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Auf Wiedersehen, Belarus! Да пабачэння, Беларусь!

Alla Stashkevich, Tatjana Bembel und ich mit der Handreichung zu den Museumsseminaren.

Nun ist es soweit, nach drei Jahren geht unsere Zeit in Minsk zu Ende. Für mich war es eine anregende, spannende und lebhafte Zeit, die wohl einmalige Chance, als Slavistin und langjährige Russlandreisende endlich einmal in der Kultur- und Sprachregion zu leben, deren Studium ich mir zu meiner Lebensaufgabe gemacht habe. Auf meinen Wegen durch dieses für viele noch immer unbekannte Land haben mich Menschen begleitet, denen ich für ihr Vertrauen danke. Sie haben mich an die Hand genommen auf meinen Erkundigungen durch die Museums- und Kulturlandschaft, bei der Erforschung und der teilweise schmerzvollen Erinnerung an die tragische Geschichte, die unsere beiden Länder verbindet, sowie bei meinen Ausflügen in die verbindende Welt des Sports, allen voran des Dressurreitsports. Sie alle werde ich vermissen!

Mit dem Rückumzug nach Deutschland endet auch der Blog. Zwar ließe sich auch von Deutschland aus eine Kommentierung der Museums- und Kulturszene fortsetzen. Da es noch immer recht wenig Informationen zur aktuellen Kulturlandschaft in Belarus gibt, würde das einer Annäherung und dem gegenseitigen Austausch auch gut tun. Dennoch scheint mir die Beendigung des Blogs folgerichtig, da ich diese Form der freien Rede, kurzer Kommentare und persönlicher Eindrücke in der Absicht gewählt hatte, um meine punktuellen, nicht immer systematischen Beobachtungen im Lande zu notieren. Dieser unmittelbare Zugang ist nun nicht mehr gegeben.

Unser Rückumzug nach Deutschland ist zugleich auch die Schließung des deutschen Militärattaché-Stabes in Minsk, d.h. es wird kein Nachfolger kommen. Zu den vorausgegangenen Verwicklungen hatte ich berichtet, sie haben letztlich zu diesem Schritt geführt, für dessen Einschätzung und Bewertung dieser Blog nicht der richtige Ort ist. Diesen Moment hat die Belarussische Militärzeitung zum Anlass genommen, ein lange geplantes Interview mit meinem Mann, Niels Janeke, zu führen. Seine Publikation ist ein Überblick und Rückblick auf die Arbeit des Militärattachéstabes der letzten drei Jahre aus belarussischer Sicht.

Foto zum Artikel in der Belarusskaja Voennaja Gazeta, 26.6.2013

Was mich betrifft, so werde ich auch weiterhin mit meinen belarussischen Kollegen in verschiedenen Projekten zusammenarbeiten und meinen Teil dazu beitragen, die kulturellen Kontakte auszubauen und zu vertiefen. Sofern es dazu etwas zu berichten gibt, tue ich dies nter der Rubirk Aktuelles auf meiner Website. Die aktuelle und regelmäßige Analyse überlasse ich anderen, die noch näher dran sind, weil sie im Land leben oder sich ausschließlich Belarus widmen. Ihre Blogs und Websites sind in der Rubrik Links genannt.

Dank dieser Mischung aus Internet und persönlichen Kontakten wird Belarus weiterhin eine wichtige Rolle in meinen beruflichen und persönlichen Interessen spielen. Ich habe das Land schätzen und lieben gelernt und will es nicht wieder verlieren. Auf Wiedersehen, Belarus! Да пабачэння, Беларусь!

„Museen als Bildungsorte des 21. Jh.“ – Eine Handreichung

Eine meiner letzten Amtshandlungen in Belarus war die Fertigstellung der Handreichung, die die Materialien der Museumsseminare im Goethte-Institut 2012 zusammenfasst. Zusammen mit Alla Stashkevich, Insitut für die Kultur von Belarus und Vorsitzende von ICOM Belarus, haben wir die Unterlagen aller Referenten mit Einleitungstexten, Glossarien zu den einzelnen Themen sowie einer Bibliographie versehen. Nun endlich ist unser Werk auf russisch (als gedrucktes Handbuch) und auf deutsch (als beigefügte CD) erschienen. Beide sprachlichen Versionen sollten demnächst zum Download auf den Websites des Goethe-Instituts und des Instituts für die Kultur Belarus’ bereitstehen. Zudem können sie in der Literaturliste von Tradicia als PDF sowie die deutsche und die russische Version heruntergeladen werden. Und schließlich ist in den Mitteilungen 35 (2013) von ICOM Deutschland ein Abschlussbericht zu dem Projekt erschienen.

Damit kommt eines meiner umfangreichsten Projekte in Belarus zum Abschluss, gerade noch rechtzeitig vor unserer Ausreise. Ich freue mich sehr, dass ich auf diese Weise ein sichtbares und greifbares Resultat meiner Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut, ICOM Belarus, den belarussischen Museen und den deutschen Partnern hinterlassen kann. Möge es sich verbreiten und zu neuen Projekten und Kooperationen führen.

Dass die Reise nach Minsk und der Austausch mit den belarussischen Museumskollegen auch für die deutschen Kollegen ein inspirierendes Erlebnis war, belegen die Blogeinträge von Katrin Hieke und Jörn Brunotte. Möge auch das zur weiteren Vernetzung beitragen!

Schweden und Frankreich pflegen Beziehungen zu belarussischen Museen

Frankreich plant ein Trainung für belarussische Museumsmitarbeiter (BelaPan 14.6.2013). Hinter dieser Initiative, führende Museumsangestellte zur Fortbildung in französische Museen einzuladen, steckt, wen wundert’s, der belarussische Botschafter in Paris und ehemalige Kulturminister seines Landes, Pavel Latushko. Ob es zu zu dieser Maßnahme kommt, die auf höchster politischer Ebene besprochen wurde, steht freilich in den Sternen. Auch bleibt abzuwarten, was die belarussischen Museen letztlich wirklich davon haben und welche Anregungen sich im Museumsalltag abbilden werden.

Deutlich konkreter ist die belarussisch-schwedische Zusammenarbeit in diesem Bereich. Schon lange gibt es hier intensive Beziehungen, die dem Engagement der belarussischen ICOM-Vorsitzenden, Alla Stashkevich zu verdanken sind. Einzelne Projekte werden finanziell unterstützt und es finden Seminare statt. So z.B. im Frühjahr ein Seminar zur Sammlungsinventarisierung, zu dem schwedische Museumsvertreter nach Minsk kamen, und im Juli ein Seminar in Schweden, bei dem Vertreter belarussischer Museen sich vor Ort über die Tätigkeit der Kollegen informieren konnten. Der Ausbau der Kooperation ist geplant.

Eine militärische Kirche

Foto: http://www.radzima.org/ru/foto/24879.html

Diese Alexander Nevskij-Kirche ist eines der wenigen Bauten in Minsk, die sich im ursprünglichen Zustand erhalten haben und hat zudem eine interessante Geschichte. Sie wurde zwischen 1896 und 1898 von dem Architekten Vasilij Strujev erbaut in dem für ihn typischen Stil des russischen Barock erbaut. Das Gebäude auf dem Militärfriedhof in Minsk ist ein Denkmal für die Soldaten, die im russisch-türkischen Krieg 1877-1878 ums Leben gekommen waren. Das Projekt galt als erfolgreich und viele Kirchen von Strujev entstanden im selben Stil in vielen Teilen des Landes. Strujev war auch der Architekt des ersten Minsker Museums, des Kirchlich-archäologischen Museums, das 1913 eröffnet wurde.

Im Innern der Kirche sind auf den Säulen Marmorplatten angebracht, auf denen die Namen der 118 in Bulgarien gefallenen Soldaten des Kolomensker Regimentes und der Artilleriebrigade zu lesen sind. Außerdem wird hier das Regimentsbanner aufbewahrt und es gibt verschiedene Gräber für Offiziere und einfache Soldaten. Darüber hinaus findet man ein kleines Kirchenmodell, dass das Regiment im Krieg mit sich geführt hat. Zwischen 1938 und 1942 war die Kirche, wie alle anderen Kirchen auch, geschlossen. Die Bombadierung zu Anfang des Krieges zerstörte die Kuppel. Heute sieht man sie in renoviertem Zustand. Viermal im Jahr finden Gedenkgottesdienste für die Soldaten statt.

Vorbereitungen auf den Jahrestag der Befreiung 2014

Seit kurzem gibt es ein offizielles Komitee, das sich mit den Vorbereitungen der Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag der Befreiung von den nationalsozialistischen Besatzern 1944 befasst (BelaPan 21.5.2013). Vorsitzender des Komitees ist der Premierminister Michail Mjasnikovich, weitere Mitglieder sind Regierungsbeamte, Journalisten, Vertreter der Veteranenorganisationen (auch Afghanistan!), die Armee, verschiedene Berufsverbände u.a.

Außer um die Planung von Veranstaltungen geht es auch um die Verbesserung des Lebensstandards der Veteranen, die Verbreitung des Patriotismus [sic!] und die Instandsetzung von Denkmälern. Schon lange ist ja die pünktliche Eröffnung des neuen Museums zum Großen Vaterländischen Krieg angeordnet und, weil das offenbar nicht klappt, der Direktor gerade gefeuert worden. Es bleibt abzuwarten, ob der neue Direktor (ein pensionierter General aus der Truppe, ohne Museumserfahrung, versteht sich) dieser Herausforderung gewachsen sein wird. Noch ist der alte Direktor Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirates und zieht den einen oder anderen Faden. Aber er steht schwer unter Beschuss von Seiten des Kulturministeriums und der Regierung und es ist fraglich, wie lange das noch so weiter geht. Erste Gerüchte streuen bereits Zweifel am Eröffnungstermin im kommenden Juli.

Bayern und Belarus

Allzuviele Gemeinsamkeiten und Berührungspunkte gibt es hier wohl nicht. Immerhin gibt es seit Febraur 2012 in Generalkonsulat in München. Bemerkenswert ist aber etwas anderes: Ein bayerisches Tourimusportal nutzt die Top-Level-Domain .by: www.bayern.by

Mir ist das überhaupt nur aufgefallen, weil sich mir .by (in Belarus mit Genuss gesprochen: „totschka bi uai“) als Domai eben für Belarus bzw. Weißrussland eingeprägt hat. Ob die bayerischen Tourismusexperten das wissen??

Kulturstatistik

Statistik: MINSK WHERE 8/2012, S. 22.

Laut einer Übersicht des Stadtmagazins WHERE MINSK (9/2012) gehen die Minsker am liebsten ins Kino. Direkt danach folgt schon das Museum, das Theater steht an dritter, Konzerte an vierter Stelle. Mit ihrer Vorliebe für die Lichtspiele überbieten die Belarussen demnach die Russen um das dreifache, die Ukrainer um das vierfache.

127 Vorführungen bieten die 15 Minsker Kinos durchschnittlich am Tag, jeder 12. sah darin den Film „Fluch der Karibik – Auf zu neuen Ufern“ und das, obwohl sich die Zahl der Sitzplätze seit 2005 (18.000) bis 2011 halbiert hat (9.000). Die Zahl der Besucher ist aber im selben Zeitraum von 3.200.000 auf 5.000.000 gestiegen.

Zu den Museen: 1.200.000 Menschen haben 2011 die Minsker Museen besucht (insgesamt 17, davon drei historische, vier kunsthistorische sowie „andere“). Das Museum der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges hatte 700 Besucher pro Tag zu verzeichnen, das Nationale Kunstmuseum 584 und das Nationale Historische Museum 555 pro Tag. Wenig Besucher hatten (erstaunlicherweise!) das Azgur-Museum mit 10.300 Besuchern im Jahr, das Medizinhistorische Museum mit 4.500 und das Sportmuseum mit 6.200 Besuchern im Jahr. Die reichste Sammlung hat das Nationale Historische Museum (284.300 Objekte), die kleinste das Museum für zeitgenössische Kunst (2.709 Objekte).

Unter den Theatern ist das Opern- und Balletttheater das weitaus beliebteste (238.000 Besucher 2011), gefolgt vom Musiktheater (198.000) und dem Gorkij-Theater (105.000). Jede siebte Vorstellung ist eine Premiere, insgesamt wurden 2011 940 Aufführungen gezeigt, 139 von ihnen waren neu.

Der heimliche Favorit ist schließlich der Zirkus: Hier wurden 2011 386.000 Eintrittskarten verkauft, oft lange im voraus.

Illustrierte Geschichte von Belarus

Ein neuer Bildband soll helfen, die belarussische Kultur und Geschichte auch im Westen bekannter zu machen. Dazu ist vor Kurzem die englische Übersetzung des bisher nur auf russisch (!) vorliegenden Bild- und Textbandes zur belarussischen Geschichte von Vladimir Orlow und Dmitrij Gerasimovich erschienen. “By this book we also wanted to show that the Belarusians belong to European culture not only geographically but also historically, culturally and mentally, and that our ancestors were an integral part of the European civilization,” sagte Orlov bei der Buchpräsentation (BelaPan, 23.5.2013).

Die Idee ist grundsätzlich zu begrüßen, nur ist nicht nachvollziehbar, waum dazu eine 10 Jahre alte Publikation ausgewählt wird. Da hätte es doch auch neuere Werke gegeben, zumal es sehr gute, neuere mehrsprachige Bildbände von Minsk und Belarus gibt. Auch haben sich die touristischen Publikationen in den letzten Jahren deutlich verbessert. Hier tun gute (!) Übersetzungen Not sowie eine verbesserte Präsentation im Internet. Beides scheint mir deutlich besser geeignet, Belarus jenseits seiner Grenzen zu promoten.

Das sowjetische Minsk

Foto: http://www.spiegel.de/fotostrecke/widerstand-in-weissrussland-schule-im-untergrund-fotostrecke-92495.html

Im November 2012 veröffentlichte das Stadtmagazin WHERE MINSK eine Übersicht über die noch heute nach kommunistischen Führern oder entsprechenden historischen Ereignissen benannten Orte in Minsk. Demnach gibt es noch ganze 16 Lenindenkmale in Minsk, 40 Straßen sind nach Lenin, Marx, der Pariser Kommune und anderen kommunistischen Helden(-taten) benannt, 3 Firmen bzw. Geschäfte führen die Namen „Kommintern“, „Kommunarka“ und „Roter Lebensmittelverkäufer“ [sic!], 4 Durchhalteparolen an der Metro Oktrjabrskaja sind noch immer in Stein gemeißelt zu bewundern und 4 Zeitungen heißen „Roter Oktober“, „Oktoberweg“, „Licht des Oktober“ und „Flagge des Oktober“. Straßen mit religiösen Namen und Bezeichnungen gibt es dagegen keine einzige, nachdem die „Lutherstraße“ 1966 umbenannt wurde.

Auch wenn viele Betrachter von außen diese Seite der Vergangenheit deutlich in Politik und Gesellschaft auszumachen meinen, so spielt sie für die belarussischen Marketing- und Tourismusexperten keine Rolle. Für die Marke Minsk, über die sich derzeit alle hier den Kopf zerbrechen, gelten andere Bezugspunkte. Beauftragt mit der Markenbildung wurde ausgerechnet eine britische Firma, die bereits Ergebnisse vorgelegt hat. Folgt man dem Reiseführer Lonely Planet, so hätte man durchaus auch den Kommunismus zur Markenbildung heranziehen können: Seine Autoren bezeichnen die Stadt als „Kommunismus mit Cappuchinogeschmack“, wie MINSK WHERE treffend zitiert.

Zeitschrift ARCHE wieder zugelassen

Laut einer Meldung von BelaPan (24. Mai) wurde die Neuregistrierung der einzigen unabhänigen, auf belarussisch erscheinenden historischen Zeitschrift durch das Kulturministerium akzeptiert. Die Zeitschrift war im letzten Jahr verboten. Damit gab das Ministerium dem vierten Antrag der Herausgeber seit November 2012 auf Genehmigung statt.

Im September 2012 wurde der Herausgeber Bulgakov in Grodno bei einer Buchpräsentation verhaftet. Ihm wurde vorgeworfen, das Buch „Die Sowjetifizierung von Westbelarus“ illegal verkauft zu haben. Anschließend wurde das Bankkonto von ARCHE eingefroren. Der Fernsehsender Belarus 1 beschuldigte die Herausgeber des Extremismus und der Nazi-Propaganda. Daraufhin floh Bulgakov ins Ausland. Nun ist er seit einiger Zeit wieder in Minsk. Die Anklage gegen ihn wurde fallen gelassen, das Bankkonto wieder freigegeben.

Kulturelles Erbe in Belarus

Um 104 Ergänzungen wird die Liste des “historischen und kulturellen Erbes” in diesem Jahr erweitert (BelaPan 16.4.2013), so das Kulturministerium vor Kurzem. Aufgenommen werden 89 materielle und 15 immaterielle Kulturgüter, datunter eine Unierten-Kirche in Velikaja Svarotova bei Baranavich, ein Gedenkkreuz und eine Kapelle am Ort der Kämpfe mit den Russen 1863 im Ivacevich Gebiet, das Haus des Dichters Maksim Tank in der Minsker Region u.v.m.

Die gesamte Liste umfasst derzeit 5.532 Einträge, die in diesem Jahr mit 103,3 Billionen Rubeln ( das entspricht etwa 11,9 Millionen Dollar) unterstützt werden.

Kurapaty

Im Sonnenlicht des Frühlings wirkt der Ort fast friedlich, wären nicht die vielen Kreuze, die den Weg säumen und überall im Wald daran erinnern, was hier geschehen ist. Und die vier Speznac-Leute, die an beiden Zugängen zum Gelände demonstrativ beobachten, wer sich für diesen Teil der belarussischen Geschichte interessiert. Zwischen 1937 und 1941 haben hier nördlich von Minsk Massenerschießungen im Rahmen der „Großen Säuberung“ durch den sowjetischen Geheimdienst stattgefunden. Erste Funde von Leichenteilen wurden in Kurapaty bereits in den 60er Jahren gefunden, die Opfer wurden den nationalsozialistischen Besatzern zugeschrieben. Eine Diskussion kam erst auf, als Archäologen der Akademie der Wissenschaften 1998 erneut bei Ausgrabungen menschliche Überreste fanden und ihre Erkenntnisse erstmals publizierten.

Auf dem ca. 30 ha großen Gelände, das heute durch die Autobahn zertrennt wird, wurden 510 Massengräber entdeckt, in denen menschliche Überreste von Belarussen, Polen, Litauern sowie Juden liegen. Die Angaben zu den Opfern bewegen sich zwischen 30.000 und 250.000. Solange die Dokumente nicht freigegeben werden, besteht keine Möglichkeit, die Toten zu identifizieren. Namen sind nicht bekannt. Neben den Knochenfunden sind auch Patronen, Patronenhülsen, und diverse persönliche Gegenstände (Brillengestelle, Zahnbürsten, Hüllen, Brieftaschen, Geschirr, Schuhe und Handschuhe) ausgegraben worden. Sie befinden sich heute größtenteils in der Akademie der Wissenschaften, einige Funde werden auch im Nationalen Historischen Museum aufgewahrt, wohin sie zu einer Expertise gebracht worden waren.

Die Erinnerung an die Repressionen, Massenverhaftungen, Erschießungen und Deportationen in den 30er Jahren sind noch immer kein offizieller Gegenstand der historischen Forschung. Nur wenige Historiker bleiben hartnäckig an dem Thema dran, wie z.B. Igor Kuznecov. Bis 1938 wurden etwa drei Millionen Menschen verhaftet, davon sind ca. eine Millionen durch Erschießungen ums Leben gekommen, teils in sog. „Exekutionslagern“. Eines davon war Kurapaty. Kurapaty ist nicht die einzige solcher Erschießungsstätten, heute weiß man von fünf bis 10 in Minsk und weiteren mindestens 40 Orten in Belarus.

Nach den Funden 1988 wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, das erste, das der Staat gegen seine Sicherheitsorgane jemals geführt hat. Es stellte sich heraus, dass die Opfer von sowjetischen Sicherheitsorganen ermordet worden waren. Beweise dafür sind die gefundenen Patronenhülsen, die von Revolvern des Typ „Nahan“ und „TT“ stammen, der Standardausrüstung des NKWD. Außerdem wurden Gefängnisquittungen gefunden und Dokumente mit Daten, aus denen geschlossen werden kann, dass die Erschießungen vor dem Krieg stattgefunden haben müssen.

Seit dieser ersten Untersuchung hat es vier weitere Grabungen und Untersuchungen gegeben durch die „Gesellschaftliche Kommission zur Untersuchung der Verbrechen in Kurapaty“ gegeben, 1991, 1992, 1993 und zuletzt 1998. Immer wieder wurde versucht, die Verbrechen den deutschen Besatzern anzuhängen. Auch die „polnische Spur“ verfolgt, also untersucht, ob sich unter den Opfern auch 3.000 polnische Offiziere befanden, die hier in Belarus erschossen worden sein sollen. Dies ist bis heute nicht aufgeklärt, ihre Spur verliert sich hier in Belarus. Mehr noch als die Behauptung, die Verbrechen seien von den Deutschen begangen worden, spaltet die Frage nach den polnischen Opfern des NKWD die Nation. Offiziell heißt es, wie auch immer wieder vom Präsidenten öffentlich bestätigt, dass keine polnischen Offiziere in Belarus erschossen worden seien. So äußerte sich Lukaschenko zuletzt auf der Jahrespressekonferenz am 15. Januar auf die Frage eines polnischen Journalisten. Demgegenüber behaupten Polen und einige Historiker in Belarus, dass im KGB-Archiv eine Liste existiere. Das Thema ist eines von vielen belarussisch-polnischen Streitpunkten. Gedenktafeln und Grabschmuck in Kurapaty, die sich auf polnische Opfer beziehen, werden regelmäßig entfernt oder verwüstet. Als ich in den Maifeiertagen dort war, lagen Blumen und Fahnen an einigen Kreuzen. Das wird wohl nicht lange so bleiben.

Rechtzeitig vor den Feiertagen hat das Kulturministerium ein Verbot für die Neuerrichtung jeglicher Erinnerungszeichen in Kurapaty (BelaPan 25.4.2013) erlassen. Damit soll insbesondere die Erinnerung an die polnischen Offiziere verhindert werden, so Kuznecov zu dem Verbot. Das ist ein Rückschritt hinter die bereits von gesellschaftlichen Gruppen erkämpfte Freiheit, Gedenksteine und Kreuze aufzustellen.

Platz der Staatsflagge und neuer Palast der Unabhängigkeit in Minsk

Foto: http://realt.onliner.by/2013/04/22/flag

Minsk bekommt einen neuen “Platz der Staatsflagge” sowie ein „Zentrum der Unabhängigkeit“ (BelaPan 7.5.2013). Gerüchte gab es schon lange, aber keiner wusste wirklich, was für ein riesiges Gebäude am Prospekt des Sieges in unmittelbarer Nähe zur Halle der BelExpo entsteht. Nun wissen wir es endlich.

Der Präsident ließ es sich dann auch nicht nehmen, nochmal darauf hinzuweisen, dass die aktuelle Staatsflagge durch ein Referendum 1995 vom Volk bestätigt worden sei. Auch er habe zunächst in seiner ersten Amtszeit die weiß-rot-weiße Flagge am Auto getragen. Nun komme die aktuelle Flagge noch stärker zur Geltung, im Rahmen eines neuen Unabhängigkeitszentrums für staatliche Veranstaltungen, Empfänge und Regierungsgespräche. Alle sollen sehen, so Lukaschenko, dass Belarus ein souveräner Staat und von außen nicht zu beeinflussen sei – die übliche Rhetorik.

1995 wurde tatsächlich die nach dem Ende der UdSSR vorübergehend gültige weiß-rot-weiße Flagge mit dem „Pahonja“-Emblem, die auf die historischen Bezüge des Großfürstentums Litauen, aber auch die Belarussische Volksrepublik von 1918 zurückgreift, durch die aktuelle rot-grüne Flagge mit nationalem Muster ersetzt. Sie unterscheidet sich von der früheren sowjetischen Fahne (der Jahre 1956 bis 1991) nur durch das Fehlen von Hammer und Sichel. Das Wappen (auf der weiß-rot-weißen Flagge das Pahonja-Emblem, ein schwertschwingender Reiter auf einem Pferd) ist heute ein Ährenkranz mit den Umrissen der Republik Belarus in der Mitte und einem roten Stern am oberen Rand. 75% sprachen sich für die neuen Symbole aus, allerdings hatten nur 65 % der Bevölkerung an der Abstimmung teilgenommen. Ende der 90er Jahre legte Lukschenko fest, dass der „Tag der Staatsembleme und der Flagge“ am zweiten Maisonntag begangen werden soll.

Vgl. dazu das Handbuch der Geschichte Weißrusslands, 2002.

Abbildungen finden sich hier.

Nachtrag zum 9. Mai

Der 68. Jahrestag des Kriegsendes verlief nach dem, so möchte man sagen, üblichen Muster ohne besondere Vorkommnisse ab. Im Vorfeld strahlten die staatlichen Fernsehsender die bekannten Kriegsfilme sowie einschlägige Dokumentationen aus. Zu sehen war u.a. ein Beitrag über das Konzentrationslager für Kinder in Krasny Bereg, Kreis Shlobin, wo sich eine Gedenkstätte von Leonid lewin befindet. Zu hören war immer wieder der Vorwurf der Geschichtsfälschung, auch an die deutsche Adresse. ONT verwies z.B. auf eine Umfrage, nach der 45 % der befragten Deutschen im Alter zwischen 29 und 50 Jahren nicht wissen, was am 8. Mai 1945 passiert ist. Positiv hervorgehoben wurde das Engagement des Vereins „Kontakte – Kontakty“, der sich seit Jahren für die Erinnerung an den deutsch-sowjetischen Krieg und das Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen einsetzt. Eine Erwähnung des Deutsch-Russischen Museums, das vor kurzem eine neue Dauerausstellung eröffnet hat und von der Bundesregierung finanziert wird, gab es allerdings nicht. Bis in die belarussischen Medien hat es auch Kommissar Derrick geschafft – mit dem Hinweis, dass die Serie nicht mehr ausgetrahlt werden darf wegen der Mitgliedschaft des Schauspielers Horst Tappert in der SS. Problematisiert wurde die Frage der Mitgliedschaft und des persönlichen Schicksals dabei nicht.

Am Tag selber gab es zahlreiche Veranstaltungen, dieses Mal bei strahlendem Somemrwetter. Vormittags fand der traditionelle Marsch der Veteranen auf dem Prospekt Nesawissimosti vom Platz Oktjabrskaja bis zum Siegesplatz und die Kranzniederlegung am Siegesobelisken statt. Bemerkenswert war in diesem Jahr, dass der Präsident, außer von seinem Sohn Kolja, von dem ausw Belarus stammenden Astronauten Oleg Novickij begleitet wurde. Am Nachmittag gab es zahlreiche Volksfeste und Kulturprogramm, abends das große Feuerwerk. Außerdem wurden Teile der Innenstadt um die Karl-Marx-Straße zur Fußgängerzone erklärt, wo Schauspieler auftraten und andere Angebote gemacht wurden.

Was die Erinnerung an den Krieg berifft, betonte der Präsident nochmals deren Bedeutung für die heutige Generation. Sie sei viel wichtiger, als ihm persönlich ein Denkmal zu setzen, wovon er gar nichts halte, auch wenn er immer wieder und häufig dazu aufgefordert werde (mehrere Meldungen BelaPan 7.5.2013). Viel wichtiger sei das neue Museum des Großen Vaterländischen Krieges, das das „beste der Welt“ werde (und dessen Direktor er einen Tag zuvor entlassen hatte). Er habe dafür gesorgt, dass die Veteranen ihre Auszeichnungen tragen dürften, anders als die Nationalisten Anfang der 90er Jahre, dies dies hätten verhindern wollen.

Gleichzeitig wurden aber die Sonderzahlungen an die Veteranen zum Tag des Sieges ausgesetzt. Diese sollen erst im kommenden Jahr, zum 70. Jahrestag der Befreiung von Minsk, ausgezahlt werden. Böse, wer denkt, dass dann wieder einige Veteranen verstorben sind, so dass der Staat das Geld einsparen kann. Ein Kriegsveteran erhält zur Zeit Zuschläge zu seiner Rente abhängig von seinen Auszeichnungen oder seinem Verwundungsgrad. Im Durchschnitt sind das zwischen 2.940.000 und 3.380.000 Rubel (= $ 339 und $ 390).

Aktuell leben noch 25.300 Veteranen des Großen Vaterländischen Krieges in Belarus, im letzten Jahr waren es noch 30.500. 31.600 Überlebende von nationalsozialistischen Lagern, Ghettos und Gefängnissen gibt es noch im Lande. Diese und weitere Opfergruppen erhalten kostenlosen Gesundheitsversorgung, freie Fahrt im Nahverkehr und verschiedene andere Vergünstigungen.

Ein Denkmal für den Ersten Weltkrieg in Belarus

Foto: http://ais.by/story/891

Schon seit vielen Jahren planen der Bildhauer Vladimir Slobodchikov und der Kulturwissenschaftler Igor Morozov ein Denkmal zur Erinnerung an den Ersten Weltkrieg in Belarus. Es soll an einem der ehemaligen Kriegsschauplätze auf einer Anhöhe am „Kreuzungspunkt der Meridiane“ von weit her zu sehen sein, eine kugelförmige, begehbare Skulptur von 9m Durchmesser. Die Meridiane von Ost nach West und Nord nach Süd weisen auf Belarus als ein Zentrum heftiger Kämpfe in diesem Krieg hin. Die Kugel zeigt bei nährerer Betrachtung Reliefs deutscher und russischer Soldaten, von Gasangriffen und den Leiden der Zivilbevölkerung. Im Innern der Kugel soll die Skulptur einer Mutter mit ihrem Neugeborenen die Hoffnung auf den Frieden und Neuanfang darstellen.

Mit diesem, im Detail vielleicht überladenen, aber durchdachten Konzept ist dieser Denkmalsentwurf eine Ausnahme in der Skulpturenlandschaft von Belarus. So verwundert es auch nicht, dass der Entwurf kaum bekannt ist und wohl kaum Chancen auf Realisierung hat. Das wiederum hängt auch mit dem Thema des Ersten Weltkrieges zusammen. Einerseits ist er in den letzten Jahren wieder stärker in die offizielle und gesellschaftliche Erinnerung zurückgekehrt, insbesondere durch die Einweihung einer Kapelle auf einem Massengrab in Minsk. Von dem Historiker Anatolij Scharkow und Vjacheslav Selemenev stammt eine Broschüre mit dem Verzeichnis aller Soldatengräberanlagen zum Ersten Weltkrieg in Belarus, Vjacheslav Bondarenko stammt ein populärwissenschaftliches Werk zum Ersten Weltkrieg in Belarus und in privaten Händen findet sich eine eindrucksvolle Sammlung von Briefmarken und Postkarten zum Thema. Dennoch ist der Erste Weltkrieg, anders als der Große Vaterländische Krieg, nur durch wenige Denkmäler, Ausstellungen oder wissenschaftliche Bearbeitungen in der Öffentlichkeit wahrnehmbar.

Denkmäler für Minsk und Belarus

Neulich hat mich mein Kollege Vjacheslav Bondarenko mal wieder in eine seiner TV-Sendungen bei ONT „Offenes Format“ eingeladen. Es ging um Denkmäler. Mit gutem Willen kann man meine Kompetenz zu diesem Thema aus meinen kulturellen Interessen ableiten, mehr aber auch nicht. Und richtig: Vjacheslav bat mich ganz offen, an der Sendung teilzunehmen, um den belarussischen Gesprächspartnern zu demonstrieren, was eigentlich eine Talk-Show sei. Niemand begreife, dass es um einen schnellen und offensiven Meinungsaustausch handle, und nicht um eine gesittete Selbstdarstellung mit vorher abgesprochenen Texten. Auch dafür fühle ich mich eigentlich nicht kompetent, und schon gar nicht auf russisch, aber bitte, man hilft ja gerne. Kurz vorher wurde mir dann doch sehr mulmig, aber die erstaunlich vielen Rückmeldungen von Bekannten und Kollegen lassen vermuten, dass ich meine Aufgabe gemeistert habe. Apropos: Man wundert sich, wer diese Sendung alles guckt, angefangen von unserer Dezhurnaja über einige Nachbarn zu Hause bis hin zu meinen Kollegen aus der Uni.

Es sollte also um Denkmäler gehen – ganz allgemein: Für wen oder was werden sie aufgestellt? Wer hat die Initiative? Wer entscheidet darüber? Und wer bezahlt dafür? Letztlich ging es aber um den immer währenden belarussischen Diskurs: Woran wollen wir eigentlich erinnern? Hierzu gab es durchaus unterschiedliche Auffassungen bei meinen Gesprächspartnern, dem stellvertretenden Kulturminister, einem Bildhauer und dem Vertreter der russisch-freundlichen Organisation „Westbelarus“. Dieses Thema wiederum liegt mir viel näher und so habe ich mich so gut es eben ging engagiert und für eine offene und kontroverse Diskussion geworben.

Mir persönlich hat der Standpunkt von Michail Volodin gut gefallen, der seine kritischen Anmerkungen zum Denkmalswesen in Belarus im Studio vorgetragen hat mit der Kernthese, dass es so lange problematisch bleibt, wie allein der Staat darüber entscheidet. Ein sympathischer Standpunkt, der die ursprünglich gplanten Fragen zur Diskussion in einem neuen Licht erscheinen lässt.

Planungen für Malyj Trostenec

Foto: http://www.my-minsk.ru/novosti-respubliki/7579-trostenec-kakim-budet-memorial-i-kak-belorusam-ne.html

Gleich im Anschluss an die Konferenz zu Chatyn fand am 23.3.2013 eine weitere „wissenschaftlich-praktische Konferenz“ in der IBB Minsk statt. Veranstaltet wurde sie von der IBB selbst sowie der Geschichtswerkstatt aus Anlass ihres 10-jährigen Bestehens. Thema waren die aktuellen Planungen für einen Gedenkort in Trostenec.

Kurz zur Erinnerung: Es handelt sich um das größte Vernichtungslager der Nationalsozialisten auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion. Die Angaben zu den Opfern schwanken in deutschen und belarussischen Publikationen zwischen 50.000 und 206.500. Insgesamt geht es um drei historische Orte: Schaschkowa, wo ein Gedenkstein an die Verbrennung zahlreicher Opfer erinnert. Ein Friedhof in einiger Entfernung am Standort des ehemaligen Gutes Trostenec erinnert an die Mordaktionen kurz vor der Befreiung im Juli 1944. Schließlich der Wald von Blagowschtschina, in dem bis zu 150.000 Juden aus Belarus, Österreich und Deutschland ermordet wurden. Offiziell dient ein Obelisk als Erinnerungsort, dessen Standort aber mit dem historischen Geschehen nicht in Zusammenhang steht und auch keinen Aufschluss über die Ereignisse gibt.

Auf der Konferenz stellte erstmals die zuständige Architektin, Anna Aksenova, ihre im Auftrag der Stadt Minsk erarbeiteten Entwürfe vor. Ihre Gestaltungsideen beziehen sich auf zwei der insgesamt drei historischen Orte (ausgenommen ist die Blagowtschina) auf ca. 65 ha. Die von ihr vorgestellten Pläne lassen eine konservative Anlage mit ausgewiesenen Wegen vermuten, die sich nicht erkennbar auf diesen Ort bezieht oder ihn gar problematisiert. Positiv anzumerken ist, dass, sollte der Entwurf tatsächlich realisiert werden, die Stadt Minsk sich erstmals überhaupt mit diesem für das historische Gedenken so wichtigen Ort beschäftigt. Pessimistisch stimmt die bisher bereit gestellte Summe vom a. 100.000 €, die die kosten bei weitem nicht decken kann. Gerüchte besagen, dass die schon seit langem und immer wieder diskutierten Überlegungen zu Trostenec gerade jetzt wieder auf die Tagesordnung kommen, weil ursprünglich ein Besuch des israelischen Staatspräsidenten angesagt gewesen war. Kurzerhand hatte man die Blagowtschina mit einem Erdwall zugeschüttet, um den Ort unbegehbar zu machen. Nachdem der Staatsbesuch dann gar nicht stattgefunden hatte, wurde beschlossen, die Planungen nun voranzutreiben. Ob das stimmt, kann ich nicht beurteilen, allein diese Gerüchteküche zeigt aber, wie schwer sich das Land noch immer mit dem Gedenken an überwiegend jüdische Opfer tut.

Es ist daher auch ein positives Signal, dass die Stadt Minsk offenbar einem Vorschlag von deutscher Seite zugestimmt hat, die Planung der Stadt durch einen zusätzlichen Entwurf des Architekten Leonid Lewin, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinden in Belarus, ergänzen zu lassen. Dahinter steht eine Initiative der IBB Dortmund, zusammen mit der österreichischen Bürgerinitiative der Aktivistin Waltraud Barton, speziell der jüdischen Opfer, die in der Blagowtschina ums Leben gekommen sind, zu gedenken. Über die Realisierung dieser Idee gibt es durchaus Differenzen zwischen der deutschen und österreichischen Seite. Immerhin konnte der österreichische Bundespräsident für ein Engagement seines Landes in Trostenec gewonnen werden, der deutsche Bundespräsident wurde um Unterstützung des Vorhabens gebeten.

Der Entwurf von Lewin ist sehr viel konkreter und unmittelbarer auf den ort bezogen als der der Stadt Minsk, er bleibt dem Stil dieses Architekten mit einer Verbildlichung der zu erinnernden Ereignisse treu und arbeitet mit stilisierten Waggons, umgestürzten jüdischen Symbolen und einer Gruppe von Koffern, die die Reise in den Tod symbolisieren sollen. Ob es zur Realisierung des Entwurfs kommen wird, hängt von vielen Faktoren ab, darunter der bisher völlig offenen Finanzierung und der Frage, ob es nicht doch einen internationalen Wettbewerb geben muss.

Sollten beide Entwürfe tatsächlich umgesetzt werden, so wäre zwar dieser historische Ort als sichtbarer Erinnerungsort markiert, würde aber die nach wie vor geteilte Erinnerung an „friedliche sowjetische Bürger“ und Juden offenbaren. Darüber hinaus ist bisher weder an ein Leitsystem in dem sehr weitläufigen  Gelände gedacht noch an Informationstafeln, die darüber aufklären würden, an was hier erinnert wird. Schließlich bleibt anzumerken, dass die Ereignisse in der Blagowtschina vor 1941, also die Nutzung des Ortes als Erschießungsstätte des NKWD, in den bisherigen Überlegungen überhaupt nicht vorkommt. Dies ist freilich ein sehr schwieriges Thema, insbesondere, wenne s von deutscher Seite angesprochen wird. Aus wissenschaftlicher Perspektive bzw. im Sinne der historischen Aufarbeitung darf darüber aber nicht hinweggegangen werden.

Fotos zu den einzelnen Gedenkorten finden sich hier.

Reiseportal „100 Wege“ in Belarus

Der „erste interaktive und multimediale Atlas von Belarus“ befindet sich hier. Hier findet man für viele Orte und Städte verschiedene individuelle Reiseberichte mit zum Teil tollen Fotos. Sinn und Zweck des Projekts ist es, seine eigenen Reiseerfahrungen und Fotos auf der Landkarte zu verorten und einzustellen.

Angesichts der mehr als dürftigen Reiseliteratur über Belarus ist das ein willkommenes Informationsangebot, zumal es einige Kuriositäten zu entdecken gibt, die wahrscheinlich sowieso in keinem Reiseführer stünden.

Ergänzt wird das Angebot durch Links zu journalistischen Reisereportagen, weiteren Fotostrecken und Berichten über historische Spurensuchen, Videos und Audioberichte. Der Link zu den „Nachbarn“ schließlich ermöglicht einen Blick nach Polen und Litauen, der mit bisher sehr wenigen Angeboten freilich noch recht knapp ausfällt. Trotzdem – ein Blick lohnt sich für alle, die originelle Ausflugsziele suchen.

Belarus auf der Buchmesse in Leipzig

Gerade geht die Leipziger Buchmesse zu Ende (14. bis 17. März 2013). Ein Schwerpunkt lag dabei auf der Literatur aus Polen, der Ukraine und Belarus.  Das Portal www.literabel.de stellt Autoren aus Belarus vor und bietet Texte auch in deutscher Sprache. Im Vorfeld der Messe hatte literabel aktuelle Literaturtermine mit belarussischer Beteiligung zusammengestellt, neben Leipzig auch in Dresden und Berlin. Hier seien die Neuerscheinungen genannt.

NEUERSCHEINUNGEN

Valentin Akudowitsch: Der Abwesenheitscode. Versuch, Weißrussland zu verstehen. Aus dem Russischen von Volker Weichsel. Suhrkamp 2013. http://www.suhrkamp.de/buecher/der_abwesenheitscode-valentin_akudowitsch_12665.html

Valzhyna Mort: Kreuzwort. Gedichte. Aus dem Englischen von Uljana Wolf und Katharina Narbutovič. Suhrkamp 2013.http://www.suhrkamp.de/buecher/kreuzwort-valzhyna_mort_12663.html

Dossier „Zensur“ in Literatur und Kritik Nr. 471/472-2013, herausgegeben von Martin Pollack, mit Beiträgen von Viktar Marcinovič, Alhierd Bacharevič, Nił Hilevič u.a. http://www.omvs.at/de/literatur-und-kritik/aktuelle-ausgabe/

RADAR 1(7)-2013 mit Texten aus Belarus, Polen und der Ukraine, u.a. von Valancin Akudovič, Uładzimier Arłoŭ, Andrej Fiedarenka, Palina Kačatkova und Valžyna Mort. http://e-radar.pl/pl,strona,3.html

Aleś Razanaŭ: Punktierungen. In: Akzente 2/2013 (April)

Das Museum der belarussischen Staatlichkeit

Wer hätte das gedacht: Ich war tatsächlich drin! Bis zum letzten Moment dachte ich, die Miliz würde mich vielleicht noch abweisen, Gründe hätte es ja genug gegeben: Ausländerin und auch noch Ehefrau des deutschen Verteidigungsattachés. Außerdem hatte es wohl noch einen Rückstau im Kulturministerium gegeben, wie man munkelt, ob unsere Gruppe von Seminarteilnehmern am Goethe-Institut zugelassen werden soll, aber letztlich hat sich alles gefügt: Nach ca. vierwöchiger Prüfung unseres Antrags, hatten wir einen Termin im Präsidentenmuseum. Den wir uns freilich nicht aussuchen konnten, aber sei’s drum.

So hatten wir passend zum Abschluss unserer Seminarreihe zum Ausstellungs- und Museumsmanagement für Mitarbeiter verschiedener belarussischer Museen die Gelegenheit, das aktuell wohl am besten ausgestattete Museum des Landes zu besichtigen. Über die Hintergründe und Inhalte hatte ich hier bereits berichtet, ich beschränke mich also hier auf meine persönlichen Eindrücke.

Geführt hat uns ein junger Mann mit bleichen Gesichtszügen und stoischer Mine, der insofern meine ganze Aufmerksamkeit hatte, als er uns in verblüffenden Ähnlichkeit mit Jesus Christus gleichsam entrückt von den politischen Niederungen des Museumsgegenstandes äußerst versiert und professionell mit Hilfe des guten alten hölzernen Taktstocks UND – – – einem IPad durch die Ausstellung lotste. Damit verwies er auf herausragende Exponate in sündhaft teuren Panzervitrinen aus Deutschland und setzte wahre Wunderwerke an multimedialen Präsentationen auf neuester Technik in Gang.

Viel Technik, gesteuert durch das IPad und den hölzernen Zeigestock!

Damit ist die Faszination dieses Museums auch schon umrissen: Es ist weniger die konservativ umgesetzte Erzählung der Errungenschaften der Republik Belarus (seit 1994), als die geradezu unglaublich aufwendige Gestaltung durch Licht, Technik und Interaktion. Ganz eindeutig zielt diese Inszenierung auf Überwältigung und nicht auf Auseinandersetzung, denn von einem aktuellen Stand moderner Museumspräsentationen kann nicht die Rede sein. Die Exponate sind aneinandergereiht, zu thematischen Blöcken (Sport, Medizin, Landwirtschaft etc.) zusammengefasst und mit kurzen Bezeichnungen (immerhin auf belarussisch und englisch) versehen. Erklärungen, Geschichten und Hintergründe fehlen ganz, die einleitenden Raumtexte geben lediglich einen Überblick über die Heldentaten des Landes (= des Präsidenten) in dem jeweiligen Bereich. Diese sind durchaus nicht immer von der Hand zu weisen, es ist vielmehr, wie so oft, sehr ambivalent: Würde man die Propaganda weglassen, die Themen mutiger und pointierter präsentieren, so stellte sich sicherlich ein überwiegend positiver und sympathischer Eindruck von Belarus ein. Angesichts der gelenkten und zielgerichteten Darbietung ist man, zumal als professioneller Besucher und/oder Ausländer, jedoch leider gleich in einer Abwehrhaltung.

Zum Schluss erwartete uns noch eine ganz besondere Überraschung: Das elektronische Gästebuch. Ein solches Exemplar gibt es hierzulande nur noch einmal, nämlich im Janka-Kupala-Museum. Nur dass dieses Exemplar hier auch noch ein Gruppenfoto anfertigt und ausdruckt, das man gleich mitnehmen kann. Für seinen Eintrag hinterlässt man seinen Kommentar auf einem riesigen Bildschirm mit einem Spezialstift in Handschrift und muss sich für einen der meist kitschig gestalteten Hintergründe entscheiden. Die Beiträge der anderen lassen sich ebenfalls „durchblättern“. Viele waren es noch nicht, das Museum hat erst im Sommer letzten Jahres eröffnet, aber Ausländer waren auch schon da, darunter auch Deutsche, die im Rahmen einer Wahlbeobachtung hier waren. Einer von ihnen hinterließ einen Kommentar, dem nichts mehr hinzuzufügen ist: „Luka, Dein Museum ist geil!“

Film zum Ersten Weltkrieg

Anlässlich des 100. Jahrestages haben Russland und Belarus mit den Arbeiten für einen Film begonnen, wie aus dem Verteidigungsministerium zu hören ist (BelaPan 4.12.2012). Im Vergleich zum Zweiten Weltkrieg gäbe es nur sehr wenige Filme zum Ersten Weltkrieg, wie auch zum Krieg gegen Napoleon, so der Sprecher. Mit dem Vorhaben soll eine Wissenslücke weiter gefüllt werden.

Der Spielfilm wird aus dem Unionshaushalt finanziert und soll im Sommer 2014 erstmals gezeigt werden. Geplant ist, an den Erfolg des ebenfalls gemeinsam produzierten Films über den Kampf um die Brester Festung anzuknüpfen.

Kunst und Design: Der belarussische Künstler Vladimir Tsesler

Foto: http://www.tsesler.com/photo/phototen.php

Kürzlich hatte ich die Gelegenheit, zusammen mit Tatjana Bembel’ das Atelier von Vladimir Tsesler in einem Minsker Hinterhof zu besuchen. Empfangen hat uns der Künstler persönlich, der gerade zusammen mit Freunden dabei war, eine schmackhafte Fisch-Soljanka zuzubereiten. Die Wohnung betraten wir durch eine Tür mit der deutschen Aufschrift „Rauchen verboten“, und mussten uns in der verrauchten Stube erstmal orientiern. Die durchaus einladenden Gerüche der offenen Küche ließen eine große Liebe zur Kochkunst überhaupt vermuten. Auf dem rustikalen Tisch in der Mitte des Dachgeschoss-Raums standen Speck, sauer Gurken, Zwiebeln und Wodka bereit, die uns sogleich großzügig angeboten wurden. Dermaßen gestärkt, zeigte uns Tsesler seine Werke, wobei vieles zu diesem Zeitpunkt in Ausstellungen im IN- und Ausland unterwegs war.

In angenehmer, offener und gastfreundlicher Atmosphäre gab es eine bekannte Arbeit Tseslers im Wohn- und Schlafzimmer zu bewundern, das das wohl am meisten gefürchtete russische Schimpfwort des Mat in Leuchtschrift zelebriert. Darunter lief ein alter sowjetischer Kriegsfilm im Fernsehen, eine durchaus nostalgische Note in diesem Zimmer im Stil eines unverbesserlichen Junggesellen. Tsesler selbst und seine Freunde geben ein Bild gealteter Rocker ab, bei denen man zwischen Furcht und Sympathie hin- und herschwankt. Nach mehreren Wodkas spätestens aber kann man sich seinem Charme nicht mehr entziehen.

Da geht es einem wie den meisten Belarussen, bei denen der mehrfach ausgezeichnete und über die Grenzen hinaus bekannte Designer sehr beliebt ist. Häufig trifft man auf seine Werke in Form von Plakaten, bedruckten, T-Shits, Gebrauchsobjekten, Medienkunst und Postkarten. Nicht immer ist man sich darüber im Klaren, dass es sich um einen Tsesler handelt, in meinem Fall zuletzt bei einem Verkehrsschild im Freilichtmuseum Dudukti.

Zuletzt vertreten in Belarus waren seine Arbeit bei der Ausstellung „Radius Null“ und der Triennale.

Neues Internetportal zur Oral History in Belarus

Screenshot der Website

Einen großen Fundus von Lebensgeschichten und Erinnerungen zur belarussischen Geschichte bietet ein neues Webportal, das „Belarusian Oral History Archive project“.

Ziel ist es, mündliche Zeugnisse historischer Ereignisse von Zeitzeugen zu sammeln und zu bewahren, so heißt es auf der Website. Damit soll ein Beitrag geleistet werden zur “re-conceptualization of the Soviet period in the Belarusian history” sowie neue interdisziplinäre Forschung voranzutreiben.

Betreut wird das Archiv von professioinellen Historikern, Wissenschaftlern benachbarter Disziplinen und Interessierten.

Inhaltlicher Schwerpunkt ist das Gebiet des heutigen Belarus und benachbarter Regionen n der Zeit zwischen 1921 bis 1939, einschließlich der weiteren Entwicklung während und nach dem Krieg. Projektleiterin ist eine junge Historikerin, Irina Kashtaljan, die kürzlich ihre Dissertation über „Orte der Opfer des Kommunismus in Belarus“, die hier in Belarus nicht angenommen wurde, am Osteuropa-Institut der Freien Universität verteidigt hat. Sie forscht seit langem zu dem hier noch immer weitgehend tabuisierten Thema der stalinschen Repressionen. Unterstützer des Projektes sind verschiedene gesellschaftliche Initiativen, Memorial, das Institut für Slawistik der Polnischen Akademie der Wissenschaften, die Konrad-Adenauer-Stiftung und die Europäische Humanistische Universität in Vilnius.

Zur vollständigen Nutzung ist eine Registrierung nötig, auch um die Wahrung der Persönlichkeitsrechte zu achten, was hierzulande leider nicht selbstverständlich ist. Innerhalb des Archivs gibt es detaillierte Suchmöglichkeiten, man kann Publikationen im PDF-Format herunterladen und findet Links zu anderen Einrichtungen und Forschungsprojekten zum Thema Oral History.

Bis auf eine kurze Einleitung in englischer Sprache, ist das gesamte Material auf belarussisch, mit Ausnahme einiger Publikationen auf russisch. Insgesamt eine tolle, übersichtliche Seite, reiches, bisher unbekanntes Material und ein bisher wenig verbreiteter Zugang innerhalb der belarussischen Geschichtswissenschaft. Ähnliches Material ist über die Geschichtswerkstatt oder die russische Agentur „Historisches Gedächtnis“ (auch und gerade für Belarus) zu finden.

Nochmal: Die Skarina-Bibel

Foto: http://www.belmarket.by/ru/194/115/15301/%D0%9E%D0%B1%D1%8A%D0%B5%D0%B4%D0%B8%D0%BD%D1%8F%D1%8E%D1%89%D0%B8%D0%B9-%D1%8D%D0%BB%D0%B5%D0%BC%D0%B5%D0%BD%D1%82.htm

Wichtig und nötig scheint mir noch ein Annex zur Ausstellung der Skarina-Bibel aus Görlitz in Minsk im Oktober 2012. Damals wurde dieses besondere Werk im Jahr des Buches, zum 90. Jahrestag seit der Gründung der Nationalbibliothek und im Rahmen der Deutschen Woche zuerst in der Nationalbibliothek, dann im Schloss Nezvizh ausgestellt (BelaPan 4.10.2012).

Den deutsch-belarussischen Charakter, den dieses Buch auszeichnet, spiegelte auch die gemeinsame Projektrealisation durch das Kulturministerium und die Deutsche Botschaft wider. Ein Vertreter der Deutschen Botschaft nannte die Bibel ein „verbindendes Element“, das kaum zu überschätzen sei, und Franziska Skarina den Gutenberg von Belarus.

Angereist aus der Bibliothek in Görlitz, wo die Bibel seit 1527 lagert, war Matthias Wenzel, der die Bibel 2003, wie er selber sagt, im Rahmen einer Ausstellungsvorbereitung zufällig entdeckt hat. Dieses Exemplar ist das einzige in Deutschland. Es erschien zwischen 1517 und 1519 in Prag in alter belarussischer Sprache. Zuerst haben es die Experten gar nicht geglaubt, dass neben den bisher bekannten Exemplaren der Sakrina-Bibel noch ein weiteres existieren könnte. Untersucht und bestätigt hat es dann der ausgewiesene und um die belarussische Literatur verdiente Slawist Norbert Randow (vgl. seine Veröffentlichung dazu im Görlitzer Magazin 18/2005), wo der die historischen Stationen und die Geschichte der Bibel darlegt. Ergänzend dazu seinen ein Aufsatz von Peter Wenzel über „Görlitz 1945“ in demselben Heft sowie ein Text von  Jasper von Richthofen über „Kriegsverlust und Beutekunst“ am Beispiel von Görlitz in Görlitzer Magazin 23/2010 empfohlen. Mit allen Beiträgen entsteht ein rundes Bild über diese einzigartige Bibelausgabe, die nicht nur über die Verbreitung der Bibel in verschiedenen Sprachen im 16. Jh. und die Geschichte des Buchdrucks in Osteuropa erzählt, sondern über die Geschichte der deutsch-belarussischen Beziehungen.

Da die Bibel die belarussischen Sammlungen, in der sich 10 der insgesamt 260 bekannten Ausgaben befinden, gut ergänzen würde, wurde vereinbart, eine digitale Kopie für die Nationalbibliothek anzufertigen.

Bei der Eröffnung der Ausstellung sagte der damals noch amtierende belarussische Kulturminister Pawel

Latuschko: „Diese Ausstellung ist der Anfang eines internationalen Projekts zwischen Belarus und Deutschland, das seit Jahren vorbereitet wurde. Um historische und kulturelle Kostbarkeiten, die aus verschiedenen Gründen aus Belarus verschwunden waren, wieder zu gewinnen, soll eine große Arbeit geleistet werden. Außerdem ist es so, dass die gegenwärtige Gesetzgebung in einigen Staaten nicht erlaubt, einst ausgeführte oder enteignete Schätze oder Raritäten in das jeweilige Herkunftsland zurückzubringen. Deshalb sehen wir uns gezwungen, uns an Privatsammler in der ganzen Welt zu wenden, Ausstellungen zu organisieren und digitale Kopien anzufertigen. Diese Skorina-Ausstellung ist ein Beispiel für eine wenn auch indirekte Rückkehr des kulturell-historischen Erbes nach Belarus. Das Konvolut wurde von den Mitarbeitern der Nationalbibliothek bereits digitalisiert, so dass eine Kopie für immer in unserem Land bleibt“ (BelTA).

Auf den Spuren zeitgenössischer Kunst oder Sabine in Minsk

Neulich besuchte mich meine Kollegin und Freundin Sabine Hänsgen in Minsk. Seit vielen Jahren unermüdlich im Einsatz für die russische und informelle Kunst, war es an der Zeit, auch einmal die Lage in der letzten Diktatur Europas zu untersuchen. Drei Tage hatten wir zur Verfügung und sind kreuz und quer um die Kunsthäuser in Minsk gezogen. So wenig wie unsere Wege so folgen auch meine Aufzeichnungen dazu einem Konzept. Sie dienen allein dazu, einige Namen und Orte festzuhalten, die neben vielen anderen eine Rolle ind er zeitgenössischen Kunst von Belarus spielen.

Der Anlass der Reise für Sabine war ein Workshop im Goethe-Institut zu einem ihrer letzten Projekte zu dem Film „Der gewöhnliche Faschismus“ von Michael Romm. Folgerichtig haben wir daher zunächst das Filmmuseum besucht, das mich wirklich beeindruckt hat und einen Besuch auf jeden Fall wert ist. Interessante Gespräche hatten wir mit Tatjana Bembel. In „ihrer“ Galerie Shchemeljova lässt sich vielleicht ein gemeinsames Projekt realisieren; den Ausgangspunkt weiterer Überlegungen bilden die Projekte der Künstlergruppe Aspei.

Eindrücke zur zeitgenössischen Kunst in Belarus hat uns ein Gespräch mit der Direktorin des Museums für zeitgenössische Kunst, Natalja Scharangovich, gegeben. Scharangovich war zuletzt beteiligt an dem belarussischen Pavillon auf der Biennale in Venedig 2011 und dem dort präsentierten Projekt „Kodex“. Dazu liegt eine englisch-russische Broschüre vor mit einem Text über die belarussische Kunst im 20., Jh. (von Michail Borozna) sowie die zeitgenössische Kunst in Belarus (von Ekaterina Kenigsberg), die, das können wir bestätigen, in Westeuropa noch immer „ein weißer Fleck“ ist. Eine spannende Ausstellung des Museums für Zeitgenössische Kunst war zuvor nur in Moskau zu sehen gewesen, die  Ausstellung “Belart.by Junge Künstler aus Belarus” (2010) (es gibt eine dreisprachige Broschüre). Beteiligt waren 48 Künstler aus den Bereichen Malerei, Skulptur, Graphik, Keramik u.a., darunter viele internationale Preisträger wie Ruslan Vaschkevich (auch Triennale 2012), Anna Tichonova (selbst Abteilungsleiterin im Museum für zeitgenössische Kunst) und Konstantin Selichanov (auch Triennale 2012). Wie im Kontext der Biennale wurde auch hier Tschernobyl als ein „wesentlicher Kulturfaktor“ in Belarus bezeichnet (so im Vorwort von Natalja Scharangovich  und Michail Borozna).

Weiterhin trafen wir Olga Rybchinskaja, Kuratorin und Expertin für die zeitgenössische Kunst in Belarus (zuletzt aktiv beim Public-Art-Projekt des Goethe-Instituts, auch aktiv als Autorin, z.B. im  Katalog „Journey to East“ mit einem Aufsatz über die zeitgenössische Kunst in Belarus). Von ihr stammt eine von zwei Ausstellungen mit junger Kunst aus Belarus im Jahr 2012, die Sonderausstellung „Belarussisches Klima“.

Wie in der im Sommer in einer alten Halle der Fabrik Horizont präsentierten Ausstellung „Radius Nulja“ konnte man hier einen Einblick in die noch immer kleine und jenseits der Landesgrenzen wenig bekannte Szene erhalten. Von ihr erfuhren wir von dem wohl einzigen Aktionskünstler in Belarus, Ales Puschkin, der im Exil lebenden Marina Napruschkina, dem Fotokünstler Alexey Shlyk oder auch Igor Savchenko.

Ein eher offiziell geprägtes Bild der zeitgenössischen Kunst des Landes, präsentierte gerade in dieser Zeit die Triennale . Sie war auch der Grund, warum wir Konstantin Selichanov nicht mehr in seinem Atelier besuchen konnten, dafür aber mehr Zeit hatten für einen nachhaltig beeindruckenden Abstecher in die Wohn- und Arbeitsdachstube von Vladimir Tselser .

Von welcher Seite auch immer man sich dem Thema nähert – es tut sich etwas im Bereich der Gegenwartskunst. Noch sind es wenige, die sich dafür interessieren, doch langsam, aber sicher erobert sie sich ihren Raum in der Gesellschaft. Davon kann man sich jederzeit in der Galerie Ŷ überzeugen, aber dorthin haben wir es am Ende leider nicht mehr geschafft. Aber Sabine kommt sicher wieder mal nach Minsk.

Belarus und die EU: Ein origineller Vorschlag

Sie lassen sich was einfallen, das muss man zugeben, um das Thema Belarus und die EU nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Von ukrainischer und belarussischer Seite ist der Vorschlag im Umlauf, ein „Museum der Geschichte und Kultur Europas“ zu gründen (BelaPan 13.12.2012). 12 Intellektuelle wendeten sich in einem Brief mit diesem Vorschlag an den Präsidenten des Europarates, Herman Van Rompuy.

Nach Ansicht der Initiatoren fehlt es neben den europäischen Bemühungen zur Integration von Politik und Wirtschaft angesichts der multikulturellen Gesellschaften einer geistigen und kulturellen Dimension, die auf die nationale Selbstbestimmung der einzelnen Länder und ihre Eigenarten abzielt. Hier liege die Grundlage und Kraftquelle für die europäischen Nationen. Es sei daher geboten, zur Diskussion über die Perspektiven der Gemeinschaft und ihrer Entwicklung zurückzukehren. Dazu könne ein Museum der Geschichte und Kultur Europas beitragen.

Neben den musealen Räumlichkeiten zur Geschichte, Sprachentwicklung, Kultur und Technikgeschichte Europas sieht das Konzept eine Bibliothek, Konferenzsäle und ein touristisches Zentrum vor. Bildungsangebote und Veranstaltungen würden dazu beitragen, sich in Europa besser zu verstehen und Konflikte friedlich zu lösen.

Zu den Unterzeichnern des Briefes gehören der belarussische Schriftsteller Vasil Jakovenko, der ukrainische Schriftsteller und Politologe Vladimir Schovkoschitnyj, Krukovsky Nicholas von der belarussischen Akademie für Bildung u.v.a.

Deutsch-bulgarisch-belarussischer Jazz

Foto: http://afisha.sb.by/12018/

Manche kulturelle Erlebnisse gehen mir nicht aus dem Kopf, auch wenn sie schon länger zurückliegen. Dazu gehört ein Konzert, das ich am 18.11.2012 in der Philharmonie in Minsk gehört habe. Auf dem Programm stand Jazz, gespielt von drei jungen Musikern aus Belarus und Bulgarien, die alle derzeit in Deutschland (Leipzig und München) leben und arbeiten. Kopf des Trios ist Michail Leontschik, einer der bekanntesten und zugleich ein virtuoser Spieler des hierzulande weit verbreiteten Saiteninstrumentes Zymbal. Zugleich ist er der Sohn des hier ebenfalls bekannten Zymbal-Spielers Alexander Leontschik. Zusammen mit dem Pianisten Konstantin Kostov und dem Percussionist Nevian Lenkov bilden sie das Ensemble „Only Juzzt“ .

Auf dem Programm stehen eigene Kompositionen, meist von Leontschik, bulgarische und belarussischer Volkslieder, aber auch Adaptionen von Jazzstandards und klassischer Musik, darunter Chopin, Brahms (eine tolle Version eines der ungarischen Tänze!) u.a. Insgesamt ein unvergessliches Musikerlebnis, das ich nur jedem empfehlen möchte. Zur Einstimmung empfehle ich ein Video auf youtube.

Kultur als Stütze der Gesellschaft

Gleich zu Beginn des Jahres hat der Präsident deutlich gemacht, wo der Hammer hängt: Kultur in Belarus ist und bleibt eine offizielle Angelegenheit. Am vergangenen Mittwoch bei der Vergabe der „Auszeichnung für geistige Erneuerung 2012“ (BelaPan 10.1.2013) warnte er davor, einen Keil zwischen den Staat und die „Intelligentsia“ zu treiben. Kunst, so der Präsident, entfalte und entwickle sich in Belarus in einem freien und offenen Umfeld, und dennoch (!) sei er dagegen, Künstler und Kulturschaffende in verschiedene politische Richtungen einzuteilen.

Er betonte die Erfolge und Errungenschaften des belarussischen Kulturlebens, das die Lebensader der Gesellschaft bilde. Die Regierung werde daher auch weiterhin alles tun, um all diejenigen zu fördern, die sich kreativ entfalten wollten. In einem Rückblick auf 2012 hob er die zentralen Projekte der Kulturpolitik hervor: die vollständige Wiederherstellung des aus dem 16. Jh. stammenden Schlosses der Radziwills in Nezvizh, die Modernisierung des Janka-Kupala-Theaters in Minsk sowie den Bau des neuen Gebäudes für das Museum des Großen Vaterländischen Krieges.

Schaut man von außen auf diese Leuchtturm-Projekte, so sind die zentralen Bezugspunkte offizieller Kulturförderung klar erkennbar: Die geistlich-kulturellen Leistungen belarussischer Geschichte im 16.-18. Jh. in Form klassischer Schlossausstellungen, der Rückgriff auf große Namen der klassische belarussische Literatur, ohne dies mit einer echten Förderung belarussischer Literaturwissenschaft zu verknüpfen sowie die noch immer stark von sowjetischer Geschichtsschreibung geprägte Geschichtspolitik. Leider nichts Neues in 2013!

Der Marschall Zhukov-Orden

Kürzlich bin ich mit meinem ersten Orden ausgezeichnet worden, und zwar dem russischen Marschall-Zhukov-Orden II. Klasse. Überreicht hat ihn mir Sergej Azaronok, der Direktor des Museums des Großen Vaterländischen Krieges, für meine Verdienste im Rahmen der Konferenz „Verbrannte Dörfer“ im Mai diesen Jahres hier in Minsk. Für die Mitgliedschaft im sog. Orgkomitee (bei uns würde man wohl eher Beirat sagen) hat das Komitee des Ordens unter dem Vorsitz des Marschalls der Sowjetunion, L.T. Jazov (immerhin der letzte Verteidigungsminister der UdSSR), entschieden, mich auszuzeichnen.

Noch bin ich mir nicht ganz sicher, ob ich mich darüber freuen soll oder nicht. Einerseits habe ich noch nie einen Orden bekommen, und schon gar keinen russischen, andererseits ist die Verleihung von Orden hier nun auch wieder nicht so sensationell, da sie schlicht öfters vorkommt. In diesem Fall befinde ich mich in guter Gesellschaft, z.B. neben der Vorsitzenden der Stiftung zur Erinnerung an den Sieg N.I. Konevs oder dem Sohn Marschall V.I. Tschuikovs. Andererseits wird der Zhukov-Orden für ein „gerechtes Andenken“ an den Namensstifter, aber auch „gegen die Falzifizierung der Geschichte“ verliehen. In diesem Punkt bin ich nicht ganz überzeugt, dass die russischen Kollegen und ich immer einer Meinung sind. Schön sieht der Orden aber trotzdem aus!

Die erste Triennale zur zeitgenössischen Kunst in Belarus

In der Zeit vom 23.11. bis 10.12.2012 war in Minsk zum ersten Mal eine große staatliche Ausstellung zur zeitgenössischen Kunst zu sehen. Veranstalter waren das Kulturministerium, die Stadt Minsk und das Zentrum für Zeitgenössische Kunst. Gezeigt wurde die Ausstellung in der gerade renovierten Halle der BelExpo.

Eigentlich wollte der Präsident nur mal wissen, wie es um die zeitgenössische Kunst im Lande steht. Herausgekommen ist eine sehr ambivalente Veranstaltung, die so ziemlich alle Fronten gegeneinander ausgespielt hat, die es in diesem Feld gibt. Zur anfänglichen Auswahl eines Kurators wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben, an der Jury waren noch mehr oder weniger alle Interessengruppen beteiligt. Der Gewinner zog seine Bewerbung zurück, der Zweitplatzierte übernahm den Job. Beenden konnte er ihn aber nicht, da es zu Auseinandersetzungen mit dem Leiter des Zentrums für Zeitgenössische Kunst, Viktor Olschewski, kam. Dieser (offenbar verwandt und verschwägert mit dem Präsidenten) schmiss den Kurator kurzerhand raus, weil er mit dem Konzept und der Auswahl der Künstler nicht einverstanden war. Obwohl kurz vor der Eröffnung, war das insofern kein Problem, weil er daraufhin einfach mehr seiner eigenen Werke ausstellte. Einige der zuvor ausgewählten Künstler übernahm er, die Lücken füllte er mit Schülern der Kunsthochschulen.

Wer all das nicht weiß, erhielt einen durchaus anregenden und interessanten Einblick in die verschiedenen Richtungen der Kunst im Lande. Außerdem bleibt schlicht die Tatsache, dass eine solche Ausstellung stattfindet, bemerkenswert bis hin dazu, dass damit die hierzulande wenig populäre zeitgenössische Kunst überhaupt ins Gespräch kommt. Zu verdanken, so hört man, sei das dem scheidenden Kulturminister Latuschko. Zu sehen sind die wohl bekanntesten belarussischen Künstler Ruslan Vaschkevich, Konstantin Selichanov und Vladimir Tsesler, der allerdings nach der Eröffnung seine Werke teilweise abzog, weil ihm das plüschige und postsowjetische Design der Halle ungeeignet für die Präsentation aktueller Kunsttendenzen schien – sicher zu recht. Des Weiteren sind verschiedene Künstlergruppen, darunter aus Vitebsk, zu sehen, Arbeiten von russischen, ukrainischen und serbischen Künstlern sowie Arbeiten aus dem Kontext der Akademie der Künste, der wiederum das Zentrum für Zeitgenössische Kunst untersteht.

Freilich gar nicht erste beteiligt hatten sich freie und unabhängige Künstler, andere sind abgesprungen, die Galerie Y wurde ebenfalls nicht eingeladen. Auch hatten sich viele Kuratoren gar nicht erst beworben, um nicht in die Nähe dieser staatlich dominierten Veranstaltung gerückt zu werden.  Kritiker beklagen aber letztlich nicht unbedingt allein die Auswahl der Künstler, sondern auch die Auswahl ihrer Werke. Auf diese Weise ist am Ende weniger eine Ausstellung zeitgenössischer Kunst, als vielmehr eine eher traditionelle Ausstellung herausgekommen. Ob es nach diesen Vorgängen eine Fortsetzung gibt, bleibt offen. Trotz aller Kritik aber ist das wünschenswert, kann doch unter den aktuellen Bedingungen die Kunst nur auf diesem (staatlichen) Wege aus ihrem Nischendasein geholt werden.

Begleitet wurde die Ausstellung durch zahlreiche Veranstaltungen im Begleitprogramm, darunter Musikprogramm und Gespräche. Hervorzuheben ist auch die durchaus entspannte Antmosphäre ind er Halle, in der auf großen Freifläschen Sitzkissen ausgeselgt waren, auf denen die Besucher sitzen oder liegen und entspannen konnten.

Vom Kulturminister zum Diplomaten

Erst gab es nur Gerüchte, dann war es zwar amtlich, aber noch nicht terminiert, nun ist es soweit: Der bisherige Kulturminister Pavel Latuschko wird Botschafter für Belarus in Frankreich. Damit kehrt der smarte Politiker zu seinen Wurzeln zurück. Bereits mehrere Jahre war er als Diplomat tätig, zuletzt 2000-2002 als Botschafter in Polen. Nun geht er als Chef der Botschaft nach Paris, wo er zugleich ständiger Vertreter von Belarus bei der UNESCO sein wird. Damit bleibt er der Kultur in Belarus gewissermaßen erhalten.

Denn die ist überwiegend traurig, dass er den Posten verlässt. Er sei der erste und bisher einzige Minister „von europäischem Niveau“ gewesen, meinen die einen, und er habe das spezifisch Belarussische in der Kultur gefördert (es wird offiziell und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Latuschko der einzige hohe Beamte der Regierung sei, der belarussisch spreche!) und es zudem verstanden, Sponsoren für die Kultur zu begeistern, so die anderen. Es gibt aber auch kritische Stimmen, die seinen Weggang nicht bedauern, etwa mit dem Argument, er habe die Kultur allein nach dem Kriterium persönlicher Beziehungen und Vetternwirtschaft betrieben, keine Strategie entwickelt und sei nur auf die Außenwirkung bedacht gewesen. Auch hört man, habe sich in seiner Amtszeit das Papier im Ministerium mehr als verdoppelt.

Wie subjektiv und widersprüchlich diese Eindrücke sind, zeigt der Fall von Sergej Vecher, dem letzten Direktor des Nationalen Historischen Museums, der seinen Rausschmiss Latuschko persönlich zu verdanken hat, und das, obwohl auch Vecher  das spezifisch Belarussische zum Leitthema seiner Arbeit erhoben hat. Er fragt sich nun, ob er vielleicht ins Amt zurückkehren kann?!

Überhaupt gibt es auffällig wenig Artikel zum Abschied Latuschkos. Natürlich wurde allenthalben die Frage diskutiert, wer neuer Minister wird (der Favorit war Boris Svetlov, der nun auch ernannt wurde (10.12.2012)). Die Gerüchte, dass das Ministerium vielleicht als Einzelressort aufgelöst und mit dem Ministerium für Sport und Tourismus vereint werden sollte, haben sich demnach nicht bestätigt. Die schillernde Person Latuschkos bleibt bei all dem im Gespräch: Es wird schon spekuliert, ob er 2015 als Präsidentschaftskandidat gegen Lukaschenko antritt.

Wir sind noch in Minsk: Zur Lage des Militärattachéstabes

Entgegen der Meldungen der letzten Woche in belarussischen Medien sind wir noch hier. Dies ist insofern bemerkenswert, als mehrere belarussische Medien gemeldet hatten, dass wir bereits ausgereist seien. Hintergrund ist eine Meldung im SPIEGEL vom 2.12.2012 zur Entscheidung der Bundesregierung, den Militärattachéstab aus Minsk abzuziehen. Ein interkulturelles Missverständnis  könnte zu einer unterschiedlichen Auslegung dieser Nachricht geführt haben: Offenbar kann sich hier niemand vorstellen, dass eine Entscheidung der Regierung nicht augenblicklich auch umgesetzt werden muss. Die Meldung konnte also nur heißen, dass der Attaché schon weg ist. Diese logische Schlussfolgerung griff dann auch das Fernsehen auf. Höhepunkt war die TV-Sendung „Do svidanija, Niels“ [sic!], die am 4.12. von ONT ausgestrahlt wurde. Dieselbe Sendung wurde am Ende der Woche, in der man die Nachricht hätte überprüfen können, noch einmal ausgestrahlt.

Worum geht es? Hierzu zitiere ich aus dem SPIEGEL:

„Die Bundesregierung in Berlin wird den Militärattachéstab an der deutschen Botschaft in Minsk spätestens 2013 schließen. Sie reagiert damit auf die Unterdrückung der Zivilbevölkerung in Weißrussland: Dies schrieb Verteidigungsstaatssekretär Thomas Kossendey am vergangenen Dienstag in einem Brief an die Vorsitzende des Bundestags-Verteidigungsausschusses, Susanne Kastner. Demzufolge ging der Entscheidung ein diplomatischer Disput zwischen Deutschland und Weißrussland voraus: Nachdem die Bundesregierung im September keine Verbesserung der Menschenrechtssituation dort feststellen konnte, hatte sie die Zusammenarbeit mit den Militärs in Minsk weiter eingeschränkt. Weißrussland fühlte sich dadurch provoziert und stoppte die bilaterale Militärkooperation mit der Bundeswehr. Als Reaktion darauf wiederum hat nun Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) entschieden, den Militärattachéstab ganz zu schließen. In Weißrussland herrscht seit 1994 der Diktator Alexander Lukaschenko. Dem Regime in dem osteuropäischen Staat werden schwere Menschenrechtsverletzungen zur Last gelegt.“

Die erste Meldung in Belarus dazu erschien Montag früh (3.12.) im Internet auf der Website von Charta97. Für uns überraschend war, wer und wie viele unserer Partner das an sich verbotene Portal offenbar gründlich lesen. Neben den meisten persönlichen Bekannten und Freunden, die einer nach dem anderen anriefen, um sich nach dem aktuellen Stand zu erkundigen, konnte auch die zuständige Abteilung im belarussischen Verteidigungsministerium die Information nur von dort haben, so schnell wie der Anruf am Montag morgen kam. In der Folge griffen weitere unabhängige belarussische Internetmedien (BelaPAN, Interfax, ex-Press.by) die Meldung unter Berufung auf dpa und Deutsche Welle auf.

Eine offizielle Reaktion der belarussischen Seite erfolgte im Laufe des 3. Dezember durch den Sprecher des Außenministeriums, Andrej Sawinych. Diese lautete wie folgt: Die deutsche Seite sei berechtigt, die Struktur und die Richtlinien der Tätigkeit ihrer diplomatischen Vertreter zu bestimmen. Jedoch sei es aus der verlautbarten Formulierung verständlich, dass dies ein erdachter Schritt sei, der im Widerspruch zu den gesamteuropäischen Anstrengungen zur Festigung der Sicherheit stehe. Die belarussische Regierung sei der Meinung, dass diese Entscheidung mit der Zuspitzung des politischen Kampfes zwischen den Parteistrukturen innerhalb Deutschlands zusammenhänge. Deutsche Politiker, indem sie sich von Parteimanövern hinreißen ließen, verlören den gesunden Menschenverstand und fassten absurde Beschlüsse. In diesem Kontext könne man den Verteidigungsminister nur bemitleiden, denn wie bekannt, kenne die Absurdität keine Grenzen (www.mfa.gov.by vom 3.12.2012).

Ich hätte es nicht treffender formulieren können: Es ist absurd. Zu diesem Eindruck (freilich aus anderen Gründen als die belarussische Regierung) kommt man jedenfalls, wenn man sich die Entwicklung anschaut, die der Entscheidung vorausgegangen ist. Beeinflusst wurde diese wohl auch durch die unglückliche sommerliche Berichterstattung über die Kooperation der Bundespolizei mit der Polizei in Belarus. Um weiteren Druck der Medien zu verhindern hat man wohl kurzerhand beschlossen, dass nicht nur die polizeiliche, sondern auch die militärische Zusammenarbeit zu unerwünschten Fragen führen könnte – und stellt sie ein. Bereits zuvor hatte es kaum nachvollziehbare Einschränkungen der Arbeit hier vor Ort gegeben. Schon zu dieser Zeit war dies der einzige Militärattachéstab, der solchen Restriktionen unterliegt. Die jetzt im Spiegel angedeuteten Auseinandersetzungen auf diplomatischer Ebene sind letztlich selbst verursacht, eben indem die Zusammenarbeit immer weiter eingeschränkt wurde. Naturgemäß hat es Reaktionen der Belarussen gegeben. Die Spirale der Aktionen und Reaktionen hat sich letztlich verselbständigt bzw. auf beiden Seiten zu unterschiedlichen Informationsständen geführt, die kaum mehr zu beheben sind, ohne weitere Verstimmungen hervorzurufen. Der Hinweis der deutschern Seite auf die „angespannte Menschenrechtslage“ wird dabei in jeder beliebigen Nachricht über Belarus gebetsmühlenartig herangezogen. In Iran und Syrien freilich bleibt alles beim Alten: Die Militärattachés sind  nach wie vor im Dienst (Damaskus von Beirut). Also auch hier stellen wir wieder mal fest: Die Wege der Diplomatie sind unergründlich. Was all das genau für uns persönlich bedeutet, wird gerade an anderer Stelle beraten: Die offizielle Sprachregelung des Auswärtigen Amtes vom 3.12.2012 lautet: Aufgrund der aktuellen Lage hat die Bundesregierung entschieden, den Militärattachéstab in Minsk abzuziehen. Die organisatorischen Maßnahmen und detaillierte Zeitabläufe werden derzeit abgestimmt.

Derweil war selbst die traditionelle Weihnachtsfeier der Deutschlehrer mit dem Militärattachéstab ein Politikum, die Belarussen mussten kurzfristig absagen.

Wieder einmal hängt also das Damokles-Schwert über uns – wie schon einmal in diesem Jahr fürchten wir, dass unsere Zeit hier in Minsk schneller zu Ende geht, als wir es uns wünschen. Während wir im April und Mai mit einer Ausweisung durch Belarus als Reaktion auf die Sanktionen der EU gerechnet haben, sind wir aktuell ein Objekt deutscher Entscheidungsprozesse. Das Pikante dabei ist, dass wir (= Niels) selber schuld ist, weil er ausgesprochen hat, was alle wissen: Genau genommen ist ein MilAtt-Stab in Belarus nicht unbedingt erforderlich. Nachdem alle bisherigen Berichte in irgendwelchen Schubladen verschwunden sind, ist ausgerechnet dieser auf dem Schreibtisch des IBuK (für Nicht-Militärs: Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt = Verteidigungsminister) gelandet, der sich wohl dachte: Endlich sagt mal einer die Wahrheit und zack – Schluss mit dem schönen Diplomatenleben. Ich hätte nie gedacht, dass das Diplomatenleben in einem Land, das eigentlich keiner kennt und für das sich auch eigentlich keiner interessiert, so nervenaufreibend sein kann.

Kultur macht’s möglich: Belarus und die EU

Einen Kontakt von Belarus zur EU gibt es seit diesem Jahr im Rahmen des Eastern Partnership Culture Programme. Weitere beteiligte Länder sind Armenien, Azerbaijan, Georgien, Moldavien und die Ukraine. Die erste Regionalkonferenz hat im Oktober in Tiflis stattgefunden.

Die Länder nehmen mit jeweils eigenen Projekten teil und werden von Experten beraten. Belarus ist mit einem Photo-Projekt und einem Projekt zum kulturellen Erbe beteiligt.

Belarus musikalisch

Präsident Lukaschenko ist nicht nur Gegenstand der Kritik in politischen Kreisen, sondern auch eine Inspiration in künstlerischen Kreisen. Neben dem wohl populärsten Song über ihn „Sanja ostanetsja s nami“ (Sanja bleibt bei uns), gibt es nun schon eine ganze Hitliste mit Songs über die Nr. 1. Inwieweit sich politische und künstlerische Kreise hier sauber voneinander trennen lassen, bleibe dem geneigten Hörer überlassen.

Feierliches Gedenken an den 69. Jahrestag der Auflösung des Minsker Ghettos

Auf ca. 100 Teilnehmer kamen 8-10 Omon-Leute (im Hintergrund auf der Anhöhe zwischen den Bäumen zu sehen).

Am 21. Oktober fand in der Jama (deutsch:Grube), dem Ort der Massenerschießung von 5.000 Juden am 2. März 1942, eine Gedenkfeier zur Erinnerung an die Opfer des Minsker Judenghettos statt. Zwischen 1941 und 1943 lebten dort teilweise bis zu 100.000 Menschen, die meisten wurden in das nahe gelegene Konzentrationslager Malyj Trostenec abtransportiert. Als das Lager im Oktober 1943 angesichts der vorrückenden Roten Armee von den deutschen Besatzern aufgelöst wurde, gab es nur wenige Überlebende.

Im Rahmen der Feier sprachen Leonid Lewin, der Vorsitzende der jüdischen Gemeinden und Verbände in Belarus, der israelische Botschafter sowie Vertreter jüdischer Organisationen aus Australien, Russland und der Ukraine und eine Zeitzeugin. Eine sehr persönliche Ansprache hielt der erst kürzlich eingetroffene neue Ständige Vertreter der USA in Belarus. Die Hände tief in den Manteltaschen seines Trenchcoats vergraben und mit einem großen Humphrey Bogart-Hut, sprach er über seine eigene jüdische Familie sowie seine ersten Ausflüge in Belarus zu den Orten jüdischer Geschichte, zu denen er freilich gleich alle Orte nicht-offiziellen Gedenkens rechnete. Geladen war außerdem der deutsche Botschafter. Die Zeremonie endete mit dem Gebet eines Rabbis.

Von Regierungsseite war ein Statement eines Vertreters der Kommission für religiöse Angelegenheiten zu hören – offenbar die Minimallösung offizieller Beteiligung von belarussischer Seite. Dafür waren aber für die vielleicht 100 Teilnehmer rund um die Veranstaltung 8 bis 12 Omon-Leute zu sehen – eine fast schon absurde Art der Bewachung und Beobachtung. In einer Pressekonferenz anlässlich des Gedenktages sagte Lewin, in Regierungskreisen gäbe es tatsächlich keinen Antisemitismus (BelaPan 23.10.2012), allerdings sei er ansonsten nach wie vor noch weit verbreitet in Belarus.

Vor dem Krieg war die belarussische Jüdische Gemeinde eine der größten in Europa, so Lewin. Von 1 Mio. Juden seien 800.000 von den deutschen Besatzern ermordet worden. Aber auch nach Ende des Krieges hatten die Überlebenden unter den Repressionen in der Sowjetunion zu leiden. Kaum ein Gedenkstein, der nach dem Krieg errichtet wurde, blieb erhalten. Der Stein in der Jama in Minsk ist hier eine der wenigen Ausnahmen in der gesamten Sowjetunion. Lewin kündigte an, die Aktivitäten der Jüdischen Gemeinden zu verstärken. Davon aber erführen nur die wenigsten, da die Presse dies nicht zur Kenntnis nähme.

Strategisch optimistisch äußerte sich am 23. Oktober Vorsitzende des Eurasischen Jüdischen Kongresses  (EAJC), Vadim Shulman, in Minsk. Er habe in seinen Gesprächen auf Regierungsebene festgestellt, dass man dort sehr genau über die Probleme der Jüdischen Gemeinden im Bilde sei und diesen positiv gegenüberstehe (BelaPan 23.10.2012). Eine solche Einschätzung der Lage passt zum Selbstverständis des EAJC, der 2002 gegründet wurde, um jüdische Interessen in Russland, Kazachstan und der Ukraine zu fördern und diese mit den jeweiligen Regierungen in Einklang zu bringen.

Galina Lewina und das „International Children Plein Air Art Forum ‚Jewish Shtetle Revival’“ in Belarus

Foto: http://www.europeanjewishfund.org/index.php?/projects/projects_full/the_4th_ejf_art_forum_jewish_shtetl_revival_belarus/

In der vergangenen Woche war ich erstmals Gast beim International Art Forum, das in diesem Jahr zum 6. Mal in Belarus stattfand. Dank der Unterstützung des European Jewish Fund  kommen dabei jährlich 15-20 Jugendliche aus Belarus und weiteren Ländern (in diesem Jahr Bulgarien, Belarus, Serbien, Litauen, Moldova, Israel) zusammen, um eine Woche gemeinsam auf den Spuren jüdischer Geschichte in Belarus zu wandeln. Ihre Eindrücke verarbeiten die jungen Leute im Alter von 16 bis 23 künstlerisch. Dabei erhalten sie Workshops von Künstlern zu Malerei, Graphik, Töpfern und anderen Techniken. Als Schüler künstlerischer Schulen und Hochschulen in ihren Heimatländern ist dies zum einen eine Fortbildung.

Darüber hinaus besuchen sie aber auch historische Orte und verfallene Synagogen, sprechen mit Überlebenden des Holocausts und verarbeiten all das in ihren eigenen Arbeiten, aus denen am Ende der Woche eine Ausstellung entsteht.

Initiatorin und fachkundige Begleiterin der Jugendlichen ist Galina Lewina, selbst mehrfach ausgezeichnete Architektin und eine der drei Vertreterinnen von Belarus im European Jewish Parliament. Außerdem ist sie die Tochter des bekannten und ebenfalls mehrfach ausgezeichneten Architekten Leonid Lewin, der das Programm des Art Forums aktiv begleitet.

Das Ziel des Projektes beschreibt Galina Lewina in der Publikation der Projektergebnisse und Kunstwerke aus dem Jahr 2007 und 2008: „The plein air was a step of young members of Jewish communities to Jewish history through the art.” Sie selber hat offenbar einen starken Eindruck bei den jungen Leuten hinterlassen. Eine polnische Teilnehmerin aus dem Jahr 2007/2008 schreibt über sie: „… a kind of super-woman, who between an active career as an architect, a published poet and writer, also a community organizer, found the time and energy to organize this art camp…“ Diesen Eindruck kann ich aus meiner persönlichen Bekanntschaft mit Galina nur bestätigen!

Militärtourismus in Belarus/Weißrussland

Stalin-Büste im Gelände des Erlebnisparks "Stalin-Linie".

Die Ankündigung (BelaPan 25.9.2012), Touristen mit militärhistorischem Interesse durch die historischen Orte in Belarus anzuziehen, hat mich überrascht. Mir schien es, als wäre das schon längst der Fall. Zum einen gibt es aufgrund der zentralen Lage in Europa tatsächlich viele Orte und Überreste, die über ganz unterschiedlichen kriegerischen Auseinandersetzungen zu verschiedenen Zeiten berichten. Zum anderen ist der Umgang mit diesem Aspekt der Geschichte unbedarft und frei von jeder Scheu, die Ereignisse und Schauplätze zu Erlebnisparks zu machen.

Dies soll nun offenbar systematisiert werden. Im Vordergrund sollen der Krieg gegen Napoleon 1812 und der Erste sowie der Zweite Weltkrieg stehen. Diese Auswahl entspricht dem offiziellen Geschichtsbild, das eine touristische Auswertung aller anderen Kriege auf heutigem belarussischem Territorium nicht vorsieht.

Schon länger ist dieses Segment ein Teil des offiziellen Reiseangebots von Belarus. Dabei werden allerdings auch andere Kriege wie der Sieg der Belarussen (wer genau gehörte in diesen Zeiten dazu?) über die Tataren und Mongolen nahe Minsk im Jahre 1249 oder der Nordische Krieg Anfang des 18. Jh. berücksichtigt. Das Sport- und Tourismusministerium hat je eine Broschüre zum „War Tourism“ und sogar eine zum „Dark Tourism“ herausgegeben. Auf der Website ist dann aber doch lieber von „Battlefield and Historical Tours“ die Rede.

Der "Ruhmes-Hügel" bei Minsk zur Erinnerung an die Befreiung am 3.7.1944.

Bemerkenswert ist, dass in den Broschüre auch auf die Orte jüdischer Erinnerung, wie die Jama in Minsk, oder den Vernichtungskrieg, wie Chatyn, hingewiesen werden – Orte, die nun wirklich nicht auf der Hauptroute des Tourismus liegen. Die offenbar selbstverständliche Verbindung dieser historischen und Gedenkorte nimmt sich neben militärischen Erlebnisparks wie der Stalin-Linie, Reenactment-Veranstaltungen oder der jährlichen Parade im Zentrum von Minsk freilich befremdlich aus.

Neu an den aktuellen Überlegungen ist die Verbindung der Reisen auf militärischen Spuren mit kulinarischen Angeboten der Region, einschließlich Besuchen bei Lebensmittelherstellern, Weinverarbeitungsbetrieben oder Brennereien. Zur Erarbeitung entsprechender Angebote will die Regierung Touristenunternehmen unterstützen. Wer hätte das gedacht?!

Belarussisch-französische Kulturbeziehungen könnten besser sein

… so drückte sich unlängst der französische Botschafter Michel Rainieri anlässlich der Eröffnung eines französischen Filmfestivals in Mogiljov aus. Er brachte seine persönliche Enttäuschung zum Ausdruck und verwies auf seine ehrgeizigen Pläne im Kulturbereich, als er vor drei Jahren als Botschafter nach Belarus kam. Aufgrund unterschiedlicher Prioritäten, aber auch nicht eingehaltener Absprachen und fehlender Partner sei es nicht zur Realisierung dieser Pläne gekommen.

Zu den Vorhaben der französischen Seite zählte zum Beispiel eine Reihe von Veranstaltungen zum 200. Jahrestag der napoleonischen Kriege. Auch war die Ausstellung eines französischen Museums in Belarus geplant, doch die belarussische Seite konnte die Sicherheit und fachgerechte Präsentation der Exponate nicht gewährleisten, so Rainieri . Im letzten Moment sei die Ausstellung daher ins europäische Ausland vergeben worden. Offenbar ging es um eine Ausstellung von Gemälden Marc Chagalls – kein belarussisches Museum sei bereit gewesen, die Ausstellung zu zeigen.

Belarussische/weißrussische Kulturinstitute im Ausland

Schon seit längerem plant die Regierung Kulturzentren in den Nachbarländern zu eröffnen. Bisher gibt es ein solches Zentrum nur in Warschau. Die Angebote sollten sich an die jeweilige Bevölkerung widen, um mehr Informationen über Belarus bereitzustellen, aber auch an die belarussischen Exilanten.

Geplant sind solche Zentren in Russland (geplant für 2012), der Ukraine, Litauen, Lettland und Deutschland.

Parallel sollten diesem Plan entsprechend auch die Auslandstourneen belarussischer Theater und Orchester intensiviert werden. Vladimir Chilep, der Vorsitzende des Belarussischen Kulturfonds beklagte in diesem Zusammenhang, dass dafür zu wenig Geld zur Verfügung stehe.

Das Victoria & Albert Museum zu Gast in Belarus

„Zu uns kommen die Könige“, so lautete die Überschrift eines Artikels über die aktuelle Präsentation des Londoner Museums im Nationalen Kunstmuseum (WHERE MINSK 8/2012, S. 12). Ganz Minsk ist mächtig stolz auf diese Ausstellung und an einem Besuch führt kein Weg vorbei. Noch bis zum 4. November ist die Ausstellung „Königliche Kostbarkeiten: Europäische Schätze 1600-1800“ in Minsk und im Schloss Nezvizh zu sehen. Die thematisch gegliederte Schau zeigt über 40 Exponate, darunter Gemälde, Skulpturen, Keramik, Glas, Möbel, Textilien und Kleidung aus Großbritannien, Belgien, Frankreich, Holland und anderen europäischen Ländern.

Genau genommen sind alle ganz aus dem Häuschen wegen dieser Ausstellung und das hat wohl mehrere Gründe. Zum einen kommt es leider recht selten vor, dass ein wirklich bedeutendes europäisches Museum mit einem belarussischen Museum in diesem Maßstab kooperiert. In den letzten Jahren jedenfalls hat es keine nennenswerte Ausstellung aus einem westeuropäischen Museum oder ein vergleichbares Gemeinschaftsprojekt gegeben. Und wenn es dann eben doch mal dazu kommt, wie jetzt in diesem Fall, dann ist das auch ein Grund zum Feiern. Für die Kultur- und Museumsszene jedenfalls lassen sich die Reaktionen so zusammenfassen: Es gibt uns auch noch und wir haben auch etwas zu bieten! (Was stimmt!)

Das ist auch der zweite Grund für die fast euphorischen Besprechungen der Ausstellung: Letztlich zeigt die Ausstellung aus London doch nur, dass Belarus heute wie schon immer ein Teil Europas ist. Dies zeige sich, so eine Besprechung,  insbesondere in dem Ausstellungsteil in Nezvizh, wo der Besuch der erst in diesem Jahr eröffneten Räumlichkeiten der Besichtigung der Exponate aus London in keiner Weise nachsteht. Nicht grundlos ist Nezvizh zudem auch die Kulturhauptstadt Weißrusslands in diesem Jahr. Und man ist stolz, dass Minsk die bisher erste Station der Ausstellung in Europa ist!

Drittens schließlich scheinen die für internationale Ausstellungen üblichen und daher meist nicht erwähnenswerten Standards der Präsentation (Licht, Klima, Sicherheit etc.) in Belarus den einen oder anderen Museumsprofi wieder daran zu erinnern, dass die Beachtung eben jener Standards auch den belarussischen Kostbarkeiten in den Ausstellungen ganz gut täte. Genauso scheint es mit der Beschriftung zu sein: Als außergewöhnlich wird hervorgehoben, dass man die Ausstellung mit Hilfe der Objektschilder, also ohne Führung, besichtigen und begreifen kann! Leider sind weder das eine noch das andere die Regel in Belarus, und man wundert sich des Öfteren über den sorglosen Umgang mit den eigenen Sammlungen.

Welche Gründe die Besucher auch immer haben, zu dieser Ausstellung kommen offenbar täglich 500 Besucher, so berichtet der Medienpartner „Sovetskaja Belarus“ . Es wären Belarus mehr solcher Großprojekte für die Sicht über den Tellerrand zu wünschen!

Konferenz zu Belarus/Weißrussland-Studien in Kaunas Ende September

In der Zeit vom 28.9. bis 30.9. findet in Kaunas der zweite internationale Kongress zu Belarus statt. Initiatoren sind die Vytautas Magnus Universität (Litauen) and das Institut für „Politische Sphäre“ Institute (Belarus). Ziel ist die Vernetzung von Forschern und Wissenschaftlern, die sich mit Belarus/Weißrussland beschäftigen. Mit der jährlich geplanten Veranstaltung soll eine Plattform zum Austausch von Ideen und Ergebnissen geschaffen werden, so der Direktor des Instituts, Andrej Kazakevich.

Während im letzten Jahr die Sozialwissenschaften, politsiche Geschichte und Soziologie im Vordergrund standen, sollen in diesem Jahr Kunst, Literatur und Theologie im Vordergrund stehen. Erwartet werden 200 Wissenschaftler aus 19 Ländern.

Das Programm sowie alle Formalitäten sind der Website des Kongresses zu entnehmen.

Dudutki

Nun habe ich es endlich auch mal in eines der wenigen Privatmuseen des Landes geschafft, nämlich in das Freilicht- und Traditionsmuseum Dudutki, das auch über eine deutsche Website verfügt. Ob man hier freilich von einem Museum sprechen kann, kann man sicher diskutieren – Exponate gibt es jedenfalls nur sehr wenige, die man zudem oft gar nicht als solche erkennt, weil sie nicht bezeichnet, geschweige denn erklärt sind.

Aber es muss ja auch nicht immer Bildung sein, Museen sind ja schließlich auch zur Unterhaltung da, und davon gibt es einige in Dudutki. Den verschiedenen Gewerken sind jeweils eine oder auch mehrere Hütten gewidmet, in denen man den Meistern bei der Arbeit zusehen und eine Souvenirwahl aus einem wahrlich großen Angebot wählen kann. Am Eingang findet sich jeweils ein Text, der das Handwerk, seine Werkzeuge und Techniken erläutert – übrigens alles auf russisch, was mich erstaunt hat, geht es doch um spezifisch belarussische Traditionen und Rituale. Die Website ist dagegen auf belarussisch gehalten sowie, mit Einschränkungen, auf englisch.

Originell ist die Idee der traditionellen Käserei und Molkerei, wo jeder Besucher mit seiner Eintrittskarte eine Kostprobe selbstgemachten Käses und Brotes bekommt. Wer mehr Hunger hat, kann im Museumscafé weitere Speisen bestellen, Speck, Gurken und Wodka probieren oder eine Picknickhütte belegen und seine mitgebrachten Speisen verzehren.

Für Kinder wie auch für Erwachsene gibt es eine Runde auf dem Pferderücken oder eine Fahrt im Bollerwagen oder einer hochherrschaftlichen Kutsche. Dieses Erlebnis wird freilich im Eindruck getrübt durch die Kombination der hohen, weißen Kalesche mit einem kleinen braunen Pony. Mit diesem Gespann kann man die größere Wegstrecke zur nahegelegenen Kirche nebst Freigehege für Ziegen, Schafe, Schweine und Kälber zurücklegen oder bis zur Windmühle fahren. Auch hier gibt es dann noch einmal die Möglichkeit, eine traditionelle belarussische Hütte mitsamt Einrichtung, Ausstattung und in Trachten gekleideter Bewohner zu besichtigen.

Alles in allem lohnt sich die Fahrt in das etwa 65km von Minsk gelegene Dudutki für die ganze Familie. Wie beliebt dieser Ort ist, zeigte sich an dem am Wochenende voll besetzten Parkplatz, auf dem u.a. viele Busse und Autos aus Russland zu sehen waren.

Konzerte mit belarussischer Musik in Berlin und Dresden

Ich zitiere hier eine Mail von Ingo Petz an den Verteiler des Minsk-Forums:

Liebe Mitglieder und Freunde der dbg, liebe Belarus-Interessierte,
hiermit möchten wir Sie zu zwei wunderbaren Konzert-Abenden am 1. und 3. Oktober 2012 in Berlin und Dresden einladen. Uns ist es gelungen, erstmals das belarussische Frauengesangsensemble MIZHRECHCHA nach Deutschland einzuladen. Das Ensemble aus der Region Palessje in Belarus präsentiert in dem Programm „Belaruskaja Duscha: Die Belarussische Seele“ authentische Volkslieder, Rituale und Traditionen, die sogar auf der UNESCO-Liste für das geistige Weltkulturerbe stehen.
Wir bitten Sie, dieses schöne Ereignis mit Ihrem Besuch zu unterstützen.
Anbei finden Sie weitere Infos zu dem Ensemble und zu den Veranstaltungsorten: Konzert_1.+3.10.2012
Mit besten Grüßen,
Ingo Petz

dbg-Vorstand
Minsk Forum Office
deutsch-belarussische gesellschaft (dbg)
Schillerstraße 59
D-10627 Berlin
Email minskforum@dbg-online.org

Museumsforum in Grodno vom 12.-14. Oktober 2012

Auf Initiative des Kulturministeriums wird im Oktober erstmals eine Museumsmesse in Belarus stattfinden, wie die Stellvertretende Vorsitzende der Abteilung für Kultur-Institutionen und Volkskunst des Ministeriums, Svetlana Gavrilova, mitteilte.

Ziel des Forums, so heißt es offiziell, das im Rahmen des Kulturförderprogramms 2011-2015 initiiert wird und alle zwei Jahre stattfinden soll, ist die Stärkung der Museen, ihrer Aktivitäten und Mitarbeiter. Darüber hinaus soll das allgemeine Interesse für die vielfältigen Angebote im Museumsbereich geweckt und gefördert werden. Das Programm wird Ausstellungen, einen Wettbewerb, Seminare und Konferenzen umfassen. Offiziell rechnet man mit großer internationaler Beteiligung.

Ob diese ehrgeizigen Ziele erreicht werden, wird sich zeigen. Museumsmitarbeiter und Kritiker äußern sich eher skeptisch mit Blick auf die Organisation und das Programm. Die belarussische Sektion von ICOM wurde bisher gar nicht offiziell informiert. Zwar ist nachvollziehbar, dass durch die Wahl des Veranstaltungsortes Grodno die Provinz gestärkt werden soll. Auf der anderen Seite ist jedoch für viele Museen eine Reise nach Minsk attraktiver und auch ergiebiger. Freilich werden sie keine Wahl haben, da alle Museen verpflichtet sind, sich auf dem Forum zu präsentieren. Zudem bedauern viele, dass es sich im Format um eine Kopie der Moskauer Museumsmesse InterMuzej handelt und bisher kein eigenes, belarussisches Profil erkennbar ist.

Trotz dieser Kritikpunkte ist die Initiative des Kulturministeriums, die Museumslandschaft zu stärken, natürlich zu begrüßen. Ob und welchen Nutzen das Forum letztlich für die Museen hat, bleibt abzuwarten.

Museum der belarussischen Staatlichkeit

Foto: http://euroradio.fm/report/u-muzei-mozhna-patrapits-tolki-paslya-praverki-w-sluzhbe-byaspeki-112908#

In der Zwischenzeit hat es tatsächlich jemand (eine Korrespondentin von Euroradio.fm) geschafft,, das Museum der belarussischen Staatlichkeit zu besuchen. Demnach muss man zuerst einen Antrag auf Genehmigung beim Nationalen Historischen Museum stellen. Der Antragsteller wird dann zehn Tage lang vom Sicherheitsdienst des Präsidenten geprüft. Falls man das besteht, findet am Eingang eine weitere Kontrolle statt. Der Eintritt kostet 10.000 BYR (ca. 1 €).

Das Museum ist, wie schon zuvor beschrieben, in fünf Säle unterteilt, die die Entwicklung von Belarus seit 1994 veranschaulichen. Der Vorschlag, Jahr 1990 als Anfang des Ausstellungszeitrahmens zu wählen, wie die Mitarbeiter des Historischen Museums vorgeschlagen hatten, wurde abgelehnt. Aus der Zeit vor 1994 findet sich nur ein einziges Dokument in der Ausstellung, nämlich das Gesetz des Obersten Rates der BSSR über die Umbenennung der BSSR in die Republik Belarus. Es wurde vom damaligen Vorsitzenden des Obersten Rates, Stanislaw Schuschkewitsch, unterzeichnet, der in den gegenwärtigen Strukturen in Ungnade gefallen ist. Des Weiteren gibt es Hinweise auf Streiks und die Krise der 90er Jahre, die gegenwärtige Wirtschaftskrise wird jedoch nicht erwähnt. Auf die Frage, warum nur das Wahlprogramm des Präsidenten, nicht aber die der anderen Kandidaten zu sehen sei, verweist der Mitarbeiter des Museums auf Platzmangel. Ausreichend Platz dagegen gibt es für die zahllosen Geschenke an den Präsidenten.

All das macht ja doch neugierig und so habe ich mich auf die Liste setzen lassen und bin gespannt, ob ich die Besuchsgenehmigung erhalten werde.

Globalisierung II

Meist können wir mit unserem derzeitigen Wohnort in Minsk bzw. Belarus bei Mitreisenden, Freunden oder Bekannten wohliges Erstaunen hervorrufen. Nicht selten werden Fragen nach dem Grad der Zivilisation und den Extremen des Klimas gestellt. Nicht so bei einem Ausflug zu Freunden in das benachbarte Polen, wo wir 50 km von der russischen Grenze an den Masurischen Seen in ein wahrlich globales Dorf geraten sind.

Die Gastgeber selbst hatten gerade einige Jahre im, freilich wenig beliebten, Nachbarland verbracht, wo wir sie auch kennengelernt hatten. Weitere Sommergäste stammten aus Warschau, darunter gebürtige Polen, die Belarus sowieso für eine eigentlich polnische Provinz halten – wie übrigens auch den heute russischen Teil Ostpreußens, große Teile Litauens, einige Gegenden der Ukraine usw. Andere kamen zwar aus Warschau angereist, wo sie sogar einen festen Wohnsitz haben, aber aus aller Herrn Länder zugereist sind: Jean-Louis ist von tadelloser französischer Geburt wie Erscheinung, spricht glänzendes Englisch mit wunderbarem französischem Akzent und vertritt ein französisches Unternehmen in Polen. Seine Zukünftige (die Hochzeit auf den französischen Gütern steht unmittelbar bevor), Tanja, stammt aus der östlichen Ukraine, wo sie aber schon 10 Jahre nicht mehr war (weil ihre Eltern seit langem in Odessa leben), weil sie zunächst in Kiew, später in Moskau gearbeitet hat, wo sie sich aber angesichts des rüden Gebarens der russischen Polizei als Bürgerin eines freien und demokratischen Landes nicht willkommen fühlte und in das europäische Warschau übersiedelte. All das, versteht, sich in makellosem Englisch, wahlweise russisch oder polnisch.

Mit von der Partie war ihre Schwester Anja, die tags zuvor für eine Stippvisite zu ihrer Schwester nach Warschau gekommen war, und zwar aus Madrid, wo sie vorübergehend wohnt und natürlich spanisch gelernt hat, bevor sie mit ihrem spanischen Freund in die USA übersiedelt, wo nun mal die Kunden ihres gemeinsamen Internetbusinessunternehmens leben.

Jean-Louis, Tanja und Anja sind allesamt Freunde des Sohnes des Hausherren, der ebenfalls mit seiner Frau aus Warschau anwesend war und jüngste Reiseberichte von Ausflügen nach Nepal und Mexiko beisteuerte. Die Eltern trugen es mit Fassung, freuten sich auf ein ruhiges Wochenende im Ferienhaus und wollten von Minsk sowieso schon nichts mehr wissen. Da waren sie nicht die einzigen.

Globalisierung I

Bisher dachte ich immer, mit Belarus eine einigermaßen interessante Destination beim Reisen zu haben. Wie normal und europäisch Weißrussland allerdings ist, erfuhr ich neulich bei meiner Ankunft am Frankfurter Flughafen. Eine junge Blondine aus den USA verwickelte, zunächst auf Englisch, zahlreiche Fahrgäste des Flughafentranferbusses in ein Gespräch, in dem die Globalisierung zum Greifen nahe war. Zunächst stellte sie fest, dass sie und ein weiterer Mitreisender sich bereits in London beim Umsteigen getroffen hatten. Wie sich herausstellte, war dieser im heimatlichen Tschad auf Reisen gegangen, von dem die Amerikanerin indessen bisher nichts gehört hatte. Sie selbst war, wie sie freimütig berichtete, heute aus Chicago gekommen, um ihren deutschen Freund, der schüchtern neben ihr Platz genommen hatte, in Frankfurt zu besuchen. Dieses war für den Mann aus dem Tschad nur eine weitere Zwischenstation auf dem Weg nach Magdeburg zum Klassentreffen. Dort war er, wie er nun in nahezu akzentfreiem Deutsch den Umstehenden berichtete, vor 25 Jahren zum Ingenieursstudium gewesen, denn der Tschad habe damals wie heute dringend Fachkräfte gebraucht. Das bestätigte ein Ehepaar mittleren Alters mit Backpacker-Gepäck in reinstem Hochdeutsch, erkundigte sich aber höflich, wo denn Magdeburg gelegen sei. Dies wiederum erstaunte den Zentralafrikaner, der sogleich erfuhr, dass die beiden aus Südafrika stammten und das erste Mal in Deutschland waren. Währenddessen führte die junge Frau aus Chicago ein unangemessen ernstes Gespräch (übrigens in leidlichem deutsch) mit ihrem Freund über die Nachteile einer Fernbeziehung über geschätzte 10.000 km. Aber auch in einem so ernsten Fall spielt offenbar das Wetter eine erhebliche Rolle, weshalb sie sich bei einer bisher unbeteiligten jungen Frau erkundigte, ob die Sommer hier in Deutschland immer so schlecht seien. Diese antwortete, dass sie zwar eine gebürtige Mannheimerin sei, aber seit geraumer Zeit in Dubai lebe, wo die Sommer nebenbei bemerkt immer heiß seien. Spätestens zu diesem Zeitpunkt kam mir Belarus so unspektakulär zentraleuropäisch vor wie sonst nur Magdeburg oder Mannheim.

Jahrbuch Belarus/Weißrussland 2011

Foto: http://www.belinstitute.eu/index.php?option=com_content&view=article&id=1304%3A-2011-&catid=15%3Apresentations&Itemid=29&lang=en

Seit Kurzem steht das 8. Jahrbuch Belarus, zusammengestellt und herausgegeben von mehreren unabhängigen Autoren und Instituten und finanziert durch den German Marshall Fund, als Download im Internet zur Verfügung. Nähere Informationen zu Autoren, Herausgebern und Inhalten unter: http://www.belinstitute.eu/index.php?option=com_content&view=article&id=1304%3A-2011-&catid=15%3Apresentations&Itemid=29&lang=en

Eine eigene Rubrik zur Kultur gibt es leider nicht. Allein unter der Überschrift „Gesellschaft“ findet sich neben Beiträgen zum Internet, dem Bildungssystem, dem Dritten Sektor, den Kirchen sowie den Medien der Artikel von Maksim Zhbankov „Cultural Transformation: New modes of stagnation“.

Download in English <http://www.belinstitute.eu/images/doc-pdf/ej_2011_engl.pdf>

Download in russisch: <http://www.belinstitute.eu/images/doc-pdf/ej_2011_rus.pdf>

Das staatliche belarussische Pendant des Statistischen Jahrbuches findet sich unter. http://belstat.gov.by/homep/en/publications/year/2011/about.php

Keine weiteren Straßenumbenennungen in Minsk

Die Phase der Umbenennung von Straßen sei vorbei, teilte jüngst ein hoher  Beamter der Stadt mit (BelaPan 8.8.2012). Nach Igor Karpenko, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Exekutivkomitees der Stadt, können prominente belarussische Persönlichkeiten gewürdigt werden, indem neue Straßen nach ihnen benannt werden, nicht aber durch Umbenennung vorhandener Straßen. Als Beispiel nannte er Vasilij Bykov, dem aber anstelle einer Straße auch ein Museum gewidmet werden könnte, sagte Karpenko – ganz neue Töne übrigens in Bezug auf den hierzulande umstrittenen Schriftsteller.

Zugleich verteidigte er die Straßennamen, die an die sowjetische Periode der Geschichte erinnern. So sei Karl Marx [sic!] ein bedeutender Philosoph, dessen Werke bis heute an vielen Universitäten der Welt studiert würden. Neue Straßennamen werden in Zukunft in Zeitungen und im Internet veröffentlicht. Bürger können dazu Stellung nehmen, bevor das Stadtkomitee eine Entscheidung fällt.

Museumswissenschaftliche Fachliteratur

Eine neue Dissertation zur Museumslandschaft in Belarus war Anlass für mich, mal einen (nicht vollständigen und nicht erschöpfenden) Blick auf die Fachliteratur zu Fragen rund ums Museum zu werfen. Die erwähnte Dissertation von Evgenija Krasnova (russisch) gehört zweifellos dazu, so wie auch die Arbeiten von Tamara A. Džumantaeva, die bis dahin die einzige Doktorarbeit zu den belarussischen Museen (zur „Entwicklung der Kulturmuseen in Grodno“, 2009, belarussisch) vorgelegt hatte.

Hier deutet sich bereits ein Problem für ausländische Wissenschaftler an: Wer einen genauen Blick auf die belarussische Museumsszene werfen will, der muss auch belarussisch zumindest lesen können. Z.B.

Alexander A. Gužalovskij, Professor für Museumswissenschaften an der BGU, schreibt meist auf belarussisch. Von ihm stammen zahlreiche Veröffentlichungen, darunter die dreibändige Übersicht über die Geschichte der belarussischen Museen von 1918 bis 1991 (letzter Band: Minsk 2004) sowie die umfangreiche Einführung in dem Nachschlagewerk „Muzei Belarusi“, Minsk 2008.

Ebenfalls zur Lage der belarussischen Museen publiziert Alla Staskevič vom Institut für belarussische Kultur, und zugleich Vorsitzende von ICOM Belarus. Vgl. Музеи Литвы и Беларуси: пути и перспективы развития в XXI веке: [материалы конференции, Минск ― Вильнюс ― Тракай, 2006―2007 / составители: Е. Матевосян, В. Повилюнас, А. Сташкевич]. – Минск [и др.], 2007. – 111 c. Das Institut für belarussische Kultur sammelt übrigens statistisches Material über die Museen des Landes, was allerdings nur unregelmäßig veröffentlicht wird.

An der im Exil befindlichen Europäischen Humanistischen Universität in Vilnius beschäftigt sich Alexander Kolbaska mit dem Thema, der auch viel auf Englisch publiziert, über Belarus hinaus in andere Länder schaut und dabei Fragen des Museumsmanagements berührt.

Eine eigene Fachzeitschrift gibt es in Belarus nicht. Unregelmäßig erscheinen lediglich die Музейныя сшыткi. Навуковая апрацоўка музейных прадметаў. Пiсьмовыя i фотадакументальныя помнiкi: Навук.-метад.зб. – Мн.: БелIПК sowie eine Sammlung von Aufsätzen zu Museumsfragen vom Staatlichen Museum für Geschichte. Für allgemeine Fragen der Museumswissenschaften und theoretische Aspekte sind die entsprechenden russischen Zeitschriften zu nennen, z.B. Voprosy Museologii, Mir Muzeja u.a. Die Berichte zur Entwicklung der Museumslandschaft, ihrer Institutionen und Personen, beziehen sich hier natürlich auf Russland – die Lücke für Belarus bleibt bisher offen. Einzelne Aufsätze zum Museumswesen dagegen finden sich in folgenden Zeitschriften: Vestnik Instituta sovremennych znanii, Vestnik Belarusskogo gosudarstvennogo universiteta kul’tury i iskusstva (auf belarussisch) sowie Čelovek. Gramadstva, Svet (Informationsministerium).

2003 ist ein Leitfaden zur Behandlung von Sammlungsgut erschienen (Naučnaja obrabotka muzejnych predmetov, Mogiljov 2003) sowie 2004 ein Wegweiser zur Entwicklung musealer Konzeptionen (Канцэпцыя развiцца музейнай справы, Minsk 2004, hg. vom Kulturministerium). 2005 hat das Nationale Kunstmuseum einen Sammelband herausgegeben (Muzej kak kreativnoe prostranstvo kul’tury, Minsk 2005) und 2006 veröffentlichte das Erziehungsministerium zusammen mit der Vitebsker Universität ein Handbuch für Studenten (Музей. Вучэбна-метадычны комплекс, Vitebsk 2006).

Die häufigste Publikationsform ist die Veröffentlichung von Konferenzbeiträgen, wie z.B. 2009 „90 год Вiцебскаму абласному краязнаŷчому музею (2009), darin ein Aufsatz über die Entwicklung des belarussischen Ausstellungswesens. Es lohnt sicher daher, die rege Konferenztätigkeit der Museen zu verfolgen. 2010 schließlich ist die Veröffentlichung Культурная спадчына, менеджмент, маркетинг (Minsk 2010)  erschinen.

Der Zugang zu internationaler Literatur und vor allem Zeitschriften ist sehr eingeschränkt. Sei es, weil die Bibliotheken kein Geld für Ankäufe haben, sei es, weil es doch einen Filter gibt, so dass es so manche Veröffentlichung nicht in die belarussischen Kataloge schafft. Fachliteratur zu allgemeinen Fragen des Kulturmanagements ist auch in Russland erst in den letzten Jahren erschienen, seitdem aber eine große Anzahl von Büchern und Aufsätzen. Hier lohnt sich ein Blick in die Publikationsliste des Studiengangs an der Petersburger Universität (G.L. Tul’činskij und E.L. Šekova). Aber nicht mal diese Literatur oder auch die verschiedenen Angebote von ICOM Russland sind hierzulande immer bekannt, geschweige denn verbreitet.