Institut für Deutschlandstudien jetzt an der BGU

Das Institut wurde 1998 auf Initiative der Deutschen Botschaft in Minsk gegründet und war zunächst an der Europäischen Humanistischen Universität angesiedelt. Diese wurde 2004 verboten und zog nach Vilnius um. Das Institut blieb in Minsk und war seit März 2005 Teil des Center for International Studies (CfIS). Seit dem 5. Oktober befindet es sich nun an der Staatlichen Universität.

Das Institut fördert die Verbreitung der deutschen Sprache in Belarus, bietet Informationen über Deutschland und  verschiedene Studienangebote an. Innerhalb der BGU soll es die Kooperation mit wissenschaftlichen, pädagogischen und touristischen Einrichtungen in Deutschland fördern und gemeinsame Forschungsprojekte auf den Weg bringen. Außerdem ist dem Institut ein Lektor der Robert Bosch Stiftung angegliedert.

Zusammen mit dem Goethe-Institut und dem IBB ist dies die dritte prominente deutsche Einrichtung in Minsk. Das anhaltende Interesse – für die Kurse am GI gibt es sogar eine Warteliste – belegt, dass sich der aktuell negative politische Kurs gegenüber Deutschland nicht bis in die Gesellschaft durchsetzt. Nach wie vor ist Deutschland ein geschätzter Partner, das persönliche Verhältnis auf der Arbeitsebene in der Regel freundschaftlich und kollegial.

 Meldungen zur Eröffnung des Instituts an der BGU (12.10.2011):

http://www.ont.by/news/our_news/0070397

http://naviny.by/rubrics/germany/2011/10/04/ic_news_625_377741/

Ein Museum des ganzes Landes

http://news.tut.by/culture/253266.html (12.10.2011)

Wieder mal muss die Bevölkerung ran, dieses Mal bei der Finanzierung des neuen Gebäudes des Museums der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges. Zwei Etagen sind schon gebaut, die Eröffnung ist für 2013 geplant. Nun kann sich die Regierung die Finanzierung wegen der Wirtschaftskrise wohl nicht mehr in vollem Umfang leisten, aufgrund der ideologischen Bedeutung des Vorhabens kann es aber auch nicht gestrichen werden. Also setzt man verstärkt auf die Spendenbereitschaft der Belarussen. Ein öffentliches Konto gibt es schon seit Jahren. Nur leider haben sich da bisher nur 400 Mio. Rubel, also 52.000 € eingefunden. Insgesamt sind die Kosten allein für den Bau mit 160-170 Milliarden Rubel (ca. 22 Mio. €) veranschlagt. Eigentlich eine vergleichsweise kleine Summe für ein großes, modernes Museumsgebäude, wie man gerade in diesen Tagen im Vergleich zum Militärhistorischen Museum der Bundeswehr in Dresden, das am Freitag eröffnet wird, feststellen kann. Hier waren es über 60 Mio. (allerdings mit Innenausbau).

http://news.tut.by/culture/253266.html (12.10.2011)

Wieder mal gibt es also eine Fernsehkampagne, die auf das „Gemüt der Weltkriegserinnerung drückt“ (so TUT.BY) und Geld für das Museum generieren soll. Bereits ein Teil der Erlöse des Subbotniks, des zwangsweisen Arbeitssamstags in diesem Frühjahr, wurde für das Museum abgezweigt. Die erneute Initiative, für das Museum Geld zu sammeln, wird daher eher missmutig von den Medien aufgenommen. TUT.BY schreibt, ähnlich bei damals bei der Nationalbibliothek, nähmen die Aufrufe zu Spenden der gesamten Bevölkerung schon einen „zwanghaften Charakter“ an.

Das jetzige Gebäude des Museums aus dem Jahren 1964 wurde übrigens aus der Liste der zu schützenden Gebäude gestrichen, weil dort ein Hotel anlässlich der Eishockey-Weltmeisterschaft 2014 entstehen soll. Ein Teil der Finanzierung des neuen Gebäudes, so heißt es aus Museumskreisen, kommt aus Mitteln, die die Hotelkette Kempinksi zahlen muss, um an diesem Platz bauen zu können.

„Wer ihm als Deutscher gegenübertritt, wird von seiner großherzigen Bereitschaft zur Versöhnung dankbar berührt“

So schreibt Dr. Christof Weil, der deutsche Botschafter, über Leonid Mendeleevič Levin und beschreibt damit, wie ich finde, dessen Persönlichkeit sehr treffend. Lewin ist ein in Belarus und über die Landesgrenzen hinaus bekannter Architekt und eine Schlüsselfigur für die Versöhnung und Verständigung zwischen Deutschen und Belarussen. In diesem Jahr ist er 75 Jahre alt geworden – Anlass zur Publikation einer zweisprachigen Fotobroschüre (Leonid Lewin Architekt. Erlebtes erleben, hg. bzw. finanziert von der Deutschen Botschaft und dem IBB Dortmund und Minsk , Minsk 2011), aus der das oben genannte Zitat stammt. Sie stellt die von ihm (und weiteren Architekten) gestalteten Gedenkstätten in Belarus, der Ukraine, Polen und anderen Ländern vor und ehrt ihn als Leninpreisträger, mehrfach mit staatlichen Preisen Belarus’ Ausgezeichneten sowie Träger des Bundesverdienstkreuzes. Ebenfalls aus Anlass seines Geburtstages wurde am 20. September eine Ausstellung in der Geschichtswerkstatt eröffnet.

Leodnid Lewin und Galina Lewina im Juli 2011 in der Geschichtswerkstatt

Sein wohl bekanntestes Werk ist die Gedenkstätte in Chatyn (1969 eröffnet). Lewin ist noch immer aktiv und realisiert weiterhin Projekte, u.a. mit seiner Tochter Galina Lewina, ebenfalls Architektin. Seit 1991 ist er Vorsitzender des Verbandes der jüdischen Gemeinden und Organisationen in Belarus.

Ausführlich zu seinem Werk: http://www.ibb-d.de/fileadmin/user_upload/pdf/Studientag-Vortrag_Sahm.pdf

Zeitgenössische Kunst in der Galerie Ȳ

Die gestrige Eröffnung der Ausstellung „Wie in einem schrecklichen Märchen“ möchte ich nutzen, um endlich über die einzige unabhängige Galerie für zeitgenössische Kunst zu berichten. Leicht versteckt in einem typischen Minsker Hinterhof, bildet die 120 m² große, 2009 gegründete Galerie den Mittelpunkt einer Reihe von Geschäften und Einrichtungen der alternativen Jugend- und Kunstszene. Dies war gestern Abend wieder mal eindrucksvoll zu erleben: Eine erfrischend schräge Mischung aus jungen und ganz jungen Leuten, vielen Künstlern und Literaten, aber auch „ganz normaler“ mittelalter Besucher und einigen Ausländern. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stand zunächst die Eröffnung der Ausstellung des Künstlers Michail Senk’kov, der eine Reihe von Gemälden und Graphiken in seiner ersten Einzelausstellung präsentierte. Eindrucksvoll in ihrer Wirkung und technisch präzise in der Ausführung sind seine Werke Ausdruck für die inneren Konflikte, Ängste und Träume des Künstlers. Verstärkt wurde die zugleich beklemmende wie inspirierende Atmosphäre durch den Auftritt von Schauspielern des Freien Theaters, die in eindrucksvollen Kostümen die Fantasie der Märchenwelt in die Galerieräume trugen.

Draußen vor der Tür wurde alsbald ein Feuer in einer alten Tonne entzündet – endlich mal wieder ein Gefühl wie in Berlin-Kreuzberg – und die Gespräche bei einem Glas Wein, einer Flasche Bier und einer Zigarette fortgesetzt. Der Galerieshop (mit seinem in Minsk einzigartig originellen Angebot), das Designer-Büro direkt neben der Galerie, war ebenso geöffnet wie das Café Malako, das sich auf wohltuende Weise von den sonst entweder teuren und schicken, provisorisch in einem Zelt untergebrachten oder standarisierten Cafés in Minsk unterschiedet. Allein die Buchhandlung des Verlags Loginoȳ mit ihrem reichen Angebot an belarussischer (Naša Niva, PARTisan, Arche etc.) sowie nicht überall zu habender russischsprachiger Literatur war nicht mehr geöffnet.

Das Programm der Galerie kommt bereits in ihrem Namen zum Ausdruck, dem Buchstaben ȳ, den es nur im belarussischen Alphabet gibt. Dies verweist auf den Programmschwerpunkt der Galerie: belarussische Künstler sowie solche, die mit ihrem Werk in Beziehung zu Belarus stehen. Galina Kisiljova, eine der beiden Direktorinnen, ist selbst zugezogen, nicht mit belarussisch als Muttersprache aufgewachsen und spricht zur Eröffnung auch russisch. Dafür die ist Internetseite der Galerie nur auf belarussisch, für eine englische Variante hat bisher das Geld nicht gereicht. Überhaupt ist das der wunde Punkt: Die Galerie ist im wesentlichen auf Eigenmittel angewiesen, Sponsoren finden sich nur selten und das System der Spenden oder eines Freundeskreises ist in Belarus bisher nicht sehr verbreitet. Staatliche Unterstützung gibt es keine, dafür zwischendurch eine Projektförderung durch den German Marshall-Fund oder das Goethe-Institut im Rahmen des Programms für Kulturmanager. Insgesamt vier Personen arbeiten in der Galerie, die neben dem Ausstellungsraum über ein winziges Büro und einen Lagerraum verfügt. Von Anfang an hat das Projekt Resonanz in internationalen Künstlerkreisen gefunden, der sich mit den Jahren stetig erweitert. Leider ist es nur selten möglich, die zum Verkauf stehenden Arbeiten der Künstler in einem Katalog zu veröffentlichen. Ernsthafte Probleme mit „den Behörden“ gab es bisher nicht, wenngleich die Arbeit schwierig bleibt. Doch das Engagement lohnt sich, die Galerie ist ohne Zweifel ein besonderer Ort in Minsk.

Interview mit den beiden Leiterinnen: http://news.tut.by/146438.html

Weiteres zur zeitgenössischen Kunst in Belarus: www.art-belarus.com

Institut für Belarussische Kultur

Hierbei handelt es sich um die erste belarussische Kultureinrichtung, gegründet in den 20er Jahren des 20. Jh. in einer Zeit, als die belarussischen Gebiete im Westen zu Polen, im Osten zur Belarussischen Sozialistischen Sowjetrepublik (BSSR) gehörten. Während sich in Polen aus unterschiedlichen Gründen keine eigene weißrussische Bewegung entwickelte, treib die Sowjetunion nach der Teilung der weißrussischen Gebiete durch den Friedensvertrag von Riga 1921 in ihrem Landesteil zunächst eine „Weißrussifizierung“ voran. In diesem Zusammenhang kam es zur Gründung des Instituts in Minsk, das von 1922 bis 1928 Bestand hatte. Zu seinen Aufgaben gehörte die Forschung in den Bereichen Geschichte, Archäologie, Linguistik, Literaturwissenschaft und Ethnographie.

1928 wurde das Institut aufgelöst und bildete eine der Grundsteine für die in diesem Jahr gegründete Akademie der Wissenschaften. Die Abwicklung des Instituts ist im Zusammenhang mit der zunehmenden Einschränkung einer eigenständigen belarussischen Nationalbewegung zugunsten einer zunehmenden Ideologisierung des gesamten Kulturbereichs zu sehen.

Zwischen 1991 und 2008 wurde es unter dem Namen „Institut für die Probleme der Kultur“ erneut ins Leben gerufen. 2008 schließlich wurde es unter dem alten Namen Teil der Belarussischen Staatlichen Universität für Kultur. Sein Aufgabenspektrum hat sich damit erheblich erweitert: Neben aus- und Weiterbildung im Kulturbereich (auch für Museen), ist die Einrichtung zuständig für Fragen des materiellen und immateriellen Kulturerbes, wissenschaftliche Fragen der Kulturgüterrückführung sowie wissenschaftliche Forschung in allen Bereichen der Kultur.

International Women’s Club (IWC)

Ein aktueller Anlass gibt mir die Gelegenheit, ein Wort über den Internationalen Frauenclub zu verlieren. Auch in Minsk unterhält diese weltweite Charity-Organisation seit 20 Jahren eine Abteilung und bietet damit den Begleiterinnen (bis dato so gut wie alles Damen) aller Expats (bis dato so gut wie alles Männer) einen Raum für gemeinsame Unternehmungen. Angesprochen sind also die Ehefrauen der Botschaftsangehörigen, ebenso wie der Wirtschaftsvertreter oder der Angestellten von internationalen Organisationen.

Leider fehlt mir der Vergleich aus anderen Ländern, da ich mich ja zum ersten Mal in dieser Rolle befinde. Aber im Vergleich zu dem, was ich vom Hören-Sagen weiß, ist die Minsker Abteilung zum einen eher klein, zum anderen deutlich „ostlastig“. Damit meine ich die Damen aus, ich hätte fast gesagt, den Schurkenstaaten, also Syrien, Venezuela, China, Kazachstan, Polen, Ukraine, Russland, Jordanien, Baltikum etc. Selten trifft man Damen aus der westlichen Hemisphäre, wie kürzlich aus Italien oder Belgien. Einerseits verwundert dieser Befund, da die „klassischen“ Botschaften (fast) alle auch in Belarus vertreten sind. Richtig ist aber auch, dass viele dieser Botschaften, z.B. USA oder Großbritannien, mit vergleichsweise wenig Personal im Lande sind (die USA haben bekanntlich keinen Botschafter in Belarus). Hinzu kommt, dass die lingua franca in der diplomatic community hier eindeutig russisch ist, ein englischsprachiges Gesellschaftsleben also praktisch nicht stattfindet. Zwar werden die Sitzungen des IWC auf russisch und englisch abgehalten, allerdings ist die allgemeine Umgangssprache untereinander und bei Veranstaltungen in der Regel russisch.

Charity-Veranstaltung im Juli 2011 mit Präsentation des Kochbuchs.

Den eigentlichen Zweck des IWC, nämlich das Sammeln von Geldern für wohltätige Zwecke, erfüllt der Club auf eindrucksvolle Weise (im letzten Jahr kamen 52.000 $ zusammen). Veranstaltungen wie das jährlich stattfindende Charity-Dinner, der Weihnachtsbasar oder jüngst die Publikation eines internationalen Kochbuchs kommen zahlreichen sozialen Einrichtungen wie Kinder- und Altenheimen zu gute. Einen Eindruck vermittelt der TV-Bericht, der die letzte Veranstaltung am 22. September  dokumentiert.

Vorsitzende des Minsker Clubs ist übrigens derzeit die Gattin des iranischen Botschafters. Eine eigene Website hat der Club nicht.

Die Schlossmuseen in Mir und Nesvizh

Schloss Nesvizh

Anlässlich der bevorstehenden Eröffnung der historischen Räumlichkeiten in Schloss Nesvizh in diesem Herbst, möchte ich einen Blick in die bisherige Ausstellung sowie diejenige in Schloss Mir werfen. Beide Schlösser sind Vorzeigeprojekte des belarussischen Tourismus und werden als solche gehegt und gepflegt. Beide stehen auf der Liste des Weltkulturerbes in Belarus.

Sowohl Nesvizh als auch Mir sind eng mit der Geschichte der Radziwills verbunden, deren Kulturschaffen und Mäzenatentum diese Region bis heute prägt. Während die Ausstellung in Mir bereits im letzten Jahr ihre Pforten für das Publikum eröffnete, wird dies in Nesvizh nach Abschluss langjähriger Restaurierungsarbeiten in diesem Jahr erwartet. Von dem, was zu sehen sein wird, kann man sich hier ein Bild machen. Eine Beschreibung der Restaurierungsarbeiten findet sich hier.

Schloss Mir

Schon jetzt sind auch in Nezvizh zwei Ausstellungsräume der Geschichte des Schlosses und der berühmten Bibliothek gewidmet. Im Stil ähneln sie denen in Schloss Mir. Beides sind klassische Präsentationen mit einem Schwerpunkt auf der Geschichte des Ortes, (so weit vorhanden) der Einrichtung der historischen Räume sowie Kunst- und Kunstgewerbeobjekten. Das Ausstellungsdesign ist klassisch zurückhaltend, dabei von guter Qualität. Bildschirme, teilweise interaktiv zu bedienen, sind Teil der Ausstellung und funktionieren meistens. Ansonsten gibt es so gut wie keine Vermittlungsangebote, Hands-On oder Partizipationsmöglichkeiten für die Besucher. Beschriftungen und Texte sind vorhanden, so dass sich auch der Einzelbesucher orientieren kann – leider keine Selbstverständlichkeit in belarussischen Museen. Raumtexte sind meist in russisch und englisch vorhanden, die Objektbeschriftungen hingegen unkonsequent mal in belarussisch, mal russisch, mal englisch, mal in einer Kombination gehalten. Ärgerlich ist, dass sie inhaltlich innerhalb der Ausstellungen stark differieren, d.h. mal die Herkunft des Objekts angeben, mal nicht, mal eine Erklärung neben dem Titel bieten, mal nicht usw., mal eine Orts- und Datumsangabe bieten, mal nicht usw.

Ausstellung in Schloss Mir

Ein weiterer Schwachpunkt sind die mangelnden Erklärungen der Baugeschichte. Zwar gibt es Dokumente und auch Texte dazu, doch wird aus der Ausstellung nicht deutlich, welche Bauetappe(n) bei der Rekonstruktion zugrunde gelegt wurden. Letztlich bleibt der Eindruck, es handele sich um einen Wiederaufbau der „schönsten“ Teile der Schlösser aus verschiedenen Zeiten, was zwar legitim, aber doch erklärungsbedürftig ist.

Ausstellung in Schloss Mir

Trotzdem sind beide Schlösser einschließlich ihrer Ausstellungen lohnende Ausflugsziele und bieten viele, wenn auch punktuell zusammengetragene Informationen, über die vielfältige und wechselvolle Geschichte der Region zwischen Polen, Litauen, der Ukraine und Russland, deren Einflüsse gerade an so symbolträchtigen Orten wie Mir und Nezvizh deutlich zu sehen und zu spüren sind. Ein Café oder Museumsshop sucht man allerdings bisher vergeblich.

Minsk-Forum 2011 fällt aus

Das von der Deutsch-belarussischen Gesellschaft sowie weiteren Partnern initiierte Minsk-Forum fällt in diesem Jahr aus. Zur Begründung weist der Vorsitzende der Gesellschaft, Rainer Lindner, in der Minsk Forum_2011 (Link) der Gesellschaft auf die angespannte politische Lage in Belarus seit den Präsidentschaftswahlen im Dezember 2010 hin.

Das Minsk-Forum bietet seit 1997 einen Raum für den Austausch zwischen Regierungsvertretern aus Belarus, Deutschland und weiteren EU-Ländern sowie Vertretern der Zivilgesellschaft aus Belarus und Deutschland. Zum Vorbild diente der Petersburger Dialog des Deutsch-Russische Forums, dessen politische Bedeutung bisher jedoch nicht erreicht wurde.

Im Mittelpunkt standen bisher Themen aus den Bereichen Wirtschaft und Politik. Fragen aus Kultur und Bildung wurden in deutlich geringerem Umfang behandelt – ein Befund, der aus meiner Sicht die Breitenwirkung des Forums einschränkt und für die Zukunft mit in die Planungen einbezogen werden sollte.

Verbrannte Dörfer

Angesichts des Ausmaßes der Zerstörung von Städten und Dörfern in Belarus im Zweiten Weltkrieg mag es erstaunen, dass dieses Thema in der nationalen Forschung nicht mehr Beachtung findet. Bisher erinnerte nur die Gedenkstätte in Chatyn an das Schicksal tausender Dörfer, die zum Teil mit samt ihren Einwohnern während der deutschen Besatzung 1941 bis 1944 verbrannt wurden.

Dies scheint sich allmählich zu ändern. Seit einiger Zeit arbeiten der frühere Direktor der Nationalbibliothek, V. Selemenev, sowie die frühere Direktorin der Gedenkstätte in Chatyn, N. Kirillova, an einer Datenbank zu den verbrannten Dörfern. Die Arbeiten stehen im Zusammenhang mit einem Projekt der Belarussischen Friedensstiftung, das diese in Kooperation mit der Stiftung Verständigung und Aussöhnung durchführt. Letztere ist die Partnerorganisaiton für die Stiftung Erinnerung, Verantwortung, Zukunft bei der Auszahlung der Entschädigungszahlungen an die Zwangsarbeiter.

Zwar sieht das Projekt keine finanzielle Förderung der wissenschaftlichen Tätigkeit an der Datenbank vor, dennoch ist diese aus der Initiative hervorgegangen und kann bereits ein beeindruckendes Zwischenergebnis vorweisen. Ausgangspunkt ist die im Zusammenhang mit dem Bau der Gedenkstätte in Chatyn in den 60er Jahren erarbeitete Liste, die von 9.200 Dörfern ausgeht. Davon, so die bis heute offiziellen Angaben, wurden 619 Dörfer mitsamt ihren Einwohnern dem Erdboden gleichgemacht, 186 davon nicht wieder aufgebaut.

Schon jetzt hat die Arbeit an der Datenbank gezeigt, dass die Zahlen korrigiert werden müssen. Viele Dörfer wurden aus ganz unterschiedlichen Gründen nicht erfasst, andere wurden in die Liste aufgenommen, auch wenn keine Menschen dabei ums Leben kamen, ohne dies jedoch zu differenzieren, einige Dörfer wurden nicht von den Deutschen, sondern von Partisanen zerstört – auch dies ist in der bisherigen Liste nicht kenntlich gemacht. Diese Defizite sollen mit der Datenbank behoben werden. Grundlage ist eine Tabelle, in der alle Dörfer erfasst sind, verbunden mit Zahlenangaben aus der Zeit vor und nach dem Krieg, Quellen- und Literaturangaben, Links zu eingescannten Archivdokumenten sowie Fotos aus der Nachkriegszeit und heutiger Gedenktafeln und –steine.

Bereits in diesem Jahr erschienen ist ein Buch der beiden Wissenschaftler mit Dokumenten zu den verbrannten Dörfern. Es ist dies, neben einer Publikation der Gedenkstätte in Chatyn aus dem Jahr 2010, die einzige neuere Veröffentlichung zu diesem Thema. Sieht man von wenigen älteren, noch zu Zeiten der Sowjetunion erschienenen Bücher ab, so beschränkt sich die Bearbeitung des Themas in Belarus bisher auf die Veröffentlichung von Dokumenten und Erinnerungen. Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung fehlt bisher, wie übrigens auch in Russland.

Einen Anstoß zur weiteren Bearbeitung des Themas kann eine Konferenz bieten, die im Mai 2012 im Museum der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges stattfinden wird. Gefördert vom Kulturministerium greift sie eine Initiative des deutschen Aktuellen Forums e.V. auf, das seit einigen Jahren Konferenzen zu den verbrannten Dörfern durchführt, bisher in Berlin/Köln (2006), Lidice (2008) und Banská Bystrica (Slowakei, 2010).

Tage des Europäischen Kulturerbes in Belarus

In diesen Tagen werden zum wiederholten Male die Tage des europäischen Kulturerbes in Belarus begangen. Ziel der Aktion der seit 1991 vom Europarat und seit 1999 vom Europarat und der Europäischern Kommission geförderten Aktion ist es – ähnlich dem deutschen Tag des offenen Denkmals –  auf Architekturdenkmäler aufmerksam zu machen und zu ihrem Schutz beizutragen. Zudem sind die ausgewählten Gebäude, die normalerweise für die Öffentlichkeit geschlossen sind, in diesen Tagen für das Publikum zugänglich.

Jedes Land stellt die Kulturerbetage unter ein Motto. Belarus hat dieses Jahr das Thema „Kulturerbe und Religion“ gewählt und rückt damit die jahrhundertealten Beziehungen zwischen Staat und Kirche(n) in der Region in den Fokus. Aufgrund seiner geographischen Lage kommen in Belarus die orthodoxe, katholische, protestantische und jüdische Religion auf einzigartige Weise zusammen. Kunsthistorisch verbinden sich Einflüsse aus Byzanz, der Romanik und Gotik sowie ethnisch geprägter Kultur. Diese Synthese kommt insbesondere in der Architektur eindrucksvoll zum Ausdruck.

Zu der Aktion ist eine Broschüre des Kulturministeriums, hg. vom Institut für Belarussische Kultur, in belarussischer und englischer Sprache mit zahlreichen Farbfotos erschienen (siehe Foto). Ausgewählt und in der Broschüre vorgestellt werden das orthodoxe Frauen-Kloster Spaso- Evfrosinievkij in Polock, das ebenfalls orthodoxe Männer-Kloster Svjato-Uspenskij in Zhirovichi und die katholische Bernhardinerkirche in Budslav mit jeweils einzigartigen Ikonen, Fresken und Altären. Alle drei Orte pflegen ein aktives, religiöses Leben und werden regelmäßig von Pilgern besucht.

2010 hatte Belarus das Thema « Renaissancebauten » gewählt.

17. September

Dies ist der Tag, an dem im Jahre 1939 sowjetische Truppen die ostpolnischen Gebiete besetzten. Dieses Vorgehen entsprach der geheimen Übereinkunft zum Hitler-Stalin-Pakt. Damit kam das gesamte Gebiet mit weißrussischen Bevölkerungsanteilen, das in der Zwischenkriegszeit im Westen zu Polen, im Osten zur Sozialistische Sowjetrepublik Weißrussland (BSSR) und damit seit 1922 zur UdSSR gehörte, unter sowjetischen Einfluss. Es ist diese um die bis dahin polnischen Gebiete Westweißrusslands erweiterte BSSR, die am 22. Juni 1941 dem Überfall der Wehrmacht zum Opfer fiel.

Die Darstellung der Ereignisse des 17.9.1939 im Museum des Großen Vaterländischen Krieges.

Bis heute wird im offiziellen Sprachgebrauch – und in den meisten Museen – von der „Befreiung“ gesprochen, so auch im Museum des Großen Vaterländischen Krieges. Auch im ersten Konzept für die Neugestaltung des Museums wurde diese Formulierung gewählt. In der Zwischenzeit wurde die Struktur der Ausstellung überarbeitet und es ist die Rede von „Übergang der Roten Armee in das westliche Belarus“.

Aus polnischer sieht die historische Bewertung natürlich ganz anders aus, gehörten doch die ostpolnischen Gebiete, die „Kresy“, gemäß dem völkerrechtsgültigen Vertrag von Riga seit 1921 zur Zweiten Republik Polen. Aber auch ein Blick auf verschiedene litauische Websites zeigt, dass es noch weitere Perspektiven gibt. Siehe ausführlich dazu das Handbuch der Geschichte Weißrusslands, Göttingen 2001.

Für Belarus ist dieses Datum aber insofern Interessant, als sich hier – selten genug – Anhänger der offiziellen Geschichtspolitik und Anhänger der Opposition sowie die meisten kritischen Intellektuellen und Nationalisten einig sind: Diese Gebiete, so die geteilte Überzeugung, gehören schon immer zu Belarus.

Heute ist in etwa auf der Linie der Grenze von 1921 bis 1939 eine Toll-Station der Autobahn, die an die alte Grenze erinnert. Und ebenfalls bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass der Ausstellungsgestalter für das neue Museum des Großen Vaterländischen Krieges (Eröffnung 2013) ein polnisches Büro ist. Oh, oh.

Adam Iosofovich Maldis

Es gibt sie noch, die Intellektuellen, die für mich  – als Ausländerin und zudem aus dem Westen –  den Typ der sowjetischen Intelligencija verkörpern und mich immer wieder in ihren Bann ziehen. Einer von ihnen ist Adam Iosofovich Maldis. 1932 in einem damals zu Polen, heute zu Belarus gehörenden Dorf geboren, ist ein in Fachkreisen weit über die Landesgrenzen hinaus bekannter, mehrfach ausgezeichneter Literatur- und Kulturwissenschaftler, Journalist und Kritiker sowie Autor von zahlreichen Büchern und seit 1989 Mitglied des Belarussischen PEN-Zentrums.

Zusammen mit einer jungen Kollegin aus der Geschichtswerkstatt hatte ich kürzlich Gelegenheit, ihn persönlich kennenzulernen. Er empfing uns in einem Büro, wie es  – ich muss es sagen – sowjetischer nicht hätte sein können. Versteckt im Gebäude einer Zeitungsredaktion gelegen, war es offenbar überhaupt in mitten des Renovierungschaos nur zugänglich, weil er die Handwerker außer mit seiner Autorität mit dem Argument zum Aufräumen gezwungen hatte, dass „Besuch aus Deutschland“ käme. Der winzige Raum, den man sodann betritt, ist Entschädigung genug. Er atmet durch und durch Wissenschaft und Gelehrsamkeit: Dunkle, groß gemusterte Tapeten, schwere Möbel, große Bücher- und Zeitungsstapel und reihenweise (sowjetische) Papki. Die überall herabhängenden Elektrokabel und offenen Kabelkanäle bemerkt der Besucher gar nicht erst ob der Stimmung im Raum. Dazu trägt nicht unerheblich die ältere Dame bei, die ungerührt zwischen Papierbergen an einem der beiden Schreibtische sitzt und in großer Gelassenheit Zeitungen auf wichtige Artikel durchsieht, diese ausschneidet und zu Stapeln ordnet. Undenkbar, ihr Aufgaben einer „Sekretärin“ zuordnen zu wollen, etwa Tee zu kochen oder sich sonst wie um den Besuch zu kümmern. Vielmehr ist sie seit Jahren die rechte Hand und gute Seele der Forschungsprojekte des Herrn Professor.

Dieser geht sofort in medias res, erzählt uns von seinen noch immer zahlreichen Ämtern und Ehrenämter, zu denen auch der Vorsitz der Kommission zur Rückführung von Kulturgütern gehört. Dies war für mich der Anlass gewesen, den Kontakt zu ihm zu suchen. Seit 1987 Vorsitzender der gesellschaftlichen Kommission „Vjartanie“ (Rückführung) der Belarussischen Kulturstiftung , beschäftigte er sich seitdem immer wieder mit den Kulturgüterverlusten Weißrusslands und vertrat sein Land 1995 auf der Konferenz „Spoils of War“ in New York.

Der zweite Schwerpunkt seiner Forschungen ist die Literaturwissenschaft, noch immer ist er Ehrenvorsitzender der Internationalen Vereinigung der Belarussisten, deren Mitglieder er natürlich alle persönlich kennt. Noch immer schreibt er für verschiedene Zeitungen, darunter für die Sovetskaja Belarus.

Ihn politisch einordnen zu wollen, wäre nicht nur unangemessen, es wäre schlicht sinnlos. Universal gebildet, eigenwillig und unangepasst vertritt er seine Position, sachlich, fundiert, gelassen. Doch selbst eine solch humanistische Haltung ist offenbar mitunter gefährlich, wurde Maldis doch 2002 von Unbekannten attackiert und bewusstlos geschlagen. Sein Engagement hat er seitdem nicht aufgegeben, im Gegenteil, man ist versucht, noch viele weitere Bücher, Artikel und Interviews von ihm zu erwarten, die neben einem wissenschaftlichen Beitrag immer auch ein Denkanstoß sind.

Brand im Freilichtmuseum Dudutki

http://www.agroecotour.com/forum/viewtopic.php?f=19&t=11

Am Abend des 10. September ist im Freilichtmuseum Dudutki ein Feuer ausgebrochen und hat erhebliche Schäden angerichtet. Ob es Brandstiftung oder Fahrlässigkeit war, ist noch nicht geklärt.

Das Museum ist eines von drei (!) privaten Museen in Belarus. 1994 gegründet, bietet es unweit von Minsk ein vielfältiges Angebot rundum belarussische Volkskultur, Handwerk und Landwirtschaft. Finanziell muss es sich selber tragen. Folglich arbeitet es kommerziell. Die Preise können als gemäßigt bis hoch, gemessen an den hiesigen Einkommen, bezeichnet werden. Dennoch sind das Museum und das dazugehörige Gelände ein beliebtes Ausflugsziel.

Im Rahmen des in Belarus sehr geförderten Öko- oder Agrotourismus spielt das Museum eine wichtige Rolle.

Nadezhda Trojan gestorben

Am 7. September verstarb eine der drei Partisaninnen, die am 23.9.1943 das tödliche Attentat auf Wilhelm Kube, den Generalkommissar für den Generalbezirk Weißruthenien, in Minsk verübt hatten. Die Meldung des Todes der in der BSSR geborenen und mehrfach mit hohen Orden der Sowjetunion ausgezeichneten Trojan in Moskau im Alter von 90er Jahren wurde hier in Minsk und Belarus von vielen Medien aufgegriffen.

Trojan war während des Krieges in mehreren Partisanenbrigaden auf dem Gebiet der BSSR aktiv und arbeitete als Krankenschwester und Agentin. Zu ihren spektakulärsten Erfolgen im Kampf gegen die Besatzer gehörte das Attentat auf Kube. Dieser war am 23.9.1943 durch eine Bombe zu Tode gekommen, die unter seinem Bett versteckt worden war. Weitere Beteiligte waren Elena Mazanik und Marija Osipova, die ebenso wie Trojan mit dem höchsten Orden der UdSSR, „Held der Sowjetunion“, ausgezeichnet worden waren.

Nach dem Krieg wurde Trojan Ärztin, Dozentin an verschiedenen Universitäten und Vizepräsidentin des Internationalen Roten Kreuzes. Sie war aktiv im Verband der Veteranen und anderen gesellschaftlichen Organisationen engagiert.

Die Geschichte des Attentats auf Kube wird in einer gesonderten Ausstellungseinheit im „Museum des Großen Vaterländischen Krieges“ behandelt (siehe Foto). Hier stehen weniger Trojan als Osipova und Mazanik im Vordergrund. Ausgestellt ist u.a. ein an letztere gerichteter Brief der Ehefrau Kubes, Anita Kube, vom 23.9.1992, dem Jahrestag des Attentats.

„Tag des belarussischen militärischen Ruhmes“

http://belapan.com/archive/2011/09/08/media_voin_slava/

Eben diesen galt es gestern, am 8. September, zu feiern. Es ist ein Gedenktag der demokratischen Öffentlichkeit in Belarus. Er geht zurück auf das historische Datum des Sieges der Truppen des Großfürstentums Litauen über die Truppen des Moskauer Fürstentums 1514 bei Orscha, mit dem das Großfürstentum seine Unabhängigkeit behauptete. Hierzulande handelt es sich um einen inoffiziellen Feiertag, an den erst seit den 80er Jahren erinnert wird. 1992 wurde er feierlich auf dem Platz der Unabhängigkeit in Minsk mit der Vereidigung von Soldaten und Offizieren der Streitkräfte begangen. Da das Gedenken an das Großfürstentum als wichtigen Bezugspunkt der nationalen Unabhängigkeit und belarussischen Kultur offiziell nicht erwünscht ist und mit der politischen Opposition in Verbindung gebracht wird, sind größere Veranstaltungen zu diesem Datum nicht denkbar. Dennoch tauchte die (verbotene) rot-weiße Flagge in diesem Zusammenhang hier und da auf. Wie wichtig der Tag für das nationale Selbstverständnis ist, zeigt die Tatsache, dass Belarussen in anderen Ländern daran erinnern, wie das Foto aus Warschau zeigt.

Gelenktes Gedenken

Ich nutze ein weiteres Mal die Quelle von BelaPAN, deren gestrige Meldung einer Denkmalenthüllung ich aufnehmen möchte. Demnach gibt es in der Stadt Sjanno (Bezirk Vitebsk) seit heute ein neues Monument, für die Soldaten der Roten Armee, die im Juli 1941 in der dortigen Panzerschlacht gekämpft haben. Glaubt man dem Pressebüro des Verteidigungsministeriums, handelte es sich um die „größte Panzerschlacht der Weltgeschichte“, an der mehr Panzer und gepanzerte Fahrzeuge betilgit waren, als in Kursk.

Wie wichtig diese Einschätzung ist, belegt die Anwesenheit des Verteidigungsministers bei der Enthüllung. Mit dem Denkmal soll diese lange wenig beachtete militärische Auseinandersetzung gewürdigt und ein weiteres Mal der „Falsifizierung der Geschichte“ entgegengewirkt werden. Dahinter steht aber noch etwas anderes, nämlich die Betonung der besonderen Leistung der Belarussen (gegenüber Russland!) im Kampf gegen den Feind, der in dieser frühen Phase des Krieges zurückgedrängt werden konnte und erhebliche Verluste erlitten habe. Damit sei auf belarussischem Gebiet bereits 1941 der Grundstein für den Gesamtsieg gelegt worden.

An der Meldung fällt zweiterlei auf: Wie viele Panzer auch immer es genau waren, allein der überholte Vergleich mit Kursk zeigt, dass es hier weniger um Forschungsergebnisse, als um Superlative geht. Schon lange hat die Wissenschaft die Zahlen der an der Schlacht im Kursker Bogen beteiligten Panzer nach unten korrigiert. Ein Blick in die Geschichte des Ortes legt zudem nahe, dass von etwas anderem abgelenkt werden soll. Sjanno war bis zum Krieg jüdisch geprägt, woran heute nur wenige Spuren in der Stadt erinnern, wie z.B. eine Gedenktafel.

Schwieriges Gedenken

Es sind solche Meldungen wie die von BelaPAN  vom 31.8.2011, die daran erinnern, wie schwer sich Belarus offenbar noch immer mit seinem jüdischen Erbe tut. Eine kleine Versammlung von Menschen zum Gedenken an den Selbstmord einer Gruppe von Juden am 31.8.1941 nach dem Einmarsch der Deutschen in Mazyr wurde von den Behörden argwöhnisch verfolgt und schließlich aufgelöst. Ihr Vorschlag, das Gedenken am Internationalen Holocaust-Gedenktag am 27. Januar abzuhalten, zeigt, dass individuelles, nicht organisiertes Gedenken nach wie vor nicht in das Schema der offiziell regulierten Gedächtniskultur passt.

Hinzu kommen die historischen Umstände, derer gedacht wurde. Vertreter der in den USA registrierten World Association of Belarusan Jewry (WABJ), der Christlichen Partei sowie von Menschenrechtsvertretungen kamen am Mittwoch in Mazyr zusammen, um an das Schicksal derjenigen jüdischen Familien zu erinnern, die sich selbst in einem Holzhaus verbrannt haben, um nicht in die Hände der Besatzer zu fallen.

Seit 2003 erinnerte ein Gedenkstein der WABJ an das Ereignis, der in hebräischer, englische rund weißrussischer Sprache darauf hinwies, dass sich die Menschen lieber selbst umgebracht haben, als sich dem Feind zu ergeben.

Die Stadtregierung entfernte den Stein und ließ ihn im Mai 2010 durch eine Tafel ersetzen, die lediglich an die „friedliche Selbstopferung von Einwohnern“ erinnert.

Belarussische Literatur auf Deutsch

Seit März 2011 bietet das Portal literabel.de einen Überblick und eine Einführung in die Gegenwartsliteratur von Belarus. In einem ebenso übersichtlichen wie schönen Design präsentiert sich das Projekt, das von dem gemeinnützigen Verein probabel e.V. getragen und von der Robert-Bosch-Stiftung und der Deutsch-Belarussischen Gesellschaft finanziert wird.

Vorgestellt werden 10 Autoren und Autorinnen mit einem Foto und Kurzportrait, einer Liste ihrer bisher erschienenen Werke auf Deutsch sowie ihrer Vita, einschließlich Interviews und Hintergrundinformationen. Zu den Werken gibt es Pressestimmen und Leseproben. Ergänzt wird das Angebot durch die Vorstellung der Übersetzer/-innen.

Das Portal macht Lust aufs Lesen und schließt eine bisher offene Lücke, indem es die Tür zu einer in Deutschland fast unbekannten Literatur öffnet. Gerne wüsste man, was der Verein, der sich der „Vermittlung belarussischer Literatur und Kultur im deutschen Sprachraum verschrieben hat“, noch für Projekte und Initiativen plant, doch leider gibt es bisher offenbar keine eigene Website für probabel.

Belhistory.com

So lautet die Internetadresse eines Portals zur weißrussischen Geschichte. Über Texte, Ton- und Filmdateien sowie eine Fotogalerie historischer Persönlichkeiten kann man sich hier über die Geschichte des Landes informieren, vorausgesetzt man hat keinen wissenschaftlichen Anspruch und erwartet weiterführende Anmerkungen oder Literaturhinweise. Im Mittelpunkt steht die Geschichte des Großfürstentums Litauen, über dessen Ausmaß, Kultur und Geschichte als Grundlage für das heutige nationale Selbstverständnis hier näher informiert werden soll.

Betrieben wird das Portal von der Initiative Budzma Belarusami, zu deutsch etwa „Lasst uns Belarussen sein“. Dahinter steht eine Reihe von kulturellen und gesellschaftlichen Initiativen und Vereinigungen, die sich die Vermittlung der belarussischen Sprache und Kultur durch Veranstaltungen, Buchpräsentationen und Angeboten im Internet zum Ziel gesetzt haben. Konsequenterweise wird dieses Portal ausschließlich auf belarussisch angeboten, während bei Belhistory.com einige Texte auch in russischer Sprache zu finden sind.

Seit kurzem ist auf beiden Portalen ein Kurzfilm zur Geschichte zu sehen (und bei www.budzma.org nachzulesen). Im Rap-Stil und originellem Design wird die Geschichte von Belarus in gut 5 Minuten von den Anfängen, über die Christianisierung, das Großfürstentum Litauen, die polnischen Teilungen und Napoleon bis ins 20. Jh. erzählt. Die Weißrussische Volksrepublik 1918 kommt ebenso vor wie die Gründung der Zeitschrift Naša Niwa, der Überfall der Deutschen 1941 und die Zeit nach 1945. Bezeichnenderweise endet die Erzählung 1991 mit der Erlangung der Unabhängigkeit. Text und Musik stammen von dem hierzulande bekannten Sänger Ljavon Volski.

Deutscher Soldatenfriedhof in Schatkowo

Vor Kurzem wurde ein weiterer Friedhof für deutsche Soldaten des Zweiten Weltkrieges in Belarus eröffnet. Das großzügige Gelände, geschützt in einem großen Wald gelegen, befindet sich im Gebiet Mogiljew unweit der Stadt Bobruisk. Dort wurde am 2. Juli 2011 die Eröffnung des Friedhofs nach einer Erweiterung und Neugestaltung durch den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge vorgenommen. In Anwesenheit zahlreicher Angehöriger, die aus Deutschland angereist waren, sowie von Kirchenvertretern und weiteren Gästen wurden die Überreste von fünf Soldaten beigesetzt.

Der Friedhof ist derzeit Ruhestätte für 15.000 deutsche Soldaten, bis zu 40.000 können hier in Zukunft noch beerdigt werden. Insgesatm sind 200.000 deutsche Soldaten zwischen 1941 und 1943 im heutigen Belarus ums Leben gekommen. Noch immer sind viele nicht gefunden worden oder ihre Grabstätte ist weiterhin unbekannt.

Die nachhaltige Suche und das Bemühen des Volksbundes um die Toten löst in Belarus zwiespältige Gefühle aus. Nicht immer erfolgt die Suche nach den eigenen Soldaten und Kriegsopfern mit demselben Engagement, zumal eine Identifizierung der sowjetischen Soldaten aufgrund unvollständiger Registrierung und des Erkennungszettels aus Papier ungleich schwieriger ist. Hinzu kommt die Zurückhaltung der Regierungsbehörden in der Unterstützung des Volksbundes: Bis heute ist das Kriegsgräberabkommen von Mitte der 90er Jahre nicht vom weißrussischen Parlament ratifiziert worden. Damit hängt die Zusammenarbeit von den einzelnen Bezirksbehörden ab, die der Arbeit des Volksbundes in der Regel allerdings aufgeschlossen gegenüber stehen. Auf beiden Seiten ist man sich einig über die Notwendigkeit und zukunftsweisende Absicht der Erinnerung an alle Opfer des Krieges. Dies zeigt auch die Kranzniederlegung an einem Denkmal für die gefallenen sowjetischen Soldaten durch den VDK und alle anwesenden Gäste, zu denen der deutsche Botschafter, der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, General a.D. Wolfgang Schneiderhan sowie der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Wieland gehörten, vor der Einweihung des deutschen Friedhofs.

Die Kranzniederlegung am sowjetischen Ehrenmal.

Weitere Informationen bietet ein Bericht von Elfie Siegl in der Sendung SCALA auf WDR 5 am 31.7.2011:

http://www.wdr5.de/fileadmin/user_upload/Sendungen/Alte_und_neue_Heimat/2011/07/Manuskripte/07_31_siegl_weissrussland.pdf

Planerfüllung im Museum

Wieder mal ein schönes Beispiel für die staatlich reglementierte Kulturpolitik ist der jüngste Beschluss des Ministeriums vom 28. Juli (Meldung bei der Nachrichtenagentur Belapan). Demzufolge müssen alle Museen, die zum Kulturministerium gehören, bis Ende 2012 eine Website aufweisen können.

Ebenfalls vorangetrieben und bis 2015 abgeschlossen sein soll die digitale Erfassung der Sammlungen, die dann online zugänglich sein sollen. Bisher nutzen 125 von 153 Museen eine Software für die Sammlungsverwaltung. Bereits seit im September 2010 existiert ein Nationaler Sammlungskatalog, in den bisher 4.000 Objekte eingespeist wurden. Besser aufgestellt sind die Bibliotheken des Landes, von denen nach Aussage des Ministeriums alle bereits ans Internet angeschlossen sind.

Kriegserinnerung

Foto: http://gwminsk.com/public/page_photos/vis52.JPG

In der letzten Woche haben wir uns zu einem, wie ich finde, ebenso außergewöhnlichen wie persönlichen Gespräch in der Geschichtswerkstatt getroffen. Über Sprach- und Generationsgrenzen hinweg hatten wir die Gelegenheit zu einem Austausch mit dem bekannten, jüngst 75 gewordenen und mehrfach ausgezeichneten Architekten Leonid Lewin und seiner Tochter Galina Lewina, ebenfalls Architektin. In den Räumen der Geschichtswerkstatt, in der gerade eine Ausstellung ihrer Zeichnungen gezeigt wird, las sie aus ihren Gedichten. Diese sind auf russisch, deutsch und englisch erschienen und geben Einblicke in ihre Reisen der letzten Jahre.

Reisen, real, mental und emotional, war auch eines unserer Themen –  neben der Erinnerung an den Krieg und seine Folgen. Dabei ging es sowohl um Formen gesellschaftlicher Erinnerung, in Belarus entscheidend geprägt durch die von Lewin mit gestaltete Gedenkstätte in Chatyn, als auch um die wissenschaftliche Aufarbeitung, z.B. durch die Forschung von Natalja Kirillova (der ehemaligen Direktorin der Gedenkstätte in Chatyn) und Vjacheslav Selemenev (dem ehemaligen Direktor des Nationalarchivs Belarus) zu den verbrannten Dörfern, und das individuelle Gedenken in den Familien.

Blog zu Minsk und Minsker Geschichte

Neulich stieß ich auf einen mir bisher nicht bekannten Blog zu Minsk und Umgebung. Immer ausgehend von einem Foto finden sich hier viele Hinweise auf historische Spuren in der Stadt und der Minsker Region. Zusammen mit den kurzen texten und Kommentaren der Leser lässt sich viel Neues entdecken. Ein Schwerpunkt der Einträge liegt auf dem Thema Architektur.

Bisher unbekannte Fotos aus dem zerstörten Minsk

Auf den Seiten von Spiegel online bzw. einestages wurden im Juni Fotos aus einem erst jüngst entdeckten Fotoalbums veröffentlich. Es handelt sich um Fotos des Salzburger Kriegsberichterstatters und Fotografen Franz Krieger. Krieger kam mit der Wehrmacht bis in der zerstörte Minsk, von wo viele der Aufnahmen aus in dem Album stammen.

U.a. fotografierte er im Sommer 1941 Kriegsgefangene und das Ghetto. Ein weiteres Foto zeigt einen deutschen Soldatenfriedhof vor der Akademie der Wissenschaften. Laut Auskunft des VdK, so einestages, sind diese Soldaten identifiziert, aber bisher nicht umgebettet worden. Wahrscheinlich sei dies das einzige Foto, das ihren Familienangehörigen geblieben sei.

Dies stimmt meiner Kenntnis nach nicht, da es weitere Aufnahmen von diesem Ort, der Akademie und dem davor angelegten Friedhof, aus anderen Perspektiven gibt. Gesehen habe ich sie in der Geschichtswerkstatt Minsk , dessen Leiter Kuzma Kozak eine Publikation über die deutschen Verluste vorbereitet. Sie wird im September erscheinen und die genannten Fotos – hoffentlich mit verlässlichen Quellenangaben – publizieren.

Italien in den Werken russischer Künstler

Diesem Thema ist derzeit eine kleine Ausstellung im Nationalen Kunstmuseum gewidmet. Zu sehen sind Werke von Fedor Matveev, Silvester Ščedrin,  Ivan Ajvazovskij u.a. aus der Sammlung des Minsker Kunstmuseums.

An drei Abenden finden im Rahmen des Begleitprogramms Konzertabende im Foyer des Museums statt. Der gestrige Abend bot Genuss auf höchstem Niveau: Lieder, Arien und Klavierstücke russischer und italienischer Meister ließen den Besucher eintauchen in die so unterschiedlichen und doch künstlerisch verbundenen Welten Italiens und Russlands im 19. Jahrhundert.

All jenen, die Kunst und Musik in schönem Ambiente genießen möchten, sei der Besuch des dritten und letzten „Musikalischen Abends“ am 18. August sehr empfohlen.

Archäologisches Museum im Institut für Geschichte der Akademie der Wissenschaften

Foto: http://www.history.by/rus/exposition.html

Klein, aber fein ist die Ausstellung zur Geschichte der archäologischen Forschung in Belarus im obersten Stock des Gebäudes, in dem sich auch das Institut für Geschichte der Akademie der Wissenschaften befindet (Экспозиция „Развитие археологической науки в Национальной академии наук Беларуси“ при ГНУ Институт истории НАН Беларуси“). In zwei Räumen bietet die überraschend modern gestaltete Ausstellung einen Überblick über verschiedene Ausgrabungsorte und Funde auf dem Gebiet des heutigen Belarus.

Das nach Voranmeldung öffentlich zugängliche kleine Museum dient vorrangig der Ausbildung von Studierenden. Für sie werden Formen und Exemplare archäologischer Funde auf einzeln verschiebbaren Tafeln zum Vergleich präsentiert. Großfotos, kleine Inszenierungen und moderne Vitrinen hinterlassen einen professionellen Eindruck. Auffällig sind die durchweg belarussiche und englische Beschriftung aller Exponate – ein Service für den Einzelbesucher, den man nur selten in weißrussischen Museen findet. Einführende Texte zur Einordnung einzelner Fundorte wünscht man sich dagegen leider vergeblich.

Das Museum zeigt nur einen kleinen Teil der weitaus größeren Sammlung der Akademie der Wissenschaften. Diese hat im Zweiten Weltkrieg stark gelitten, große Teile wurden nach Deutschland verbracht. Von dem, was nach dem Krieg zurückgegeben wurde, gelangten viele Exponate aufgrund der sowjetischen Verteilungsstruktur an andere Museen im ganzen Land. Mit dem vorhandenen Bestand sollte bereits 1963 ein Museum eröffnet werden. Dieses Vorhaben wurde jedoch erst 2006 realisiert.

Zur Ausstellung gibt es eine russisch- und englischsprachige Broschüre sowie Informationen im Internet.

3. Juli – Nationalfeiertag

Die Gedenktafel an dem T-34 ist nicht korrekt, so der Autor eines Artikels der Belarussischen Militörzeitung vom 12.5.2011.

Am kommenden Sonntag ist es wieder soweit: Mit Pomp und Parade feiert die Republik Belarus ihren Nationalfeiertag. Schon jetzt hängen riesige Plakate in der Innenstadt, die Hauptachsen werden nachts regelmäßig für den Verkehr gesperrt, um für die große Militärparade zu üben. Und damit es keine Missverständnisse gibt, liest man allenthalben: „Tag der Unabhängigkeit (= Tag der Republik Belarus)“. Diese Erklärung ist offenbar nötig, denn in der Tat gibt es unterschiedliche Anasichten, welches der wahre Nationalfeiertag ist.

Von 1991 bis 1996 war es der 27. Juli, der Tag, an dem die Weißrussische Sozialistische Sowjetrepublik im Jahre 1991 ihre Unabhängigkeit von der Sowjetunion erklärte. Im November 1996 machte dann Präsident Lukaschenko mit Hilfe eines umstrittenen Referendums den 3. Juli zum Tag der Unabhängigkeit und Nationalfeiertag.

In oppositionellen Kreisen, in der belarussischen Emigration sowie für viele Menschen im Land gilt schließlich der 25. März als Nationalfeiertag. Dies ist der Tag der Gründung der „Weißrussischen Volksrepublik“ im Jahre 1918, die freilich nur bis zum Herbst 1918 Bestand hatte, für viele aber heute zu einem Symbol staatlicher Souveränität geworden ist.

Historisch geht das heutige Datum des Feiertages, also der 3. Juli, auf den Tag der Befreiung der Hauptstadt Minsk von der nationalsozialistischen Besatzung durch die Roten Armee im Rahmen der militärischen Operation Bagration zurück. Ursprünglich allein zur Befreiung von Minsk gedacht, weitete sich die Operation aus und fügte der deutschen Heeresgruppe Mitte entscheidende Verluste bei, und führte letztlich zu deren Zusammenbruch. Die Folge war das Ende der Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten auf sowjetischem Territorium und die Auflösung der Lager. So wurde das Ghetto Minsk am 21.10.1943 aufgelöst und die letzten 2.000 Einwohner im nahe gelegenen Vernichtungslager Malyj Trostenec ermordet.

Auch diese Inschrift in Zaslavl wurde im April durch eine weitere in der Nähe ergänzt und damit präzisiert.

Mehr als die Schrecken der Besatzungsherrschaft wird heute offiziell jedoch noch immer der militärischen Erfolge der Roten Armee gedacht. Vor diesem Hintergrund wird auch die erhoffte Symbolkraft und Wirkungsmacht der Militärparade verständlich. Ein nationaler Konsens kann offenbar jedoch auch hier nicht hergestellt werden. So beschreibt ein Artikel in der „Belarussischen Militärzeitung“ vom 12.5.2011 ausführlich die militärische Operation zur Befreiung der Stadt und weist anschließend minutiös nach, dass zahlreiche der seit Jahren im Stadtbild und der Umgebung befindlichen Gedenk- und Erinnerungstafeln falsche Inschriften zeigen. Bemerkenswert ist dabei, dass diese Tafeln vom Kulturministerium, dem Institut für Geschichte der Akademie der Wissenschaften und anderen zuständigen Behörden angebracht wurden. Diese ruft der Autor, ein Kriegsveteran und Generalmajor im Ruhestand, nun in einer offiziellen Zeitung zur Korrektur auf – natürlich nur, um auch hier der allseits verbreiteten „Falsifikation der Geschichte“ entgegenzutreten.

Belarus auf der Biennale in Venedig II

Am 25. Juni findet um 16.00 Uhr in der Galerie NOVA eine Veranstaltung mit Pawel Wojnizki, einem Mitarbeiter des Kurators des belarussischen Pavillons auf der 54. Biennale in Venedig zum Thema „Fotografie im Kontext der zeitgenössischen Kunst“ statt.

Adresse: Galerie NOVA, Ul. Kulman 2, Raum 421 (4. Etage)

22. Juni 2011 – 70. Jahrestag des Überfalls des Deutschen Reichs auf die Sowjetunion

„Achtung – es spricht Moskau.“ So begann die Mitteilung des offiziellen sowjetischen Rundfunks am 22. Juni 1941 zum deutschen Angriff – heute zu hören auf der Homepage der Festung Brest, dem Ort, an dem die Deutschen die Grenze überschritten. Noch immer läuft einem dabei ein Schauer über den Rücken.

In diesen Tagen finden allerorts Veranstaltungen anlässlich des Jahrestages, des „Gedenktages der Opfer des Großen Vaterländischen Krieges“ statt. Dabei fällt auf, dass es sich überwiegend um wissenschaftliche Konferenzen und Vorträge handelt, wie z.B. in der Gedenkstätte der Festung Brest oder in der Geschichtswerkstatt. Angebote für eine breite Öffentlichkeit gibt es, sieht man von den offiziell inszenierten Gedenkfeieren in vielen Städten ab, kaum.  Auch das Museum der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges zeigt keine Sonderausstellung.

In Minsk war allein eine Schweigeminute für den 22.6. um 18.00 Uhr auf dem Freiheitsplatz angekündigt, übrigens zum ersten Mal, wie ich vielfach gehört habe. Wie befürchtet, diente diese Veranstaltung auch der Besetzung des Platztes, auf dem sich in letzter Zeit Mittwochs abend Kritiker der Reigierung versammeln, und wo für gestern über die sozialen Netzwerke eine Demonstration angekündigt war.

Deutlich präsenter im Stadtbild ist der bevorstehende 3. Juli, der Tag der Unabhängigkeit, der selbst auf ein historisches Datum im Großen Vaterländischen Krieg zurückgeht: den 3. Juli 1944, die Befreiung von Minsk. Auch im „Park des Sieges“, am Komsomolzen-See, sind die Plakate zu sehen. Es ist dies der Ort, an dem am 22. Juni 1941 die Minsker vom Überfall des nationalsozialistischen Deutschlands auf die Sowjetunion erfuhren, als der Park, damals noch unter anderem Namen, öffentlich eingeweiht wurde.

Der Minsker Brüderfriedhof – Der Große Krieg oder der Erste Weltkrieg III

Die Baustelle im Mai 2011.

Noch zu Beginn des Jahres war es eine unscheinbare Grünfläche, deren Bezug zum Ersten Weltkrieg man nur über eine ebenso unscheinbare Tafel an den beiden Seiteneingängen entnehmen konnte. Nun entsteht dort eine „Memorialkomposition“, der der Abbildung auf dem Bauschild zufolge eine Neugestaltung des Parks sowie den Bau einer Kapelle umfasst. Die Arbeiten gehen zügig voran, so dass das Ganze wohl noch vor 2014 fertig wird. Dies wiederum würde zu dem allseits erwachenden Interesse am Ersten Weltkrieg passen, das hier, wie übrigens auch in Russland, zu beobachten ist.

Die Rede ist von dem „Minsker Brüderfriedhof“, einem Ort an der Červjakov-Straße in der Nähe des Komsomolzen-Sees nördlich vom Stadtzentrum Minsk. Hier wurden beim Bau des Fundaments für die Kapelle menschliche Überreste gefunden. Dabei handelt es sich um Soldaten der russischen Armee, die hier 1915 beerdigt worden waren, nachdem sie in Minsker Krankenhäusern in Folge ihrer Kriegsverletzungen gestorben waren. Diese Erkenntnis haben die Angehörigen des Suchbataillons der Belarussischen Streitkräfte aus weiteren Funden, wie medizinischem Gerät, abgeleitet, wie ein Artikel der Belarussischen Militärzeitung vom 11.3.2011 berichtet.

Neben einem Rückblick auf die Ereignisse des Krieges empört sich der Autor, dass sich lange Jahre niemand für dieses Thema interessiert habe. Nur so habe es passieren können, dass auf Teilen des ursprünglich viel größeren Friedhofsgeländes, auf dem Orthodoxe, Juden, Katholiken und Moslems getrennt beerdigt worden waren, heute mehrstöckige Wohnhäuser stehen. In der Tat spielt der Erste Weltkrieg in Belarus, wie in Russland und zuvor in der Sowjetunion, kaum eine Rolle im offiziellen Gedächtnis. Seit einigen Jahren jedoch gibt es immer mehr Historiker und Museen, die sich dieser Epoche in Studien oder Ausstellungen widmen. Das heutige Gebiet von Belarus war auch in diesem Krieg ein zentraler Schauplatz militärischer Auseinandersetzungen. In dem Bemühen, nationale Traditionen und Anknüpfungspunkte für die nationale Identität zu finden, liegt es nahe, auch diese historische Periode zu erforschen. In diesem Sinne ist es konsequent, dass an der Kapelle eine Liste mit den Namen aller hier Beerdigten angebracht werden soll, eine aufwendige Umbettung der Überreste geplant ist sowie eine Beerdigung mit allen militärischen Ehren.

Foto: http://zapadrus.su/zaprus/istbl/295--1914-18-.html

2003/2004 konnten im Rahmen eines Forschungsprojektes nähere Informationen zu dem am 29. November 1914 angelegten Friedhof und den Toten gefunden werden. Das Hauptinteresse lag auf der Erstellung einer Namensliste sowie der Rekonstruktion von möglichst vielen biographischen Details der ursprünglich ca. 5.000 Toten dieses Friedhofs. Über die Ergebnisse berichtet Andrej Karkotko, ein Historiker des Suchbataillons in der Belarussischen Militärzeitung vom 24.3.2011 und auf den Seiten von Zapadnaja Rus vom 17.3.2011, wo sich auch eine Liste der hier beerdigten Soldaten findet.

Ein Übersichtsplan findet sich hier.

Ein Urwald mitten in Europa

Als ich neulich in der Zeitschrift „Kulturaustausch“ über die Bedeutung des Bisons in Belarus las, habe ich sofort bedauert, dass ich es in fast neun Monaten noch nicht geschafft habe, hier in Belarus eines dieser Urviecher mit eigenen Augen und nicht im Zoo zu sehen. Zuletzt habe ich eines im Heimattiergarten [sic!] in Fürstenwalde gesehen. Oder waren das Wisente? Nicht, dass das wirklich wichtig wäre, aber die Tiere tauchen mit großer Regelmäßigkeit und Prominenz in der belarussischen Tourismuswerbung auf. Da wäre es doch interessant zu wissen, ob nun Bisons oder Wisente gemeint sind, oder nicht?

Ein guter Anfang scheint mir die beliebte Wodkamarke „Zubrovka“ zu sein. Sie bildet einen grimmig dreinschauenden Bullen dieser Rasse ab. Ich folge dieser Spur und lerne als erstes, dass es sich bei Zubrovka um eine Grassorte handelt, jedenfalls im russischen Wörterbuch. Im weißrussischen Pendant ist davon nur noch das daraus gebraute alkoholische Getränk übrig. Soweit so gut. Weitere ethymologische Nachforschungen bringen mich zum Zubr– russisch und weißrussisch (!) für Wisent. (Der russische Zubr ist zugleich ein Erzreaktionär, aber das ist sicher eine andere Geschichte.) Mit dem Bison ist es einfacher, es ist sowohl in Russland als auch in Belarus ein Bison. Und genau davon schreibt in der erwähnten Zeitschrift der weißrussische Journalist Anton Trafimowitsch und der muss es doch wissen. Also noch mal von vorne.

Wer in Weißrussland eines dieser riesigen Tiere zu Gesicht bekommen will, womit wir wieder bei der Tourismuswerbung wären, fährt in Richtung polnischer Grenze. Dort befindet sich der einzige Urwald in Europa, der Białowieża-Nationalpark – natürlich unter UNESCO-Naturerbeschutz. Das 150.000 ha große Gelände gehört zu Polen und zu Belarus und bietet eine schier unglaubliche Fülle von Flora und Fauna. Dazu gehören auch – Wisente. Ihr zoologischer Name lautet Bison bonasus, womit wir der Verwirrung schon näher kommen. Unglücklicherweise stoße ich gerade hier (und nur hier) auch auf Zubrons (immerhin bringt mich das wieder zu dem Wodka zurück), bei denen es sich offenbar um eine Kreuzung zwischen Rind und Wisent handelt. Erwartungsgemäß wenig zur Klärung tragen diverse Seiten über den Jagdtourismus in Belarus bei. Den Nutzern dieser Informationen scheint es egal zu sein, ob sie Wisente, Bisons oder Zubrons erlegen. Zubrovka wird jedenfalls genug dabei fließen.

Das belarussische Internetportal www.zubr.com weiß zwar gar nichts über seinen Namensgeber zu berichten, bestätigt aber immerhin die offenbar nationale Bedeutung, die das Tier für Weißrussland hat. Eine wahrlich diplomatische Lösung bieten schließlich die englischsprachigen Websites, die vom „European bison“ sprechen, womit wieder einmal zweifelsfrei erwiesen wäre, dass Belarus mitten in Europa liegt, was wir ja von Polen schon lange wissen.

Belarus auf der 54. Biennale in Venedig I

Erstmals wieder seit 2005 ist Belarus mit einem eigenen Pavillon in Venedig präsent. Auf 170 m² vertreten die Künstler Yury Alisevich, Artur Klinau, Kanstantsin Kastsiuchenka, Viktar Piatrou und Dzianis Skvartsou ihr Land mit dem Projekt „Kodex“, einer künstlerischen Interpretation von Textdesign. Es ist geplant, einige der Arbeiten im Dezember in Minsk im Museum für zeitgenössische Kunst auszustellen.

Die Teilnahme in diesem Jahr geht auf eine Entscheidung „von ganz oben“ zurück und wird vom Kulturministerium finanziert. Außerdem beteiligt sind das Museum für zeitgenössische Kunst, die Kunstakademie und die Botschaften Italiens in Belarus und von Belarus in Italien. 2009 hatte es die staatliche Kulturförderung, die die zeitgenössische Kunst ohnehin kaum bis gar nicht einschließt, „versäumt“, Belarus auf der Biennale zu präsentieren. Daraufhin initiierten 30 Künstler ein Projekt: Den Weißrussischen Pavillon auf der 53. Biennale in Venedig – in Minsk. Die Ausstellung, die im Juni 2009 im Ausstellungszentrum BelExpo eröffnet wurde, erregte viel Aufmerksamkeit und unterstrich den Vorwurf der Künstler, seitens der staatlichen Stellen werde im Ausland der Eindruck vermittelt, in Belarus mangele es an Gegenwartskunst auf internationalem Niveau – was insofern stimmt, als Künstler hier unter erschwerten Bedingungen kaum Chancen haben, sich international zu entwickeln.

Offenbar aber wollte Belarus diesen Vorwurf nicht auf sich sitzen lassen und schickte nun fünf Vertreter der zeitgenössischen Kunst nach Italien. In der Berichterstattung über die Biennale ist Belarus bisher nicht aufgetaucht, was angesichts der schwierigen Situation, in der sich viele der Künstler im eigenen Land befinden, bedauerlich ist. Umso mehr Aufmerksamkeit sei dem Pavillon in Venedig und damit auch Belarus selbst beschieden!

Einen virtuellen Rundgang durch den Pavillon bietet ein Video auf youtube. Weitere Informationen zu zeitgenössischen Künstlern findet man bei der amerikanischen (!) Galerie BellaBelarus.

Die Kunstgalerie „L. Schtschemelew“

Ein Blick in die Dauerausstellung.

Etwas abseits der touristischen Route befindet sich eine Ausstellung mit Werken des belarussischen Malers Leonid Schtschemelew (*1923). Zu seinem 80. Geburtstag spendete er 2003 der Stadt einen Teil seiner Werke. Die Stadt eröffnete daraufhin die erste städtische Galerie in Minsk.

Neben der Dauerausstellung, die einen größeren Saal umfasst, veranstaltet die Galerie regelmäßig Sonderausstellungen zeitgenössischer Künstler und kulturelle Veranstaltungen. Werke von Schtschemelew befinden sich auch in der Tretjakov-Galerie in Moskau, im Nationalen Kunstmuseum sowie verschiedenen Privatsammlungen. Leiterin der Galerie ist die eine der wenigen Kunstkritikerinnen in Belarus, Tatjana Bembel, die Enkelin des Bildhauers Andrej Bembel.

Biographische Informationen und einige Abbildungen seiner Werke auf der Website des Museums für zeitgenössische Kunst in Jersey City, New Jersey http://www.museum-rus.org/biography.htm?UrlRid=551
sowie unter http://minsk.gov.by/ru/org/3204/

Museumskonferenz für den russischsprachigen Raum

Vom 10. bis 14. Mai fand in Minsk mit Unterstützung durch die Kulturministerien Russlands und Belarus’ die jährliche ADIT-Konferenz statt. ADIT ist eine russische, nichtkommerzielle Vereinigung (die Abkürzung steht für „Automatisierung von Museumsaufgaben und Informationstechnologie), die sich der Vernetzung und Kommunikation in Museen widmet. 1996 gegründet, ist sie aus der Tätigkeit des ICOM-Sonderkomitees CIDOC (International Committee for Documentation) als russischsprachiges Nationalkomitee hervorgegangen. ADIT veranstaltet jährliche Konferenzen, die bisher immer in Russland, 2011 erstmals in einem der Nachbarländer stattgefunden haben, gibt Bücher und Internetpublikationen zu verschiedenen Aspekten der Informationstechnologie in Museen heraus und veranstaltet Fortbildungsseminare.

Die diesjährige Konferenz war keinem speziellen Thema gewidmet, hatte aber aufgrund des Veranstaltungsortes einen Schwerpunkt auf den Museen in Minsk und Belarus. Neben zahlreichen, leider meist sehr kurzen, schlecht moderierten Vorträgen, die unmittelbar aufeinander folgten und kaum Raum für eine Diskussion ließen, gab es eine Präsentation von

Internet- und Multimedia-Präsentationen verschiedener Museen in der Nationalbibliothek. Themenschwerpunkte der Beiträge waren die Vernetzung von Museen, Bibliotheken und Archiven, multimediale Anwendungen in Ausstellungen, computergestützte Verwaltungssysteme und die Arbeit mit Kindern im Museum.

Ein weiterer zentraler Programmpunkt waren die Workshops für Anfänger und Fortgeschrittene zu dem Informationssystem KAMIS. Dabei handelt es sich um eine Museumssoftware einer Petersburger Firma für alle Arbeitsbereiche von Sammlung über Verwaltung, Leihverkehr und Restaurierung, das in vielen russischsprachigen Museen im Einsatz ist, bei weitem aber nicht das einzige Programm für diese Zwecke ist.

Insgesamt war die dreitägige Konferenz eine ideale Plattform für die Vernetzung der russischsprachigen Museumsszene und einen Einblick in die aktuellen Themen und Tendenzen der Region. Wer in diesem Feld auf dem Laufenden bleiben will, dem sei eine Teilnahme im kommenden Jahr empfohlen. Die Thesen der Vorträge sind in einer Broschüre bereits zur Konferenz erschienen (ISBN 978-985-459-210-7), die Konferenzberichte sind in Kürze auf der Website von ADIT zu finden.

Ein Museum für Valentin Vankovič

Etwas zurückgesetzt an einer Straße mitten im Zentrum hinter dem Kulturpalast liegt das Memorialmuseum für Valentin Vankovič. Dieser Museumstyp war schon zu Sowjetzeiten sehr verbreitet und findet sich heute noch häufig in Russland, Belarus und der Ukraine. Gemeint ist ein, meist kleines Museum oder einige Räumlichkeiten in einem Gebäude, die biographisch mit einem Künstler, Literaten oder Musiker verbunden sind und eher Andenken und Verehrung, als Dokumentation und wissenschaftlicher Aufarbeitung gewidmet sind. Ihren ganz besonderen Reiz beziehen diese Museen für mich daraus, dass meist mehrere ältere Damen ein strenges Regime führen, auf das Wohlverhalten in den Ausstellungsräumen achten und den wenigen Besuchern persönlich Anekdoten aus dem Leben des Künstlers und rund um die als Ikonen erehrten Objekte erzählen.

So ist es auch im Falle des Museums für diesen, wie ich im Museum erfahre, berühmten Vertreter der weißrussischen Romantik. Vankovič lebte von 1800-1842, verbrachte aber nur wenige Jahre in seiner Heimat, in Minsk. In diesen Jahren befand sich eine seiner Werkstätten in diesem Haus seines Cousins. Die ersten beiden Säle zeigen Dokumente und Gemälde zu Leben und Werk des Malers, dessen Portraits von u.a. von A. Puschkin P. Vjazemskij und A. Mickewicz in Museen in Polen, Litauen, Frankreich, Italien und Russland hängen. Dagegen findet sich kein einziges Original in Belarus, wo er indes als nationaler Künstler reklamiert wird. Aus polnischer Perspektive freilich ist das ebenso.

Die folgenden drei Säle zeigen (meist Kopien) von Portraits bekannter und weniger bekannter Zeitgenossen, kombiniert mit Möbeln und Einrichtungsgegenständen aus der Zeit Ende des 18./ Anfang 19. Jahrhunderts. Hier vermittelt sich die Atmosphäre eines städtisch-adeligen Lebens in Minsk zu dieser Zeit.  Passend zu diesem Rahmen veranstaltet das Museum regelmäßig Konzerte auf dem hauseigenen Flügel, Lesungen und andere kulturelle Veranstaltungen.

Das Museum befindet sich in der Internationalnaja Straße 33a und ist eine Filiale des Nationalen Kunstmuseums, wo man auch weitere Informationen erhält.

Der Große Krieg oder der Erste Weltkrieg II

Der herannahende 100. Jahrestag seit Ausbruch des Ersten Weltkrieges erfährt in Belarus eine noch vor 10 Jahren undenkbare Aufmerksamkeit. Am nördlichen Zentrum von Minsk wird ein erst kürzlich entdecktes Massengrab in eine Parkanlage verwandelt. Und erst im letzten Jahr erschien eine Publikation über die „Soldatengräberanlagen aus dem Ersten Weltkrieg in Belarus“. Die auf deutsch und russisch erschienene Broschüre im DIN A 4-Format enthält neben einer Einleitung zweier belarussischer Historiker (Anatolij Scharkow und Wjatscheslaw Selemenew) eine Übersicht über die nach Gebieten geordneten Gedenksteine, Friedhöfe und Denkmäler in Belarus nebst kurzer Beschreibung, einem Foto und einer Zustandsbeschreibung.

Die Ausgabe wurde vom Österreichischem Schwarzen Kreuz und dem Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge finanziert und herausgegeben. Neben Vorworten von Vertretern dieser beiden Einrichtungen, gibt es ein Vorwort des Leiters des Ludwig Boltzmann-Instituts für Kriegsfolgenforschung in Graz sowie ein „Verzeichnis der österreichischen Gefallenen, die nahe Bereza im gebiet Brest begraben sind“.

Das Heft stellt eine gute Grundlage für weitere Forschungen zum Ersten Weltkrieg in Belarus sowie die Erinnerung an diesen in der Sowjetunion fast vergessenen Krieg dar.

Theater gegen das Vergessen

Foto: Geschichtswerkstatt Minsk

Am 27.5.2011 fand in der Geschichtswerkstatt die Uraufführung des Theaterstücks «Без названияМинское гетто» („Ohne Titel – Minsker Ghetto“) statt. Unter der Leitung der Theaterregisseurin Anna Sulima fassten die Schauspielerinnen und Schauspieler der Theatergruppe «Театральный квадрат» („Theater quadrat“) das Grauen der Konzentrationslager in eindrucksvolle, starke Bilder.

Das Projekt ist in Kooperation mit dem Historischen Institut der Belarussischen Staatlichen Universität entstanden, an der der Leiter der Geschichtswerkstatt, Kuzma Kozak, unterrichtet. Für das Stück gewann die junge Regisseurin Studierende unterschiedlicher Fakultäten, die meisten Historiker. Für die inhaltlichen Grundlagen arbeitete Sulima mit Überlebenden des Minsker Ghettos und anderer Lager zusammen, die sich regelmäßig in der Geschichtswerkstatt treffen. Auch der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde und Verbände, Leonid Lewin, wirkte an der Realisierung mit.

Foto: Geschichtswerkstatt Minsk

Die 30 geladenen Gäste erlebten eine eindrucksvolle Inszenierung, die für die Räumlichkeiten der Geschichtswerkstatt entstanden ist. Neben Ausdruckstanz und Musik trugen die jungen Laienschauspieler Textstellen aus Erinnerungen von Überlebenden in deutscher, französischer, russischer, belarussischer, polnischer und litauischer Sprache vor. Darin kommt das zentrale Anliegen der Autorin zum Ausdruck, an alle Opfer des Holocaust aus verschiedenen Ländern zu erinnern, auch wenn, so die Künstlerin selbst, kein Theaterstück, kein künstlerischer oder anderer Ausdruck jemals in der Lage sei, die schrecklichen Erfahrungen der Betroffenen in Bilder oder Worte zu fassen. In diese Sinne entließ sie ihre sichtlich betroffenen Zuschauer mit den Worten: „Irgendwann wird es niemand mehr glauben.“

Im Dienste des Vaterlandes

Heute war ein Frauentag. Das sind die Tage, an denen ich als „Ehefrau des Oberstleutnant“ unterwegs bin. So steht es in meinem Diplomatenpass, und zwar unter „Dienstbezeichnung“. Eigentlich bin ich gewöhnt, hier zwischen „Historikerin“, „Ausstellungskuratorin“ oder „Dozentin“ zu wählen, aber für den ausfüllenden Beamten im BMVg war das keine Frage, als man unsere Daten für den Pass aufgenommen hat. Es wird auch nicht vermerkt, welchem Oberstleutnant ich als Ehefrau zugehörig bin – immerhin tragen ja viele Eheleute heutzutage weiterhin ihren eigenen Familiennamen, aber sei’s drum, für meine Dienstverpflichtungen spielt das schließlich keine Rolle.

Heute war ich also zuerst um 10.30 Uhr zum Frühstück bei Frau Q. einer anderen, jüngst erst eingetroffenen Ehefrau aus dem Kreis der MAPs (=mit ausreisender Partner). Ein guter Start an einem sonnigen Frühlingstag, zumal im häufig doch anstrengenden russischsprachigen Alltag endlich mal wieder die Aussicht auf eine entspannte, weil unbedeutende deutsche Konversation, besteht.

Ich rufe also Frau Q. auf dem Handy an, um mich in dem verschachtelten Minsker Hinterhof, irgendwo in der Nähe ihres Wohnhauses, zu orientieren. Freudig versichert sie mir in verschiedenen Sprachen, von denen keine deutsch ist, gleich bei mir zu sein. Sprach’s, und kommt im sommerlichen Flatterkleid und eleganten Flipflops aus dem Haus. Ihr feuriges Erscheinungsbild lässt auf die Südsee schließen, was sie in einem Sprachgemisch sogleich bestätigt. Im Ambiente der großzügigen Wohnung voller exotischer Möbel, Kunst und Erinnerungsstücke, serviert sie nach dem Eintreffen weiterer Damen einen perfekten deutschen Apfelkuchen und berichtet von den Dauerbaustellen aller Umzüge aus der Elfenbeinküste nach Malaysia nach Deutschland nach Kenia nach Kiew nach China nach Minsk. Hilfe oder Tipps zu den Minsker Verhältnissen braucht sie keine, dafür ist sie auf der Grundlage jahrelanger Erfahrungen sogleich bereit, bei der Organisation des anstehenden Empfangs des International Women’s Club durch die deutschen Damen zu helfen. Gesagt, getan, alle Fragen sind geklärt.

Ich muss mich leider verabschieden, um nicht zu spät zu meinem Massagetermin um 13.00 Uhr zu kommen, der mich von den Verspannungen der zahllosen und anstrengenden Termine an der Cocktailfront befreien wird. Flugs fahre ich also zum 1. Städtischen Krankenhaus und parke aufgrund der bereits eingetretenen leichten Verzögerung auf dem Gehsteig, was ärgerlich für die Fußgänger und verzeihlich für die Polizei ist – beides aufgrund des Diplomatenkennzeichens.

Wellnessmäßig entspannt geht es gegen 14.30 Uhr weiter zur nächsten Dienstverpflichtung, dem House-Keeping für eine weitere betroffene Ehrefrau. Gerne helfe ich aus, zumal wir bemerkt haben, dass es uns zwei beide aus demselben Abiturjahrgang aus derselben mittelgroßen, deutschen Bundesstadt in die weißrussische Hauptstadt verschlagen hat. Das verbindet. Und außerdem ist die Dame mit ihrem Göttergatten auf Heimaturlaub, so dass ich auf eine Mitfahrgelegenheit für zahlreiche in Küche und Haushalt vermisste Utensilien und Zutaten hoffen kann.

Solchermaßen motiviert, mache ich mich auf den Weg in den Supermarkt, um die letzten Zutaten für das heutige Abendessen zu besorgen, das ich gegen 19.00 Uhr meinem eigenen Gatten zu servieren gedenke, denn auch das gehört schließlich zu meinen patriotischen Verpflichtungen. Wofür ich übrigens, das möchte ich nicht verschweigen, ein „Nadelgeld“ (sic!) erhalte. Für’s Vaterland.

Was für ein schöner Tag! Morgen ist wieder ein normaler Arbeitstag. Ich freue mich auf meinen Schreibtisch.

Lange Nacht der Museen

In der Nacht vom 14. auf den 15. Mai gibt es auch in Minsk die Lange Nacht der Museen. Erstaunlich, dass sich ausgerechnet auf der offiziellen Seite der belarussischen Museen kein Hinweis auf die Veranstaltung findet, das Programm kann man aber verschiedenen Infoseiten im Internet entnehmen, z.B. hier.

Der Große Vaterländische Krieg II: 8. Mai

Ich habe selten einen so traurig-bewegten Nachmittag erlebt wie heute. Und das, obwohl ich mich in den letzten sechs Monaten schon richtig an die russischen Schlager gewöhnt habe. Beim Kochen, auf der Eisbahn oder im Autor machen sie durchaus gute Laune. Nicht so heute, obwohl genau das wohl die Absicht war.

Wir waren beim „Festakt“ und „Feiertags-Konzert“ im Palast der Republik anlässlich der Eröffnung der Feierlichkeiten zum Tag des Sieges am 9. Mai. Die ganze Zeit habe ich mich gefragt, ob es daran liegt, dass wir nun mal die Deutschen sind. Sicher, das spielt eine Rolle, wohl habe ich mich nicht in meiner Haut gefühlt. Aber das war es nicht allein, mal ganz abgesehen davon, dass Russen, Weißrussen, Chinesen und alle anderen einem ohnehin unbekümmert zum Feiertag gratulieren.

Nein, vielmehr war es die Anstrengung der Belarussen, um jeden Preis und ausschließlich ein Fest aus dem Sieg zu machen. Was er zweifellos war; aber eben nicht nur. Kein Wort von den Opfern unter den Soldaten und der Zivilbevölkerung oder der deutschen Vernichtungspolitik, keine Rede von den verbrannten Dörfern und den ermordeten Juden.

Das gehört nicht in ein „feierliches Konzert“, aber ist dieses Format der Erinnerung überhaupt angemessen? Ja, vielleicht, und wenn es auch nur für die (noch immer) zahlreich anwesenden Veteranen so ist. Und doch: Wie fühlen gerade diese Menschen sich, die den Krieg erlebt haben, die dabei waren, die selbst gekämpft und gelitten haben? Ist es allein die Würdigung in diesen Tagen oder ist es nicht doch auch die bittere Erkenntnis, dass sich nicht wirklich jemand für den Krieg interessiert? Interessiert, indem nachgefragt, diskutiert und aufgearbeitet wird.

Sieht man von den wenigen Initiativen jenseits der staatlich organisierten Erinnerung ab, wie z.B. der Geschichtswerkstatt, dann gibt es eine ernsthafte, ehrliche und schonungslose Auseinandersetzung mit dem Krieg in Belarus bis heute nicht. Es müsste – neben der nationalsozialistischen Ideologie der „Untermenschen“, der Ausrottung der Juden, die einen großen Teil der Bevölkerung von Belarus vor dem Krieg ausmachten, von den Konzentrationslagern und der Zwangsarbeit – die Rede sein von den ersten Jahren der Sowjetunion mit Kollektivierung und Industrialisierung, von den „Säuberungen“ in der Armee und dem Großen Terror gegen die Bevölkerung, von der menschenverachtenden Kriegführung Stalins, von der Behandlung der Kriegsgefangenen in der Sowjetunion nach dem Krieg, von der Angst der Bevölkerung vor den Partisanen und der Glorifizierung des „Volkssieges“. Von all dem herrscht weitest gehend Schweigen.

Stattdessen singen Stars und Sternchen jedes Jahr dieselben, alt bekannten sowjetischen Kampflieder, danken Kinder ihren Großeltern für ihren Heldenmut und tanzen die Partisanen im Wald in der Vorfreude des Sieges. All das vor dem Hintergrund einer Rede des Verteidigungsministers, der die historische Linie von der Entscheidung Belarus’, im Verbund der Sowjetunion gegen den „Faschismus“ zu kämpfen zu der Wahl Lukaschenkos 1994 und den letzten Präsidentschaftswahlen im Dezember 2010 zieht. Vielleicht bin ich allein mit diesem Gefühl, aber ich hatte Mitgefühl mit den Veteranen, die noch immer instrumentalisiert werden, und mit den vielen Menschen in Belarus, die sich schon lange nicht mehr allein über den Krieg definieren. Als ich nach dem Konzert auf dem Boulevard im Stadtzentrum in der Maisonne zwischen jungen und alten Belarussen nach Hause ging, fühlte ich mich ihnen ganz nah – am Tag des historischen Sieges über das nationalsozialistische Deutschland, wie sie nach neuen Anknüpfungspunkten in ihrer Geschichte, Sprache und Kultur suchen, ohne sie bisher wirklich gefunden zu haben.

Chatyn: Museum

Der erste Raum des Museums.

Das 2004 am Eingang der Gedenkstätte an die verbrannten Dörfer in Chatyn, 30 km nördlich von Minsk, eröffnete, freilich sehr kleine Museum soll dem Besucher die historischen Informationen vermitteln, die er benötigt, um die vielschichtige Gedenklandschaft im Außengelände zu verstehen. Dies gelingt nur bedingt. Zwar sind die Gestaltung und einige Elemente durchaus modern: So werden, wie bisher nur in wenigen weißrussischen Museen, im ersten Saal mit Fotos und Dokumenten auf die Vorgeschichte des Überfalls auf die Sowjetunion verwiesen und andere Kriegsschauplätze erwähnt. Texte zur Einordnung oder Erklärung fehlen jedoch in der gesamten Ausstellung.

Der zweite Raum ist den Ereignissen in Chatyn und der Erinnerung durch die wenigen Überlebenden gewidmet. Hier findet der Besucher Kopien von Archivdokumenten, leider aber wiederum ohne Quellenverweis und Hintergrundinformation. Wer also kein historisches Vorwissen hat, wird hier keine verwertbaren Informationen finden.

Leider fehlen überall Objektbeschriftungen und erklärende Texte.

Im dritten Raum ist die Geschichte des Gedenkens am Ort in Chatyn dokumentiert. Gerne wüsste man, aus welchem Jahr das Foto mit den provisorischen Grabkreuzen am Ort des Schreckens stammt. Auch den Fotos zum Wettbewerb für die Gedenkstätte in den 60er Jahren kann man nicht entnehmen, wer sich mit welchen Entwürfen daran beteiligt hat. Eine unkommentierte Biographie des Ersten Parteisekretärs in Belarus, Petr Mascherow (1918-1980), weist auf die Diskussionen hin, die es um den Entwurf Leonid Lewins gegeben hat, dies aber auch nur dann, wenn man es schon weiß.

Insgesamt ein wichtiger Museumsstandort mit guten Absichten, jedoch noch mit viel Nachholbedarf.

Chatyn: Gedenkstätte

Übersichtsplan der Gedenkstätte

Es ist einer der ersten Frühlingstage in Belarus. Die Bäume sind zartgrün, Blumen blühen, die Vögel zwitschern. Wir wandern durch eines der zahlreichen weißrussischen Dörfer. Hier ist die Hofstelle der Novockijs (Navickis)  mit ihren sieben Kindern. Bei den Rudaks nebenan sind es drei, bei den Jackevichs sechs, der jüngste gerade mal sieben Wochen alt. In die Geräusche und Gedanken dieses stillen Nachmittags mischt sich immer wieder das zugleich friedliche wie irritierende Klingen der Glocken. Alle 30 Sekunden. Von jeder Hofstelle. Sie alle sind seit langem verwaist, ihre Bewohner im Krieg von den Deutschen umgebracht. Wir sind in Chatyn.

Chatyn ist einer der eindrucksvollsten Gedenkorte in Belarus. Ca. 30 km nördlich von Minsk gelegen, ist es zum Symbol für die im Zweiten Weltkrieg  zerstörten Dörfer in Weißrussland geworden. Im Frühjahr 1943 zerstörten Angehörige der deutschen Besatzungsarmee das Dorf in Folge eines Gefechts mit den Partisanen. Die Deutschen sperrten die Einwohner in eine Scheune und verbrannten diese mitsamt den Dorfbewohnern. Allein der Schmied Josef Kaminski und drei Kinder überlebten das Massaker.

Der Friedhof der Dörfer.

Die 1969 eingeweihte, von Leonid Lewin konzipierte Gedenkstätte setzt sich aus mehreren Elementen zusammen: Im Zentrum steht die überlebensgroße Figur des Schmieds Kaminskij, der seinen toten Sohn auf den Armen trägt. Auf dem Friedhof der Dörfer wird der 186 verbrannten, nach dem Krieg nicht wieder aufgebauten Ortschaften mit Erde aus ihrem Gebiet gedacht. Den insgesamt 9.200 zerstörten, aber wieder aufgebauten Dörfern ist ein gesondertes Denkmal gewidmet. Ein ewiges Feuer erinnert an die 2,2 Millionen Menschen, die Weißrussland im Krieg verloren hat, das ist jeder vierte Einwohner. An einer Betonwand befinden sich einzelne Gedenkstellen für die deutschen Konzentrations- und Vernichtungslager auf weißrussischem Gebiet. Die ehemaligen Hofstellen werden durch Betonplatten mit Schornsteinen symbolisiert, an denen eine Gedenktafel namentlich an ihre ehemaligen Bewohner erinnert.

Die Anlage ist eine Ausnahme in der Gedenklandschaft der ehemaligen Sowjetunion. Nicht Heldenmut und Verteidigung stehen hier im Vordergrund, sondern individuelles menschliches Leiden. So war es auch Ende der 60er Jahre keineswegs selbstverständlich, die Pläne der Wettbewerbsgewinner realisieren zu können.

Dass die Gedenkstätte gerade in Chatyn, und nicht in einem der anderen zerstörten Dörfer, errichtet wurde, hängt auch mit der Namensähnlichkeit zu dem in Russlang gelegenen Katyn zusammen, dem Ort, an dem 1940 mehrere tausend polnische Offiziere von sowjetischen Truppen des NKWD ermordet wurden. Auf diese Weise wollte man bewusst Verwirrung stiften und von den eigenen Verbrechen ablenken.

Die Internetseite der Gedenkstätte bietet auch in deutscher Sprache Hintergrundinformationen und viele Fotos.

Sanja

Nicht mehr ganz aktuell, aber noch immer kurios ist die Geschichte des Songs „Sanja ostanetsja s nami“ (Sanja bleibt bei uns). Das von der Minsker Band Rockerjocker komponierte Lied ist durch die zeitliche Nähe seiner Entstehung zu den Präsidentschaftswahlen 2010 zu großer Popularität gekommen. Von den Musikern ursprünglich als Spaß, allenfalls als Provokation erdacht, ergriff das Bildungsministerium in Belarus die Chance und sorgte dafür, dass der Song häufig und zur Prime-Time in allen Radio-Sendern gespielt wurde. Ob das wirklich stimmt, ist umstritten. Zu verlockend war der scheinbare Bezug vom Kosenamen Sanja für Alexander zu Alexander Lukaschenko, zu schön die im Song besungene heile Welt der sauberen Straßen und der verlässlichen öffentlichen Verkehrsmittel. Alles in allem eine echt weißrussische Geschichte.

 

Auf diplomatischem Parkett

Neulich bei einem Empfang in einer Botschaft eines befreundeten Nachbarlandes. Anlass war der Tag der Streitkräfte. Wenn also das Publikum bei den Veranstaltungen des diplomatischen Korps sowieso schon getrost als konservativ bezeichnet werden kann, dann gilt das bei den Events der Militärattachéstäbe umso mehr. Diesem Befund entspricht die Gepflogenheit, dass Damen und Herren den Abend mehr oder weniger getrennt verbringen, um nur gelegentlich beim Flanieren aufeinander zu treffen und auf das Wohl des Gastgebers und seiner Streitkräfte anzustoßen.

Die vertrauten Gespräche der Damen erhielten Anregung, als sich im Laufe des Abends die Gattin des Botschafters dazu gesellte. Elegant gekleidet, mittleren Alters, edles Parfum. Im Plauderton ließ sie wissen, wie sehr sie es begrüße, dass die Damen der Militärattachés jüngst Gelegenheit hatten, sich anlässlich eines Nachmittagskaffees auf Einladung der Gattin des deutschen Attachés auszutauschen. Solche kulturellen Gesellschaften seien gar nicht zu überschätzen, – eine Bemerkung, die sie mit einem charmanten Lächeln und dem Ausdruck unerschütterlicher Überzeugung allseitiger Zustimmung begleitete. Schließlich sei unser Gastgeberland diesbezüglich noch ein wenig hinter dem Mond, nur einer der Gründe, warum sie regelmäßig in die eigene Heimatmetropole reise. Nur auf diese Weise könne man verhindern, den Anschluss an Stil und Form Europas zu verlieren. Wie recht sie hat! Ich muss unbedingt mal wieder nach Kiew fahren.

Reitsportzentrum Ratomka

Eine der Reithallen in Ratomka, weitere sind im Bau.

Zugegeben, nicht für jedermann ist Reiten auch Kultur und damit ein Thema für diesen Blog. Nicht so bei mir: Ich kann nicht anders, als den Reitsport, zumal die hohe Kunst der Dressur, als Kultur zu sehen. Und so habe ich mich am letzten Wochenende aufgemacht zu einem Qualifikationsturnier der Junioren im nationalen Reitsportzentrum Ratomka.

Hier schlägt das Herz des Reitsports in Belarus, hier ist der Sitz der FEI Belarus und hier befindet sich eine der drei großen, professionellen staatlichen Anlagen des Landes. In der Tat ist alles funktional auf das Training von mehr als 400 Pferden und ihren Reitern ausgerichtet. Es gibt mehrere Hallen, deren Belegung akribisch organisiert ist, eine ganze Phalanx von Trainern verschiedener Klasse für Dressur, Springen, Vielseitigkeit und den reiterlichen Anteil im Modernen Fünfkampf.

Getragen wird das Unternehmen vom Staat, er lässt hier den Nachwuchs und die Nationalmannschaften ausbilden und trainieren. Zu diesem Zweck sind eine Tierklinik und das nationale Gestüt angegliedert, die belarussische Trakehner hervorbringt. Dass dies nicht das Zuchtniveau ist, das man sich wünscht, darüber sind sich Trainer, Funktionäre und Reiter einig und so findet man auch hier zahlreiche Hannoveraner, Oldenburger und andere deutsche Warmblüter. International erfolgreich im Dressursport war bisher nur Iryna Lis für Belarus.

Das Außengelände in Ratomka, leider mit tiefem Sandboden.

Ganz allmählich löst sich der Reitsport aus der staatlichen Anbindung bzw. baut eine parallele Struktur auf. Private Anlagen entstehen, Sponsoren engagieren sich für den Sport. Von Breitensport kann hier, wie zum Beispiel auch in Russland, keine Rede sein. Was zu sowjetischen Zeiten fast ausschließlich im Rahmen nationaler Sportförderung existierte, ist heute ein Sport für die Reichen und noch immer vergleichsweise weniger Profis.

Totengedenken

Heute ruht der Alltag in Belarus zugunsten der Toten. Radunica/Radonica , wie der heutige religiöse Feiertag heißt, ist im slawischen, insbesondere dem russischen Kulturraum dem ersten Totengedenken, am 9. Tag nach den Osterfeierlichkeiten, gewidmet. Die russisch-orthodoxe Kirche unterstützt diesen Feiertag, der jedoch auch auf heidnische Traditionen zurückgeht.

Es ist Brauch, an diesem Tag zu den Gräbern auf den Friedhöfen zu fahren und den Sieg des Lebens über den Tod zu feiern. Viele Angehörige begehen diesen Tag mit zum Teil ausgelassenen Festen auf den Friedhöfen, wiederum zum Befremden derjenigen, die die stille Trauer vorziehen.

Radunica ist ein arbeitsfreier, wenngleich auch kein staatlicher Feiertag. Die öffentlichen Verkehrsmittel zu den Friedhöfen, die oft weit außerhalb der Städte liegen, fahren in verstärktem Aufkommen und auch die Polizei ist zu höherer Wachsamkeit aufgerufen.

Neues vom Museumsviertel Minsk

Seit längerem bereits ist rund um den Standort des Nationalen Kunstmuseums (Leninstraße 22/Kirovstraße 25) ein Museumsviertel geplant. Nun meldet der „Minsker Kurier“ (29.4.2011) neue Aktivitäten zu dessen Realisierung, die bis 2017 abgeschlossen sein sollen.

In den Gebäuden wurden nach dem Krieg Bewohner der Stadt untergebracht. Derzeit sind dort Büros des Museumspersonals untergebracht. Für Ausstellungszwecke sind die Bereiche eher ungeeignet. Durch Umbau- und Restaurierungsmaßnahmen in der Kirovstraße sollen die Räume als Depot und Bibliothek nutzbar gemacht werden. Die schon jetzt dort befindlichen Gästezimmer für das Museum sollen erhalten bleiben. Das Gebäude erhält eine neue Etage, die nach derzeitigem Planungsstand einem Kunstatelier für Kinder überlassen werden soll. Bisher für die Administration genutzte Räume in der Leninstraße sollen dann als Ausstellungsbereich zur Verfügung stehen.

Das neue Museumsquartel. Quelle: http://mk.by/ (29.4.2011)

Speziell für den Ausbau zu einem Museumsquartal erhält das Museum zusätzlich das Gebäude des ehemaligen Wohnhauses der Staatlichen Belarussischen Universität in der Karl-Marx-Straße 24, das perspektivisch die nationale Kunst von Belarus sowie ein Café und einen Museumsshop beherbergen soll. Im Café plant der Direktor des Museums, Vladimir Prokopcov, eine zusätzliche Fläche für Sonderausstellungen von Werken sowohl professioneller Künstler als auch von Studenten. Während es tagsüber nur den Besuchern des Museums offen stehen soll, wird es abends von der Straße aus öffentlich zugänglich sein.

Alle Gebäude des zukünftigen Kulturstandortes sollen untereinander verbunden sein und im Innern einen gemeinsamen Hof bilden, der als Ort der Begegnung und Kommunikation geplant ist. 2012 starten die ersten Baumaßnahmen, die abschnittsweise fertig gestellt werden sollen. Als Vorbilder für das, zumal in Zeiten akuter Devisenknappheit wahrlich ambitionierte Projekt werden Wien, Berlin und Amsterdam genannt.

Kulturoffensive

Gemäß verschiedener Präsidialbeschlüsse, zuletzt von September und Oktober 2010, ist eine umfassende strukturelle Erweiterung des Museumsbereichs in Minsk vorgesehen. Neben der bereits begonnenen Neukonzeption des Museums der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges, ist die Konzeption und Realisierung eines Zentrums für Zeitgenössische Kunst geplant sowie ein Museumsviertel um das Nationale Kunstmuseum.

Die genannten Vorhaben sind im Kontext mit dem staatlichen Programm zur Förderung der „Kultur Belarus“ für die Jahre 2011-2015 zu sehen. Während die Planungen für das neue militärhistorische Museum schon seit zwei Jahren laufen, befinden sich die Projekte rund um das Museumsquartal in der Grobplanung durch das Kulturministerium, zusammen mit städtischen Behörden. Ein konkretes Gebäude ist bereits ebenso vorgesehen wie die finanzielle Unterstützung des Sponsors Priorbank.

Sowohl der Umfang als auch die Komplexität der einzelnen Teilprojekte zeigen, dass der Kultur, und speziell der Museumslandschaft, in der Strategie der belarussischen Politik eine bedeutende Rolle zukommt. Dies ist zum einen an dem vorgesehenen erheblichen finanziellen Volumen erkennbar, zum anderen an der Benennung der Zielgruppen. Die Projekte richten sich, mit unterschiedlichen Schwerpunkten, an die belarussische Gesellschaft, insbesondere Jugendliche, sowie die internationale Öffentlichkeit. Damit verbunden ist das nach innen gerichtete Ziel, die eigene kulturelle Identität zu stärken sowie die nach außen orientierte Absicht, über die Verbreitung der weißrussischen Kunst, Kultur und Geschichte den Anschluss an die europäische Kultur- und Erinnerungslandschaft auszubauen.

Minsk in alten Postkarten

Diese alte Postkarte zeigt das Hotel „Europa“. Quelle: Website des MK.

Auf der Website der Tageszeitung „Minsker Kurier“ werden 130 historische Fotografien bzw. Postkarten von Minsk bereitgestellt. Nicht alle sind von gleicher Qualität, einiges wiederholt sich, aber das Durchblättern ist eine Zeitreise an vertraute Plätze der Stadt. Schade nur, dass es weder Datierungen noch genaue Ortsangaben gibt.

Darüber hinaus lohnt ein Blick in die Rubrik „Geschichte“ der Zeitung, die interessante, kuriose und überraschende historische Begebenheiten aufgreift.