche wurde es aus Mangel an Beweisen niedergeschlagen (BelaPan2.11.2012, vgl. auch BelaPan 22.10.2012), d.h. die Künstler freigesprochen.
In seinen diversen Statements im Internet hatte Gulin gefordert, dass sich das Goethe-Institut, namentlich sein Leiter Frank Baumann, für ihn bei der Miliz einsetzen solle mit dem Hinweis, es habe sich „nur um Kunst“ gehandelt. Gulin, wie auch andere beteiligte Künstler, fühlten sich gewissermaßen betrogen und als offizielle Teilnehmer eines von Goethe-Institut geförderten Projektes „hängen gelassen“. Dagegen äußerte sich das Goethe-Institut bzw. Frank Baumann selber, der darauf verwies, dass genau diese konkrete Aktion nicht abgesprochen und der institutionelle Rahmen des Goethe-Instituts missbraucht worden sei.
Die Meinungen zu diesem Vorfall gehen weit auseinander, die Reaktion und konsequente Haltung des Goethe-Instituts werden allerdings von den meisten freien Künstlern und Kulturschaffenden respektiert und verstanden. Letztlich zeigt die Episode, wie schmal der Grad ist, auf dem sich die vom Goethe-Institut geförderte Kulturarbeit bewegt, wie dünn die Linie ist, die zwischen dem, was möglich ist, um die freie Kunstszene zu fördern und zu unterstützen, und dem, was riskant ist, will man den, wenn auch kleinen Freiraum innerhalb der rigiden staatlichen Kulturpolitik in Belarus nicht gänzlich verspielen.
In der Zwischenzeit ist der Vorfall auch in der deutschen Presse aufgegriffen worden. FAZ_8.11.2012