Spezialmuseen: Geschichte der Staatlichen Universität

Foto: http://www.tio.by/post/468

Im Hauptgebäude der Belarussischen Staatlichen Universität am Lenin-Platz (die U-Bahn-Station heißt schon: Freiheitsplatz) befindet sich eines der Museumsjuwelen aus alten Zeiten. Dieses hier erzählt uns alle Einzelheiten der Universitätsgeschichte, von ihren Anfängen in den 20er Jahren bis heute – ein Spiegel der Geschichte der Republik Belarus, wie mir die Museumsmitarbeiterinn stolz erzählt. Überhaupt erzählt sie mir in der einen Stunde so viel über die Universität, die berühmten Absolventen und ihre späteren Heldentaten, die Besucher, die ein ganzes Arsenal Geschenke mitgebracht haben sowie die zahlreichen Auszeichnungen für Lehre und Forschung, dass mir ganz schwindelig wird. Aber sie freut sich offensichtlich, dass ich mich für das Museum interessiere, sie in den Mühlen der Bürokratie der Universität ausfindig und noch 20 Minuten gewartet habe, bis sie den Schlüssel gefunden und den hölzernen Zeigestock gezückt hat.

Angefangen hat alles mit dem „Museum für primitive Kultur und Religion“ aus dem Jahre 1924, das auf Initiative einiger Professoren mit Kopien altgriechischer und römischer Skulpturen, Masken und Vasen aus der Petersburger Eremitage bestückt war. In den 20er und 30er Jahren kamen Ausgrabungsfunde hinzu, das Museum wurde zu einem archäologisch-historischen, dessen Bestände – wie auch immer (Genaues ist nicht zu erfahren) – aber dem Großen Vaterländischen Krieg zum Opfer gefallen sind.

Nach dem Krieg knüpfte man thematisch an die Vorläuferversionen an und ergänzte die Ausstellung 1954 um die nunmehr 30jährige Geschichte der Universität. Zusammengetragen haben die Exponate überwiegend die Studenten der Historischen Fakultät, eins kam zum anderen. Nach dem Umzug der Universität in den 90er Jahren wurde zunächst 1997 einmal alles rund erneuert, und 2006 eröffnete die heutige Ausstellung nach einer neuerlichen Erweiterung und Überarbeitung.

Von modernen museumswissenschaftlichen oder museologischen Errungenschaften ist das Museum bis heute unberührt geblieben. Das Museum ist öffentlich zugänglich, allerdings nur nach Anmeldung und mit Führung zu besichtigen. Ein Besuch lohnt sich, nicht zuletzt wegen der individuellen, persönlichen Betreuung, bevor auch hier die Museumsmoderniesierungsmaschinerie einsetzt.

Repin in Weißrussland

Foto: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/b/b8/Belarus-Zdrawneva-Manor_of_Ilya_Repin-1.jpg/800px-Belarus-Zdrawneva-Manor_of_Ilya_Repin-1.jpg

Zwischen 1892 und 1902 hat der russische Maler Ilja Repin die Sommermonate in seinem Landhaus in Zdravnevo, unweit von Vitebsk, im heutigen Belarus verbracht. Sein Vater ist in einem Dorf in der Nähe beerdigt. Heute befindet sich in dem Landhaus ein Museum, eine Filiale des Regionalmuseums Vitebsk.

Die Räume sind mit zeitgenössischen Möbeln und Einrichtungsgegenständen hergerichtet. Außerdem gibt es Dokumente, Fotos, Briefe und persönliche Gegenstände des Künstlers und seiner Familie aus dieser Zeit. Originale Werke von Repin gibt es hier nicht zu sehen, allein einige Reproduktionen zieren die Wände. Um originale Werke des führenden „Wandermalers“ zu sehen, muss man aber nicht bis Moskau reisen, sondern kann sich einige davon im Kunstmuseum Vitebsk ansehen. Im Werk Repins gibt es immer wieder Bezüge zu Weißrussland, darunter sein berühmtes Gemälde „Der Belarusse“ von 1892 (Russisches Museum St. Petersburg).

Übrigens gibt es in Belarus auch eine kleine Stadt mit dem Namen „Repin“, im Gebiet Gomel’, die mit dem Sommersitz des Künstlers nichts zu tun hat.

Museumswissenschaftliche Fachliteratur

Eine neue Dissertation zur Museumslandschaft in Belarus war Anlass für mich, mal einen (nicht vollständigen und nicht erschöpfenden) Blick auf die Fachliteratur zu Fragen rund ums Museum zu werfen. Die erwähnte Dissertation von Evgenija Krasnova (russisch) gehört zweifellos dazu, so wie auch die Arbeiten von Tamara A. Džumantaeva, die bis dahin die einzige Doktorarbeit zu den belarussischen Museen (zur „Entwicklung der Kulturmuseen in Grodno“, 2009, belarussisch) vorgelegt hatte.

Hier deutet sich bereits ein Problem für ausländische Wissenschaftler an: Wer einen genauen Blick auf die belarussische Museumsszene werfen will, der muss auch belarussisch zumindest lesen können. Z.B.

Alexander A. Gužalovskij, Professor für Museumswissenschaften an der BGU, schreibt meist auf belarussisch. Von ihm stammen zahlreiche Veröffentlichungen, darunter die dreibändige Übersicht über die Geschichte der belarussischen Museen von 1918 bis 1991 (letzter Band: Minsk 2004) sowie die umfangreiche Einführung in dem Nachschlagewerk „Muzei Belarusi“, Minsk 2008.

Ebenfalls zur Lage der belarussischen Museen publiziert Alla Staskevič vom Institut für belarussische Kultur, und zugleich Vorsitzende von ICOM Belarus. Vgl. Музеи Литвы и Беларуси: пути и перспективы развития в XXI веке: [материалы конференции, Минск ― Вильнюс ― Тракай, 2006―2007 / составители: Е. Матевосян, В. Повилюнас, А. Сташкевич]. – Минск [и др.], 2007. – 111 c. Das Institut für belarussische Kultur sammelt übrigens statistisches Material über die Museen des Landes, was allerdings nur unregelmäßig veröffentlicht wird.

An der im Exil befindlichen Europäischen Humanistischen Universität in Vilnius beschäftigt sich Alexander Kolbaska mit dem Thema, der auch viel auf Englisch publiziert, über Belarus hinaus in andere Länder schaut und dabei Fragen des Museumsmanagements berührt.

Eine eigene Fachzeitschrift gibt es in Belarus nicht. Unregelmäßig erscheinen lediglich die Музейныя сшыткi. Навуковая апрацоўка музейных прадметаў. Пiсьмовыя i фотадакументальныя помнiкi: Навук.-метад.зб. – Мн.: БелIПК sowie eine Sammlung von Aufsätzen zu Museumsfragen vom Staatlichen Museum für Geschichte. Für allgemeine Fragen der Museumswissenschaften und theoretische Aspekte sind die entsprechenden russischen Zeitschriften zu nennen, z.B. Voprosy Museologii, Mir Muzeja u.a. Die Berichte zur Entwicklung der Museumslandschaft, ihrer Institutionen und Personen, beziehen sich hier natürlich auf Russland – die Lücke für Belarus bleibt bisher offen. Einzelne Aufsätze zum Museumswesen dagegen finden sich in folgenden Zeitschriften: Vestnik Instituta sovremennych znanii, Vestnik Belarusskogo gosudarstvennogo universiteta kul’tury i iskusstva (auf belarussisch) sowie Čelovek. Gramadstva, Svet (Informationsministerium).

2003 ist ein Leitfaden zur Behandlung von Sammlungsgut erschienen (Naučnaja obrabotka muzejnych predmetov, Mogiljov 2003) sowie 2004 ein Wegweiser zur Entwicklung musealer Konzeptionen (Канцэпцыя развiцца музейнай справы, Minsk 2004, hg. vom Kulturministerium). 2005 hat das Nationale Kunstmuseum einen Sammelband herausgegeben (Muzej kak kreativnoe prostranstvo kul’tury, Minsk 2005) und 2006 veröffentlichte das Erziehungsministerium zusammen mit der Vitebsker Universität ein Handbuch für Studenten (Музей. Вучэбна-метадычны комплекс, Vitebsk 2006).

Die häufigste Publikationsform ist die Veröffentlichung von Konferenzbeiträgen, wie z.B. 2009 „90 год Вiцебскаму абласному краязнаŷчому музею (2009), darin ein Aufsatz über die Entwicklung des belarussischen Ausstellungswesens. Es lohnt sicher daher, die rege Konferenztätigkeit der Museen zu verfolgen. 2010 schließlich ist die Veröffentlichung Культурная спадчына, менеджмент, маркетинг (Minsk 2010)  erschinen.

Der Zugang zu internationaler Literatur und vor allem Zeitschriften ist sehr eingeschränkt. Sei es, weil die Bibliotheken kein Geld für Ankäufe haben, sei es, weil es doch einen Filter gibt, so dass es so manche Veröffentlichung nicht in die belarussischen Kataloge schafft. Fachliteratur zu allgemeinen Fragen des Kulturmanagements ist auch in Russland erst in den letzten Jahren erschienen, seitdem aber eine große Anzahl von Büchern und Aufsätzen. Hier lohnt sich ein Blick in die Publikationsliste des Studiengangs an der Petersburger Universität (G.L. Tul’činskij und E.L. Šekova). Aber nicht mal diese Literatur oder auch die verschiedenen Angebote von ICOM Russland sind hierzulande immer bekannt, geschweige denn verbreitet.

 

Das Kunstmuseum Vitebsk

Das Vorurteil, in der Provinz lohne sich der Museumsbesuch erst gar nicht, ist in Bezug auf Russland in Fachkreisen längst überholt. Ganz im Gegenteil: Oft gibt es abseits der Metropolen wahre Schätze zu entdecken. Hängt man das Maß nicht all zu hoch und erwartet keine kunsthistorischen Sensationen, dann sollte man seine Vorgenommenheit auch in Belarus ablegen. In Vitebsk jedenfalls gab es einiges im Kunstmuseum zu entdecken, angefangen von den Beständen, bis hin zur Ausstattung des Museums.

Als Filiale des Regionalmuseums befindet sich das Kunstmuseum seit 1992 im Gebäude des ehemaligen Amtsgericht aus dem 19. Jh. Die Sammlung umfasst verschiedene in den 20er Jahren verstaatlichte Privatsammlungen sowie die Werke, die das Museum nach 1945 systematisch zusammengetragen hat. Die Sammlung umfasst Ikonen, Gemälde, Graphik, Holzschnitzereien, religiöse Objekte und Skulpturen. Unter den Gemälden sind einige Werke niederländischer und italienischer Künstler des 16.-18. Jh. zu nennen sowie eine durchaus bemerkenswerte Sammlung russischer Kunst aus dem 19. Jh., darunter  Ivan Aivazovsky und Ilja Repin, sowie aus dem 20. Jh. Werke von Vasilij Kandinsky, Marc Chagall, A. Lentulava, A. Kuprin, V. Rosanow, Natalja Gontscharowa u.a.

Einzigartig aufgrund ihres regionalen Bezugs und ganzer Stolz des Museums ist die Sammlung von 800 Werken M. Pengs, die 1939 ins Museum kam. Dem Lehrer Chagalls ist ein eigener Saal gewidmet und bestätigt einmal mehr, wie wichtig es für Chagall-Liebhaber ist, nach Vitebsk zu reisen. Da die Sammlung des Museums im Zweiten Weltkrieg überwiegend verloren ging, ist es ebenso wunderbar wie unverständlich, wie diese Sammlung den Krieg überstanden hat.

Die Räumlichkeiten des Museums sowie die Architektur sind vor Kurzem restauriert und modernisiert worden, wenn gleich die Mittel für eine Klimatisierung offenbar nicht gereicht haben. Insgesamt macht das Museum einen modernen und offenen Eindruck. Wie fast immer fehlen leider auch hier einführende Texte, es gibt weder einen Audioguide noch Informationstexte oder eine Broschüre zum Mitnehmen, von einem Katalog ganz zu schweigen. Neben der Dauerausstellung veranstaltet das Museum regelmäßig Wechselausstellungen, die mal mehr, mal weniger zum Thema des Hauses passen. Hier entscheidet, wie in den meisten belarussischen Museen, die Miete, die der Veranstalter für die Räumlichkeiten zahlt.

Schon wieder: Das Museum des Großen Vaterländischen Krieges

Einen ausfürhlichen Hintergrundbericht zum Neubau, der Konzeption und der Geschichte des Museums hat am 10. Juli Svetlana Balaschova (Светлана БАЛАШОВА) in der oppositionellen Zeitung Svobodnye Novosti (Freie Nachrichten) publiziert.

Dabei malt sie ein Szenario eines mit Medien überladenen Museums an die Wand, das sich von einer objektgestützten Dokumentation zugunsten eines diffusen Freizeitwertes immer weiter entfernt. Und das auf Kosten der Steuergelder! Und all das, so die Autorin, sei keineswegs geeignet, der jungen Generation einen Eindruck vom Krieg zu vermitteln. Im Gegenteil, dieser verkomme auf diese Weise zur Show.

In ihrem Urteil verbündet sich die Journalistin mit den Veteranen, die angesichts der Verlautbarung, dass nur 10% der Bestände im neuen Museum ausgestellt werden sollen offenbar ebenfalls schon ihre Sorge um das Gedenken an den Krieg zum Ausdruck gebracht haben.

Spezialmuseen: Erster Weltkrieg

Foto: http://www.partal.by/allnews/mainnews/330.html?print=1

In Zabrodje (Забродье), Minsker Gebiet, gibt es ein ganz besonderes Museum. Es hat den Krieg, hier den Ersten Weltkrieg, zum Thema und befindet sich in einer Kirche. Es handelt sich um eines der wenigen Privatmuseen und geht auf die Sammlung des Künstlers Boris Borisovič Citovič (Борис Борисович Цитович), selbst eine eindrückliche Persönlichkeit, zurück. Die Museumsgeschichte wird wie folgt kolportiert:

1975 verkaufte Boris Borisovič seine Wohnung in Minsk und zog mit seiner Frau in das Dorf Zabrodje. Bei einem Waldspaziergang stieß er auf einen verlassenen Militärfriedhof aus der Zeit des Ersten Weltkrieges. Seitdem lässt ihn das Thema nicht mehr los, er setzte sich für die Erinnerung dieser vergessenen Helden ein und begann, eine Sammlung zusammenzutragen. Den Friedhof richtete er mit seiner eigenen Hände Arbeit wieder her und baute die Kapelle der Heiligen Boris und Gleb. Eben dort ist das erste und (im postsowjetischen Raum?) bisher einzige Museum des Ersten Weltkrieges untergebracht. Die Kapelle ist übrigens als Gotteshaus aktiv.

Über das Museum hinaus findet in Zabrodje regelmäßig eine „Biennale“ statt, an der sich junge europäische Künstler beteiligen, darunter auch der Sohn von Boris Borisovič, der wiederum mit einer Deutschen verheiratet ist, auf deren Einladung hin sich auch viele deutsche Künstler an den Aktionen beteiligen. Auf deren Initiative geht der „Stein der Reue“ in der Nähe des Friedhofs zurück. Doch damit nicht genug: Auch eine einmalige Sammlung alter sowjetischer und europäischer Autos, häufig für historische Filmaufnahmen genutzt, geht auf die Initiative der regen Familie zurück.

Aktuelles Projekt ist die Gründung einer gemeinnützigen Stiftung zur Erinnerung an den Ersten Weltkrieg „Kroki“, dessen Vorsitzender Boris Borisovič selbst, sein Stellverterter Vjačeslav Bondarenko (der Autor des einzigen populärwissenschaftlichen Buches über den Ersten Weltkrieg in Belarus) ist. Boris Borisovič wiederum war unlängst in der Talkshow von Bondarenko „Otkrytyj format“ zu Gast, als es im November 2011 um die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg ging.

Wer jetzt noch nicht die Übersicht verloren hat, der sollte sich unbedingt auf den Weg nach Zabrodje machen!

Zwei Bildhauer

Foto: http://ctv.by/node/469833

Noch bis Ende Juli findet im Azgur-Museum eine Ausstellung des Bildhauers Konstantin Selichanov statt. Ein Besuch lohnt sich aus zwei Gründen: Zum einen zeichnet sich das Werk Selichanovs durch einen ganz eigenen Stil aus, den der Künstler selber „neuen sozialistischen Realismus“ nennt. In der aktuellen Ausstellung stehen Sportler der 30er Jahre im Zentrum – zugleich gesichtslos Teil einer imposanten Parade, und doch individuell, jeder für sich. An den Skulpturen arbeitete Selichanov, dessen Werk insgesamt vom Film inspiriert ist, fast 10 Jahre.

Der Ausstellungsort, das Azgur-Museum in Minsk, hat der Künstler nicht zufällig gewählt, und das ist auch der zweite Grund für einen Besuch der Ausstellung. Die Atmosphäre im Museum ist geprägt von den zahlreichen monumentalen Skulpturen vergangener Zeiten, die der Bildhauer Zair Azgur hier, in seiner Werkstatt, angefertigt hat. Zair Isaakovich Azgur (1908-1995) war ein sowjetischer Bildhauer, in Vitebsk geboren, hauptsächlich aktiv in Minsk. Von ihm stammen die Figuren am Opernhaus sowie zahlreiche Büsten bekannter Persönlichkeiten im Stil des sozialistischen Realismus. Seine Werkstatt bietet eine ideale Umgebung für die Werke Selichanovs, die zusammen mit Azgurs Skulpturen gleichsam eine Verbindung eingehen und Parallelen im Werk beider Künstler sichtbar werden lassen.

Unterwegs im Osten: Vitebsk

Die an der russischen Grenze gelegene, drittgrößte Stadt des Landes wird, wenn überhaupt, bei uns allenfalls mit Marc Chagall in Verbindung gebracht: Eines seiner berühmtesten Gemälde, „Über Vitebsk“, erinnert an seine Jahre in der Stadt. Lange war er allerdings in seiner Heimat gar nicht als „weißrussischer“ Künstler im Bewusstsein, vielmehr führten ihn die sowjetischen Lexika als französischen Künstler. Dabei wurde er in der Nähe von Vitebsk geboren (1887) und verbrachte seine Jugend hier. Im Sommer 1914 kehrte er noch einmal zurück. Aufgrund des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges konnte er nicht mehr nach Paris zurückkehren und verbrachte weitere acht Jahre in Vitebsk.

Dabei hinterließ er weitere Spuren, die bis vor wenigen Jahren für den Unkundigen kaum auszumachen waren. Erst allmählich entdeckt die Stadt ihren verlorenen Sohn wieder. Ohne Zweifel ist Chagall für den internationalen Tourismus, der bis heute kaum stattfindet, der wichtigste Grund, die Stadt zu besuchen. Für den belarussischen und regionalen Tourismus ist es darüber hinaus das jährlich stattfindende Musikfestival „Sljavanskij Bazar“.

Für einen Besuch der Stadt spricht weiterhin die offene, angenehme Atmosphäre, die der Fußgängerzone im Zentrum zu verdanken ist. Gerade bei sommerlichen Temperaturen sind die zahlreichen Cafés gut besetzt, man hört Straßenmusik und Jugendliche verbringen ihren Abend auf den Bänken und in den kleinen Parks.

Zu Beginn der Fußgängerzone steht das ehemalige Rathaus, das heute das Regionalmuseum beherbergt. Wer keine Lust auf die in der Tat ein wenig verstaubte Ausstellung hat, dem sei der Aufstieg auf den Turm zu empfehlen, von dem man einen wunderbaren Blick über die Stadt und Umgebung hat.

Am anderen Ende der Fußgängerzone stößt man auf das Marc-Chagall-Art-Center. Es steht in einem kleinen Park, in dessen Zentrum ein Obelisk an den Sieg über Napoleon erinnert. Dieser hatte sich einige Zeit in dem ebenfalls am Platz befindlichen Gouverneursgebäude aufgehalten, in dem heute der KGB residiert. Bevor sich der französische Kaiser entschied, doch gen Moskau zu ziehen, scheint es ihm Vitebsk angetan zu haben: Er plante einen längern Aufenthalt und bestellte sogar die Pariser Oper zur Unterhaltung in die Stadt.

Zensur in der Geschichtswerkstatt?

Die für den 20. Juni geplante, reguläre Sitzung des Filmklubs „Unbekanntes Belarus“ wurde am Vorabend kurzfristig durch den Leiter der Geschichtswerkstatt, Kuzma Kozak, abgesagt. Offenbar hatte es viele Anrufe  gegeben, so dass sich Kozak entschied, keinen weiteren Verdacht auf die Geschichtswerkstatt zu lenken. Was war der Hintergrund?

Der Klub der Filmhistoriker, der seit längerer Zeit in den Räumen der Geschichtswerkstatt tagt und viele historische Dokumentarfilme dort gezeigt hat, wollte an diesem Tag den Film „Stalin-Linie: Ehre oder Schande?“ von BelSat TV aus dem Jahr 2008 diskutieren. Darüber hinaus, so der Historiker Igor Kuznecov, ein Mitglied des Klubs, sollte auch der Film „Stalin-Line, Gomel-Region“ gezeigt werden. Hier geht es um Erinnerungen von Überlebenden des Stalin-Terrors. Der Film war in Gomel verboten worden.

Kuznecov wehrte sich gegen die seiner Meinung nach ausgeübte Zensur durch die Geschichtswerkstatt und kündigte an, das Programm des Klubs in Zukunft nicht mehr zur Disposition zu stellen.

Das Regionalmuseum in Vitebsk

An zentraler Stelle in der Altstadt, im früheren Rathaus, befindet sich heute das Regionalmuseum (Витебский областной краеведческий музей). Dort ist es sich bereits seit 1924 untergebracht, nachdem seine Sammlungen zuvor seit der Gründung 1868 an verschiedenen Orten geworden waren. Die Bestände selbst gehen zurück auf private Sammlungen, u.a. von A. Brodovskij. Diese wurden in den 20er Jahren durch die sowjetischen Behörden enteignet und mit den Beständen aus dem Kirchlichen Archäologiemuseum, dem Museum der Archivkommission und dem Historischen Museum zusammengefasst.

Heute hat das Museum mehrere Filialen, darunter ein Museum der Privatsammlungen, ein Literatur– und ein Kunstmuseum. Auch das Wohnhaus Ilja Repins in der Nähe von Vitebsk gehört zum Regionalmuseum. Schließlich gehört auch eine Dokumentationsausstellung in einem Keller dazu, in dem sich zwischen 1941 und 1944 ein Gefängnis des nationalsozialistische SD befand, über das sich allerdings auf der Website des Museums keine Information findet.

Die auffallend moderne Website steht in einem Kontrast zu der doch ein wenig verstaubten Ausstellung. Die Dauerausstellung zeigt die Geschichte des alten Vitebsk mit teilweise beeindruckenden Grabungsfunden, die jedoch wenig eindrücklich präsentiert werden. Der historische Teil umfasst weiterhin Waffen, einen Raum zu Napoleon in Vitebsk und den „Großen Vaterländischen Krieg“. Die eindrucksvolle ethnographische Abteilung zeigt Stoffe und Trachten in ihrem Herstellungsprozess, allerdings ohne dabei auf die regionalen Besonderheiten im Unterscheid zu Belarus im Allgemeinen einzugehen. Wie immer, leider muss man es auch hier wieder beklagen, gibt es so gut wie keine Texte oder andere Vermittlungsangebote, die es dem Individualbesucher erlauben, sich einen Überblick zu verschaffen. Führungen sind nur in russisch und belarussisch zu haben und dauern sehr, sehr lange ….

Unerwartet groß ist die Abteilung für Naturkunde, die, vor einigen Jahren neu hergerichtet, herrliche Dioramen mit Flora und Fauna präsentiert. Dieser Fundus erklärt dann auch Sonderausstellungen, die z.B. umfangreiche Schmetterlingssammlungen zeigt.

Interessant ist, dass große Teile der Sammlungen vor dem Einmarsch der Deutschen im Zweiten Weltkrieg nach Russland gerettet werden konnten und von dort offenbar auch zurückgekehrt sind. Dass seitdem trotzdem einiges fehlt, und zwar nicht allein aufgrund der Kriegshandlungen, lässt die Museumsmitarbeiterin nur vorsichtig durchblicken. Immerhin haben sich die alten Inventarbücher erhalten, so dass man die Sammlungsgeschichte besser als an den meisten Orten nachvollziehen kann.

Aktuelle Literatur zum Museum: 90 год Віцебскаму абласному краязнаўчаму музею: матэрыялы навук канф., Віцебск, 30-31 кастр. 2008 г. / рэдкал.: Г.У. Савіцкі [і інш.]. – Мінск: Медысонт, 2009.

Neues aus dem Museum der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges

Kürzlich befasste sich der stellvertretende Ministerpräsident, Anatolij Tozik, mit der Neueinrichtung des Museums. Konkret geht es aktuell um die Ausschreibung der Ausstellungsproduktion. (Zur Erinnerung: Die Ausstellungsgestaltung liegt bei dem polnischen Büro Redan).

Anlässlich der Sitzung kritisierte Tozik die Arbeit des Kulturministeriums und des Museums selbst bei der Erarbeitung der neuen Ausstellung. Im Ergebnis der Sitzung wurden Fristen der Ausschreibung und ein Zeitplan für die weitere Arbeit beschlossen. Es ist vorgesehen, dass seitens des Exekutivkomitees der Stadt Minsk erste Entwürfe für die zu beauftragende Firma am 12. August 2012 vorliegen werden.

Andere Nachrichten berichten im Gegenteil nicht von Kritik, sondern von der zeitgerechten und zufrieden stellenden Arbeit bei der Neueinrichtung. Auch dies war von Anatolij Tozik zu vernehmen. Teile der Ausstellung, so der stellvertretende Ministerpräsident, sollen am 9. Mai kommenden Jahres eröffnet werden.

Aus dem Museum selbst gibt es leider die fast bestürzende Nachricht von der Entlassung einer langjährigen Mitarbeiterin. Sie hatte fast 30 Jahre die Abteilung „Partisanenbewegung“ geleitet und war nicht nur in diesem Feld wissenschaftlich ausgewiesen. Auch kennt sie die Sammlung und das Archiv des Museums praktisch in- und auswendig, hat sich in den letzten Jahren als aufgeschlossene und kompetente Partnerin auch für die internationalen Museumspartner (z.B. Deutsch-Russisches Museum Karlshorst oder das Militärhistorische Museum der Bundeswehr in Dresden) erwiesen. Zudem ist sie eine der wenigen Mitarbeiter des Museums, die gut englisch spricht.

Mit ihr wurde der erst vor kurzem eingestellte Projektmanager für die Neueinrichtung entlassen. Beide sind beim Nationalarchiv untergekommen. Über die Umstände der Entlassung gibt es – naturgemäß – unterschiedliche Versionen. Sicher ist jedoch, dass diese personellen Verluste in der unmittelbaren Vorbereitungsphase des Umzugs dem Museum nur schaden können.

Neues (geheimes) Museum in Minsk

Foto: http://ctv.by/node/470538

Ein ganz besonderes Museum wurde kürzlich in Minsk gegründet – nicht: eröffnet. Besonders ist es deshalb, weil es bisher keiner kennt und sich wohl auch in Zukunft kaum die Möglichkeit ergeben wird, die Ausstellung zu besuchen. Es handelt sich um das viel berüchtigte und zuvor oft angekündigte „Museum der belarussischen Staatlichkeit“.

Es befindet sich in einem Teil des Präsidentenpalastes, in dem sich auch die Bibliothek befindet, und der für die Ausstellung von Grund auf saniert wurde. Das Museum ist nur von dort und auf Einladung durch den Präsidenten persönlich zugänglich. Damit ist auch schon der Sinn und Zweck benannt: Es geht, so darf man getrost vermuten, um eine Darstellung der Heldentaten von Alexander Lukaschenko.

Offiziell widmet sich das Museum der Geschichte des Landes seit der Amtsübernahme Lukaschenkos 1994 und dem Prozess der nationalen Identitätsfindung in dieser Periode. Ein ähnliches Museum gebe es in Europa nicht, sagte der Präsident stolz, womit er ohne Zweifel recht hat. Im ersten Saal sind staatliche Dokumente, Exponate zur Staatssicherheit und dem Geldsystem zu sehen. Saal zwei ist der Wissenschaft und Wirtschaft gewidmet, Saal drei der Medizin, Bildung, dem Sport und der Kultur, Saal vier der Ethnographie und den internationalen Beziehungen sowie die Geschenke, die der Präsident in seiner Amtszeit erhalten hat.

Die Ausstellung wurde durch Mitarbeiter des Staatlichen Historischen Museums zusammengestellt. Bis heute hält sich das Gerücht, dass der damalige Direktor, Sergej Vecher, seinen Hut nehmen musste, weil er dem Unternehmen kritisch gegenüberstand. Von ihm war zu erfahren, dass das Museum über den allerneuesten Stand der Technik, bester Vitrinen und Medien, vieles davon aus Deutschland, verfügt. Damit ist es das wohl am besten ausgestattete Museum in Belarus. Nur schade, dass es niemand besuchen darf, der nicht persönlich eingeladen wird.

Die erste Führung hat dann auch der Präsident selbst übernommen. Der eigentlich für die Führung vorgesehene Museumsführer zeigte sich entsprechend beeindruckt und gab an, viel Neues durch den Präsidenten erfahren zu haben. Der wiederum versprach wiederzukommen und noch viel mehr zu erzählen…

Archäologisches Museum in Brest feiert Geburtstag

Foto: http://www.belarus.by/rel_image/329

Mit einer Konferenz, einem Mittelalterfestival und zahlreichen weiteren Veranstaltungen feierte das Archäologische Museum in Brest in diesen Tagen seinen 30.  Geburtstag. Es ist das einzige Museum, in dem der Besucher sich ein umfassendes Bild von einer mittelalterlichen, ostslawischen Stadt machen kann.

Bei Ausgrabungen zwischen 1969 und 1988 wurden dort mehr als 220 Holzbauten des 11.-13. Jh. gefunden. Die Ausstellung dokumentiert die Grabungen sowie zahlreiche Exponate zur Alltagsgeschichte.

Das Museum befindet sich auf der sog. „Krankenhaus-Insel“ des Brester Festungsgelände und ist von dort über eine Brücke zu erreichen. Es ist eine Filiale des Regionalmuseums und verzeichnet nach eigenen Angaben pro Jahr 60.000 Besucher.

Chagall in Vitebsk

Das Chagall-Art-Center.

Sowjetische Lexika führten Marc Chagall als französischen Künstler, so dass er nach 1991 für seine belarussische Heimat erst wieder entdeckt werden musste. Ein erster Schritt war die Gründung des Chagall-Kunst-Zentrums in Vitebsk, in dem heute in wechselnden Ausstellungen graphische Arbeiten des Künstlers ausgestellt werden. 1997 wurde das Wohnhaus, in dem Chagall seine Jugend verbrachte, als Museum hergerichtet und verzeichnet seitdem eine wachsende Besucherzahl.

Außerdem kann man in der Stadt noch das Gebäude der Kunstschule besichtigen, das Chagall als Kommissar für die „Schönen Künste“ 1919 gegründet hat. Hier ist ein Zentrum für zeitgenössische Kunst geplant, von dem bisher aber nur eine Baustelle zu sehen ist. Darüber hinaus steht noch ein Gebäude, in dem Chagall vermutlich in die jüdische Sonntagschule gegangen ist.

Dass Chagall noch immer nicht ganz im belarussischen Bewusstsein angekommen ist, zeigt z.B. die Tatsache, dass bisher keines der Gebäude mit einer Gedenktafel oder einem anderen Hinweis versehen. Auch gibt es kein Tourismuskonzept, keine Hinweise in der Stadt, geschweige denn Merchandising-Artikel.

Glaubt man der umtriebigen Direktorin, Ludmilla Chmelnickaja, der beiden Chagall-Museen, so ist all das für die Zukunft geplant. Bis jetzt aber muss sie die Sammlungsbetreuung, Führungen und Veranstaltungen mit zwei wissenschaftlichen Mitarbeitern bestreiten.

Das ehemalige Wohnhaus von Marc Chagall.

Seit einigen Jahren veranstaltet das Kunstzentrum die jährlichen „Chagall-Lesungen“ und gibt seit 2000 ein „Bulletin“ heraus. Es informiert über Neuigkeiten zum Museum, Veranstaltungen, Ausstellungen, enthält wissenschaftliche Beiträge, Texte von Chagall sowie die Publikation der jährlichen Konferenzbeiträge. Nach der anfänglichen zweisprachigen Veröffentlichung in russisch und belarussisch, erscheinen die Hefte nunmehr nur auf russisch – zu wenig Feedback zu der belarussischen Ausgabe, wie mir die Direktorin sagte.

Erwähnenswert ist noch die umfangreiche Bibliothek zu Chagall, mit über 5.000 Bänden, die mittlerweile Forscher aus aller Welt anlockt. Zur Sammlung des Museums gehören ca. 300 Arbeiten des Künstlers, darunter eine vollständige Sammlung der Illustrationen zu Gogols „Toten Seelen“, die es sonst nur in Moskau und den USA gibt.

Chagall in Minsk

Foto: http://blogs.privet.ru/community/paam/125225034

Seit dem 7. Juni ist im Zentrum von Minsk eine Open-Air-Ausstellung mit Reproduktionen von Werken von Marc Chagall zusehen. Anlass ist der 125. Geburtstag des Künstlers, der in diesem Jahr mit verschiedenen Veranstaltungen und Ausstellungen begangen wird.

Die vom Museum für Zeitgenössische Kunst initiierte Ausstellung wird bis zu, 9. September, dem Geburtstag der Stadt Minsk, auf dem Jakub Kolas-Platz zu sehen sein. Sie zeigt 19 Arbeiten des in Vitebsk geborenen Künstlers, die sich heute in Moskau, Petersburg und Vitebsk befinden. Sie alle sind entstanden, bevor Chagall seine Heimat verließ und nach Paris umsiedelte.

Open-Air-Ausstellungen gibt es so gut wie keine in Belarus, es handelt sich also um ein für die Stadt ungewohntes Format. Hinzu kommt, dass die Arbeiten in einem vergrößerten Format gezeigt werden, womit sie dem Platz einen ganz ungewohnten Charakter verleihen.

Im September sollen im Kunstmuseum die vor Kurzem von einer Bank erworbenen Werke von Chagall und Soutine sowie weitere Originalwerke gezeigt werden. Dies gab Kulturminister Latuschko bei der Eröffnung am 7. Juni bekannt. In der Ausstellung sollen auch 92 Werke Chagalls aus Jerusalem gezeigt werden.

Gesellschaftliches Mäzenatentum à la Belarus

http://news.open.by/region/81329

Dank der beharrlichen Initiative des Museums der Geschichte von Mogiljow ist es gelungen, ein Statut des Großfürstentums Litauen zu erwerben. Es handelt sich um ein von Lew Sapega im Jahre 1588 herausgegebenes Dokument.

Eine erste Präsentation hat nun am 9. Juni im Stadtrat von Mogiljow stattgefunden. Demnächst soll es einen Ehrenplatz im Stadtmuseum erhalten.

Dem Museum war es gelungen, 15.000 $ aus privaten Spenden zu sammeln, die noch fehlenden 30.000 $, um das Dokument von einem russischen Sammler erwerben zu können, stiftete die Unternehmensgruppe „Alpari“. Ganz freiwillig war diese Spende jedoch wohl nicht, die Nationalbank hatte darum „gebeten“.

Für das Museum handelt es sich um eine bedeutende Neuerwerbung, wie der Direktor, Alexej Batjukow, betonte: „Der Kauf des Statuts wurde dank der großen gesellschaftlichen Unterstützung ermöglicht. Diese Aktion ist ein Teil der Maßnahmen zur Rückgewinnung kulturhistorischer Wertgegenstände“.

Neben dem Statut sind im Rahmen dieser Maßnahmen vier Slucker Gürtel erworben worden, die in Nezvizh gezeigt werden sollen (Svaboda.org, Kultura). Insgesamt sind laut Kulturministerium 10 Mrd. BYR für den Ankauf von Kulturgütern im Zeitraum 2011-2012 vorgesehen.

Neue Broschüre zu Minsker Museen

Das Minsker Touristenzentrum hat eine neue Museumsbroschüre-2 zu den Museen der Stadt herausgebracht. Jeweils mit Foto, Angaben zu Ort und Öffnungszeiten sowie einer kurzen Inhaltsangabe kann man sich damit schell über 15 Museen informieren. Ein Stadtplan zeigt die Lage der Museen in der Stadt.

Als schier unverzeihliches Versäumnis muss man leider anmerken, dass die Websites der einzelnen Einrichtungen nicht genannt werden!

Eine vergleichbare Broschüre gibt es zu den Theatern der Stadt.

Studiengänge zum Kulturmanagement in Belarus/Weißrussland

In der letzten Woche hatte ich Gelegenheit, an der Verteidigung einer Doktorarbeit (hier: Kandidat der Wissenschaft) zur „Zeitgenössischen Museumslandschaft in Belarus“, teilzunehmen – Anlass, einen Blick auf die verschiedenen Studiengänge zum Kulturmanagement in Belarus zu werfen.

Da ist zum einen das Angebot „Management des Kultur- und Sozialbereichs“ an der vergleichsweise jungen Universität für Kunst Kultur in Minsk. Eben diese Hochschule bietet darüber hinaus den Studiengang „Museumswissenschaften, Konservierung und Restaurierung historisch-kultureller Objekte“ an, wo die o.g. Dissertation verteidigt wurde.

An der Staatlichen Universität kann man an der Historischen Fakultät „Museumswissenschaften und Ethnologie“ belegen, an der Humanistischen Fakultät Kulturologie oder Medienmanagement am Institut für Journalistik studieren.

Die Universität Vitebsk hat einen Studiengang «Museumswissenschaften und Erhaltung historisch-kulturellen Erbes» eingerichtet.

Einige der Studiengänge führen zum Bachelor, der hier längere Zeit in Anspruch nimmt als in den meisten westlichen Universitäten, andere sind Master-Aufbaustudiengänge, die wiederum nur ein Jahr dauern. Am Bologna-Prozess in Belarus nicht beteiligt, so dass man hier nicht von einer automatischen Anerkennung der Studienleistungen ausgehen kann. Derzeit gibt es Überlegungen auf deutscher Seite, einen neuen, eigenen Masterstudiengang „Kulturmanagement“ über zwei Jahre zusammen mit einer belarussischen Universität einzurichten.

Die erwähnte Dissertation ist übrigens erst die zweite dieser Fachrichtung. Schwerpunkt der Arbeit ist die Vermittlungsarbeit der Museen in ihren Dauerausstellungen. Leider muss man bemängeln, dass die Autorin auf einen Blick jenseits von Belarus verzichtet hat, mit der Begründung, die „vaterländische“ Museumslandschaft analysieren zu wollen. Insgesamt ist die Arbeit ein weiterer wichtiger Schritt zur Professionalisierung der hiesigen Museumslandschaft, hält aber dem wissenschaftlichen Standard der internationalen Museumswissenschaften nicht stand.

Die Verfasserin, Evgenija L. Krasnova, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des Regionalmuseums Vitebsk, die erste Absolventin, Tamara A. Džumantaeva, Direktorin des Polocker Schloss- und Museumsensembles. Sie ist bei der Disputatio als eine der beiden Opponenten aufgetreten. Der zweite war Aleksandr A. Gužalovskij, Professor für Museumswissenschaften an der Staatlichen Universität (siehe oben) – die Museumswelt ist hier noch sehr überschaubar. Der Verlauf der Veranstaltung erinnerte mich ansonsten an meine eigene Verteidigung der Doktorarbeit: Vortrag der Kandidatin, Diskussion, Vorträge der Opponenten, die eigentliche Verteidigung. Das Ganze dauerte ca. 3 Stunden, alles sehr formalisiert, dafür aber auch deutlich feierlicher als ich es, zumindest an der Freien Universität Berlin, kennengelernt habe. Herzlichen Glückwunsch, Evgenija!

Gedenkstätte für die zerstörten Dörfer in Dalva

Unweit von Chatyn, der zentralen Gedenkstätte für die im Zweiten Weltkrieg zerstörten und verbrannten Dörfer in Belarus, befindet sich ein weiterer, kleinerer Gedenkort für die Dörfer. In dem ehemaligen, am 19.6.1944 zerstörten Dalva, gibt es ein Denkmal und ein kleines Museum.

Wie in Chatyn, zu dessen Verwaltung Dalva auch gehört, wurden auch hier die 44 Bewohner in eine Scheune gesperrt, die daraufhin abgebrannt wurde. Einer der Überlebenden initiierte die Gedenkstätte, die 1973 eröffnet wurde. Die Gestaltung der Gedenkstätte stammt von dem Bildhauer Vladimir Terebun. Insbesondere durch die angedeuteten Umrisse der ehemaligen Häuser erinnert die Konzeption stark an Chatyn, man könnte fast sagen, es handelt sich um ein Plagiat.

Das kleine Museum umfasst einen Raum und ist eher ein Gedenkraum, als eine Ausstellung. Auch hier gibt es keinerlei erklärenden Text, sondern nur eine Aneinanderreihung von Dokumenten, Fotos und Erinnerungsstücken, die im Einzelnen nicht erklärt werden. 

Nochmal: Belarus in Cannes

Der Film “Im Nebel” nach einer Erzählung des belarussischen Schriftstellers Vasilij Bykov hat bei den 65. Filmfestspielen in Cannes den Internationalen Kritikerpreis gewonnen (BelaPan 28.5.2012).

Die deutsch-belarussisch-lettisch-niederländisch-russische Ko-Produktion des belarussischen Regisseurs Sergej Lozhnica war der einzige russisch-sprachige Film im Wettbewerb um die Goldene Palme.

Die Geschichte des Films geht auf eine Erzählung Bykovs von 1989 zurück, in der ein Dorfbewohner der Kollaboration mit den deutschen Besatzern beschuldigt wird. Das Thema ist bis heute in Belarus nicht auf der offiziellen Agenda der Geschichtswissenschaft und Kriegserinnerung. Es stellt sich daher jetzt die Frage, ob und wann der Film auch in Belarus gezeigt wird.

Das Werk Bykovs, der in Belarus von vielen verehrt wird, ist aufgrund seiner durchaus kritischen Sicht auf den Krieg nach Regierungsmaßstäben nur bedingt akzeptabel. Gerüchten zufolge plant die Witwe des Schriftstellers ein Museum mit dem Nachlass des Schriftstellers; die Unterstützung staatlicherseits für dieses Vorhaben wird aber von einer bestimmten Auswahl an Exponaten und Werken abhängig gemacht.

Ausstellung in der Geschichtswerkstatt

Foto: http://ibb.by/ru/news/644

Noch bis zum 22. Juni zeigt die Geschichtswerkstatt die Ausstellung des weißrussischen Künstlers Vladimir Vol’nov „Asche in den Himmel“. Zur Eröffnung sprachen der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinden und Organisationen, Leonid Levin, und der Leiter des IBB Minsk, Viktor Balakirev.

Die Arbeiten des Künstlers reflektieren dessen persönliche Verarbeitung des Holocaust in Belarus. Dazu verwendet er persönliche Erinnerungs- und Fundstücke von Opfern der nationalsozialistischen Besatzung und verarbeitet sie in Gemälden, Kollagen und Installationen. Vol’nov hat den Krieg als 4jähriger in Vitebsk überlebt, bevor er in ein Kinderheim in Russland kam. Erst 1961 wurde sein Vater gefunden, und er kehrte in seine Heimat zurück. Dort war ihm 2011 eine Einzelausstellung gewidmet.

Ursprünglich war geplant, eine der großen Installationen „Asche in den Himmel“ im Parkgelände vor der Geschichtswerkstatt aufzustellen. Darauf wurde aufgrund der Wetterbedingungen, aber auch des wohl unendlichen Genehmigungsverfahrens verzichtet. Sehr zum Vorteil der Geschichtswerkstatt, wie ich finde, die mit dieser Ausstellung eine der leider zu seltenen, für Minsk und Belarus so besonderen Ausstellungen zeigen kann. Noch immer ist die Auseinandersetzung mit dem Holocaust und den individuellen Erinnerungen an den Krieg in der zeitgenössischen Kunst in Belarus eine Seltenheit. Wo, wenn nicht in der Geschichtswerkstatt, sollte sie gezeigt werden?

Die düsteren, aber sehr wirkungsmächtigen Werke kommen in dem Gebäude, dem letzten erhaltenen Haus im Gebiet des ehemaligen Ghettos, eindrucksvoll zur Geltung. Zuvor war die Ausstellung in Nienburg in Deutschland zu sehen. Arbeiten des Künstlers sind in Deutschland bereits mehrfach ausgestellt worden.

Gehälter an der Staatlichen Universität

Foto: istfak.bsu.ru

Im Februar und April habe ich einen „Speckurs“, also nach deutschem Sprachgebrauch eine „Übung“ an der Historischen Fakultät der Staatlichen Universität abgehalten. Mein Auftraggeber war der Lehrstuhl für Museumswissenschaften und Ethnologie und das Thema meines Kurses das „Ausstellungsmanagement“.

Insgesamt habe ich 49 akademische Stunden (à 40 Minuten) unterrichtet, die nach für mich noch immer undurchschaubaren Berechnungen in Vorlesung, Seminar, Hausaufgaben, Konsultation, Examen und Kontrollarbeiten aufgeteilt waren. Letztlich belief sich der Aufwand auf eine Arbeitszeit, wie sie in Deutschland für ein Seminar im Semester anfällt, die Vorbereitung und Korrekturen der Seminararbeiten freilich ausgeschlossen. In diesem Fall habe ich noch die Kopien für die Studenten hergestellt, was hier deutlich teurer ist als in einem deutschen im Copyshop.

Für all das habe ich ein Honorar in Höhe von 948.000 BY Rubeln bekommen, zum Auszahlungszeitpunkt ca. 94 €. Hätte ich den Rang eines Professors (hier: Doktor der Wissenschaften) (und nicht bloß einen Doktortitel, hier: Kandidat der Wissenschaften), dann hätte ich (unwesentlich) mehr bekommen. Erhalten habe ich das Honorar am 10. April, dem Tag jeden Monats, wo alle Dozenten und Angestellten der Uni ihr Geld bekommen. Man erhält es in bar und muss es sich an der zentralen Kasse der Universität gegen Vorlage des Passes abholen. Das hat aber immerhin einwandfrei geklappt!

Die auch für belarussische Verhältnisse niedrige Bezahlung für die Lehre führt dazu, dass es immer weniger Nachwuchs für die Universitäten gibt. Das wiederum hat zur Folge, dass das Durchschnittsalter der Professoren und Dozenten immer weiter ansteigt, wie der Rektor der Universität kürzlich beklagte. Es liegt zwischen 57 und 65 Jahren! Ein junger Dozent, der noch keinen akademischen Titel trägt, erhält derzeit im Monat 2.600.000 Millionen BY Rubel (ca. 310 $), ein Professor immerhin schon 6.500.000 BY Rubel (ca. 780 $). Die Lehrbelastung bei den Engagements ist dabei deutlich höher als bei uns, von dem niedrigen Organisationsgrad und bürokratischen Aufwand aller Aktivitäten, die nochmals Zeit kosten, ganz zu schweigen.

Proteste gegen Grabungsarbeiten bei einem Massengrab

Foto: https://nash-dom.info/novosti/vse-novosti/proisshestviya/perekopayut/

Aktivisten des Menschenrechts-Netzwerkes „Nash Dom“ haben Protest erhoben gegen Grabungsarbeiten in Drozdy (bei Minsk). Dort befindet sich ein Massengrab aus dem Zweiten Weltkrieg, in dem Insassen des dortigen KZs begraben sind. Dabei handelte es sich um Kriegsgefangene und Zivilbevölkerung.

Das Netzwerk hat online sowohl über die historischen Hintergründe, als auch über die Pläne der Behörden berichtet und die Bevölkerung aufgerufen, sich an die zuständigen Abgeordneten zu wenden. Offenbar mit Erfolg: Immerhin sind diese an den Ort des Geschehens gefahren, um sich vor Ort ein Bild von der Lage zu machen. Die konkrete Aktion endet mit dem Aufruf an alle Bürger, ihre Rechte zum Protest wahrzunehmen und nicht zu schweigen.

 

Musical Jesus Christ Superstar in Belarus/Weißrussland verboten

Foto: http://en.ria.ru/world/20120301/171669636.html

Die Nachricht ist eigentlich schon veraltet, aber angesichts der anhaltenden Nachrichten zum Einfluss der Orthodoxen Kirche auf Kunst und Kultur in Russland, bleibt ein gewisser Nachgeschmack. Im Februar meldete BelPan (13.2.2012), dass das Musical Jesus Christ Supersrat in Belarus verboten wird.

Hintergrund war die Petition von 500 Gläubigen, die sich an die Regionalverwaltung gewandt hatten. Sie hatten insofern Erfolg, als der für Mogilev bereits von dem St. Petersburg Rock Opera Theater angesetzte Aufführungstermin wieder abgesagt und statt dessen die Aufführung der Rockoper „Orpheus und Euridike“ des russischen Komponisten Aleksandr Zhubrin ins Programm genommen wurde.

Mal ganz abgesehen von den finanziellen Verlusten des örtlichen Veranstalters ArtFest war dieser von der Intervention der Kirche überrascht, zumal bisher keine Einwände gegen das Musical überhaupt (das seit 41 Jahren gezeigt wird!) und auch nicht bei den Planungen für mehrere Veranstaltungen in Belarus (Gomel, Mogilyov, Brest and Minsk) erhoben worden waren. Erst jetzt bemängelten die Gläubigen in ihrem Brief, und mit ihnen die Kirche, dass Judas in dem Musical in einem zu positiven Licht dargestellt werde.

Ein Sprecher von ArtFest äußerte sogar Unverständnis darüber, dass in einem säkularen Staat und bei entsprechenden Gesetzen, die ein Verbot nur aufgrund von Gewalt, religiösem Hass oder Pornographie zulassen, die Kirche eine solche Entscheidung herbeiführen kann. Mit diesem Widerspruch sollen sich nun auch das Kulturministerium und das Nationale Komitee für Religiöse Angelegenheiten beschäftigen.

Ein vergleichbarer Einfluss der Kirche auf Staat, Politik und Gesellschaft wie in Russland, ist in Belarus nicht zu beobachten. Zwar ist der Präsident an Feiertagen und zu wichtigen Anlässen häufig in der Kirche zu sehen und auch über Konsultationen Lukaschenkos mit kirchlichen Würdenträgern wird immer wieder berichtet. Die Kirche erhält jedoch kein Geld vom Staat und ist auch in der öffentlichen Wahrnehmung deutlich getrennt von Politik und Regierung.

Lange Nacht der Museen in den Regionen

Das Museum der Stadt Mogiljov im Rathaus, Foto: http://globus.tut.by/mogilev/

Die Lange Nacht findet nicht nur in Minsk, sondern zunehmend auch in den Regionen statt. In Mogilkov zum Beispiel beteiligten sich das Museum der Geschichte der Stadt, das Regionale Heimatmuseum und das Ethnographische Museum an dem Programm am Internationalen Museumstag. Darüber berichtet das Portal für Informationen über die Regionen region.ej.by. Höhepunkt des vielfältigen Programms war um 22.00 Uhr ein Fackelzug, der viele Besucher anzog.

 

Nostalgie im Naturkundemuseum

Die Lange Nacht der Museen habe ich genutzt, mir endlich mal das Naturkundemuseum in Minsk anzusehen. Es befindet sich im Keller des Gebäudes, in dem auch das Nationale Historische Museum untergebracht ist – zum Leidwesen beider Museen. Das Historische Museum ist ja schon lange auf der Suche nach einem neuen Gebäude, um das „Staatlichen Museum für Natur und Ökologie der Republik Belarus“, wie es korrekt heißt, steht es noch schlechter. Selbst in kleinen Räumen im Untergeschoss untergebracht, träumen die Mitarbeiter ebenfalls von einem neuen und größeren Gebäude. Und das Historische Museum sieht im Auszug der Kollegen die einzige Chance, sich im derzeitigen Gebäude dauerhaft und mit der nötigen Renovierung erweitern zu können.

Der Eintritt zur Langen Nacht der Museen war frei, wie auch erstmals im Historischen Museum, übrigens im Unterschied zu allen anderen Museen, die sich daran beteiligt haben. Ein besonderes Programm hat das Naturkundemuseum nicht angeboten, aber es war, wie alle anderen Museen auch, mehr als gut besucht. Insbesondere Familien mit Kindern, aber auch viele junge Leute drängten sich vor den Vitrinen, lasen die russisch-belarussischen Beschriftungen und fotografierten sich vor den ausgestopften Tieren.

Nach all den historischen und militärischen Museen habe ich den Besuch sehr genossen! Das Museum ist klein, hat gerade mal acht mäßig große Räume, bietet keinerlei modernen Museumsservice und wirkt mit seiner Vitrinenausstellung mit mineralogischen Funden, Pflanzen und Tierpräparaten ein bisschen verstaubt. Aber es versprüht den Geist des guten, alten Museums, in dem man sich gut benimmt, die Exponate mit gebührendem Respekt betrachtet und in jedem Fall etwas dazulernt. Das habe auch ich getan, nämlich über die Welt der belarussischen Flora und Fauna, die zugleich europäisch vertraut und doch mit Bären, Wölfen, Störchen und Wisenten so einzigartig ist. Und so stand ich – wie früher in meinem Lieblingsmuseum, dem Bonner Museum König – lange vor den immer wieder faszinierenden Panoramabildern, die die lebensgroßen Tiere in ihrer natürlich nachempfundenen Umgebung zeigen und den Besucher in eine andere Welt des Museums und der Natur entführen.

„Nachkriegsfrühling“ – eine gelungene Sonderausstellung im Museum der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges

Derzeit zeigt das Museum des Großen Vaterländischen Krieges die dritte aus einer Reihe von Sonderausstellungen , deren Exponate in der Bevölkerung per Aufruf gesammelt wurden. Dieses Mal sind es Kleider und Accessoires für die Dame in den beiden Jahrzehnten nach dem Krieg. Dabei sind einzigartige Ausstellungsstücke zusammengekommen: handgenähte Kleider und Abendtaschen, Familienschmuck, der den Krieg wie auch immer überstanden hat, frühe Importe, u.a. aus Tschechoslowakei und der DDR, Gummiüberschuhe zur Schonung der einzigen Abendschuhe, Haarschmuck, Fotografien und vieles mehr.

Man kann auch bei dieser Ausstellung wieder vieles bemängeln, was nicht dem internationalen Standard entspricht. Sieht man von Beleuchtung, Präsentation, technischer Ausstellung etc. ab, so bleibt, wie fast immer, zu beklagen, dass es keinerlei Texte gibt. Damit fehlt jede Einordnung in den historischen Kontext, aus dem wir entnehmen könnten, wie es um die weibliche Bevölkerung nach dem Großen Vaterländischen Krieg stand, woher unter den gewaltigen Herausforderungen der Nachkriegszeit die Kleider und Stoffe kamen und wie sich das kulturelle und gesellschaftliche Leben in Friedenzeiten neu entwickelte, zu dessen Veranstaltungen die Kleider getragen wurden.

Man kann sich aber auch einlassen auf das Konzept dieser liebenswerten Ausstellung, in der einem angesichts des im übrigen Museum so bedrückenden Themas das Herz aufgeht. Für fast jedes Exponat findet sich eine kleine persönliche Geschichte darüber, von wem es stammt und unter welchen Umständen es entstanden oder in die Familie gekommen ist. Während man die teilweise einfach nur schönen oder anrührenden Erinnerungsstücke betrachtet, begleitet einen Tanzmusik der frühen 50er Jahre, und an einer Stelle kann man die Düfte der legendären Parfümfabrik „Neue Morgenröte“ ausprobieren oder sich ein einem Fotoabbild eines der Kleider fotografieren lassen.

Auf diese Weise verlässt man das Museum wohl gestimmt und durchaus zufrieden. So geht es übrigens wohl den meisten Besuchern, bei denen die Ausstellung sehr beliebt ist. In den ersten beiden Monaten kamen 3.000, der Journalistin von Narodnaja Volja hat es so gut gefallen, dass sie einen großen Artikel geschrieben hat. Die Ausstellung ist noch bis zum 1. Juni zu sehen.

Lange Nacht der Museen

Heute ist es mal wieder soweit, und das auch noch am Internationalen Museumstag: In Minsk startet die Lange Nacht der Museen mit einem vielfältigen Programm.

Reitsport in Belarus/Weißrussland

Der Außenreitplatz in Baran'.

Die Eröffnung der Grünen Saison auch in Belarus ist Anlass, noch mal einen Blick auf die Reiter- und Pferdeszene zu werfen. Seit April laufen die Qualifikationsturniere in Ratomka, wobei mir erst nach einem Jahr wirklich bewusst geworden ist, dass es eine Turnierszene wie bei uns in Deutschland gar nicht gibt. Es sind einfach zu wenig Reiter, die daran teilnehmen, auch wenn der Sport sich zunehmend verbreitet. Jedenfalls finden Turniere in der Dressur unterhalb von S gar nicht statt, die Wettbewerbe beginnen mit „Malyj Priz“ („Kleiner Preis“ = St. Georg) über „Mittlerer Preis“ (= Intermediaire) bis zum „Großen Preis“ (= Grand Prix). Bei den Springern und Vielseitigkeitsreitern ist es etwas anders, hier teilt sich die Spreu vom Weizen durch die Höhe, so dass man im Vergleich sagen könnte, die Turniere beginnen auf L-Niveau.

Insgesamt wird die Szene durch die wenigen Profi-Reiter bestimmt. Meine eigenen Ausflüge haben mich z.B. zu Alesija Tarasevich (Springen), zu Ekaterina Efremova (Dressur) und Irina Lis (Dressur) und zum „Zentrum der olympischen Reserve im Reitsport und der Pferdezucht“ in Baran’ und einem Richter-Fortbildungsseminar bei Natalja Petuchova geführt. An den Olympischen Spielen nimmt in diesem Jahr nur die Vielseitigkeitsreiterin Elena Telepuschkina teil.

Im Freizeitbereich ist der Reitsport allerdings auch auf dem Vormarsch. Immer mehr Kinder und Jugendliche nutzen die mittlerweile zahlreichen Angebote. Eine systematische Förderung oder ein Vereinswesen gibt es bisher nicht. Eigene Pferde werden immer mehr zum Statussymbol der neuen Mittelschicht. Die Unterbringung in einem Stall mit Halle und Vollpension kostet durchschnittlich 200 $, was bei einem Durchschnittseinkommen von 150-400$ eine stattliche Summe ist. Im letzten Jahr fand die erste und bisher einzige Pferdemesse in Minsk statt. Hier war zu beobachten, dass der Reitsport in die Konzeption des Ökotourismus integriert wird.

Belarussischer Reitsportverband: http://www.horses.org.by/

Nationales Reitsportzentrum Ratomka: http://www.ratomka.of.by/

Belarussische Gesellschaft für Reitsport und Hippotherapie: http://www.sudarrb.com/ru.html

Reitsport-Portal: http://www.podkova.by/
Hier sind u.a. Reitsportanlagen, Adressen zur Zucht und Geschäfte genannt, darunter das einzige Internet-Versand in Belarus: http://www.horsemarket.of.by/

Weitere Links und Infos bietet die private Seite: http://www.koni.by/

Spezialmuseen: Straßenbahnmuseum

Foto: http://www.photobelta.by/ru/photos?rubric_id=43&theme_id=3949&id=16374

Über die Geschichte des Straßenbahnverkehrs informiert ein Museum in einem alten Waggon. Der Wagen ist ein Geschenk aus Leningrad aus dem Jahre 1959. nach 20 Jahren im Einsatz wurde er zum Museum. Zu den Exponaten gehören der erste Arbeitskittel eines Straßenbahnfahrers, Bücher und Fotos.

 

Archive in Belarus/Weißrussland

Ein Forschungsprojekt führte mich jüngst erstmals in belarussische Archive. Vor dem Hintergrund meiner Erfahrungen in verschiedenen russischen Archiven zu unterschiedlichen Zeiten, war ich hier überrascht, wie einfach und letztlich unkompliziert der Zugang funktionierte. Natürlich braucht man auch hier ein Empfehlungsschreiben, aber einmal registriert, geht es problemlos.

Mein Thema war der „Große Vaterländische“, für den es einen eigenen, zweisprachigen (russisch – deutsch) Archivführer über die vorhandenen Bestände in allen Archiven von Belarus gibt: Dokumente zur Geschichte des Zweiten Weltkrieges in den Staatsarchiven der RB, 1941-1945, Minsk 2003.

Ähnlich positive Erfahrungen habe ich im Archiv für Kino- und Fotodokumente sowie im Minsker Bezirksarchiv gemacht. Angeblich ist auch das Militärarchiv für die Nutzung offen, wie es in einem Bericht anlässlich des „Tags der Archivare“ (6. Oktober) in der Militärzeitung heißt. Dieses Abenteuer steht mir noch bevor. Ebenso der Versuch, in das bisher geschlossene KGB-Archiv zu gelangen.

Einen guten Überblick verschaffen kann man sich auf der zentralen Website der Archive, von wo man auch zu allen anderen Archive gelangt.

Akten zur Geschichte von Belarus, die sich in ausländischen Archiven befinden, sollen in einer Datenbank zusammengefasst werden. Das Protal soll Archive der GUS und anderer Staaten zusammenführen. Von besonderem Interesse sind dabei die Dokumente zur Familie der Radziwills, die sich größtenteils in Warschau und teilweise in Litauen, Russland, der Ukraine und Deutschland befinden.

Ein Archivthema, das hier viel Beachtung findet, ist die Ahnenforschung. Auf der Seite der Staatlichen Archive wird gesondert auf weitere Datenbanken und Quellen verwiesen, mit denen man genealogische Forschungen betreiben kann. Hier wiederum gilt ein besonders Augenmerk der jüdischen Geschichte. Was die Suche nach Soldaten in Belarus aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges betrifft, gibt es einen umgekehrten Hinweis auf den Seiten des DRK für Belarus/Weißrussland.

„The uncataloged Museum“ – Ein amerikanischer Museumsblog schaut auf Minsk

Am 13. April ist unsere Seminarreihe zum Ausstellungs- und Museumsmanagement im Goethe-Institut gestartet. Die erste Sitzung hat Katrin Hieke, eine Expertin für Marketing und Tourismus im Museumsbereich bestritten. Sie ist in Bonn bei der Agentur Projekt 2508 tätig. Über ihre Erfahrungen hat sie in einem amerikanischen Museumsblog geschrieben.

 

Familiensitz der Dostoevskijs

Dieser befindet sich in der Region Brest und soll nun mit Mitteln des Unionsstaates restauriert und zu einem kulturellen Anziehungspunkt ausgebaut werden. Das Gebäude ist 1943 im Krieg zerstört worden und danach völlig verfallen. Nun soll dort ein Museum zu Leben und Werk des berühmten Autors entstehen.

 

Schwarze Liste

Laut Kulturministerium gibt es keine „schwarze Liste“ (BelaPan 22.2.2012) mit unerwünschten Musikern in Belarus . So lautete die Antwort auf eine Eingabe der Band „Adis Abeba“, die sich nach Absagen von Konzerten der Gruppen „Neuro Djubel“ und „Krambambulja“ in Minsk an die Behörden gewandt hatten.

“We believe that music bands whose activities and works are in line with the law, national traditions and generally established standards of conduct should be in demand,” sagte der stellvertretende Kulturminister. “We do not see any problems with providing venues and air time to Belarusian-language bands and singers.”

Dass es mit oder auch ohne eine konkrete Liste für viele Musikgruppen schwierig bis unmöglich ist, in Belarus aufzutreten, ist bekannt. Gerade hat Ingo Petz wieder darüber in der FAZ berichtet (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 14.04.2012 Seite Z4). Viele Bands sind mit Auftrittsverboten belegt oder werden durch sog. technische Probleme an ihren Auftritten gehindert.  Im letzten Jahr konnten Rockkonzerte u.a. von Lyapis Trubetskoi, Zmitser Vaytsyushkevich, Neuro Dubel, N.R. M. and Krambambulya, ein Projekt von Lyavon Volski, nicht stattfinden. Immer wieder ist daher die „Schwarze Liste“ im Gespräch, auf der, so heißt es, 30 einzelne belarussische und ausländische Künstler und 15 Bands stehen.

Besucherzahlen Minsker und belarussischer/weißrussischer Museen

Angesichts einiger bevorstehender Kulturereignisse, waren die Besucherzahlen der Museen eine Meldung des Kulturministeriums wert. 2011 besuchten 5 Millionen Menschen die Museen von Belarus (zum Vergleich: 1,9 Mio waren es in den Theatern).

An der Spitze der meist besuchten Museen steht die Festung Brest mit 300.000 Besuchern, es folgt das Museumsensemble in Gomel mit 200.000. Ebenso viele Besucher zählte das Schloss Nesvizh (schon jetzt vor der Wiedereröffnung im Juni), das Schloss Mir besuchten 180.000 Interessierte. Das Nationale Kunstmuseum zählte 160.000 Besucher.

Die steigenden Zahlen bestätigen den Minister in seinem Vorhaben, den Tourismus weiter zu entwickeln. Günstig würden sich dazu die Neueröffnung des Schlosses Nesvizh im Juni erweisen, ebenso wie die Eröffnung der Michail Savitskij-Galerie und weitere Vorhaben. Die Erwähnung des „Museums der belarussischen Staatlichkeit“ in diesem Zusammenhang ist insofern interessant, als dies, so die bisherige Information, nicht für den Publikumsverkehr geöffnet sein soll. Außerdem sollen Belarussische Kulturzentren im Ausland eröffnet werden. Eines gibt es bereits in Warschau, weitere sind für Moskau.

Neueröffnung der Ausstellungsräume im Schloss Nesvizh steht kurz bevor

Als eines der bedeutendsten Kulturereignisse hat der Kulturminister Pavel Latuschko die Wiedereröffnung des Radziwill-Schlosses Nesvizh im Juni nach der Restaurierung bezeichnet.

Angesichts der gestiegenen Besucherzahlen von Museen (5 Mio im letzten Jahr), will Latuschko dieses Ereignis auch nutzen, um den Tourismus fördern. Positive Erfahrungen hat man bereits beim Schloss Mir gemacht, wo die Einnahmen nach der Neueröffnung um ein 8faches gestiegen waren, so der Minister. Zusammen mit den durchschnittlich 60 Festivals in Belarus pro Jahr biete das neue Schloss einen weiteren Anziehungspunkt für einheimische und ausländische Touristen.


Neues vom Museumsviertel in Minsk

Foto: http://www.profi-forex.org/news/entry1008115626.html

Eine neuerliche Meldung des Museumsdirektors Vladimir Prokopcov (BelaPan 13.4.2012) kündigt den schon länger geplanten Ausbau des Viertels rundum das Nationale Kunstmuseum für 2017 an. Demnach geht die Idee auf den Präsidenten selbst zurück.

Ziel des Ausbaus zum Museumsviertel ist die Erweiterung der Ausstellungsfläche, so dass die gesamte Sammlung des Kunstmuseums gezeigt werden kann. Bisher sind insbesondere die Bestände alter und moderner belarussischer Kunst sowie der orientalischen Kunst weitestgehend im Depot. Außerdem soll ein Besucherservicebereich mit Café und Shops entstehen.

In die Erweiterung einbezogen wird das ehemalige Wohnheim der Staatlichen Universität. Bei anderen Gebäuden, die derzeit noch mit Wohnungen belegt sind, gibt es noch Verhandlungsbedarf, ob uns wie diese in die Erweiterung mit einbezogen werden können.

Warum die Meldung gerade jetzt wieder aktuell ist, ist nicht erkennbar. Die Idee jedenfalls ist nicht neu und immer mal wieder im Gespräch.

Subbotnik für das Museum

Auch in diesem Jahr sollen die Erlöse des Frühjahr-Subbotniks, der am 21. April stattfand, wieder dem Museum der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges zugute kommen – ganze 50 % der Einnahmen sollen für den Neubau verwendet werden.

Talkshow zur Lage der Museen in Belarus/Weißrussland

Am 2.4.2012 hat sich die wöchtenliche Talkshow von Vjacheslav Bondarenko, Otkrytj format, mit der aktuellen Lage der Museen befasst. Gäste waren der Direktor des Nationalen Kunstmuseums, der Direktor des Museums der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges, die stellvertretende Leiterin der Museumsabteilung im Kulturministerium und zwei Künstler. Außerdem gab es, wie immer, Wortmeldungen aus dem Publikum, darunter vom Direktor der Gedenkstätte Chatyn, Alexander Guzhalovskij, einem führenden und kritischen Professor für Museumswissenschaften an der BGU oder Alexander Zimenko, einem freien Kurator für zeitgenössische Kunst.

Ausgangspunkt war die Einführung eines Eintrittsgeldes für den Ruhmeshügel. Es kamen aber auch andere Themen zur Sprache wie der Anstieg der Besucherzahlen, die in belarussischen Museen fehlenden Shops und Servicebereiche, Veranstaltungsprogramme und Lange Nacht, private Sammlungen sowie die Frage, warum es in Belarus eigentlich klein Open-Air-Automuseum gibt.

Interessanter als diese Frage war aus meiner Sicht die Umfrage, die während der Sendung bei den Zuschauern durchgeführt wurde. Demnach halten 83% der Belarussen Museen für einen Ort der Aufklärung, nur 17 % bringen sie mit Freizeit und Unterhaltung in Verbindung.

Insgesamt war die Sendung wenig ergiebig. Es gab kein erkennbares Konzept bzw. eine klare Fragestellung. Die Beiträge wirkten daher überwiegend beliebig, wie auch die zusammenfassende Stellungnahme von Bondarenko in seinem Blog: Angesichts der Tatsache, dass Museen lebendige Orte sein sollten, nehme die Verwaltung überhand.

Verfilmung einer Bykov-Erzählung in Cannes

Der u.a. von “Belarusfilm“ mitproduzierte Film „Im Nebel“ nach einer Vorlage des belarussischen Schriftstellers Vassilij Bykov ist Teil des Wettbewerbs bei den Filmfestspielen in Cannes. Der Regisseur Sergei Loznitsa stammt ebenfalls aus Belarus. Thema des Films ist der Widerstand der Partisanen gegen die deutschen Besatzer im Zweiten Weltkrieg.

Gerüchteküche aus dem Nationalen Kunstmuseum

Aus Kollegenkreisen ist zu hören, dass das Kunstmuseum das für dieses Jahr zugesagte Budget für Sonderausstellungen vom Kulturministerium nicht bzw. nicht in vollem Umfang erhält. Deshalb könne, so heißt es, keine der geplanten Ausstellungen stattfinden, mit einer Ausnahme: Der Präsentation der von der Belgazprombank neu angekauften Gemälde , die in der Zwischenzeit in Belarus sind (BelaPan 10. April) und im September im Kunstmuseum gezeigt werden sollen. Es handelt sich um die Gemälde „les Amoureux“ von Marc Chagall und “Les grands pres a Chartres” von Chaim Soutine. Es sind die ersten und bisher einzigen Werke der beiden Künstler in Belarus.

Für weiteren Unmut sorgt die Tatsache, dass auch aus Russland, genauer aus der Eremitage, eine „versprochene“ Ausstellung zu 1812 nicht nach Minsk kommen wird. Offenbar fehlt auch hierfür auf weißrussischer Seite das Geld. Und schließlich gab es (bisher freilich interne) Pläne, im Rahmen der Städtepartnerschaft Bonn-Minsk eine Ausstellung zu realisieren. Dieses Projekt wurde ebenfalls auf Eis gelegt – zum einen wegen des fehlenden Geldes, zum anderen aber auch wegen der angespannten politischen Lage, die insbesondere auch das Verhältnis zu Deutschland betreffen.

Budget der Belarussischen Staatlichen Universität

Einer Meldung von BelaPan  im Februar zufolge betrugen die Einnahmen der BGU im Jahre 2011 642.9 Billionen Rubel ($ 77 Millionen). Das sind 60% mehr als im Vorjahr, so der Rektor der Universität. Von diesen Einnahmen stammen 45 % (291.9 Billionen Rubel) von der Regierung. Den größten Teil machen die Studiengebühren aus, ca. 60 % der knapp 30.000 Studierenden müssen diese entrichten. Davon sind ca. 2.000 Ausländer aus 53 Ländern, so die Angaben der Universität.

Künstler und Direktor – Vladimir Prokopcov

Foto: http://goals.by/other?escape=false&page=15

Eine weithin bekannte Persönlichkeit ist der Direktor des Nationalen Kunstmuseums, Vladimir Prokopcov. In der Zeit nach seiner Amtsübernahme als Leiter des Museums 1998 hat das Museum einen Erweiterungsbau erhalten und zahlreiche Ausstellungen realisiert. Für die Zukunft ist ein ganzes Museumsviertel rund um das Kunstmuseum gepant.  Als charismatische Persönlichkeit, häufig im Fernsehen und auf so gut wie allen kulturellen Veranstaltungen der Stadt anzutreffen, gelingt es Prokopcov, das Museum immer wieder ins Gespräch zu bringen. Er ist Professor für Kunstgeschichte, Ehrenmitglied der Akademie der Wissenschaften und natürlich Mitglied des Künstlerverbandes. Außerdem ist er Mitglied der Nationalversammlung und damit durchaus eine politische Persönlichkeit.

Neben seiner Leitungsfunktion ist Prokopcov aber auch weiterhin noch als Künstler tätig. Zu seinen Sujets gehören Stillleben, Landschaften und Themenbildern, in denen er nicht selten selber vorkommt und die bisweilen auch in die Sammlung des Nationalen Kunstmuseums übergehen.

 Hier ein Interview mit Prokopcov aus dem Jahre 2009: http://www.pinguin.by/krupnym-planom/234-prokopzov.html

Konferenz „Belarus und Deutschland“

An der Linguistischen Universität, am Lehrstuhl für Geschichte und Belaruswissenschaften, fand am vergangenen Freitag die 11. internationale Konferenz zum Thema „Belarus und Deutschland“ statt. Veranstalter der jährlich stattfindenden Konferenz ist Sergej Novikov, ein auch in internationalem Kontext ausgewiesener Historiker. International freilich wurde die Konferenz durch einige russische Kollegen und mich.

Themenschwerpunkt war die Militärgeschichte, die meisten Vorträge widmeten sich dem „Großen Vaterländische Krieg“. Hervorzuheben sind aus meiner Sicht die Beiträge von Julija Kantor aus Petersburg zur Frage der Kulturgüterverluste (leider zu wenig zu Belarus), Anatolij Šarkov von der Akademie des Innenministeriums über die Vergeltungspolitik gegenüber Kollaborateuren (leider kaum Quellenbezug) und Igor Kusnecov von der BGU über die Forschungen zu Trostenec (präzise und sehr kritisch!). Als reaktion auf meinen eigenen Vortrag über die neue Konzeption des Museums der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges bekam ich durchweg zu hören, dass sowohl die Konzeption als auch die Pläne für Architektur und Gestaltung weitest gehend unbekannt waren – was mich ehrlich überrascht hat.

Insgesamt herrschte eine offene, kritische und aufgeschlossene Atmosphäre, wie ich sie oft in geschlossenen Kreisen erfahre. Der Austausch war rege, der Nachfragen viele. Sieht man von der schieren Masse der Vorträge ab (in der Nachmittagssitzung 18!!), meist ohne Folien oder anderes Anschauungsmaterial, wie es hier leider so üblich ist, bot die Tagung einen guten Einblick und Überblick über die aktuellen Fragen der Militärgeschichtsforschung in Belarus.

Neuer Gedenkstein auf dem ehemaligen jüdischen Friedhof in Minsk

Am 22. März fand die Einweihung eines weiteren Gedenksteins auf dem ehemaligen jüdischen Friedhof in Minsk, gegenüber der Geschichtswerkstatt auf dem Gelände des ehemaligen Ghettos, statt. Neben den schon vorhandenen Steinen, die an die Deportation von Juden aus Köln, Bonn und dem Siegkreis, Bremen, Berlin und Düsseldorf nach Minsk erinnern, wurde an diesem Tag ein Gedenkstein der Stadt Frankfurt am Main enthüllt. Anwesend waren Vertreter der Stadt Frankfurt und Minsk, der Evangelischen Kirche Hessen/Nassau, Vertreter der IBB Minsk und der Geschichtswerkstatt sowie Zeitzeugen. Noch immer fehlt nun ein Stein aus Prag, der an die von dort verschleppten Juden erinnern soll. Bisher konnte hier kein Übereinkommen über das gemeinsame Erinnern erzielt werden.

Am Nachmittag des Tages fand eine Veranstaltung anlässlich des 9. Jahrestages der Geschichtswerkstatt und am folgenden Tag die Eröffnung der Tschernobyl-Ausstellung im IBB sowie die Amtsübergabe der deutschen Leitung der IBB an Olga Rentsch statt. Die Stimmung bei beiden Veranstaltungen war dadurch getrübt, dass Astrid Sahm, die bisherige deutsche Leiterin der IBB Minsk, zuvor an der Einreise nach Belarus gehindert worden war. Inwieweit dies mit den jüngsten Entwicklungen zwischen Belarus und der EU zusammenhängt, kann nur vermutet werden.

Streit um den Ruhmeshügel bei Minsk

Seit dem 20. März ist der Zutritt zu dem Gelände nur noch gegen ein Eintrittsgeld gestattet. Der Hügel, etwa 20 km von Minsk entfernt, befindet sich an der Stelle, an der sich 1944 die drei Armeekorps vereinigt haben, die Belarus von der nationalsozialistischen Besatzung befreit haben. Für die Anlage wurde Erde aus den Heldenstädten Moskau, Leningrad, Wolgograd, Sevastopol, Odessa, Kiew und aus der Brester Festung zusammengetragen, sie wurde 1969 eröffnet.

Das Eintrittsgeld beträgt 1.500 bis 3.000 Rubel (= 0,15 bis 0,30 ct.). Eingeführt hat es die Verwaltung der Gedenkstätte in Chatyn, zu der das Geländes des Ruhmeshügels seit einiger Zeit gehört, mit der Begründung, die Pflege der Anlage verursache erhebliche Kosten. Außer dem begehbaren Hügel selbst gibt es dort ein Café und Toiletten. Ein Museum oder Dokumentationszentrum ist nicht vorhanden. Zuvor war es eine Filiale des Museums der Geschichte des großen Vaterländischen Krieges. Er ist ein beliebtes Ziel für Touristengruppen.

Die Einführung des Eintrittsgeldes hat eine Debatte ausgelöst. Am vergangenen Montag (2. April) hat sich die Talkshow „Offenes Format“ von Vjacheslav Bondarenko mit dem Thema befasst.

Lewin-Ausstellung in Chatyn eröffnet

Leonid Lewin und seine Tocher Galina Lewina.

Gestern fand in der Gedenkstätte in Chatyn die Eröffnung einer kleinen Ausstellung über das Werk des bekannten Architekten Leonid Lewin statt. Die Ausstellung basiert auf einer Publikation des IBB Minsk über Lewins Gedenkstätten. Die deutsch- und russischsprachige Ausstellung wurde bereits in einigen Städten Deutschlands und an verschiedenen Orten in Belarus gezeigt, u.a. auch in der Geschichtswerkstatt.

Die Ausstellung ist wieder mal ein Beispiel dafür, wie sich das Verständnis von Sonderausstellungen und ihrer Bedeutung für ein Museum oder eine Gedenkstätte in Belarus von dem in Deutschland unterscheidet. Sie werden häufig nur sehr kurz gezeigt, gar nicht oder nur sehr kurzfristig beworben und kaum als besonderes Ereignis im Veranstaltungskalender genutzt. Die Eröffnung findet meist an einem Wochentag vormittags statt, das Programm beschränkt sich auf eine Aneinanderreihung von Grußworten. Die Räumlichkeiten selbst sind häufig für den Zweck umgestaltete Räume der Dauerausstellung, wobei sich die Gestaltung auf die Hängung beschränkt.

So war es auch in diesem Fall, und sieht man von den sicher eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten gerade der Gedenkstätte in Chatyn ab, so war es doch angesichts der Bedeutung von Leonid Lewin fast ein wenig beschämend. Es waren maximal 15 Gäste anwesend, darunter Museumsmitarbeiter, einige Studentinnen und Angehörige der Geschichtswerkstatt. Von offizieller Seite war gerade mal ein Stellvertreter der Bezirksverwaltung gekommen, dessen große Worte weder zu seiner Erscheinung noch zu der realen Unterstützung der Verwaltung für die Gedenkstätte passten. Nur gut, dass Lewin das alles nicht anficht und er, zusammen mit seiner Tochter Galina, unerschütterlich für generationenübergreifende Erinnerung, Verständigung und Versöhnung eintritt.

Direktor des Nationalen Historischen Museums Belarus von seiner Aufgabe entbunden

Leider ist es kein Aprilscherz: Seit der vergangenen Woche ist das Nationale Historische Museum ohne Direktor. Der Vertrag von Sergej Vladimirovich Vecher, der am 23.3. turnusmäßig hätte verlängert werden sollte, wurde seitens des Kulturministeriums beendet. Eine offizielle Presseerklärung gibt es bisher nicht, auf der Website des Museums ist sein Name allerdings entfernt worden.

Vecher, vor seinem Amtsantritt im Historischen Museum vor sieben Jahren Leiter des Janka-Kupala-Museums, hat das Museum mit der ihm eigenen Energie geführt, zahlreiche Ausstellungen realisiert und einen ausländischen Sponsor an das Museum gebunden. Es lässt sich nur vermuten, dass seine Eigenständigkeit letztlich der Grund für seine Entlassung sein wird. Ob und inwiefern Differenzen mit dem Kulturministerium über das kurz vor der Eröffnung stehende „Museum der belarussischen Staatlichkeit“ eine Rolle spielen, ist nicht bekannt. Als Direktor des Historischen Museums war er zuständig für die Konzeption und Realisierung dieses auf die Person des Präsidenten zugeschnittenen Museums. Viele Museumskollegen äußern sich intern immer wieder kritisch zu diesem Vorhaben.

Er kämpfte aktiv für ein neues Gebäude für das Nationale Historische Museum und engagierte sich für eine Neukonzeption gerade auch im Hinblick auf die ausländischen Gäste und Touristen hin, die im Rahmen der Eishockey-Weltmeisterschaft im Jahre 2014 zu erwarten sind.

Bis auf weiteres übernimmt nun seine Stellvertreterin die Leitungsfunktion, weitere Mitarbeiter aber haben bereits angekündigt, das Museum in dieser Situation verlassen zu wollen. Ein Nachfolger ist bisher nicht benannt. Vecher wurde die Stelle eines stellvertretenden Direktors in einem anderen Museum angeboten.

Spezialmuseen: Die Geschichte des Tennis-Sports

Tennis wird nach dem Sieg von Wiktoria Asarenka bei den Australian Open derzeit ganz groß geschrieben. Dazu passt der Plan, ein eigenes Museum zur Geschichte des Tennis in Belarus aufzubauen. Diese Idee des Direktors eines großen Tenniszentrums ist wohl schon älter, bis jetzt ist das Museum aber noch im Aufbau. Das liegt vor allem an dem Mangel an Exponaten. Alle Tennis-Fans sind aufgefordert, dem Museum Objekte zu übergeben. Bis dahin behilft sich das Museum mit Text- und Bildwänden.

Napoleon-Ausstellung im Historischen Museum

In diesem Jahr jährt sich bekanntlich der Überfall Napoleons auf das Russische Reich zum 200. Mal. Aus diesem Anlass zeigt das Nationale Historische Museum seit einigen Wochen eine Sonderausstellung. Der Titel „Der Krieg des Jahres 1812 in der Stadt Minsk“ gibt die Perspektive vor, die sich allerdings nicht konsequent durch die Ausstellung zieht. Vielmehr ist, wie so häufig in hiesigen Sonderausstellungen, auf den ersten Blick weder Konzept noch Gliederung für den Einzelbesucher erkennbar.

Die Ausstellung beginnt in dem ersten der sechs Abschnitte mit einer Bestandsaufnahme der russisch-französischen Beziehungen Anfang des 19. Jh., wirft einen Blick auf die Lage in den Armeen und zeichnet die Kampfhandlungen nach. Dabei liegt der Fokus leider nicht immer erkennbar auf Minsk und den weißrussischen Gebieten. Nur vereinzelt finden sich Bezüge zur Stadt Minsk, etwa in zeitgenössischen Abbildungen oder in Dokumenten.

Die Highlights und Blickfänge der abwechslungsreich und lebendig gestalteten Ausstellung sind Uniformen und Waffen. Nicht alle sind Originale, die Reproduktionen allerdings sind ausgewiesen. Texte zur Orientierung fehlen, es gibt nur einen einleitenden, sehr langen und schlecht lesbaren Text am Eingang der Ausstellung, der die politischen Konstellationen reflektiert. Ein Bildschirm sollte wohl vertiefende Filmdokumente bieten, ist aber bisher nicht in Betrieb. Überhaupt sieht das Konzept vor, die Ausstellung im Laufe des Jahres immer wieder durch Objekte aus den verschiedenen Museen des Landes zu aktualisieren und neue Akzente zu setzen.

Die Kuratoren der Ausstellung sind junge professionelle Museumsleute, die das inhaltliche Konzept ursprünglich stärker auf die Person Napoleons und seine durchaus auch positive Aufnahme in dieser Region fokussieren wollten. Dies schien dem Museum aber nicht geheuer und wurde entsprechend zurückgenommen. Immerhin besteht die Ausstellung darauf, für Weißrussland/Belarus nicht, wie in der russischen und sowjetischen Rezeption üblich, vom „Vaterländischen Krieg“ zu sprechen mit dem Argument, eine Verteidigung des Vaterlandes sei dieser Krieg für die dem Russischen Reich einverleibten weißrussischen Regionen nicht gewesen.

Die Ausstellungskonzeption und weitere Hintergründe zur Ausstellung finden sich in einem Artikel im aktuellen Heft der Zeitschrift „Muzejny Vesnik“ (Музейны Веснiк) .