Schlagwortarchiv für: Zeitgenössische Kunst

Neue Museumswebsites

Screenshot: http://www.modernartmuseum.by/ru/galounaya.html

In neuem Design präsentiert sich das Azgur-Museum. Die neue Website informiert über die Geschichte des Hauses, die Sammlung und das reichhaltige Veranstaltunsgprogramm des Museums. Die englische Variante ist noch nicht aktiv, offenbar aber in Planung.

Ebenfalls eine aktualisierte, wenn mich nicht alles täuscht, überhaupt die erste eigene Website bietet das Museum für zeitgenössische Kunst. Das Angebot besteht in russischer, belarussischer und englischer Sprache. Das wurde aber auch Zeit!

 

Die private Sammlung Feliks Janushkevich

Unlängst führte mich mein Weg nach Rakov, ca. 30 km westlich von Minsk. Dort befindet sich die private Kunstsammlung von Feliks Janushkevich, einem bekannten belarussischen Künstleroriginal. Einst Schüler von Leonid Shchemeljov und Mitglied der Künstlerwerkstatt Michail Savickijs, lebt und arbeitet er heute zurückgezogen in seinem schlossartigen Museumsbau. Dieser umfasst neben den Wohnräumen mehrere Ateliers, Ausstellungs- und Lagerräume, ein Hotel mit Veranstaltungsraum, eine Räucherei, eine Sauna und und und. Janushkevich empfängt Besucher auf Anfrage, die eine mehrstündige Führung einschließlich Verköstigung erhalten – ein sehr unterhaltsames Programm, das jedoch seinen Preis hat, den der Meister je nach Einschätzung der finanziellen Rücklagen seiner Besucher großzügig bestimmt.

Diese Unterstützung leistet man aber gerne, ist dieser Ort doch einer der ganz wenigen privaten Kunst- und Ausstellungsräume in Belarus. Zu sehen bekommt man neben seinen eigenen Werken eine bunte Mischung diverser Gegenstände aus belarussischer, polnischer, ukrainischer und jüdischer Kulturgeschichte, Landwirtschaft und Kunstgewerbe. Für Historiker ist die Sammlung aller möglichen Gegenstände aus seiner eigenen Lebens- und Familiengeschichte sowie der Nachbarn von unschätzbarem Wert, befindet sich Rakov doch in einer Gegend, die mehrfach und immer wieder unter russische, polnische, deutsche und sowjetische Herrschaft geriet, wovon Bücher, Haushaltsgegenstände, Textilien, Dokumente, Pässe, Familienpapiere und Fotos zeugen.

Hervorzuheben ist die Sammlung von Keramik aus der früheren Produktion in Rakov. Sie ist übrigens auch das Dissertationsthema des Malers gewesen, der damit neben seinem Kunststudium seine akademische kunsthistorische Ausbildung abschloss. Überhaupt ist die Familie ein Musterbeispiel an Produktivität: Die vier Brüder des Hausherrn sind ein bekannter Bildhauer (lebt nebenan im selben Dorf), ein „Monumentalist“, ein Philologe (seinerseits mit einer bekannten Künstlerin verheiratet) und ein Naturwissenschaftler. Janushkevich selber ist katholisch und Belarusse durch und durch. Seine Kinder schickt er jeden Tag nach Minsk auf ein belarussisches Gymnasium. Nur mit Mühe ringt er sich für mich einen russischen Vortrag ab, der sich mir angesichts des Tempos aber auch nur zu 70% erschließt. Den Rest erledigt der selbstgebrannte Wodka, der selbstgeräucherte Speck, Honig und Marmelade, alles aus eigener, 100%iger Bio-Produktion.

Einen Besuch kann ich jedem nur empfehlen, der sich für die Kunst und Kultur des Landes in einem früheren Grenzgebiet zwischen Polen und Belarus interessiert und sich ein Bild machen will von alternativen Lebensformen in einem Land, in dem es so etwas scheinbar nicht gibt.

Frühere Besucher haben darüber bereits berichtet, dort finde sich auch weitere Fotos von Haus, Hof und Kunst sowie weiterer Sehenswürdigkeiten von Rakov und Umgebung: http://www.holiday.by/blog/124  und http://news.tut.by/otklik/233552.html

Das Museum für zeitgenössische Kunst in Minsk

Meine bisherigen Besuche im Museum für zeitgenössische Kunst waren immer ein wenig enttäuschend. Denn Positionen zur aktuellen Kunst in Belarus sind dort, entgegen nahe liegenden Erwartungen, nicht zu finden. Woran das eigentlich liegt, ist schwer zu sagen. Zum einen hat es mit dem Stand der Gegenwartskunst in Belarus im Allgemeinen zu tun, zum anderen sicher auch mit der Direktorin, Natalja Sharangovich, Tochter des bekannten Malers Konstantin Sharangovich, der bis 2011 an der Akademie der Künste unterrichtet hat. Er war es, der das Museum vor 15 Jahren gegründet hat. Offenbar lag es da nahe, dass die Tochter in seine Fußstapfen tritt, das sie nun seit vier Jahren leitet.

Ideen hat sie viele, aber zu sehen ist davon nicht viel. Sie selbst sagt, die Belarussen seien noch nicht reif für Performances, Installationen oder Public Art. Vielmehr rufe das bisher noch Irritationen bis Ablehnung hervor, so dass man die Leute vorsichtig heranführen müsse. Diese Vorsicht führt aber leider dazu, dass das Museum kaum eine Position bezieht und nichts aus der eigenen Sammlung dauerhaft ausstellt. Und das liegt nicht nur an dem Mangel an Ausstellungsfläche in dem kleinen Haus. Gezeigt werden stattdessen Ausstellungen zeitgenössischer Künstler, die sich eng am klassischen Kanon orientieren oder in die Kategorie Kunstgewerbe einzusortieren sind. Bei meinem jüngsten Besuch waren eine Keramik- und eine Puppenausstellung zu sehen.

Brav war auch die Ausstellung „Exlibris“ aus der Sammlung des Museums 2012 (englischer und belarussischer Katalog) oder die beiden Open-Air-Projekte mit polnisch-belarussischen Plakaten und Reproduktionen von Werken von Chagall. Zwar spricht Sharangovich begeistert von Kunst im öffentlichen Raum, die beiden realisierten Projekte jedoch hatten aber noch wenig mit der Wirkungsmacht zeitgenössischer Kunst jenseits der Grenzen des Museums zu tun.

Kreativer sind einige der Mitarbeiterinnen, darunter die Kuratorin Olga Rybchinskaja, für die das Museum bisher der einzige offizielle Ort für die zeitgenössische Kunst ist. Schade, dass sich deren Ideen nicht auch hier realisieren lassen, denn wo sonst sollte man nach aktuellen Tendenzen und Entwicklungen in der Kunst suche, wen nicht im Museum für zeitgenössische Kunst?

Kunst und Design: Der belarussische Künstler Vladimir Tsesler

Foto: http://www.tsesler.com/photo/phototen.php

Kürzlich hatte ich die Gelegenheit, zusammen mit Tatjana Bembel’ das Atelier von Vladimir Tsesler in einem Minsker Hinterhof zu besuchen. Empfangen hat uns der Künstler persönlich, der gerade zusammen mit Freunden dabei war, eine schmackhafte Fisch-Soljanka zuzubereiten. Die Wohnung betraten wir durch eine Tür mit der deutschen Aufschrift „Rauchen verboten“, und mussten uns in der verrauchten Stube erstmal orientiern. Die durchaus einladenden Gerüche der offenen Küche ließen eine große Liebe zur Kochkunst überhaupt vermuten. Auf dem rustikalen Tisch in der Mitte des Dachgeschoss-Raums standen Speck, sauer Gurken, Zwiebeln und Wodka bereit, die uns sogleich großzügig angeboten wurden. Dermaßen gestärkt, zeigte uns Tsesler seine Werke, wobei vieles zu diesem Zeitpunkt in Ausstellungen im IN- und Ausland unterwegs war.

In angenehmer, offener und gastfreundlicher Atmosphäre gab es eine bekannte Arbeit Tseslers im Wohn- und Schlafzimmer zu bewundern, das das wohl am meisten gefürchtete russische Schimpfwort des Mat in Leuchtschrift zelebriert. Darunter lief ein alter sowjetischer Kriegsfilm im Fernsehen, eine durchaus nostalgische Note in diesem Zimmer im Stil eines unverbesserlichen Junggesellen. Tsesler selbst und seine Freunde geben ein Bild gealteter Rocker ab, bei denen man zwischen Furcht und Sympathie hin- und herschwankt. Nach mehreren Wodkas spätestens aber kann man sich seinem Charme nicht mehr entziehen.

Da geht es einem wie den meisten Belarussen, bei denen der mehrfach ausgezeichnete und über die Grenzen hinaus bekannte Designer sehr beliebt ist. Häufig trifft man auf seine Werke in Form von Plakaten, bedruckten, T-Shits, Gebrauchsobjekten, Medienkunst und Postkarten. Nicht immer ist man sich darüber im Klaren, dass es sich um einen Tsesler handelt, in meinem Fall zuletzt bei einem Verkehrsschild im Freilichtmuseum Dudukti.

Zuletzt vertreten in Belarus waren seine Arbeit bei der Ausstellung „Radius Null“ und der Triennale.

Auf den Spuren zeitgenössischer Kunst oder Sabine in Minsk

Neulich besuchte mich meine Kollegin und Freundin Sabine Hänsgen in Minsk. Seit vielen Jahren unermüdlich im Einsatz für die russische und informelle Kunst, war es an der Zeit, auch einmal die Lage in der letzten Diktatur Europas zu untersuchen. Drei Tage hatten wir zur Verfügung und sind kreuz und quer um die Kunsthäuser in Minsk gezogen. So wenig wie unsere Wege so folgen auch meine Aufzeichnungen dazu einem Konzept. Sie dienen allein dazu, einige Namen und Orte festzuhalten, die neben vielen anderen eine Rolle ind er zeitgenössischen Kunst von Belarus spielen.

Der Anlass der Reise für Sabine war ein Workshop im Goethe-Institut zu einem ihrer letzten Projekte zu dem Film „Der gewöhnliche Faschismus“ von Michael Romm. Folgerichtig haben wir daher zunächst das Filmmuseum besucht, das mich wirklich beeindruckt hat und einen Besuch auf jeden Fall wert ist. Interessante Gespräche hatten wir mit Tatjana Bembel. In „ihrer“ Galerie Shchemeljova lässt sich vielleicht ein gemeinsames Projekt realisieren; den Ausgangspunkt weiterer Überlegungen bilden die Projekte der Künstlergruppe Aspei.

Eindrücke zur zeitgenössischen Kunst in Belarus hat uns ein Gespräch mit der Direktorin des Museums für zeitgenössische Kunst, Natalja Scharangovich, gegeben. Scharangovich war zuletzt beteiligt an dem belarussischen Pavillon auf der Biennale in Venedig 2011 und dem dort präsentierten Projekt „Kodex“. Dazu liegt eine englisch-russische Broschüre vor mit einem Text über die belarussische Kunst im 20., Jh. (von Michail Borozna) sowie die zeitgenössische Kunst in Belarus (von Ekaterina Kenigsberg), die, das können wir bestätigen, in Westeuropa noch immer „ein weißer Fleck“ ist. Eine spannende Ausstellung des Museums für Zeitgenössische Kunst war zuvor nur in Moskau zu sehen gewesen, die  Ausstellung “Belart.by Junge Künstler aus Belarus” (2010) (es gibt eine dreisprachige Broschüre). Beteiligt waren 48 Künstler aus den Bereichen Malerei, Skulptur, Graphik, Keramik u.a., darunter viele internationale Preisträger wie Ruslan Vaschkevich (auch Triennale 2012), Anna Tichonova (selbst Abteilungsleiterin im Museum für zeitgenössische Kunst) und Konstantin Selichanov (auch Triennale 2012). Wie im Kontext der Biennale wurde auch hier Tschernobyl als ein „wesentlicher Kulturfaktor“ in Belarus bezeichnet (so im Vorwort von Natalja Scharangovich  und Michail Borozna).

Weiterhin trafen wir Olga Rybchinskaja, Kuratorin und Expertin für die zeitgenössische Kunst in Belarus (zuletzt aktiv beim Public-Art-Projekt des Goethe-Instituts, auch aktiv als Autorin, z.B. im  Katalog „Journey to East“ mit einem Aufsatz über die zeitgenössische Kunst in Belarus). Von ihr stammt eine von zwei Ausstellungen mit junger Kunst aus Belarus im Jahr 2012, die Sonderausstellung „Belarussisches Klima“.

Wie in der im Sommer in einer alten Halle der Fabrik Horizont präsentierten Ausstellung „Radius Nulja“ konnte man hier einen Einblick in die noch immer kleine und jenseits der Landesgrenzen wenig bekannte Szene erhalten. Von ihr erfuhren wir von dem wohl einzigen Aktionskünstler in Belarus, Ales Puschkin, der im Exil lebenden Marina Napruschkina, dem Fotokünstler Alexey Shlyk oder auch Igor Savchenko.

Ein eher offiziell geprägtes Bild der zeitgenössischen Kunst des Landes, präsentierte gerade in dieser Zeit die Triennale . Sie war auch der Grund, warum wir Konstantin Selichanov nicht mehr in seinem Atelier besuchen konnten, dafür aber mehr Zeit hatten für einen nachhaltig beeindruckenden Abstecher in die Wohn- und Arbeitsdachstube von Vladimir Tselser .

Von welcher Seite auch immer man sich dem Thema nähert – es tut sich etwas im Bereich der Gegenwartskunst. Noch sind es wenige, die sich dafür interessieren, doch langsam, aber sicher erobert sie sich ihren Raum in der Gesellschaft. Davon kann man sich jederzeit in der Galerie Ŷ überzeugen, aber dorthin haben wir es am Ende leider nicht mehr geschafft. Aber Sabine kommt sicher wieder mal nach Minsk.

Die erste Triennale zur zeitgenössischen Kunst in Belarus

In der Zeit vom 23.11. bis 10.12.2012 war in Minsk zum ersten Mal eine große staatliche Ausstellung zur zeitgenössischen Kunst zu sehen. Veranstalter waren das Kulturministerium, die Stadt Minsk und das Zentrum für Zeitgenössische Kunst. Gezeigt wurde die Ausstellung in der gerade renovierten Halle der BelExpo.

Eigentlich wollte der Präsident nur mal wissen, wie es um die zeitgenössische Kunst im Lande steht. Herausgekommen ist eine sehr ambivalente Veranstaltung, die so ziemlich alle Fronten gegeneinander ausgespielt hat, die es in diesem Feld gibt. Zur anfänglichen Auswahl eines Kurators wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben, an der Jury waren noch mehr oder weniger alle Interessengruppen beteiligt. Der Gewinner zog seine Bewerbung zurück, der Zweitplatzierte übernahm den Job. Beenden konnte er ihn aber nicht, da es zu Auseinandersetzungen mit dem Leiter des Zentrums für Zeitgenössische Kunst, Viktor Olschewski, kam. Dieser (offenbar verwandt und verschwägert mit dem Präsidenten) schmiss den Kurator kurzerhand raus, weil er mit dem Konzept und der Auswahl der Künstler nicht einverstanden war. Obwohl kurz vor der Eröffnung, war das insofern kein Problem, weil er daraufhin einfach mehr seiner eigenen Werke ausstellte. Einige der zuvor ausgewählten Künstler übernahm er, die Lücken füllte er mit Schülern der Kunsthochschulen.

Wer all das nicht weiß, erhielt einen durchaus anregenden und interessanten Einblick in die verschiedenen Richtungen der Kunst im Lande. Außerdem bleibt schlicht die Tatsache, dass eine solche Ausstellung stattfindet, bemerkenswert bis hin dazu, dass damit die hierzulande wenig populäre zeitgenössische Kunst überhaupt ins Gespräch kommt. Zu verdanken, so hört man, sei das dem scheidenden Kulturminister Latuschko. Zu sehen sind die wohl bekanntesten belarussischen Künstler Ruslan Vaschkevich, Konstantin Selichanov und Vladimir Tsesler, der allerdings nach der Eröffnung seine Werke teilweise abzog, weil ihm das plüschige und postsowjetische Design der Halle ungeeignet für die Präsentation aktueller Kunsttendenzen schien – sicher zu recht. Des Weiteren sind verschiedene Künstlergruppen, darunter aus Vitebsk, zu sehen, Arbeiten von russischen, ukrainischen und serbischen Künstlern sowie Arbeiten aus dem Kontext der Akademie der Künste, der wiederum das Zentrum für Zeitgenössische Kunst untersteht.

Freilich gar nicht erste beteiligt hatten sich freie und unabhängige Künstler, andere sind abgesprungen, die Galerie Y wurde ebenfalls nicht eingeladen. Auch hatten sich viele Kuratoren gar nicht erst beworben, um nicht in die Nähe dieser staatlich dominierten Veranstaltung gerückt zu werden.  Kritiker beklagen aber letztlich nicht unbedingt allein die Auswahl der Künstler, sondern auch die Auswahl ihrer Werke. Auf diese Weise ist am Ende weniger eine Ausstellung zeitgenössischer Kunst, als vielmehr eine eher traditionelle Ausstellung herausgekommen. Ob es nach diesen Vorgängen eine Fortsetzung gibt, bleibt offen. Trotz aller Kritik aber ist das wünschenswert, kann doch unter den aktuellen Bedingungen die Kunst nur auf diesem (staatlichen) Wege aus ihrem Nischendasein geholt werden.

Begleitet wurde die Ausstellung durch zahlreiche Veranstaltungen im Begleitprogramm, darunter Musikprogramm und Gespräche. Hervorzuheben ist auch die durchaus entspannte Antmosphäre ind er Halle, in der auf großen Freifläschen Sitzkissen ausgeselgt waren, auf denen die Besucher sitzen oder liegen und entspannen konnten.

Interkulturelle Herausforderungen

Wie labil und anfällig bisweilen die kulturelle Zusammenarbeit zwischen deutschen Mittlerinstitutionen, in diesem Falle dem Goethe-Institut, und belarussischen Kulturschaffenden ist, zeigt der jüngst abgeschlossene Fall um eine Installation des Künstlers Michail Gulin und seiner Mitstreiter. Die Aktion fand im Rahmen des Projektes „Going Public“ statt, mit dem das Goethe-Institut in Litauen Künstler aus Litauen, Belarus und Kaliningrad einlud, ihre Positionen zu Kunst im öffentlichen Raum zu präsentieren.

In Minsk wurde das Projekt von Irina Gerasimowitsch und Olga Rybchinskaya kuratiert. Als Künstler nahmen Mikhail Gulin, Artjom Rybchinskiy, Olga Sazykina und Antonina Slobodchikova teil. Gulin erregte mit seiner Aktion großes Aufsehen. Er spazierte mit großen geometrischen Formen, die er immer wider neu zusammensetzte, durch die Stadt. Dadurch entstanden immer wieder neue Zusammenhänge von Kunst und öffentlichem Raum, immer neue Inhalte ergaben sich aus den Gesprächen mit den Passanten.

Einer der Orte, an denen Gulin die Module aufstellte, war der Oktoberplatz im Zentrum von Minsk. Bereits nach kurzer Zeit wurde er von der Miliz angesprochen und letztlich festgenommen. Den Ablauf der Ereignisse beschrieb der Künstler selber mehrfach im Internet, u.a. hier.

Gulin sowie Uladzislaw Lukyanchuk und Aleh Davydchyk wurden verhört, nach eigenen Angaben geschlagen und letztlich zunächst wieder freigelassen, ein gerichtliches Verfahren wegen Widerstands gegen polizeiliche Anordnungen angesetzt. In der letzten Woche wurde es aus Mangel an Beweisen niedergeschlagen (BelaPan2.11.2012, vgl. auch BelaPan 22.10.2012), d.h. die Künstler freigesprochen.

In seinen diversen Statements im Internet hatte Gulin gefordert, dass sich das Goethe-Institut, namentlich sein Leiter Frank Baumann, für ihn bei der Miliz einsetzen solle mit dem Hinweis, es habe sich „nur um Kunst“ gehandelt. Gulin, wie auch andere beteiligte Künstler, fühlten sich gewissermaßen betrogen und als offizielle Teilnehmer eines von Goethe-Institut geförderten Projektes „hängen gelassen“. Dagegen äußerte sich das Goethe-Institut bzw. Frank Baumann selber, der darauf verwies, dass genau diese konkrete Aktion nicht abgesprochen und der institutionelle Rahmen des Goethe-Instituts missbraucht worden sei.

Die Meinungen zu diesem Vorfall gehen weit auseinander, die Reaktion und konsequente Haltung des Goethe-Instituts werden allerdings von den meisten freien Künstlern und Kulturschaffenden respektiert und verstanden. Letztlich zeigt die Episode, wie schmal der Grad ist, auf dem sich die vom Goethe-Institut geförderte Kulturarbeit bewegt, wie dünn die Linie ist, die zwischen dem, was möglich ist, um die freie Kunstszene zu fördern und zu unterstützen, und dem, was riskant ist, will man den, wenn auch kleinen Freiraum innerhalb der rigiden staatlichen Kulturpolitik in Belarus nicht gänzlich verspielen.

In der Zwischenzeit ist der Vorfall auch in der deutschen Presse aufgegriffen worden. FAZ_8.11.2012

Ausstellung in der Geschichtswerkstatt

Foto: http://ibb.by/ru/news/644

Noch bis zum 22. Juni zeigt die Geschichtswerkstatt die Ausstellung des weißrussischen Künstlers Vladimir Vol’nov „Asche in den Himmel“. Zur Eröffnung sprachen der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinden und Organisationen, Leonid Levin, und der Leiter des IBB Minsk, Viktor Balakirev.

Die Arbeiten des Künstlers reflektieren dessen persönliche Verarbeitung des Holocaust in Belarus. Dazu verwendet er persönliche Erinnerungs- und Fundstücke von Opfern der nationalsozialistischen Besatzung und verarbeitet sie in Gemälden, Kollagen und Installationen. Vol’nov hat den Krieg als 4jähriger in Vitebsk überlebt, bevor er in ein Kinderheim in Russland kam. Erst 1961 wurde sein Vater gefunden, und er kehrte in seine Heimat zurück. Dort war ihm 2011 eine Einzelausstellung gewidmet.

Ursprünglich war geplant, eine der großen Installationen „Asche in den Himmel“ im Parkgelände vor der Geschichtswerkstatt aufzustellen. Darauf wurde aufgrund der Wetterbedingungen, aber auch des wohl unendlichen Genehmigungsverfahrens verzichtet. Sehr zum Vorteil der Geschichtswerkstatt, wie ich finde, die mit dieser Ausstellung eine der leider zu seltenen, für Minsk und Belarus so besonderen Ausstellungen zeigen kann. Noch immer ist die Auseinandersetzung mit dem Holocaust und den individuellen Erinnerungen an den Krieg in der zeitgenössischen Kunst in Belarus eine Seltenheit. Wo, wenn nicht in der Geschichtswerkstatt, sollte sie gezeigt werden?

Die düsteren, aber sehr wirkungsmächtigen Werke kommen in dem Gebäude, dem letzten erhaltenen Haus im Gebiet des ehemaligen Ghettos, eindrucksvoll zur Geltung. Zuvor war die Ausstellung in Nienburg in Deutschland zu sehen. Arbeiten des Künstlers sind in Deutschland bereits mehrfach ausgestellt worden.

Künstler und Direktor – Vladimir Prokopcov

Foto: http://goals.by/other?escape=false&page=15

Eine weithin bekannte Persönlichkeit ist der Direktor des Nationalen Kunstmuseums, Vladimir Prokopcov. In der Zeit nach seiner Amtsübernahme als Leiter des Museums 1998 hat das Museum einen Erweiterungsbau erhalten und zahlreiche Ausstellungen realisiert. Für die Zukunft ist ein ganzes Museumsviertel rund um das Kunstmuseum gepant.  Als charismatische Persönlichkeit, häufig im Fernsehen und auf so gut wie allen kulturellen Veranstaltungen der Stadt anzutreffen, gelingt es Prokopcov, das Museum immer wieder ins Gespräch zu bringen. Er ist Professor für Kunstgeschichte, Ehrenmitglied der Akademie der Wissenschaften und natürlich Mitglied des Künstlerverbandes. Außerdem ist er Mitglied der Nationalversammlung und damit durchaus eine politische Persönlichkeit.

Neben seiner Leitungsfunktion ist Prokopcov aber auch weiterhin noch als Künstler tätig. Zu seinen Sujets gehören Stillleben, Landschaften und Themenbildern, in denen er nicht selten selber vorkommt und die bisweilen auch in die Sammlung des Nationalen Kunstmuseums übergehen.

 Hier ein Interview mit Prokopcov aus dem Jahre 2009: http://www.pinguin.by/krupnym-planom/234-prokopzov.html

Radius Null – Zeitgenössische Kunst in Minsk

Blick in die Ausstellung.

Vom 29.2. bis 10.3. fand eine der seltenen innovativen Kunstprojekte in öffentlich zugänglichem Raum in Minsk statt. Eine Gruppe von zeitgenössischen Künstlern stellte ihre Werke in der stillgelegten Fabrikhalle der staatlichen Konsumgutfirma Horizont aus. Ziel war es, so die Veranstalter, künstlerische Positionen des ersten Jahrzehnts im 21. Jahrhundert am Beispiel von Minsk auszuloten.

Die Kuratoren des Projekts sind R. Vaškevič, O. Žgirovskaja und O. Šparaga. Die beteiligten Künstler leben meist in Belarus, einige auch im Ausland, und gehören zum Einzugskreis der Galerie Ŷ. Diese wiederum gehörte, wie auch die Zeitschriften/ Portale Novaja Evropa und artaktivist zu den Sponsoren der Ausstellung, übrigens zusammen mit den staatlichern Firmen Horizont, der Juwelierkette Monomach u.a.

Die Auswahl der Künstler erfolgte durch eine Expertenkommission, zu der Vertreter der freien Kunstszene im In- und Ausland ebenso gehören wie Angehörige staatlicher Museen und Einrichtungen. Mitglieder dieser Kommission, die Auswahlkriterien und Auszüge aus den Gutachten der Kommission sind in der Ausstellung zu lesen. Ausführlich dokumentiert werden soll das gesamte Projekt in einem Katalog.

Andrej Lenkevič: "Leb wohl, Heimat!"

Mit einem historischen Mythos beschäftigt sich die Arbeit „Leb wohl, Heimat!“ (Прощай, родина!) (nach einem Zitat eines Soldaten in der Brester Festung) von Andrej Lenkevič. Was wissen wir eigentlich, so fragt der Künstler, wirklich vom Großen Vaterländischen Krieg? Jenseits von Paraden, Feiertagen, Ritualen und einem Pflichtbesuch im Museum kümmert sich niemand um die Veteranen, nur wenige wissen genau, wer die die mit dem Krieg verbundenen Menschen sind, nach denen mehr als die Hälfte aller Straßen in Minsk benannt sind, keiner kann sich, auch aufgrund zurückgehaltener Informationen, eine zuverlässige Vorstellung von der viel beschworenen Partisanenbewegung machen. Mehr als ein halbes Jahrhundert danach, so meint der Künstler, ist es an der Zeit, über die Grenzen von Kult und Verklärung hinauszugehen, um ein echtes Gespräch mit den jetzt noch lebenden Zeitzeugen zu beginnen, die Relevanz des Krieges für unsere Gegenwart zu erkunden. Einen Anfang dazu will das Projekt des Künstlers machen, das vier Kurzbiographien von offiziellen Kriegshelden zusammen mit einer Stadtkarte in Waffenform sowie eine von der staatlichen Wodkafabrik produzierte Flasche in Form einer Kalaschnikov zeigt.

Die Museumslandschaft in Belarus …

… ist vielfältig und birgt viele Überraschungen in einem politischen System, in dem man wenig Spielräume vermutet. Mehr noch als die Museen selbst profitieren die Museumsmitarbeiter noch immer von der Aufbruchstimmung der frühen 90er Jahre. Was fehlt, sind internationale Kontakte und die Entwicklukng von Qualitätsstandards.

Eine Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Situation, aktueller Tendenzen und Herausforderungen habe ich für die aktuelle Ausgabe der „Belarus-Analysen“ der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität in Bremen zusammengestellt, ergänzt von statistischen Angaben zur lage der Museen, die vom Institut für Belarussische Kultur stammen. Zum vollständigen Text geht es hier.

Zeitgenössische Kunst in der Galerie Ȳ

Die gestrige Eröffnung der Ausstellung „Wie in einem schrecklichen Märchen“ möchte ich nutzen, um endlich über die einzige unabhängige Galerie für zeitgenössische Kunst zu berichten. Leicht versteckt in einem typischen Minsker Hinterhof, bildet die 120 m² große, 2009 gegründete Galerie den Mittelpunkt einer Reihe von Geschäften und Einrichtungen der alternativen Jugend- und Kunstszene. Dies war gestern Abend wieder mal eindrucksvoll zu erleben: Eine erfrischend schräge Mischung aus jungen und ganz jungen Leuten, vielen Künstlern und Literaten, aber auch „ganz normaler“ mittelalter Besucher und einigen Ausländern. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stand zunächst die Eröffnung der Ausstellung des Künstlers Michail Senk’kov, der eine Reihe von Gemälden und Graphiken in seiner ersten Einzelausstellung präsentierte. Eindrucksvoll in ihrer Wirkung und technisch präzise in der Ausführung sind seine Werke Ausdruck für die inneren Konflikte, Ängste und Träume des Künstlers. Verstärkt wurde die zugleich beklemmende wie inspirierende Atmosphäre durch den Auftritt von Schauspielern des Freien Theaters, die in eindrucksvollen Kostümen die Fantasie der Märchenwelt in die Galerieräume trugen.

Draußen vor der Tür wurde alsbald ein Feuer in einer alten Tonne entzündet – endlich mal wieder ein Gefühl wie in Berlin-Kreuzberg – und die Gespräche bei einem Glas Wein, einer Flasche Bier und einer Zigarette fortgesetzt. Der Galerieshop (mit seinem in Minsk einzigartig originellen Angebot), das Designer-Büro direkt neben der Galerie, war ebenso geöffnet wie das Café Malako, das sich auf wohltuende Weise von den sonst entweder teuren und schicken, provisorisch in einem Zelt untergebrachten oder standarisierten Cafés in Minsk unterschiedet. Allein die Buchhandlung des Verlags Loginoȳ mit ihrem reichen Angebot an belarussischer (Naša Niva, PARTisan, Arche etc.) sowie nicht überall zu habender russischsprachiger Literatur war nicht mehr geöffnet.

Das Programm der Galerie kommt bereits in ihrem Namen zum Ausdruck, dem Buchstaben ȳ, den es nur im belarussischen Alphabet gibt. Dies verweist auf den Programmschwerpunkt der Galerie: belarussische Künstler sowie solche, die mit ihrem Werk in Beziehung zu Belarus stehen. Galina Kisiljova, eine der beiden Direktorinnen, ist selbst zugezogen, nicht mit belarussisch als Muttersprache aufgewachsen und spricht zur Eröffnung auch russisch. Dafür die ist Internetseite der Galerie nur auf belarussisch, für eine englische Variante hat bisher das Geld nicht gereicht. Überhaupt ist das der wunde Punkt: Die Galerie ist im wesentlichen auf Eigenmittel angewiesen, Sponsoren finden sich nur selten und das System der Spenden oder eines Freundeskreises ist in Belarus bisher nicht sehr verbreitet. Staatliche Unterstützung gibt es keine, dafür zwischendurch eine Projektförderung durch den German Marshall-Fund oder das Goethe-Institut im Rahmen des Programms für Kulturmanager. Insgesamt vier Personen arbeiten in der Galerie, die neben dem Ausstellungsraum über ein winziges Büro und einen Lagerraum verfügt. Von Anfang an hat das Projekt Resonanz in internationalen Künstlerkreisen gefunden, der sich mit den Jahren stetig erweitert. Leider ist es nur selten möglich, die zum Verkauf stehenden Arbeiten der Künstler in einem Katalog zu veröffentlichen. Ernsthafte Probleme mit „den Behörden“ gab es bisher nicht, wenngleich die Arbeit schwierig bleibt. Doch das Engagement lohnt sich, die Galerie ist ohne Zweifel ein besonderer Ort in Minsk.

Interview mit den beiden Leiterinnen: http://news.tut.by/146438.html

Weiteres zur zeitgenössischen Kunst in Belarus: www.art-belarus.com

Belarus auf der Biennale in Venedig II

Am 25. Juni findet um 16.00 Uhr in der Galerie NOVA eine Veranstaltung mit Pawel Wojnizki, einem Mitarbeiter des Kurators des belarussischen Pavillons auf der 54. Biennale in Venedig zum Thema „Fotografie im Kontext der zeitgenössischen Kunst“ statt.

Adresse: Galerie NOVA, Ul. Kulman 2, Raum 421 (4. Etage)

Belarus auf der 54. Biennale in Venedig I

Erstmals wieder seit 2005 ist Belarus mit einem eigenen Pavillon in Venedig präsent. Auf 170 m² vertreten die Künstler Yury Alisevich, Artur Klinau, Kanstantsin Kastsiuchenka, Viktar Piatrou und Dzianis Skvartsou ihr Land mit dem Projekt „Kodex“, einer künstlerischen Interpretation von Textdesign. Es ist geplant, einige der Arbeiten im Dezember in Minsk im Museum für zeitgenössische Kunst auszustellen.

Die Teilnahme in diesem Jahr geht auf eine Entscheidung „von ganz oben“ zurück und wird vom Kulturministerium finanziert. Außerdem beteiligt sind das Museum für zeitgenössische Kunst, die Kunstakademie und die Botschaften Italiens in Belarus und von Belarus in Italien. 2009 hatte es die staatliche Kulturförderung, die die zeitgenössische Kunst ohnehin kaum bis gar nicht einschließt, „versäumt“, Belarus auf der Biennale zu präsentieren. Daraufhin initiierten 30 Künstler ein Projekt: Den Weißrussischen Pavillon auf der 53. Biennale in Venedig – in Minsk. Die Ausstellung, die im Juni 2009 im Ausstellungszentrum BelExpo eröffnet wurde, erregte viel Aufmerksamkeit und unterstrich den Vorwurf der Künstler, seitens der staatlichen Stellen werde im Ausland der Eindruck vermittelt, in Belarus mangele es an Gegenwartskunst auf internationalem Niveau – was insofern stimmt, als Künstler hier unter erschwerten Bedingungen kaum Chancen haben, sich international zu entwickeln.

Offenbar aber wollte Belarus diesen Vorwurf nicht auf sich sitzen lassen und schickte nun fünf Vertreter der zeitgenössischen Kunst nach Italien. In der Berichterstattung über die Biennale ist Belarus bisher nicht aufgetaucht, was angesichts der schwierigen Situation, in der sich viele der Künstler im eigenen Land befinden, bedauerlich ist. Umso mehr Aufmerksamkeit sei dem Pavillon in Venedig und damit auch Belarus selbst beschieden!

Einen virtuellen Rundgang durch den Pavillon bietet ein Video auf youtube. Weitere Informationen zu zeitgenössischen Künstlern findet man bei der amerikanischen (!) Galerie BellaBelarus.

Die Kunstgalerie „L. Schtschemelew“

Ein Blick in die Dauerausstellung.

Etwas abseits der touristischen Route befindet sich eine Ausstellung mit Werken des belarussischen Malers Leonid Schtschemelew (*1923). Zu seinem 80. Geburtstag spendete er 2003 der Stadt einen Teil seiner Werke. Die Stadt eröffnete daraufhin die erste städtische Galerie in Minsk.

Neben der Dauerausstellung, die einen größeren Saal umfasst, veranstaltet die Galerie regelmäßig Sonderausstellungen zeitgenössischer Künstler und kulturelle Veranstaltungen. Werke von Schtschemelew befinden sich auch in der Tretjakov-Galerie in Moskau, im Nationalen Kunstmuseum sowie verschiedenen Privatsammlungen. Leiterin der Galerie ist die eine der wenigen Kunstkritikerinnen in Belarus, Tatjana Bembel, die Enkelin des Bildhauers Andrej Bembel.

Biographische Informationen und einige Abbildungen seiner Werke auf der Website des Museums für zeitgenössische Kunst in Jersey City, New Jersey http://www.museum-rus.org/biography.htm?UrlRid=551
sowie unter http://minsk.gov.by/ru/org/3204/

Kulturoffensive

Gemäß verschiedener Präsidialbeschlüsse, zuletzt von September und Oktober 2010, ist eine umfassende strukturelle Erweiterung des Museumsbereichs in Minsk vorgesehen. Neben der bereits begonnenen Neukonzeption des Museums der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges, ist die Konzeption und Realisierung eines Zentrums für Zeitgenössische Kunst geplant sowie ein Museumsviertel um das Nationale Kunstmuseum.

Die genannten Vorhaben sind im Kontext mit dem staatlichen Programm zur Förderung der „Kultur Belarus“ für die Jahre 2011-2015 zu sehen. Während die Planungen für das neue militärhistorische Museum schon seit zwei Jahren laufen, befinden sich die Projekte rund um das Museumsquartal in der Grobplanung durch das Kulturministerium, zusammen mit städtischen Behörden. Ein konkretes Gebäude ist bereits ebenso vorgesehen wie die finanzielle Unterstützung des Sponsors Priorbank.

Sowohl der Umfang als auch die Komplexität der einzelnen Teilprojekte zeigen, dass der Kultur, und speziell der Museumslandschaft, in der Strategie der belarussischen Politik eine bedeutende Rolle zukommt. Dies ist zum einen an dem vorgesehenen erheblichen finanziellen Volumen erkennbar, zum anderen an der Benennung der Zielgruppen. Die Projekte richten sich, mit unterschiedlichen Schwerpunkten, an die belarussische Gesellschaft, insbesondere Jugendliche, sowie die internationale Öffentlichkeit. Damit verbunden ist das nach innen gerichtete Ziel, die eigene kulturelle Identität zu stärken sowie die nach außen orientierte Absicht, über die Verbreitung der weißrussischen Kunst, Kultur und Geschichte den Anschluss an die europäische Kultur- und Erinnerungslandschaft auszubauen.

Zeitgenössische Kunst

Noch bis zum 9. Januar 2011 zeigt das Contemporary Art Centre in Vilnius (nur 170 km von Minsk entfernt) eine Ausstellung zeitgenössischer weißrussischer Künstler. Unter dem Titel „Durys atsidaro? Baltarusių menas šiandien“ („Öffnen sich die Türen? Weißrussische Kunst heute“) stellt die Ausstellung künstlerische Positionen zur aktuellen gesellschaftlichen und politischen Lage in Belarus vor. Der Zeitpunkt der Präsentation vor und nach den Präsidentschaftswahlen in Belarus ist zweifellos mit Bedacht gewählt und macht auf die Tatsache aufmerksam, dass zeitgenössische Kunst in Belarus kaum gefördert wird. Umso überraschender war eine kürzliche Initiative des Präsidenten zur Errichtung eines Zentrums für zeitgenössische Kunst. Es wird zu beobachten sein, welche der hier formulierten Ziele realisiert werden und wie sich das auf die Kunstszene auswirkt.

Zur Ausstellung in Vilnius ist ein Katalog in litauischer, englischer und russischer Sprache erschienen. Die weißrussische Zeitung BelGazeta hat, wohlgemerkt vor den Wahlen, am 13.12.2010 in der Ausgabe 49 (772), S. 5, eine ebenso bitterböse wie gute Kritik der Ausstellung publiziert.